Blackfin Boys - Die Hölle soll warten - Flynn Todd - E-Book

Blackfin Boys - Die Hölle soll warten E-Book

Flynn Todd

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Beschreibung

Die Blackfin Boys sind vier Jungs im Alter von 16 bis 19 Jahren, die mit ihrem gutmütigen Rottweiler ständig in lebensgefährliche Abenteuer geraten. Die unzertrennlichen Freunde haben es oft mit paranormalen Bedrohungen zu tun, die sie nur als Team bekämpfen können. Ihr Überleben hängt von ihrer einfallsreichen Zusammenarbeit ab. Ihre Gegner versuchen ständig, sie aus dem Weg zu räumen, doch mit viel Geschicklichkeit, Cleverness und ein paar Waffen schaffen sie es, die Oberhand zu gewinnen. Das ist nicht immer garantiert, aber eine Sache ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Die Jungs sind füreinander da. Ausnahmslos. Ihre Abenteuer führen sie in ferne Länder. Ob auf einer tropischen Insel, im Schwarzwald, an der Küste Israels, im Amazonas Regenwald von Peru und im Bermudadreieck, selbst in Berlin und in der Antarktis kämpfen sie gegen skrupellose Wissenschaftler, Dämonen, geheimnisvolle Erscheinungen, okkult fanatische Nazis, Tierquäler, Mörder, Grabräuber und Zombies (die, die schneller laufen können). Sogar im Reich der Toten haben die Jungs wichtige Dinge zu klären. Und darum geht es in diesem Abenteuer: Die Blackfin Boys und ihr treuer vierbeiniger Begleiter sind von einer unheimlichen Maschine in eine Zeit katapultiert worden, in der Überleben alles andere als selbstverständlich ist. Durch ein satanistisches Ritual, das sie unfreiwillig absolvieren, treffen sie auf Kasul, einen Zentauren, der das Fegefeuer der Hölle bewacht. Der Teufelshelfer schlägt den Jungs einen Pakt vor, der sie zurück in ihre Zeitlinie bringen soll. Doch können die vier diesem Höllenwesen vertrauen?

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BESTEN DANK AN

Saskia Römer fürs Ordnen, Lektorieren und Zurechtrücken.

Hermann Liebherr von der Bayerischen Staatsbibliothek für die freundlichen Auskünfte und die Bereitstellung von Mikrofilmen.

Ute Kanter vom Studio Babelsberg für die Beratung bezüglich historischer Uniformen.

Swen Marcel für die wahnsinnig schöne Illustration. Besuchen Sie auch www.swenmarcel.de

Kai Steenbuck,, 2. Vorsitzender des FTU e.V. und Mitarbeiter des deutschen U-Boot-Museums, www.dubm.de

Daniel McDonald von „CineStill Film“, Hollywood, Kalifornien, U.S.A., www.cinestillfilm.com

Markus Weisbrod vom DB Museum, Nürnbergwww.dbmuseum.de

Inhaltsverzeichnis

KAPITEL 1 – WANN SIND WIR?

KAPITEL 2 – ALTE ZEITEN, SCHLECHTE ZEITEN

KAPITEL 3 – DER BRAUNE SUMPF

KAPITEL 4 – DER PAKT MIT DEM TEUFEL

KAPITEL 5 – IN TÖDLICHER MISSION

KAPITEL 6 – FREMDES LAND

KAPITEL 7 – GRUFT DES GRAUENS

KAPITEL 8 – BEIM STERBEN IST JEDER DER ERSTE

KAPITEL 1 – WANN SIND WIR?

„Also gut, Leute, wir haben ja keine andere Wahl ‒ also, auf zur Burg“, schlug Toby vor.

Die anderen waren nach all den Strapazen der letzten Tage und Stunden ausgepowert und lustlos. Vor ein paar Minuten noch in einer unterirdischen Forschungsstation auf einer tropischen Insel, jetzt in einer todbringenden Eiswüste. Das Leben der Jungs hatte sich in den letzten Wochen erheblich verändert. Einen verrückten Wissenschaftler auszuschalten und dabei fast selbst getötet zu werden, gehörte nicht gerade zum normalen Tagesablauf eines Teenagers. Besonders Roland litt unter den schrecklichen Ereignissen. Doch er gab sich große Mühe, dies zu verbergen. Aber eines war Fakt: Auf die Seele der Jungs hatte sich ein schwarzer Schatten gelegt – wenn auch nur ein kleiner.

