Biografin meines Herzens - Cassidy Starr - E-Book

Biografin meines Herzens E-Book

Cassidy Starr

0,0

Beschreibung

Als Ellena von der bekannten Influencerin Valentina beauftragt wird, als Ghostwriterin deren Biografie zu schreiben, ist sie hin- und hergerissen. Einerseits würde ihr der Job Spaß machen, andererseits kann sie mit überheblichen Sternchen in schmucken Kleidern, die zu viel Haut zeigen, nichts anfangen. Ihr ist es ohnehin ein Rätsel, warum gerade sie als Ghostwriterin infrage kommt – wo sie doch eine unbedeutende Journalistin ist. Beim ersten Treffen mit der bezaubernden Valentina wird Ellena jedoch klar, dass Val und sie eine gemeinsame Vergangenheit verbindet …

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 147

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Starr

Inhaltsverzeichnis

Biografin meines Herzens

Biografin meines Herzens

Impressum

Über die Autorin

Biografin meines Herzens

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Programm

(Un)Fair Play

Trans-parent

Friedenszeit

Friedensboten

Friedensfreunde

Cassidy Starr

Roman

© Cassidy Starr, Biografin meines Herzens

© HOMO Littera

Am Rinnergrund 14/5, A-8101 Gratkorn,

www.HOMOLittera.com

E-Mail: [email protected]

Grafik und Gestaltung: Rofl Schek

Cover: Smiling businesswoman portrait © stokkete – stock.adobe.com

Princess in luxury © ASjack – stock.adobe.com

Kapitel: Heart © Schmidsi – Pixabay.com

Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages gestattet.

Originalausgabe: Dezember 2022

ISBN Print: 978-3-99144-000-0

ISBN PDF: 978-3-99144-001-7

ISBN EPUB: 978-3-99144-002-4

ISBN PRC: 978-3-99144-003-1

Über die Autorin

Cassidy Starr ist eine niederösterreichische Autorin mit einem zweiten Lebensschwerpunkt in Wien. Sie wurde von Star Trek TOS, diversen Fantasy-Autoren und Victoria Holts Romantik-Thrillern beeinflusst, die sie als Kind in der Bibliothek ihrer Mutter verschlang. Auch heute kann sie Bücher nicht zur Seite legen, selbst wenn am nächsten Morgen der Wecker früh klingelt.

Cassidy Starrs Texte sind oft erotisch, manchmal weniger romantisch, geizen jedoch nie mit dem von ihr heiß geliebten Drama.

Veröffentlichungen bei HOMO Littera:

Sirus B: Mission Namtia (Heft 2), Soft-SF, Herbst 2016

(Un)Fair Play, Gay Erotic, Herbst 2017

Felix’ erste Liebe in: Einfach weg, Anthologie, Winter 2018

Trans-parent, Roman (transsexuell), Winter 2019

Erkenntnis in: Friedenszeit, #Miteinanda für die Ukraine, Benefizanthologie, Herbst 2022

Der erste Kuss in Friedensfreunde, #Miteinanda für die Ukraine, Benefizanthologie, Winter 2022

1

Er saß nicht richtig. Verdammt!

Ellena kämmte sich eilig mit den Fingern durch die Stirnfransen. Der Pony stand ihr nicht einmal übermäßig, er sah aber noch besser aus als ihre anderen Frisuren bisher.

Sie machte einen Schritt zurück und musterte sich. Sie war, was Menschen gemeinhin eine „graue Maus“ nannten. Nicht, dass sie damit ein Problem hatte, sie liebte Tiere, und kleine Nager waren da keine Ausnahme. Es war aber eine ganz andere Sache, wenn sie sich mit einer Stilikone treffen musste, um diese für sich zu begeistern. Wie sie als Ghostwriterin überhaupt ins Gespräch gekommen war, wusste sie nicht.

