Bittere Delikatessen - Horst Eckert - E-Book
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Bittere Delikatessen E-Book

Eckert Horst

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Beschreibung

Der Tod lauert im eigenen Heim: Der packende Thriller »Bittere Delikatessen« von Bestseller-Autor Horst Eckert jetzt als eBook bei dotbooks. Der berühmte Feinkostkönig Fabian wird mit aufgeschlitzter Kehle in seiner Düsseldorfer Wohnung aufgefunden. Kurze Zeit später kursiert die Nachricht des blutigen Mordes in allen Medien. Von nun an steht Kriminaloberkommissar Benedikt Engel unter größtem Druck, den Fall möglichst schnell aufzuklären – doch der Mörder hat mit eiskalter Präzision zugeschlagen: Keine Spuren sind am Tatort zu finden. Engels einziger Anhaltspunkt ist Nora Fabian, die entfremdete Tochter des Toten – aber diese hat ein handfestes Alibi. Ein entscheidender Hinweis führt Engel schließlich auf eine neue Spur: War Fabians nach außen hin so makelloses Gourmet-Imperium Teil eines skrupellosen Drogenrings? »Eckert hat einen untypischen, deutschen Krimi geschrieben mit Tempo, Action, Sex & Crime und reichlich spannend bis zum Showdown. Schmökerkost für Thrillerfans.« Ulrike Burgwinkel, WDR Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Kriminalroman »Bittere Delikatessen« von Horst Eckert ist Band 2 der fesselnden Thriller-Serie »Kripo Düsseldorf ermittelt«. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 294

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Über dieses Buch:

Der berühmte Feinkostkönig Fabian wird mit aufgeschlitzter Kehle in seiner Düsseldorfer Wohnung aufgefunden. Kurze Zeit später kursiert die Nachricht des blutigen Mordes in allen Medien. Von nun an steht Kriminaloberkommissar Benedikt Engel unter größtem Druck, den Fall möglichst schnell aufzuklären – doch der Mörder hat mit eiskalter Präzision zugeschlagen: Keine Spuren sind am Tatort zu finden. Engels einziger Anhaltspunkt ist Nora Fabian, die entfremdete Tochter des Toten – aber diese hat ein handfestes Alibi. Ein entscheidender Hinweis führt Engel schließlich auf eine neue Spur: War Fabians nach außen hin so makelloses Gourmet-Imperium Teil eines skrupellosen Drogenrings?

»Eckert hat einen untypischen, deutschen Krimi geschrieben mit Tempo, Action, Sex & Crime und reichlich spannend bis zum Showdown. Schmökerkost für Thrillerfans.« Ulrike Burgwinkel, WDR

Über den Autor:

Horst Eckert wurde 1959 in Weiden in der Oberpfalz geboren. Er studierte Politikwissenschaften in Erlangen und Berlin. 15 Jahre lang arbeite er als Fernsehreporter für verschiedene Sendungen, unter anderem bei der Tagesschau. Heute ist Horst Eckert freiberuflicher Schriftsteller: Für »Die Zwillingsfalle« erhielt der Autor den renommierten Friedrich-Glauser Preis. Der Autor lebt heute in Düsseldorf.

Von Horst Eckert erscheinen bei dotbooks die Thriller-Reihe »Kripo Düsseldorf ermittelt« mit den Einzelbänden:

»Annas Erbe«, »Bittere Delikatessen«, »Aufgeputscht«, »Finstere Seelen«, »Die Zwillingsfalle«, »Ausgezählt«, »Purpurland«, »617 Grad Celsius« und »Königsallee«

Die Website des Autors: https://www.horsteckert.de/

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eBook-Neuausgabe Mai 2022

Copyright © der Originalausgabe 1996 by GRAFIT Verlag GmbH

Chemnitzer Str. 31, D-44139 Dortmund

Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Kristin Pang, unter Verwendung von Motiven von Roberts Vicups / shutterstock.com und inLite studio / shutterstock.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)

ISBN 978-3-98690-198-1

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Horst Eckert

Bittere Delikatessen

Thriller

dotbooks.

Kritik und Ansporn haben mir die Arbeit erleichtert. Vor allen anderen geht mein Dank an Kathie, Klaus, Stefan und Cornelia.

Teil ISonntagabend

Kapitel 1

Das Gratin war fertig. Durch die Scheibe des Backofens konnte er sehen, wie die Sahne auf den Kartoffelscheiben braune Blasen warf. Er reduzierte die Hitze und stellte einen Teller zum Vorwärmen in den Ofen. Dann wischte er sich die Finger an der Schürze ab, die sich über seinem mächtigen Bauch wölbte, und warf einen Blick in seinen Bocuse.

Alle Rebhuhnbrüstchen von jeder Seite leicht mit Salz und Pfeffer würzen. Auf der Hautseite zuerst in heißer Butter anbraten.

Er gab Butter in die Pfanne, nicht zu knapp, und schaltete das Schnellkochfeld auf mittlere Stärke. Während das Fett schmolz, schnitt er die fertig geputzten Steinpilze in dünne Scheiben. Dann befolgte er die Anweisung des Kochbuchs. Es zischte und begann sofort zu duften.

Seit Jahrzehnten lebte er vom Handel mit kulinarischen Genüssen. Mit einem Partyservice hatte es begonnen, eine Kette exklusiver Restaurants war daraus geworden. Und Kochen war sein Hobby. Kochen, Essen und Trinken. Auf die Kalorien zu achten, hatte er schon vor vielen Jahren aufgegeben. Jeden Sonntagabend bereitete er einen kleinen Festschmaus, ganz für sich allein.