„Jungs, ihr wisst ja, dass ich ansonsten ein harter Hund bin, aber jetzt gerade könnte ich einfach umfallen und in dem weichen Schnee landen. Ich muss echt schlafen“, sagte Roland.

„Wenn du das tust, bist du in nicht mal einer Stunde tot! Wenn wir das nicht sowieso bald sind. Sieh dir unsere Klamotten an – kurze Hose und T-Shirt sind hier leicht unangebracht. Lange werden wir wohl nicht durchhalten“, befürchtete Mark.

„Du bist so aufmunternd, Kleiner.“

Julius war da optimistischer: „Ich sag mal so ‒ dass wir überhaupt noch leben, grenzt an ein Wunder. Leute, wir sind gerade durch Zeit und Raum gereist ohne die geringste Ahnung, wo wir landen werden. Guckt euch Blake da drüben an – tot! Das hätten wir sein können! Obwohl … ich setze zwar einen Schritt vor den anderen, aber meine Beine und Füße kann ich nicht mehr spüren. Die Kälte hat meinen Körper völlig betäubt.“

Rottweiler Stiles war ein ganzes Stück vorgelaufen, blickte aber immer wieder zurück zu den Jungs, um zu kontrollieren, ob noch alle da waren. Im Gänsemarsch folgten ihm die vier langsam durch den Schnee, der unter ihren Füßen knirschte. Sie blieben auf der Straße, die geradewegs zu der Burg führte, die sie in der Ferne entdeckt hatten. Auf dem Weg lag der Schnee vielleicht zehn Zentimeter hoch. In dem Waldgebiet, von dem sie komplett umgeben waren, hatte sich der Schnee sogar einen halben Meter gleichmäßig auf dem Boden aufgetürmt. Stiles machte sich einen Spaß daraus, sich immer wieder in den Tiefen des Schnees zu verstecken. Nur sein Kopf guckte ab und zu heraus. Die Jungs folgen ihm keuchend, angeführt von Toby.

„Wir gehen die ganze Zeit auf diesem Weg, und erst jetzt fällt mir auf, dass diese Spuren, die den ganzen Weg entlangführen, von einem oder mehreren Fahrzeugen stammen könnten. Das Profil der Reifen ist außergewöhnlich tief. Könnte ein Geländewagen sein. Auf jeden Fall befinden wir uns in einer Zeit, in der es Autos gab. Nehme ich mal an. Das ist doch gut, dann bleiben uns wenigstens Hexenverbrennungen und Auftritte im Römischen Circus erspart.“

Keiner der Jungs reagierte auf Tobys Vermutungen. Stattdessen marschierten sie schnurstracks weiter. Die Burg kam langsam näher.

„Geht es noch allen gut?“, fragte Toby.

Ein gleichzeitiges Murren sollte die Frage mit Ja beantworten.

Mark blickte durch die Schneewehen hinüber zu ihrem Ziel. „Sieht aus wie eine alte Ritterburg.“

„Ich weiß nicht, diese großen, rechteckigen Steine in Dunkelgrau – und ganz gerade Kanten, wie in Form gepresst. Schon etwas unheimlich. Dazu vier große Türme, in jeder Ecke einer. Ich finde, das sieht eher so aus, als wäre die Anlage erst gestern gebaut worden – sie wirkt irgendwie neuwertig, aber auch tot und verlassen“, meinte Julius.

„Sie ist auch ungewöhnlich groß. Allein die vier Türme, das könnten auch vier Hochhäuser sein.“

Roland lief plötzlich vor.

„Oh nein, wie ich es vermutet habe“, rief er seinen Freunden zu. „Guckt mal, ein richtig breiter Wassergraben umgibt die gesamte Burg. Der einzige Zugang scheint über die Zugbrücke zu sein. Und die ist hochgefahren. So kommen wir da nie rein, keine Chance! Schöne Scheiße.“

Ratlos standen die vier Jungs zitternd vor der Burg. Roland hatte recht. Der Wassergraben war gut und gerne zwanzig Meter breit. Dahinter ragte die Burgmauer empor, wuchtig und wehrhaft. Mit ihren mächtigen Mauern und Türmen beherrschte sie den dicht bewachsenen Wald um sich herum.