Ellena fand, dass sie recht hübsch aussah. Das hatte sie schon immer gedacht. Allerdings hatte sie auch stets zwischen hübsch und schön unterschieden. Schön waren so manche Schauspielerinnen oder ein paar Sängerinnen … und die junge Frau, deren Lebensgeschichte sie in Worten festhalten sollte.

Sie musste objektiv bleiben, riet sie sich erneut, aber sie konnte nicht ändern, dass sie sich ein weiteres Mal die Frage stellte: Wozu mit 27 schon eine Biografie? Natürlich war das Alter bei Onlinestars anders bemessen als bei anderen. Galt man als Künstler mit dreißig noch als jung, war man als Influencer bereits steinalt und Schnee von gestern. Dass Valentina immer noch so beliebt war, lag wohl weniger an den jugendlichen Followern als der breiten Masse, die sie als „echte“ Celebrity akzeptierte. Sie hatte immerhin von Anfang an die Fühler nach „wirklichen“ Jobs wie Gastauftritten in Fernsehserien und Hörbüchern ausgestreckt – und das verpönte Reality-TV dabei geschickt übergangen.

Zumindest waren das die Informationen, die sich Ellena aus dem Netz gezogen hatte, um sich auf das erste Treffen vorzubereiten. Auch wenn es nur ein Job als Ghostwriterin war, ergab sich so eventuell mehr: eine Berichterstattung in Zeitschriften oder anderen Printmedien. Sie hatte nämlich das Gefühl, dass aus Valentina der weibliche Daniel Brühl werden könnte, der es aus dem Schatten der deutschen Daily Soaps bis zu den populärsten Hollywoodstreifen geschafft hatte. Wenn Ellena es richtig anstellte, konnte sie im Windschatten der schönen Frau ebenfalls aufsteigen – und daran war rein gar nichts verwerflich. In den Medien wusch eine Hand die andere.

Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Das A und O einer Vorstellung waren Manieren – man kam weder zu früh noch zu spät. Valentina war ungefähr in ihrem Alter, deswegen hatte sie kein Verständnis für die Verspätung. Einem Jugendlichen hätte sie diese vielleicht nachgesehen, aber niemandem über 20. Immerhin war man dann bereits erwachsen und musste Verantwortung für seine Entscheidungen übernehmen. Davon abgesehen, war es Valentina, die etwas von ihr wollte. Gut, sie würde sie für ihre Dienste bezahlen und war damit mehr oder weniger ihre Chefin, aber noch waren keine Verträge unterschrieben. Noch konnte sie absagen oder sogar wieder verschwinden, ehe Valentina überhaupt auftauchte.

Ellena seufzte. Was hatte sie sich von einer Influencerin erwartet?

Gerade als sie sich in Gedanken über die Unverlässlichkeit der jüngeren Generationen aufregte, öffnete sich die Aufzugtür und ihre Verabredung kam mit einem zufriedenen Lächeln in das Hotelcafé stolziert.

Ellena studierte sie genau, ehe die fremde Frau sie entdecken und sich von ihrem eindringlichen Blick belästigt fühlen konnte. Valentina war in einen Hauch von Nichts gekleidet und sah dabei doch elegant aus. Allerdings konnte sich Ellena nicht vorstellen, dass irgendeine Kleidung eine derart schöne Frau verunstalten konnte – von Leichenteilen einmal abgesehen, die sie an jedem als widerlich empfand. Zum Glück trug Valentina nichts dergleichen und hatte auch überraschend wenig Schmuck angelegt. Das überraschte sie, denn Influencer verdienten ihr Geld damit, sich mit diversen Sachen zu behängen, sich damit abzulichten und dann mit schleimerischem Lob online zu stellen, um ihre Follower zum Einkaufen zu verführen.

„Hallo!“, rief Valentina aus heiterem Himmel und riss einen Arm hoch, um ihr zuzuwinken.