Es war sein heiliges, privates Ritual, das am Vortag begann, wenn er in seinen Büchern blätterte. Ein ganzes Regal umfaßte die Sammlung verschiedenster Rezepte, von der Hausmannskost vergangener Jahrhunderte bis zu neuesten Einfällen sterngekrönter Kochkunst. Seite für Seite wuchs seine Vorfreude. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen, und wenn er sich auf eine bestimmte Menüzusammenstellung festlegte, richtete er sich ausschließlich nach der Willkür seiner Begierde, denn unabhängig von den Jahreszeiten bot der Markt am Karlsplatz alles frisch, wonach ihm gelüstete, von Kalbsbries und Gänsestopfleber bis zum wilden Spargel aus Italien oder Thailand. Und was es dort nicht gab, konnte er in seinem eigenen Feinkostgeschäft bekommen, geräuchertes Krokodilfleisch zum Beispiel oder Austern, am Morgen gefischt und vom eigenen Charterservice aus Irland eingeflogen.

Der Einkauf am Samstag war der erste Höhepunkt des Wochenendes. Den Nachmittag verbrachte er gewöhnlich mit Vorbereitungen in seiner Küche. Fonds mußten gekocht werden, Pasteten gebacken. Er nahm stets die Mengen, die die Rezepte für vier Personen vorsahen, denn er war ein guter Esser, und schon während der Zubereitung konnte er sich das Naschen nicht verkneifen. Er wußte, daß Völlerei als eine der sieben Todsünden galt. Sie würde ihm den Einzug in den Himmel verwehren, doch er fühlte sich bereits zu Hause im Paradies, wenn er ihr an jedem Wochenende hemmungslos frönte. Nur noch selten dachte er an längst vergangene Zeiten, als auch andere Todsünden sein Leben bestimmt hatten.

Den Sonntag begann er mit einem besonders ausgedehnten Frühstück, denn dies war das letzte Mahl vor dem abendlichen Festschmaus. Danach ging er spazieren, am Rhein oder durch den Wald oberhalb der Rennbahn, selbst bei schlechtem Wetter; so lange, bis er Appetit verspürte, also selten länger als eine halbe Stunde. Der Nachmittag gehörte dann der Küche. Nur selten bemerkte er, daß er etwas einzukaufen vergessen hatte. In diesem Fall genügte ihm ein Anruf, jederzeit konnte er sich von einem seiner Angestellten nach Hause liefern lassen, was ihm fehlte. Er brauchte nur zu schnippen, und sie sprangen. Er hatte den Laden gut im Griff.

Heute war es der Wein gewesen. Zwar war sein Weinschrank stets gefüllt, doch kurzfristig hatte er sich für einen Tropfen entschieden, den er nicht zu Hause vorrätig hatte. Es hatte Vorteile, einen Partyservice zu betreiben. Man war flexibel.

Der dicke Mann goß sich etwas von dem Roten ein, der jetzt seit gut einer Stunde chambrierte, roch daran und ließ einen Schluck langsam über Zunge und Gaumen gleiten. Ein 82er Brunello, II Poggione, wuchtig, majestätisch. Ein letzter Blick ins Kochbuch.

Dann wenden und fertigbraten. Die Brüstchen sollen innen noch rosa sein.

Er tat wie geheißen. Brüstchen, das Wort gefiel ihm.

Es klingelte an der Tür. Verdammt! Gerade jetzt. Er riß sich die Schürze über den Kopf und walzte den Flur entlang. Schnaufend spähte er durch den Spion. Er erkannte den Rücken einer Person, die einen Trenchcoat trug. Seltsam, an diesem Sommerabend. Und er sah langes, blondes Haar. War das etwa …? Sein Herz klopfte, als er die Tür öffnete.

»Du bist es? Was soll die alberne Verkleidung?«

Sein unerwarteter Gast trat wortlos ein. Im Hintergrund zischte es. Die Brüstchen!

»Warte eine Sekunde. Ich habe etwas auf dem Herd.« Keuchend trabte er zurück. »Bin gleich bei dir!«

Das Rebhuhn rasch vom Herd, fast hätte er die Weinflasche umgestoßen.

»So!«

Der Flur war leer. Er schloß die Wohnungstür, folgte dem Gast ins Wohnzimmer und blickte auf ein großes Küchenmesser, von der gleichen Sorte wie das, mit dem er gerade noch die Pilze geschnitten hatte. Bereits der erste Hieb durchtrennte seinen Kehlkopf und die Halsschlagader.

Der Puls preßte eine Blutfontäne aus der klaffenden Wunde. Heinz Fabian faßte sich an den Hals. Überraschung, dann erst Angst.

DER ABGRUND.

Er versuchte zu schreien. Es wurde nicht mehr als ein Röcheln. Ein Schwall warmen Blutes rann über seine Finger auf die Brust hinunter. Ein häßlicher roter Fleck auf seinem Hemd, der rasch immer größer wurde. Fabian taumelte und brach zusammen.

DIE FINSTERNIS.

Die Fontänen aus dem Hals wurden mit jedem der letzten Pulsschläge kleiner.

Der Gast zog den blutbespritzten Mantel aus und wickelte das Messer darin ein. Und hatte ein Gefühl von Macht. Das Gefühl, eine Grenze überschritten zu haben.

Teil IIMontag

Kapitel 2

Morgenpost, 26. Juni, Lokales:

POLIZEIPRÄSIDENT FANSELOW BALD IN PENSION?

POSTENKARUSELL IM PRÄSIDIUM DREHT SICH WEITER

Die Nachwehen der Affäre Bollmann halten an. Carlhanns Fanselow, der nach dem Tod Harald Bollmanns vor erst sechs Monaten als neuer Behördenchef vom Innenministerium zur Polizei versetzt worden war, scheint bereits über sein Ausscheiden nachzudenken. Wie aus informierten Kreisen bekannt wurde, will Fanselow bei den Landtagswahlen im nächsten Jahr für ein Mandat kandidieren und vorher in den Ruhestand gehen. Innenminister Lemke steht damit erneut vor dem Problem, die Führung des Polizeipräsidiums zu besetzen.