„Verdammt, wenn wir nicht bald in eine wärmere Umgebung kommen, werden wir wohl erfrieren“, flüsterte Toby mit zittriger Stimme. „Wir müssen da rüber, vielleicht ist das Wasser gefroren, dann könnten wir runter in den Graben und auf der anderen Seite wieder hochklettern.“

„Guter Vorschlag, Toby. Aber selbst wenn, was sollen wir da? Die Zugbrücke ist hochgefahren, und wir kommen ohne Leiter nie im Leben über die Mauer. Die Wände sind viel zu glatt und zu hoch.“

„Abgesehen davon, wenn das Wasser nicht gefroren ist, könnten wir ertrinken“, meinte Julius.

Toby ging weiter. „Mir nach, Leute. Wir gehen jetzt eine Runde um die gesamte Burg und bleiben direkt ganz dicht am Wassergraben. Vielleicht finden wir eine Stelle, am Graben oder an der Burg selbst, die wir zu unserem Vorteil nutzen können.“

Da keiner einen besseren Vorschlag hatte, gingen die Jungs los. Stiles lief wie immer vor und behielt dabei seine Herde in regelmäßigen Abständen kritisch im Blick.

Mark beschäftigte ein Gedanke: „Sagt mal, Leute, kommt euch das nicht auch merkwürdig vor? Eine riesige Burg, mitten im Wald, und nur ein einziger, kerzengerader Weg, von dem wir wissen, dass er nur zur Burg führt und hier aufhört. Aber wohin kommt man, wenn man in die andere Richtung geht?“

„Keine Ahnung, Mann“, grummelte Roland. „Mich beschäftigt was ganz anderes: Stell dir vor, wir werden von einem Tier oder sowas angegriffen. Dann können wir uns nicht verteidigen, weil wir keine Waffen haben.“

Julius bibberte und schlotterte inzwischen vor Kälte. „Ich spreche eigentlich nur, weil ich nicht will, dass mein Mund komplett zufriert. Ich spüre meine Kiefer gar nicht mehr vor lauter Kälte. Und wo zum Teufel liegt der Unterschied zwischen einer Burg und einem Schloss?“

„Das kann ich es dir erklären. Eine Burg, so wie diese hier, ist eher eine Festung und dient zur Verteidigung und zum Schutz. In einem Schloss lässt es sich einfach nur gut und luxuriös wohnen“, erklärte Mark. „Aber wesentlich interessanter finde ich gerade die Frage, wieso unser felliger Freund da hinten an die Burgmauer pinkelt?“

Wie versteinert blieben die Jungs stehen und blickten in Stiles' Richtung. Dieser stand tatsächlich auf dem schmalen Streifen zwischen Graben und Mauer und markierte seelenruhig alle paar Meter sein neu entdecktes Revier. Jetzt war es seine Burg.

„Wie ist der Hund da hingekommen? Der ist doch nicht geschwommen? Oder macht ihm das kalte Wasser nichts aus, Mark?“, fragte Toby aufgeregt.

„Das weiß ich nicht. Wie du dich sicherlich erinnerst, kennt der Hund nur warmes Wasser. Aber wäre er in den Wassergraben gesprungen, hätten wir das wohl gehört – außerdem scheint Stiles auf den ersten Blick trocken zu sein.“

„Dann muss er also auf trockenem Wege dorthin gekommen sein, wenn wir mal logisch sein wollen“, sagte Roland in einem Ton, als ob seine Freunde blöd wären.

Julius rief den Hund zu sich: „Stiles, hey, guter Junge, komm mal her! ‒ So, wenn er jetzt zurückkommt, wissen wir, welchen Weg er genommen hat. Stiles – JETZT KOMM ENDLICH!“

Der massige Rottweiler guckte nur einmal kurz zum anderen Ufer, war aber nicht sonderlich von Julius’ Aufforderung beeindruckt. Als Mark aber nach ihm rief, setzte er sich umgehend in Bewegung und lief schneller Pfote in ein Gebüsch, welches direkt vor der rückwärtigen Burgmauer dicht emporwuchs. Sekunden vergingen – der Hund war weg. Suchend drehten sich die Jungs in alle Himmelsrichtungen, doch es war kein Stiles zu sehen.