Na, großartig! Ihre Interviewpartnerin war also eine von den hyperfröhlichen Menschen, die jedem anderen im Raum die Show stahlen – nicht, dass Ellena ihren Platz im Schatten nicht genossen hätte, nur so konnte man alles genau beobachten und danach detailreiche Beschreibungen verfassen. „Guten Morgen! Ich dachte schon, Sie würden mich versetzen“, erklärte sie so höflich wie nötig, wenn auch ein wenig vorwurfsvoll. Sie erhob sich kurz, um dem Ankömmling die Hand zu schütteln. „Schön, dass Sie es noch einrichten konnten.“

„Hallo! Valentina oder Val – mit Ä ausgesprochen.“ Die junge Frau zog den Stuhl gegenüber Ellena zurück, stützte sich danach aber nur auf die Lehne und warf ihr ein verlegenes Lächeln zu. „Entschuldigen Sie die Verspätung! Ich war schon auf dem Sprung, als ich einen sehr wichtigen Anruf erhalten habe. Leider konnte ich nicht darauf verzichten, das Telefonat zu führen.“

„Sie telefonieren noch?“, fragte Ellena ebenso neugierig wie professionell. Immerhin konnte das ein spannendes Detail in ihrer Geschichte werden – und egal, was andere dazu auch meinten, sie war fest davon überzeugt, dass selbst die ernsteste Autobiografie immer auch zum Teil ein Märchen war. „Mit einem waschechten Telefon, Handy oder doch eher übers Internet?“

„Sie werden es nicht glauben, aber mein Manager hat mich am Hoteltelefon angeklingelt.“

„Das ist interessant. Ich merke mir das für unsere … eventuelle Zusammenarbeit.“

„Sieh mal einer an!“, rief Valentina und setzte sich nun ebenfalls. „Sie sind also schon am Planen des Buches! Hervorragend!“

Nachdem die junge Frau Platz genommen hatte, strich sie sich sorgsam die Falten aus dem Kleid. Die Farbe des Stoffes erinnerte an einen Pfirsich und ließ ihre goldene Haut noch mehr strahlen. Sie schmeichelte auch ihrer Figur. Der Schnitt ließ tiefe Blicke auf die wohlgeformten Brüste zu …

Sie konzentrierte sich zu sehr auf Äußerlichkeiten, machte sich Ellena klar und tadelte sich dafür in Gedanken. Ihr Gegenüber mustern, konnte sie auch anhand der tausenden Bilder online oder ihrer Clips, Videos und der Fernsehshow, die sie als Co-Host moderierte. Dafür interessierte sich die spätere Leserschaft nicht im Buch. Das konnte diese online oder in den Videotheken der TV-Stationen erledigen.

„Ich versuche, bei allen meinen Arbeiten so professionell wie möglich zu sein. Also ja, mich interessieren in Ihrem Fall auch so manche Details. Nur damit kann man einen Text authentisch machen.“

„Dann möchte ich mich erneut für meine Verspätung entschuldigen. Habe ich Sie denn lange warten lassen?“

Ellena warf einen Blick auf ihr Gelenk und antwortete wahrheitsgemäß: „Zwölf Minuten, denke ich.“

„Eine Armbanduhr! Wie schick!“

Nun ja, das war nicht das Wort, mit dem Ellena das uralte Ding bezeichnet hätte. Es war allerdings seit über zwanzig Jahren ihr steter Begleiter und ohne das Kunststoffgemisch an ihrem Gelenk, hatte sie nicht das Gefühl, unterwegs zu sein. Die Uhr war nicht umsonst in der Schlüsselschale, damit sie nicht darauf vergaß, sie anzulegen. Als ob ihr das je passiert wäre!

Das war allerdings ein Gedankengang, den sie sich für einen späteren Zeitpunkt aufheben sollte. Im Moment war es wesentlich, sich auf das zu konzentrieren, was ihr Gegenüber erzählte. Sie musste einfach einen guten Eindruck machen.