Als möglicher Nachfolger gilt unter anderem der Leiter der Kriminalpolizei, Kriminaloberrat Clemens Sonntag (56), nach Fanselow ranghöchster Polizeibeamter. Gegen ihn spricht der oft geäußerte Wunsch Lemkes, die Führungsspitzen im Lande verjüngen zu wollen.

Im Dezember letzten Jahres war Fanselows Vor-Vorgänger Hans-Werner Kurz aus gesundheitlichen Gründen vom Amt des Polizeichefs zurückgetreten. Dessen Nachfolger Harald Bollmann war nur sechs Tage im Amt. Bollmanns Tod und die damit verbundene Affäre hatten ein Postenkarussell in Bewegung gesetzt, das sich auch jetzt noch weiterdreht. Die Oppositionsparteien im Landtag warfen Innenminister Lemke vor, die Behörde als Karriereleiter für Freunde und Parteimitglieder zu mißbrauchen. Statt endlich Ruhe in den Polizeiapparat zu bringen, gefährde er so die öffentliche Sicherheit. Ein Sprecher des Innenministers wies gestern die Vorwürfe als unbegründet zurück.

Blitz, 26. Juni, Innenteil, Rubrik »Watzmannhaus intim«

WATZMANNHAUS IN BLITZ UND DONNER KOMPARSE FAST IN FLUTEN ERTRUNKEN

Von Alex Vogel. Während uns am Rhein das Hoch »Xaver« zu schaffen macht, krachen in den Bergen die Gewitter. Die gestrigen Dreharbeiten zu Europas größter TV-Serie fielen buchstäblich ins Wasser. Beim Versuch, sich vor einem plötzlichen Wolkenbruch ans Ufer zu retten, kenterte auf dem Hallstädter See ein Ruderboot mit fünf Komparsen. Ein Nichtschwimmer konnte im letzten Moment gerettet werden. Die für heute geplanten Außenaufnahmen bei Bad Goisern wurden um eine Woche verschoben. Chefregisseur Dietling gibt sich dennoch optimistisch: »Das Watzmannhaus liegt gut im Zeitplan.«

Sämtliche Hauptdarsteller sind inzwischen in den MMD-Studios eingetroffen, wo am Samstag die Innenaufnahmen begonnen haben (BLITZ berichtete). Hektisches Treiben in den Hallen am Rhein: Während die Stars vor der Kamera bereits ihr Bestes geben, wird nebenan noch an der Kulisse gebaut. Mögliche Mehrkosten der Pro-Sat-Produktion durch den Wetterschock im Salzkammer gut: 2 Mios! »Das kriegen wir wieder rein«, so der Kommentar eines Assistent-Managers. Ironie des Wettergottes: Am richtigen Watzmann in Oberbayern, nur 50 Kilometer entfernt, blieb es gestern trocken. Aus Kostengründen hatte man die Außenarbeiten nach Österreich gelegt!

Blitz, letzte Seite:

XAVER LÄSST DIE DEUTSCHEN SCHWITZEN

Drei Dinge bestimmen das Wetter in der kommenden Woche: Sonne, Sonne, Sonne. Hochkonjunktur für Bademeister und Eisverkäufer! Ein stabiles Hoch über Skandinavien bringt bis zum Freitag trockene Heißluft aus dem Osten. Die Wetterforscher nennen es Xaver – für Tiefs gibt es weibliche Namen. Dabei tragen gerade jetzt die Frauen dazu bei, daß wir soviel Spaß am Sommer haben, wie ein Bummel über die Rheinwiesen zeigt (Foto). Petra (16, Schülerin) lacht. Sie findet Bikinioberteile doof, sagt sie. Und bekräftigt diese Aussage mit zwei besonders hübschen Argumenten. Weiter so, Sommer!

Kapitel 3

Tom hatte den Blitz von hinten, mit dem Wetterbericht und dem Sportteil beginnend, nach vorn durchgearbeitet. An dem Foto auf Seite 3 blieben seine Augen hängen. Es zeigte zwei junge Frauen im Dirndl, die von Helfern aus einem See gezogen wurden. Die Brüste der beiden zeichneten sich deutlich unter dem durchweichten Stoff ab.

Das Boulevardblatt war immer für eine Augenweide gut.

Ein Krächzen des Polizeifunks riß Tom aus seinen Träumen. Bönte spielte gelangweilt an den Schaltern und ging die Frequenzen durch. Rauschen, Stimmen, Einsatzbefehle.

»Brauning«, sagte der Kollege zu Tom und drehte die Lautstärke hoch. Irgendwo in der Stadt raunzte ein leitender Beamter Befehle in seine Sprechmuschel. Es ging um eine männliche Leiche, und der Beamte verlangte nach Kollegen aus seinem Kommissariat sowie der Kriminaltechnik. Soviel konnte Tom verstehen.

»Ein Mord in Oberkassel. Kennst du Brauning?«

Tom schüttelte den Kopf. »Ich hatte noch nicht das Vergnügen.«

»Vergnügen? Naja. Der Chef des K1. Vor dem mußt du dich in acht nehmen. Rottweiler, so nennen ihn alle. Er ist ein brutaler Typ. Manche sagen, er sei trotzdem ein guter Bulle. Hat eben seine eigenen Methoden.«

Tom knabberte nachdenklich an den Spitzen seines Schnurrbarts. Ein Mord in Oberkassel. Das K1. Das Kommissariat für Tötungsdelikte galt als ein Sprungbrett innerhalb der Behörde. Dort wollte er hin, soviel stand für Tom fest. Rottweiler hin oder her. Wer im K1 eine gute Figur machte, hatte freie Bahn auf der Karriereleiter, das wußte Tom bereits nach drei Wochen Zugehörigkeit zur Kripo.

Statt dessen saß er nun seit Tagen mit Bönte in diesem schäbigen Zivilfahrzeug und observierte noch schäbigere Dealer. Routinearbeit, grauer Alltag beim K2 – Sitte, Rauschgift, vermißte Personen. Während das Krächzen und Knacken des Lautsprechers eine Pause machte, rammte ihm sein Kollege den Ellbogen in die Seite.

