Bismarck - Dirk Müller - E-Book

Bismarck E-Book

Dirk Müller

0,0
3,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Für die einen war er der größte Kanzler, den Deutschland jemals hatte, andere stilisierten ihn zum "Dämon", der direkt oder indirekt für nahezu alles mitverantwortlich gemacht wurde, was in der deutschen Geschichte später schief ging. Diese moderne Biographie will ein differenziertes Bild dieser schillernden Persönlichkeit entwerfen. Sie greift die heutigen Forschungsergebnisse auf, erzählt das Leben Bismarcks zudem auf spannende, verständliche Weise. Mit vielen, z. T. farbigen Abbildungen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Dirk Müller

Bismarck

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Bismarck

 

Dirk Müller

 

 

Vorbemerkung – »Dämon« oder »Überkanzler«?

Doch einer noch. Alldeutschlands Schafe bähen, der Schaefer vorneweg: »Ein Bismarck fehlt!« Wer weiß, wenn sie ihn heut regieren sähen ...

Kurt Tucholsky

Verehrt, gefürchtet und gehasst: Bismarck als Reichstagsredner

Für die einen war er der größte Kanzler, den Deutschland jemals hatte, andere stilisierten ihn zum »Dämon«, der direkt oder indirekt für nahezu alles mitverantwortlich gemacht wurde, was in der deutschen Geschichte später schief ging.

Paradies und Prügel: das Kind

In der Schule streng erzogen: Otto von Bismarck als etwa 11-Jähriger

Der Vater: alter Adel, die Mutter: eine Bürgerliche.

Im Deutschland des 19. Jahrhunderts ist das eine ungewöhnliche Herkunft. Sie hat Bismarck sicher geprägt, inwiefern sie seine politischen Ziele bestimmt hat, ist unklar. Sein Bruder führte mit gleichem Hintergrund ein unspektakuläres Leben. Dennoch weist auch Bismarck selbst in seinen Erinnerungen ausdrücklich auf diese Konstellation hin, im Bestreben, seinen liberalen Kritikern von vornherein ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen – galt er ihnen doch zeitlebens als engstirniger preußischer Junker und adliger Reaktionär. Indessen gibt er selbst zu, dass seine Mutter von seiner Politik nicht begeistert gewesen wäre.

Preußen (blau) um 1815

Geboren wurde er am 1. April 1815 im Schloss Schönhausen nahe der Elbe bei Stendal in der preußischen Provinz Sachsen als Sohn des Rittmeisters Karl Wilhelm Ferdinand von Bismarck (1771–1845) und dessen Ehefrau Luise Wilhelmine, geb. Mencken (1790–1839). Die Familie Mencken hatte in der Vergangenheit Gelehrte und Beamte hervorgebracht.

1816 übersiedelte die junge Familie, ohne Gut Schönhausen aufzugeben, nach Gut Kniephof im Landkreis Naugard in Hinterpommern. Kniephof bezeichnete Bismarck später als Paradies seiner Kindheit, ein Paradies, das nicht auf Dauer währte. Im Park des Gutshofs begründete sich seine Liebe zur Natur, die ihm sein Leben lang erhalten blieb.

Verlorenes Paradies: der heruntergekommene Gutshof bei Naugard 2012 (Bild: Shrink)

Vom Vater erbte er den Stolz auf seine adlige Herkunft, darüber hinaus natürlich auch die ständischen Privilegien und die entsprechenden Güter; die Mutter gab ihm nicht nur den blendenden Intellekt mit, sondern wahrscheinlich auch den Wunsch (oder Druck), seinem Herkunftskreis, dem bodenständig-biederen Landadel, zu entkommen. Bismarck hatte es seiner Mutter zu verdanken, dass er eine Bildung genoss, die für einen Landedelmann sehr intellektuell war. Ihre Söhne sollten nicht nur »Junker« sein, sondern in den gehobenen Staatsdienst eintreten. Bismarcks Weg dahin war jedoch nicht geradlinig, wegen einer Liebesaffäre wäre er beinahe nie Politiker geworden.

Im Alter von sechs Jahren endete des jungen Bismarcks Kindheitsglück.