Ellena überlegte schnell und erwiderte: „Danke schön! Andere würden es ,oldschool‘ nennen, noch eine Armbanduhr zu tragen. Sie wahrscheinlich auch?“

„Nicht im Geringsten, nein.“ Valentina lächelte sie belustigt an und warf ihre blonden Locken hinter die Schultern. Sie schimmerten im Sonnenlicht auf. Jeder Shampoo-Hersteller hätte diesen Anblick gerne für die nächste Werbepause aufgezeichnet. „In Wahrheit bin ich sehr altmodisch. Wahrscheinlich bin ich eine der letzten Personen auf diesem Kontinent, die noch einen Videorekorder und unzählige Kassetten besitzt. Gekaufte und selbst aufgenommene, versteht sich.“

„Auch das vermerke ich vorsichtshalber schon mal hier oben.“ Ellena tippte an ihre Schläfe und lächelte Valentina an. „Wenn Sie Videorekorder gut finden, gehe ich davon aus, dass die nächste Retrowelle uns erneut mit VHS beglücken wird, so wie die letzte mit Vinyl.“

„Wenn es so wäre, würde mich das sehr freuen! Meine Hand dafür ins Feuer legen, würde ich aber nicht.“

„Dann sind Sie also wirklich nostalgisch veranlagt und lieben analoge Dinge … Armbanduhren, Videos… aus eigenem Interesse und nicht nur als Gag für Ihre Follower?“

„Ich belüge meine Follower nicht“, stellte Valentina sofort klar. „Deswegen finde ich viele Neuerungen beim Posten sehr gut. Etwa die Pflicht, alles als Werbung anzuführen. Das finde ich fair. Nichts anderes ist es, was wir machen. Das Gegenteil zu behaupten, wäre reine Idiotie.“

Ellena nickte und prägte sich auch diese Aussage ein. Die junge Frau war in der Tat interessanter, als sie befürchtet hatte. Wenn es so weiterginge, würde die Zusammenarbeit für beide Seiten spannend werden. Das versüßte ihr die bevorstehende Arbeit sehr.

Noch griff sie aber zu weit voraus. Dieses Treffen sollte ihnen beiden ein erstes Schnuppern ermöglichen, um die Zusammenarbeit notfalls abzublasen, ehe eine der Parteien bereits Arbeit in das Projekt gesteckt hatte. Von Ellenas Seite aus konkretisierte sich aber bereits ein großes Ja in ihrem Herzen. Es lag nicht nur an der erfreulichen Tatsache, dass Valentina sich gut auszudrücken wusste, es konnte nur noch an der jungen Frau selbst scheitern.

„Wir haben nun schon etwas über Sie gesprochen“, wechselte Ellena das Thema und nahm einen Schluck Tee, weil ihre Kehle zu trocken geworden war. „Gibt es etwas, das sie über mich wissen möchten?“

„Ich habe meine Hausaufgaben gemacht“, antwortete Valentina und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Ihr Lächeln war triumphal. „Ich weiß bereits alles über Sie, das ich wissen muss.“

„Tatsächlich?“

„Halten Sie mich für dumm, nur weil ich mein Geld mit Bildchen verdiene?“

„Meine Bemerkung hat nichts mit der Durchschnittsintelligenz Ihres Berufsstandes zu tun, eher mit der Tatsache, dass Sie sich für mich als Ghostwriterin entschieden haben. Es gibt weiß Gott talentiertere Autorinnen als mich … oder erfolgreichere Journalistinnen. Dass Sie auch noch eine Frau in Ihrem Alter gewählt haben, sagt einiges über Ihre Berater aus.“

„Ach? Was denn?“

„Dass Sie neue brauchen“, gestand Ellena ohne Scheu. „Es stimmt schon, da wir gleichaltrig sind, kann ich mich besser in Ihren Jargon einschreiben als eine ältere Kollegin, aber jemand mit höherem Alter wäre bestimmt besser geeignet, um vorauszusagen, welche Ihrer bisherigen Erlebnisse auf lange Sicht die größten Auswirkungen auf Ihr späteres Leben haben werden.“

„Wir schreiben doch aber meine Biografie über mein bisheriges Leben. Ich bin auch nicht völlig naiv. Mir ist durchaus bewusst, dass meine Karriere vielleicht schon in zwei Jahren vorbei sein kann und kein Hahn mehr nach mir krähen wird.“