»Da kommt er!« rief Bönte.

Tom warf den Blitz nach hinten, nahm seine Brille ab und versuchte durchs Fernglas zu spähen.

Der Junge trat aus dem Tor. Sein heller Anzug leuchtete in der Morgensonne.

Es dauerte ein paar Sekunden, bis Tom die Schärfe gefunden hatte. Dann erkannte er den Dealer. Langes, schwarzes Haar fiel dem Jungen ins Gesicht, als er eine Zigarette anzündete.

»Ich seh was«, sagte Tom leise. »Die Jacke ist ausgebeult. Enzo hat etwas geholt.« Er ließ das Fernglas sinken und schaute grinsend seinen Nebenmann an.

»Das Depot!« bestätigte Bönte und hob seinen rechten Daumen. »Hat sich also doch gelohnt, hier rumzuhängen!«

Tom richtete den Blick wieder auf den Jungen. Dieser blickte sich mehrfach um, bevor er zu seinem Wagen ging. Den weißen Vectra seiner Beschatter konnte er nicht sehen.

»Ich bleib hier und seh mich um«, sagte Tom.

»Bloß kein Risiko! Vielleicht ist da drin noch ein Komplize!«

Sie hörten das Starten des Automotors vor der Lagerhalle.

Tom sprang aus dem Wagen. »Mach schon, sonst verlierst du ihn!«

»Du kannst da nicht allein reingehen, Thomas! Ich funke die Kollegen an. Rühr dich nicht von der Stelle, bevor die Streifenwagen da sind!«

»Jaja.«

»Versprochen? Fröhlich reißt mir den Kopf ab, wenn dir etwas passiert.«

»Scheiß auf den Dicken!« Tom faßte sich an die Seite, wo seine Waffe saß. »Mach schon! Fahr los!«

»Wart auf die Verstärkung!«

Tom grinste bloß und zeigte seinerseits den rechten Daumen. Schotter spritzte auf, als Bönte die Verfolgung des Jungen aufnahm. Ein Schwarm Stare stob in die Luft.

Nach einigen Sekunden legten sich der Staub und das Geschimpfe der Vögel.

Es war wieder still wie zuvor.

Nichts schien sich in der Lagerhalle zu regen. Es war ein verlassenes Gebäude im Osten der Stadt. Seit Jahrzehnten schien es keine Güter mehr beherbergt zu haben. Der Maschendrahtzaun bog sich an mehreren Stellen bis tief zum Boden, die Mauern waren verwittert, und das große Tor stand weit offen.

Ein schwarzes, gähnendes Loch.

Tom befingerte das Leder des Holsters und schluckte. Der Kies knirschte unter seinen Turnschuhen, als er langsam darauf zu ging.

Kapitel 4

Um 9.10 Uhr erreichte Ben die Markgrafenstraße. Überall rotierten Blaulichter. Vor dem Haus Nummer 17 war der Teufel los.

Bens Magen knurrte, er hatte nicht gefrühstückt. Und in seinem Büro wurde gerade der Kaffee kalt, den er sich geholt hatte, bevor ihn Braunings Auftrag erreichte.

Drei Grünweiße und einen Transit der Einsatzhundertschaft zählte Ben, dazu gleich zwei Krankenwagen. Alles parkte in zweiter Reihe, der Verkehr war ins Stocken geraten. Er näherte sich mit seinem Dienstwagen, soweit es ging, und hielt vor einer noch nicht zugestellten Garageneinfahrt. Um ihn herum ertönte ungeduldiges Hupen, Nachbarn lehnten sich aus ihren Fenstern, immer mehr Passanten blieben vor dem Haus stehen. Ben schälte sich aus dem Auto und vergrub seine Fäuste in den Taschen seiner Leinenhose.

Der Uniformierte am Eingang erkannte ihn: »Zweiter Stock, Kollege. Du kannst es nicht verfehlen.«

»Wollt ihr nicht eure Leuchtreklame ausmachen?« antwortete Ben und wies auf die Grünweißen. Der Uniformierte grinste nur.

Ben betrat ein düsteres, muffiges Treppenhaus. Zwei Sanitäter kamen ihm entgegen. Auf ihrer Bahre lag eine ältere Frau mit Kopftuch, blaß, aber bei Bewußtsein. Oben standen Hausbewohner und versuchten, einen Blick durch die offene Wohnungstür zu werfen. Ein zweiter Uniformierter schirmte sie ab. Der Kl-Beamte drängelte sich zu ihm durch.

»Wer war das?«

»Die Putzfrau. Türkin. Hat den Steifen entdeckt. Sieht nicht gut aus, da drin.«

Ben duckte sich, als er seine einszweiundneunzig durch die Tür schob. In der Wohnung hing ein dünner Nebelschleier. Es roch verbrannt. Im Flur, in der Küche, überall fummelten die Jungs von der Kriminaltechnik.

Ben bahnte sich den Weg ins Wohnzimmer. Hier dominierte der Geruch nach Blut. Jetzt verstand er, warum die Putzfrau einen Schock erlitten hatte. So etwas hatte auch er noch nie zuvor gesehen.

Der Tote lag auf dem Rücken, fast die gesamte Vorderseite war rot. Er mochte etwa sechzig Jahre alt gewesen sein und unglaublich dick. Was Ben vor allem anderen so erschrecken ließ, war dessen Hals.

Die Kehle des Mannes war eine einzige klaffende Wunde, quer durchs Doppelkinn von Ohr zu Ohr. Ein zweiter Mund, der häßlicher grinste, als es der erste jemals gekonnt hätte.

Blutspritzer waren an den Wänden und sogar an der Decke, jede Menge Blut auf dem Teppichboden. Ein Kriminaltechniker kniete neben der Leiche. Zwei Weißkittel warteten mit ihrer Trage auf das Ende der ersten Leichenschau.

Frank »Rottweiler« Brauning war auch schon da.