Denn es begann seine schulische Ausbildung – auf Wunsch der Mutter in der preußischen Hauptstadt Berlin, und zwar in der Plamannschen Erziehungsanstalt. Dieses Internat, in das hohe Beamte ihre Söhne schickten, war ursprünglich im liberalen Geist von Johann Heinrich Pestalozzi gegründet worden. Zur Zeit Bismarcks war diese Reformphase jedoch beendet – und die Erziehung geprägt von eisernem Drill. Den Übergang erlebte das Kind als Katastrophe. Bismarck hat das später selbst deutlich gemacht. Wie ein »Zuchthaus« sei ihm die Anstalt vorgekommen, seine Kindheit habe sie ihm »verdorben«. Das sollte festgehalten werden: Ausgerechnet der »eiserne« Kanzler, eine Ikone des Preußentums, beklagt sich bitter über seine allzu strenge Erziehung!

In dieser Zeit prägte sich wahrscheinlich sein Unwillen aus, Autoritäten anzuerkennen. Allerdings waren es seiner Aussage nach auch gerade bürgerliche, adelskritische Autoritäten, die ihn drangsaliert haben sollen. Wird hier schon der spätere »weiße« (adelige) Revolutionär (Gall) vorgeprägt? Es ist zumindest nicht unwahrscheinlich.

1827 wechselte Bismarck nach Auflösung der Plamannschen Anstalt auf das Berliner Friedrich-Wilhelms-Gymnasium, ab 1830 besuchte er bis zum Abitur 1832 das bekannte humanistische Berlinische Gymnasium zum Grauen Kloster. Außer in Bezug aufs Altgriechische, das Bismarck überflüssig fand, zeigte er sich in der Schule als ausgesprochen sprachbegabt, seine Französisch- und Englischkenntnisse waren zeit seines Lebens sehr gut. Es waren die lebenden Fremdsprachen, die Sprachen der internationalen Diplomatie, die es ihm angetan hatten.

Der Student und Referendar

Bismarck als junger Student in Göttingen (aus dem Gedächtnis gezeichnet von Christian Wilhelm Allers, 1893)

Eigentlich wollte Bismarck in Heidelberg studieren. Doch dagegen hatte seine Mutter etwas: Sie fürchtete, ihr Sprössling könne sich dort das grässliche Biertrinken angewöhnen. Wider einmal setzte sich die Frau Mama durch. Nach dem Abitur nahm Bismarck als Siebzehnjähriger das Studium der Rechtswissenschaften auf (1832–1835), zunächst an der Universität Göttingen (1832–1833). Die politischen Unruhen im Gefolge der Julirevolution (Hambacher Fest, Frankfurter Wachensturm) lehnte er zwar ab, ohne sich allerdings sonderlich hervorzutun. Er schloss sich nicht den damals noch oppositionellen Burschenschaften, sondern der schlagenden, konservativen Studentenverbindung Corps Hannovera Göttingen an. Er blieb zeitlebens dem Corps verbunden. Er galt als guter Fechter – so wie später mit Worten.

An den Burschenschaften kritisierte er ihre angebliche »Weigerung, Satisfaktion zu geben, ihr[en] Mangel an äußerlicher Erziehung und an Formen der guten Gesellschaft, bei näherer Bekanntschaft auch die Extravaganzen ihrer politischen Auffassungen, die auf einem Mangel an Bildung und an Kenntnis der vorhandenen, historisch gewordenen Lebensverhältnisse beruhten«. So formuliert ein konservativer Aristokrat.

Andererseits bezeichnete er sich selbst als keineswegs nur monarchisch oder gar absolutistisch gesinnt. Kontrolle des Monarchen durch das Parlament und Pressefreiheit, so beteuert er lange Zeit später in seinen Memoiren, seien immer Bestandteil seiner politischen Vorstellungen gewesen, schon um den Einfluss von Hofschranzen und »Weibern« auf den Monarchen zu begrenzen.

Allerdings: Diese Äußerungen sind alle aus späterer Zeit überliefert. Kolb merkt an, es sei erstaunlich, dass aus dieser Studentenzeit keinerlei Zeugnisse über sein politisches Denken erhalten sind.