Ellena wunderte sich erneut über die etwas antiquierte Ausdrucksweise ihres Gegenübers. Von einer Influencerin hatte sie eine Bemerkung wie „Bald scheißt keiner mehr in meine Richtung!“ oder etwas in der Art erwartet. Was sollte ihr das sagen? Bemühte sich die junge Frau etwa, Liebkind bei ihr zu machen? Aber wieso? Sie war eine der unbedeutendsten Journalistinnen im deutschen Sprachraum. Sie war objektiv genug, um sich dessen bewusst zu sein. Es gab also keinerlei Grund, sich bei ihr einzuschmeicheln.

„Sie haben aber doch Berater?“, fragte sie mit hochgezogener Augenbraue.

„Ich habe einen Manager … aber ich höre selten auf das, was er mir sagt. Bisher bin ich recht gut damit gefahren. Nur bei meinem Pseudonym habe ich ihm völlig freie Hand gelassen.“

„Gut, dann möchte ich Sie jetzt ganz offen fragen: Möchten Sie wirklich mit mir und nur mit mir an diesem Projekt arbeiten?“

„Absolut!“ Valentina nickte voll Elan, und ihre Locken sprangen dabei auf und ab.

Verdammt! Ellena biss sich auf die Lippe. Sie musste bei der Sache bleiben – so schön war ihr Gegenüber nun auch wieder nicht …

Doch, war es, aber Ellena war ebenso professionell und ließ sich nicht vom Aussehen ihrer Gesprächspartner ablenken. Immerhin hatte sie schon einmal Jared Leto getroffen und war dabei sachlich geblieben. Allerdings war dieser nach einer Minute wieder verschwunden und hatte sie nicht lange mit seiner Herrlichkeit verführt. „Dann ist von meiner Seite aus eigentlich alles geklärt. Ich möchte nämlich auch an dem Projekt teilnehmen.“

Valentina nickte ihr zu, verschränkte aber die Arme vor der Brust. „Gut, dann muss ich nur noch eines von Ihnen wissen …“

„Gerne!“

Einen Moment ließ Valentina sie zappeln, dann lachte sie auf und schüttelte den Kopf. „Erkennst du mich wirklich nicht?“

Ellena blinzelte sie verwirrt an. Sie hatte keine Ahnung, was die Frage bedeutete. Es stimmte, etwas an der jungen Frau kam ihr bekannt vor, aber sie konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, der berühmten „Val“ schon einmal über den Weg gelaufen zu sein. Deswegen brachte sie auch nichts weiter als ein verdutztes „Ähm“ heraus.

„Ich bin’s!“, rief Valentina für den öffentlichen Raum unverschämt laut aus. „Marie! Marie Raichenbach. Wir waren zusammen in der dritten und vierten Klasse Hauptschule!“

Ellena versteifte sich sofort. Marie war für einen Lebensabschnitt ihre allerbeste Freundin gewesen, und sie hatte sie nie vergessen. Aber das Mädchen aus ihrer Erinnerung und die Frau ihr gegenüber wollten einfach nicht zusammenpassen. Nur die Augen … die Augen … „Das kann doch gar nicht sein …“

„Willst du die Narbe an meinem rechten Oberschenkel sehen?“, fragte Valentina und erhob sich von ihrem Sessel. „Das Kleid ist kurz. So weit kann ich es hochziehen, ohne dass mich die Polizei wegen Unzüchtigkeit hopsnimmt.“

„Warte, warte, warte!“ Ellena sprang ebenfalls auf, packte sie an den Armen und zog sie wieder auf ihren Platz zurück. „Ich glaube es dir ja! Ich glaube es! Aber … wow … Du hast dich ganz schön verändert.“

„Stimmt, auffallend. Du dich aber nicht so sehr. Du bist immer noch wunderhübsch.“