»Ich hoffe, Sie haben schon gefrühstückt, Engel«, sagte Bens Chef und zeigte auf den Toten. »Der kriegt seinen fetten Arsch ohne fremde Hilfe nicht mehr hoch. Heinz Fabian, der Wohnungsinhaber. Feinkost-Fabian, Sie wissen schon. Muß irgendwann gestern abend passiert sein.«

Ben kramte in seinem Gedächtnis: Feinkost-Fabian – Freßtempel, Schickeria, Geld.

Der Kriminaltechniker erhob sich und wischte sich die Hände ab. »Todesursache: Verblutung infolge einer Schnittverletzung im Halsbereich«, erklärte er.

»So was ähnliches hab ich mir fast gedacht«, höhnte Brauning.

Der Kollege ließ sich nicht beirren. »Es war ein einziger Schnitt. Tatort und Fundort sind identisch. Es gibt keine Spuren eines vorherigen Kampfes, keine Abwehrverletzungen. Der Schnitt war alles.«

»Danke«, sagte Ben und ging in die Küche, dem Rauch entgegen.

Er quoll aus dem Herd, den noch immer niemand ausgeschaltet hatte. Ein Designerstück, das aussah wie ein Fernsehapparat. Ein makabres Programm, dachte Ben. Die Innenbeleuchtung ließ eine Schüssel mit verkohltem Inhalt erkennen. Die Arbeitsplatten ringsherum waren aus Edelstahl. Sie erinnerten Ben an die Obduktionstische im rechtsmedizinischen Institut, auf denen Fabian gleich landen würde. Fliegen kreisten um Teller und Schüsseln voller Lebensmittel – vertrocknete Fleischstücke, zerlaufene Butter, vergammelte Pilze. In der Spüle war Salat ertrunken, in einem Topf hatte Sauce eine Haut angesetzt. Dazwischen standen Flaschen mit edlen Etiketten. Wein, Öl, aceto balsamico. Zwei Uniformierte waren dabei, jede glatte Fläche in diesem Raum nach Fingerabdrücken abzusuchen.

Ben stellte den Herd ab. Ein Schlachtfeld. Du machst ein Schlachtfeld aus deiner Küche, hatte eine Freundin einmal zu Ben gesagt, als er ein Essen für sie bereiten wollte, um die Risse in ihrer Beziehung zu kitten. Das Essen wurde ein Mißerfolg.

»Bist du verrückt? Hier wird nichts angefaßt, solange wir nicht fertig sind«, protestierte einer der beiden Kriminaltechniker. Ben ignorierte ihn.

Er hörte das Bellen des Rottweilers: »Greifen Sie sich schon mal die Nachbarn. Halten draußen Vollversammlung. Irgendwer hat sicher etwas spitzgekriegt. Sowas geht nicht ohne Zeugen ab.«

Draußen stieß Ben auf Ria Pohl. Die Kollegin hatte der Rottweiler also auch herbestellt. Sie begrüßten sich stumm mit Handschlag und machten sich an die Befragung der Nachbarn, die im Treppenhaus lauerten. Ein Rentnerpärchen und eine junge Frau, die einen Säugling hielt.

Doch keiner von ihnen hatte etwas gehört oder gesehen. Nichts, nada, niente. Zwar hatte die junge Mutter den Geruch wahrgenommen, der sich im Laufe der Nacht breitgemacht hatte. Doch erst am Morgen gegen acht, als sie die Schreie der Putzfrau hörte, hatte sie die Polizei gerufen. Ria notierte die Namen, Ben verteilte Visitenkarten. Bevor sie die drei weiter befragten, machten sie die Klingeltour an den Türen der übrigen Bewohner, vom Erdgeschoß bis unters Dach. Vergeblich, alles ausgeflogen.

Die Sanitäter verließen die Wohnung mit der verhüllten Leiche. Sie ächzten schwer, als sie die Bahre die Windungen des Treppenhauses hinunterwuchteten. Der Rentner hatte plötzlich einen Fotoapparat bei sich und knipste hinterher, angefeuert von seiner Frau. Ben ballte die Fäuste.

Er spürte Rias Hand auf seiner Schulter. »Laß ihn«, sagte sie leise. Ben schob die Hand weg. Der Vergleich seiner Küche mit einem Schlachtfeld stammte von Ria. Für sie hatte er damals gekocht.

Der Uniformierte an der Tür räusperte sich. »Haben Sie schon gehört? An der Tür sind keine Spuren eines gewaltsamen Eindringens. Und auf der Klingel sind keinerlei Fingerabdrücke. Komisch, was?« Ben sah Ria an und verdrehte die Augen.

Brauning trat zu ihnen. »Engel, Sie leiten die Sache. Pohl, Sie arbeiten mit, außerdem Baumann, Schranz und Miller. Alles ausquetschen, was rumläuft! Nachbarn, Geschäft, Familie und so weiter. Der Fall wird Schlagzeilen machen. Feinkost-Fabian – das gibt Druck. Ich seh den Staatsanwalt schon rumhampeln. Wir müssen sehen, daß wir das rasch klären, verstanden?«

»Na klar, Boß, wie immer«, sagte Ria.

Ben nickte der jungen Mutter zu, und sie ging voraus.

Kapitel 5

Das Knirschen des Schotters dröhnte in Toms Ohren. Sein Herz klopfte, als er die Waffe aus dem Holster nahm. Er hatte keine Lust, bis zum Eintreffen der Streifenwagen zu warten.

Der Junge, den sie beschatteten, sollte die Beamten des K2 zu seinen Hintermännern führen. Die Festnahme eines großen Drogenkuriers – so hatte sich Tom seinen Einstand bei der Kripo erträumt. Ein solcher Erfolg würde auch Leute wie Brauning auf ihn aufmerksam machen. Und der Erfolg war um so größer, wenn er sich ihn nicht mit anderen teilen mußte.