Geschichte und Literatur interessierten ihn, das Jurastudium allenfalls als Mittel zum Zweck. Er sagte, er studiere »Diplomatie«. Der gutgemeinte Versuch der Mutter, den Sohnemann vom Alkoholkonsum fernzuhalten, muss allen Zeugen zufolge als gescheitert angesehen werden. Völlerei wird später noch zu einem ernsthaften gesundheitlichen Problem Bismarcks werden (und bei den besiegten Franzosen nach 1871 Anlass für spitze Bemerkungen).

Der einzige akademische Lehrer, der ihn tief beeindruckte, war der Historiker Arnold Hermann Ludwig Heeren, der in seinen Vorlesungen die Funktionsweise des internationalen Staatensystems beschrieb. Man darf davon ausgehen, dass Bismarck hier tatsächlich etwas fürs Leben lernte und der Geschichtsforscher insofern die spätere Geschichte mitbestimmte.

Im November 1833 setzte Bismarck sein Studium an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität fort. 1835 schloss er es mit dem Ersten Staatsexamen ab – mit mäßigen Noten, aber zum frühestmöglichen Termin.

Zunächst scheint Bismarck schnell Karriere zu machen, doch bald kommt es anders.

Er wird Auskultator beim Berliner Stadtgericht. Von morgens acht bis abends acht sei er fleißig, berichtet er einem Freund, danach begebe er sich in Gesellschaft. Er sei zudem zwar dauernd »exzessiv verliebt, wechsele aber häufig den Gegenstand« seiner Neigung. Bismarck hat außerdem Geldprobleme, seine »Alten« seien knauserig, und er hat noch Schulden aus seiner Studienzeit zu begleichen.

Auf eigenen Wunsch wechselte er vom Justiz- in den Verwaltungsdienst. Der Grund: Bismarck wollte gehört haben, dass der preußische Außenminister wenig von »ostelbischen Junkern« im diplomatischen Dienst halten solle. Um in die Verwaltung zu gehen, muss er Prüfungen bestehen. Diesmal wird der Faule fleißig: Er »schlafe nur sechs Stunden und finde große Freude am Studieren, zwei Dinge, die ich lange Zeit für unmöglich hielt«. Seine Noten sind nun deutlich besser.

Der Büroalltag eines Regierungsreferendars im damals recht mondänen Kurort Aachen füllt ihn allerdings nicht aus. Er sucht Zerstreuung; und er beginnt kostspielige Liebeleien mit englischen Ladies.

Die 17-jährige Isabella Smith verdreht ihm so sehr den Kopf, dass er nicht nur um Urlaub bittet, um der schönen Britin und ihrer Familie auf Reisen folgen zu können. Er überschreitet die Urlaubsfrist auch, und zwar gewaltig. Die Folge: Bismarck fliegt von seinem Referendarsposten.

Nicht nur das: Er macht zusätzlich durch den Besuch von Spielkasinos Schulden. Die Angebetete wird ihm unterdessen von einem Herrn mit mehr Geld abgejagt. Sein Fazit: »Arm im Beutel, krank im Herzen, kehrte ich nach Pommern heim.« Der spätere Realpolitiker, der Forderungen demokratischer Gegner schon mal als Mondscheinbetrachtungen diffamierte, begann also selbst als scheiternder Romantiker, Tunichtgut und verlorener Sohn.

Er versuchte später, seine Referendarausbildung in Potsdam fortzusetzen, das Gesuch wurde ihm gewährt, nicht ohne feine Ermahnung, nun doch zu einer »angestrengteren« Arbeitsweise zurückzufinden … Man darf das amüsant finden, sollte sich aber vergegenwärtigen, dass einem Kandidaten aus weniger gehobenen Kreisen solche Eskapaden wahrscheinlich nicht verziehen worden wären.

Allerdings kehrte Bismarck dem Verwaltungsdienst nach einigen Monaten den Rücken. Er erklärte diesen Schritt später damit, dass er lieber »befehlen als … gehorchen« wolle: »Ich will aber Musik machen, wie ich sie für gut erkenne, oder gar keine.« Ein anderer, ebenso wichtiger Grund: seine Schulden. Er war überzeugt, dass er vom »rein materiellen Standpunkt aus« in der Landwirtschaft mehr als in der Verwaltung erreichen könne.