Ellena hätte fast gelacht, so lächerlich klang das Kompliment aus dem Mund einer so schönen Frau. „Genau das höre ich jeden Tag hundertmal.“

„Zu Recht!“, ignorierte Valentina die Ironie und lächelte dabei. „Du warst immer schon viel attraktiver als ich.“

„In Bizzaroworld, oder wo? Ich bin doch die Wörterbuchdefinition einer grauen Maus.“

„Weil du das sein willst“, blockte Valentina ab. „Du warst immer schon wunderschön. Nur dein Kleidungsstil sah von Anfang an so aus, als hätte ein Nachkriegsmaler für dich die Stoffe entworfen.“

„Moment mal …“ Aber konnte sie das wirklich abstreiten? Die fröhlichste Farbe, die man je an ihr gesehen hatte, war ein helles Blau gewesen. Ansonsten liebte sie ihr Grau, Schwarz und Ocker. Trotzdem nervte sie Valentinas Beharren darauf, dass sie besonders schön war. Noch mehr beschäftigte sie aber ein Verdacht. „Dann hast du mich also als Ghostwriterin ausgesucht, weil wir uns kennen?“

„Das kann doch nur von Vorteil für das Buch sein, oder?“

„Na ja … das kann man so oder so sehen. Einerseits habe ich natürlich bereits ein nicht unwesentliches Wissen über dich und deine Persönlichkeit … andererseits darfst du nicht vergessen, dass unsere Freundschaft …“

„Also, um das hier abzukürzen: Wenn du keine wesentlichen Bedenken hast, würde ich das Projekt ,Biografie‘ gerne mit dir zusammen starten.“

„Ich natürlich auch!“ Ellena streckte sofort die Rechte aus, damit sie ihre Abmachung mit einem Handschlag besiegeln konnten. „Es würde mich wirklich freuen! Natürlich nicht nur wegen der Arbeit.“

„Das will ich hoffen.“ Valentina lächelte fröhlich. „Tja, das war es für heute auch schon. Tut mir leid, aber der Wiedersehenstrunk muss auf die erste Interview-Session verschoben werden. Ich habe vorhin ein Angebot bekommen, das ich nicht abschlagen konnte … Langer Rede kurzer Sinn: Ich bin das Wochenende über in Paris.“

„Wow! Das Leben einer Jetsetterin!“

„Wer hätte das gedacht? Aber als Reporterin geht es dir wahrscheinlich nicht anders.“

Wenn sie wüsste! Ellena wollte das erfreuliche Wiedersehen nicht mit Erzählungen aus ihrem langweiligen Berufsalltag verderben, das konnten sie sich auch noch für den ersten der vielen längeren Interviewtermine aufheben. „Ich freue mich wirklich sehr über unser Treffen!“ Sie bemerkte erst jetzt, dass sie Valentinas Hand immer noch in ihrer hielt.

Guter Gott, sie bekleckerte sich nicht gerade mit Ruhm! Allerdings hätte ihr Gegenüber von selbst loslassen können.

Alles war gut, redete sich Ellena schnell ein und versuchte, noch breiter zu lächeln. „Vielleicht können wir dann auch über alte Zeiten quatschen.“

„Das wäre wunderbar! Darauf freue ich mich schon.“ Valentina nickte ihr freundlich zu und schaute an ihr vorbei zu der großen Anzeigetafel. „Schade, dass ich es bereits eilig habe. Man sieht sich, beziehungsweise ich melde mich, sobald ich einen Termin weiß.“

„Ja, gut! Auf Wiedersehen!“

„Bis bald!“

Damit stolzierte Valentina überraschend flink für ihre hohen Stöckelschuhe davon und ließ Ellena überrumpelt zurück. Trotzdem hatte sie ein verdammt gutes Gefühl bei der Sache. Der Job als Ghostwriterin war bestimmt doppelt so einfach, wenn man sich schon von der Schulzeit kannte. So musste sie sich nicht erst in den Charakter einleben. Ellena dachte sogar bei sich, dass niemand Valentina als Teenager besser gekannt hatte als sie.