Als er das Tor erreichte, ging er in die Hocke, um kein Ziel zu bieten. Tom hoffte, daß nur er das Knacken seiner Knie hören konnte. Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit. So lautlos wie möglich schob sich Tom ins Innere.

Am ersten Hindernis machte er halt. Tom kauerte vor dem Gerippe eines Regals. Seine Hand krampfte sich fester um die P6. Er sah sich um.

Nichts als Regale, soweit er sehen konnte. Reihe um Reihe. Verrostet. Leer.

Er lauschte, doch er hörte nur den eigenen Atem. Es war eine Stille wie in der Sekunde vor einer Detonation.

Toms Brille rutschte. Er schob sie zurück und drückte sie wie zur Beschwörung fest gegen die Nasenwurzel. Er roch altes Eisen und Staub. Der Betonboden unter seinen Knien war kalt und hart.

Tom verlor die Geduld und sprang auf, die Waffe mit beiden Händen nach vorne gestreckt. Er rannte die Reihen entlang, bereit, sofort jeden Schuß zu erwidern. Er hetzte in den nächsten Gang, seine Schritte schallten durch die Halle, das Blut rauschte in seinem Kopf. Immer wieder schrammten seine Schultern gegen rostige Eisenträger. Er spürte es nicht.

Außer Atem erreichte er das Ende der Halle.

Kein Schuß, kein Drogenkurier, niemand.

Nur ein paar Sektkartons im hintersten Winkel der leeren Halle.

Keuchend blieb Tom stehen. Die Aufschrift nannte eine Marke, die sich seine Familie allenfalls zu Silvester leistete. Vier Kartons und jede Menge Holzwolle. Tom durchwühlte einen nach dem anderen, dann fand er den Stoff.

Es waren drei flache Plastikbeutel, bretthart und prall gefüllt mit weißem Pulver. Tom schätzte das Gesamtgewicht auf rund ein Pfund – Kokain im Wert von vielleicht fünfzigtausend Mark. Der Rest des Depots, das Enzo und seine Bande hier angelegt hatten.

Tom war beeindruckt. Für einen Moment mußte er an Gabi und den Kleinen denken und daran, was sie sich alles für diese Summe leisten könnten. Als er sich umwandte, machte sein Herz einen Knall.

Er sah in die Mündungen dreier Pistolen.

Tom ließ sofort seine Waffe fallen und streckte die Hände in die Luft.

Es dauerte einige Minuten, den Kollegen klarzumachen, wer er war.

Kapitel 6

»Eine schöne große Wohnung haben Sie«, sagte Ben und ließ den Blick schweifen. »Ich liebe hohe Decken. Bei mir zu Hause sieht’s leider anders aus. Dachwohnung. Ich stoße ständig mit dem Kopf gegen die Schrägen.«

Sie lachte. »Eigentlich ist das hier zu groß für mich und Felix. Ich suche etwas Kleineres. Aber ich habe es nicht eilig. Mein Ex-Mann zahlt die Miete.«

Sicher nicht wenig, dachte Ben.

Felix streckte die Hand durchs Laufstallgitter und begann zu quengeln. Sein Schnuller lag außer Reichweite. Die junge Mutter blickte ungerührt zu Ben auf.

»Die Wohnung von Fabian liegt genau unter Ihnen. Er lebte allein?«

»Ja. Auch geschieden, soviel ich weiß. Aber schon lange.«

»Hatten Sie Kontakt?«

»Nein, kaum. Wir trafen uns nur ab und zu am Briefkasten oder bei den Mülltonnen. Er war ein netter Mann. Klar, auf den ersten Blick wirkte er häßlich, weil er so dick war. Aber er war immer freundlich und höflich.«

»Kennen Sie Bekannte von ihm? Angehörige?«

Die Frau schüttelte den Kopf. »Von Angehörigen hat er nie gesprochen. Ich weiß nicht, ob er überhaupt welche hatte. Meistens hat er nur über Wein und Trüffel geredet und so.«

»Hatte er in der letzten Zeit irgendwelchen Ärger? Hatte er sich irgendwie verändert?«

»Er stöhnte höchstens über die Steuer und über faule Angestellte, aber das tat er oft.«

»Namen?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Wer besuchte ihn?«

»Keine Ahnung. Davon bekam ich nichts mit. Das Haus ist gut saniert worden. Durch diese Wände dringt kaum ein Laut. Höchstens …«

»Ja?«

»Naja, höchstens, wenn die Studentin nebenan Besuch von ihrem Freund hat. Sie ist ein wenig laut, Sie wissen schon, was ich meine. Aber von unten hört man hier nichts.«

»Und gesehen?«

»Nein. Aber fragen Sie doch den alten Schmitz, der gegenüber von Fabian wohnt. Der weiß alles, was im Haus vorgeht. Ich glaube, der verbringt den halben Tag am Schlüsselloch.«

»Gestern abend waren Sie die ganze Zeit zu Hause?«

»Ja, seit der Kleine da ist, bin ich auch am Wochenende meistens daheim.«

»Wirklich nichts gehört oder gesehen? Streit? Geräusche? Ein lautes Wort?«

»Nein, nichts. Nur …«

»Von nebenan.«

»Genau.«

Felix quengelte wieder. Sie hob ihn aus dem Laufstall. »Ich glaube, er hat Durst«, sagte sie.

Ben verabschiedete sich.

Auf diesem Stockwerk gab es zwei weitere Türen. An der einen war ein Holzschild mit handgemalten Blümchen und dem Namen Valetta, aus der anderen kam gerade Ria Pohl.

»Und?« fragte Ben.

Seine Kollegin Ria verdrehte nur die Augen.

Kapitel 7

Auf dem Rückweg hatte Tom einen Ventilator gekauft. Es gebe nur noch eine Sorte, Restposten, hatte der Verkäufer gesagt, als Tom völlig durchgeschwitzt die Elektroabteilung gefunden hatte. Er müsse sich rasch entscheiden, hatte der Mann im Kittel gedrängt, denn innerhalb der nächsten Stunde wäre alles verkauft.

Xaver hieß das Hoch, und wenn Tom dem Wetterbericht glauben konnte, würde es sich bis weit in den Juli halten. Tom hatte genug geschwitzt in der letzten Stunde.

Die Kollegen hatten sich geweigert, ihn auch nur bis zur Bushaltestelle zu bringen. Nicht einmal den Weg hatten sie ihm gezeigt. Sture Idioten. Sie waren schuld, daß er sich die Seele aus dem Leib rennen mußte.

Aus einer glühendheißen Telefonzelle hatte er der Sonderkommission Koks Meldung gemacht. Der Junge, das Depot, kein Wort jedoch von seinem Alleingang und dem Krach mit den Kollegen.

Dann hatte ihn ein übervoller Bus auf Schleichwegen durch die Stadt geschaukelt. Mit seinen großen Scheiben war er Tom wie ein fahrendes Treibhaus erschienen. Und dort hatte er die Maskenbildnerin kennengelernt.

Tom drückte die raschelnde Kaufhaustüte an seine Brust, als er das Präsidium betrat. Die Festung, so nannten die Kollegen das Gebäude. Mit dem Taxi wäre er dreimal so schnell hier gewesen. Doch die Behörde bezahlte ihm so etwas nicht.

Auf die Idee mit dem Ventilator hatte ihn die Maskenbildnerin gebracht. Sie hatte eine ganze Weile neben ihm gesessen, und Tom hatte die Gelegenheit benutzt, seinen Charme zu erproben. Seit er verheiratet war und erst recht seit der Kleine auf der Welt war, brauchte er das ab und zu. Den Beweis, daß er noch flirten konnte und auch andere Frauen als Gabi Gefallen an ihm fanden.

Sie hatte ihn an Sinead O’Connor erinnert, die Sängerin. Auf dem Kopf hatte sie nur millimeterkurze Haarstoppeln. Ihr Lachen hatte ein angenehmes Kribbeln durch Toms Brust gejagt. Sie kannte eine Menge Prominente, und, um mitzuhalten, hatte er ein wenig mit seiner Arbeit geprahlt. Schließlich waren sie auf die Schweinehitze zu sprechen gekommen. Ohne Ventilator würde sie es an ihrem Arbeitsplatz, in der Maske, gar nicht aushalten, hatte sie gesagt.

Mit großen Schritten durchquerte Tom die Halle. Er war sicher, die Kleine beeindruckt zu haben. Sein Charme funktionierte noch, darauf war Tom stolz. Und ebenso stolz war er darauf, daß er das Depot entdeckt und allein untersucht hatte. Sie würden lange suchen müssen, um einen zweiten Nachwuchsmann mit soviel Mumm zu finden.

Als Tom den Paternoster bestieg, stieß er mit dem Leiter des K1 zusammen. Rottweiler, so nennen ihn alle. Ein brutaler Typ. Unwillkürlich duckte sich Tom.

»So, den Vormittag mit Shopping verbracht, junger Mann?« Brauning grinste und musterte Tom herablassend.

Knarrend bewegte sich die Holzkabine nach oben. Tom fiel keine Antwort ein. Vor Menschen, die ihre Macht mit Genuß zur Schau stellten, wurde er urplötzlich ein anderer: klein, hilflos, unbedeutend.

»Wie heißen Sie?«

»Swoboda, Thomas Swoboda, Kommissar im K2.«

»Der Bruder von Mike Swoboda?«

Auch das noch. »Äh – ja.« Scheißbruder.

»Na, da sehen Sie mal zu, daß Sie Ihrem Namen alle Ehre machen. An schönen Tagen wie diesem hat er es locker auf zwei, drei Festnahmen gebracht! Wie lange sind Sie schon bei der Kripo?«

»Drei Wochen.« Tom spürte schon wieder Schweißtropfen auf seiner Stirn.

»Ein Frischling also.« Brauning blickte auf die Tüte.

Tom meinte, eine Erklärung abgeben zu müssen: »Ventilator.«

»Geht heiß zu bei Rauschgift und Sitte, was?« Braunings Grinsen wurde breiter.

»Ja, äh – Wiedersehen.« Gerade noch rechtzeitig sprang Tom ab. Beinahe wäre er mit Brauning in die Chefetage gefahren.

Kapitel 8

Als erstes öffnete Ben das Küchenfenster, um den Geruch nach Verbranntem abziehen zu lassen.

»Was sagen die zwei Alten?« Ben sah sich um. Eine Riesenküche.

»Fabians Geschiedene ist Schauspielerin, lebt aber schon lange nicht mehr in der Stadt. Seine Tochter ist auch Schauspielerin, aber auch sie hat hier nie jemand gesehen. Fabian soll ein Einzelgänger gewesen sein. Viel unterwegs, selten Besuch. Gestern abend war es völlig still, bis auf …«

»Ich weiß.« Wo in der Wohnung darüber der Laufstall stand, war hier eine Art Vitrine. Ben sah nichts als Flaschen. Der Schrank summte leise.

»Die zwei haben mich vielleicht genervt!« klagte Ria. »Die haben vor Monaten Anzeige erstattet, weil ihre Nachbarin stöhnt. Die Kollegen haben nichts unternommen, und die Alten wollten ihren Ärger an mir auslassen.«

Ben öffnete die Glastür. Es war ein Kühlschrank. »Wozu braucht man sowas?«

»Lauter edle Tropfen«, sagte Ria und strich ihre langen, dunklen Locken aus dem Gesicht. »Wahrscheinlich war Fabian zu faul zum Treppensteigen. Oder der Keller ist zu warm, um guten Wein zu lagern.«

»Damit kenne ich mich nicht aus.«

»Immer noch Antialkoholiker?«

Ben brummte statt einer Antwort. Vor einem halben Jahr war Ria ins K1 versetzt worden, seitdem mußten sie Zusammenarbeiten. Sie hatten vereinbart, so zu tun, als sei nie etwas gewesen. Ben rechnete nach. Fünf Jahre war es her. Sie hatten beide kurz vor dem Abschluß der Verwaltungshochschule gestanden. Ria war seitdem etwas rundlicher geworden, doch ihr Gesicht war noch genauso hübsch wie damals. Über ihr jetziges Privatleben wußte er nichts. Es ging ihn nichts an.

Sie folgte ihm ins Wohnzimmer. »Was sagt die junge Mutter?«

Ben schüttelte nur den Kopf.

Eine Kreidespur markierte die Umrisse des Toten auf dem Teppichboden. Bis auf die Blutflecken gab es keine Spuren eines Kampfes. Auf den ersten Blick schienen keine Gegenstände zu fehlen.

»Er hat seinen Mörder gekannt und wurde überrascht.«

»Na prima, das schränkt den Kreis der möglichen Täter schon mal ein. Wieviel Bekannte wird ein Gastronom wohl haben, der mehrere Läden betreibt und einen Partyservice?«

Ben telefonierte mit der Festung und setzte Baumann, Schranz und Miller in Bewegung. Sie sollten die Angestellten des Freßimperiums unter die Lupe nehmen.

Als er auflegte, zeigte Ria ihm ein Fotoalbum. »Das einzige. Besonders sentimental war Fabian anscheinend nicht.«

Ben sah Hochzeitsfotos. Sechziger Jahre, schätzte er. Der Bräutigam war der Feinkost-König, damals noch schlank. Die Braut kam Ben bekannt vor.

»Angelika Franke«, erklärte Ria. »Die habe ich erst neulich im Fernsehen gesehen. Samstagabend, die UNICEF-Gala.«

»Seit wann guckst du dir sowas an?«

Ria wandte sich ab und legte das Album zurück. Ben beeilte sich, mit dem Wohnzimmer fertigzuwerden. Zuviel Blut. Zu wenige Spuren.

Die Wohnung hatte drei große Zimmer, Diele, Küche und Bad. Die Decke schien hier noch höher zu sein als im Stockwerk darüber. Hätte hier kein Toter gelegen, würde ihm die Wohnung gefallen. Selten hatte Ben in Innenräumen soviel Luft über dem Kopf gehabt.

Bevor er die Spiegeltüren des Schlafzimmerschranks öffnete, hielt er einen Moment inne. Die Sonne fiel auf sein braunes Haar. Er trug es kurz und zurückgekämmt. Noch hatte er keine Spur von Grau entdeckt, und künftige Geheimratsecken deuteten sich nur zaghaft an. Er hatte die Zukunft noch vor sich, aber keinen Schimmer, was sie bringen könnte. Vielleicht besser so.

Im Schrank hing ein Dutzend zeltähnlicher, grauer Sakkos, und mehrere Stapel korrekt gefalteter, weißer Hemden lagen in den Fächern. In einer Kommode stieß Ben auf Zeitungsausschnitte. Mit der Schere säuberlich aus Blitz und Morgenpost ausgeschnitten und in einer Schublade verwahrt. Artikel, die erst wenige Tage alt waren. Immer wieder las Ben die Namen Watzmannhaus und Nora Fabian. Ein Foto zeigte eine attraktive Blondine, auch sie kam Ben bekannt vor. Er rief Ria.

»Nora Fabian – seine Tochter«, sagte sie.

»Also zumindest ein bißchen sentimental«, sagte Ben. »Hast du noch etwas entdeckt?«

»Nein. Für jemanden, der schon seit Jahren hier wohnt, wirkt die Wohnung sehr clean. Zu clean für meinen Geschmack. Das wär’s dann wohl.«

»Muy bien«, meinte Ben. »Dann nehmen wir uns die Tochter vor.«

Ria streifte seine Schulter. »Gehst du noch zum Spanischunterricht?« fragte sie.

»Nein.«

»Ich habe auch nicht wieder angefangen, seit damals. Ich sage immer, ich habe keine Zeit. Aber in Wirklichkeit bin ich einfach zu faul.«

»Ich habe auch keine Zeit«, sagte Ben. Er warf einen Blick in die Nachtkästchen zu beiden Seiten des Betts.

»Spielst du noch manchmal den großen Tröster?« fragte Ria unvermittelt.

Ben fuhr herum. Der große Tröster. Sein alter Spitzname. »Woher …«

» … ich das weiß? Hör mal, wir arbeiten in ein und derselben Behörde. Solche Dinge sprechen sich herum.«

»Das war, als ich Streifendienst machte. Das ist lange her. Ich hatte genug Probleme damit. Und jetzt ist Schluß, verdammt noch mal! Ich will davon nichts mehr hören.« Verärgert stieß Ben mit dem Fuß gegen einen Stapel Zeitschriften, der zwischen Bett und Fernsehgerät lag. »Und was ist das?«

»Sexheftchen. Harmlos.«

Ben hob das oberste auf. Jung und frei – das FKK-Magazin. Das Titelbild: Zwei nackte Mädchen, die eine vielleicht neun Jahre alt, die andere etwas älter mit ersten Anzeichen sprießender Brüste. »Harmlos nennst du das?«

Ria Pohl zuckte mit den Schultern.

Weitere Hefte: Neues aus der internationalen Welt der FKK-Jugend. Im Inneren der Hefte weitere Nackte: Familien beim Volleyballspiel am Strand, Frauen am Strand – und immer wieder Kinder. Überschriften: Mit Papi in die Ferien und Nackt sein – die natürlichste Sache der Welt. Kinder beiderlei Geschlechts, schräg von unten fotografiert, an nichts Böses denkend, lachten sie in die Kamera. Ein nacktes Mädchen, das auf dem Rücken eines dicken FKK-Anhängers ritt. Ein nackter Junge, gefesselt an einen Baum. Die natürlichste Sache der Welt. Ben sah rot. Auf seiner Stirn übte eine Ader Stepptanzen.