„Da ist er!“, schrie Toby aufgeregt. „Er ist genau hinter dem Stapel gefällter Baumstämme hervorgekommen. Auf, Jungs, gucken wir uns das mal genauer an.“

Das gerodete Holz war nur knapp dreißig Meter entfernt. Als sie dort ankamen, machten sie eine interessante Entdeckung. Sie stießen auf einen kleinen Hügel, in den ein Eingang zu einem Tunnel eingelassen war. Das Ganze sah allerdings nicht sehr stabil aus. Der Eingang wurde von vielen kleinen Holzbalken umrandet und gestützt, wohl um die Einsturzgefahr zu minimieren.

„Dann hat Stiles also diesen Tunnel benutzt. So konnte er auf die andere Seite des Wassergrabens gelangen“, schlussfolgerte Roland.

„Gut kombiniert, Watson“, grinste Toby. „Dann lasst uns mal da reingehen.“

Langsam betrat Toby den stockfinsteren Tunnel. Roland, Mark, Julius und Stiles folgten ihm. Nebeneinander konnten sie nicht gehen, dazu war es zu eng. Toby tastete sich langsam voran. Der Tunnel führte erst steil nach unten, dann geradeaus. Wie aus dem Nichts ertönte auf einmal ein schnappendes Geräusch – und ein schwaches Licht flackerte auf.

„Ach ja, hätte ich fast vergessen. Der alte Blake hat mir sein Benzinfeuerzeug geschenkt“, erzählte Mark freudestrahlend.

„Und damit rückst du erst jetzt raus? Egal, dann geh du bitte vor. So sehen wir wenigstens, wo wir hintreten“, sagte Toby.

Mark führte jetzt seine Freunde an. Obwohl das Licht der Flamme sehr schwach war, konnte man Boden und Wände schemenhaft erkennen. Der gesamte Tunnel war eher provisorisch angelegt. Stützbalken und Seitenverkleidung waren behelfsmäßig angebracht und vernagelt. In regelmäßigen Abständen hatte jemand kleine Löcher in beide Wände gebohrt. Aus jedem hing etwas Merkwürdiges heraus.

„Wartet mal, bleibt mal kurz stehen“, sagte Mark leise und hielt sein lichtspendendes Feuerzeug etwas näher an eines der Löcher. „Was sind das für Dinger? Sieht aus, als ob aus jedem dieser Löcher ein Faden raushängt. Ich zieh mal vorsichtig einen heraus, mal sehen, was – ach du Scheiße, das sind Zündschnüre, die an Dynamitstangen befestigt sind!“

Vor Schreck hörten die Jungs kurz auf zu atmen. Nur das Hecheln von Stiles war zu hören. Toby packte kräftig, aber ruhig Marks Handgelenk und führte es langsam und vorsichtig von der Lunte weg.

„So, Mark, und jetzt schön das Feuerzeug genau in die Mitte des Tunnels halten. Okay, alle Mann zügig raus hier!“

Fast im Gleichschritt gingen die Jungs eilig weiter. Es dauerte nicht lange, bis der Ausgang in Sichtweite war. Einige gebündelte Lichtstrahlen des vollen Mondes fielen ein paar Meter in das Tunnelende. Der Ausgang befand sich genau in der Mitte der wild wachsenden Hecke, in die Stiles verschwunden war. Sie diente als perfekte Tarnung. Bei genauem Hinsehen hatte es den Anschein, als seien Teile der Hecke an einer anderen Stelle herausgerissen worden – nur um den Ausgang des Tunnels zu verstecken. Die vier Jungs standen nun direkt an der hinteren Mauer der Burg.

Roland war begeistert: „Das ist echt der Hammer, wie wuchtig und gruselig dieses Gemäuer aussieht. Erinnert mich ein bisschen an das Schloss von Graf Dracula.“

„Wenn es drinnen schön warm wäre, würde ich mich auch mit Dracula auseinandersetzen“, scherzte Julius.

Die Jungs gingen weiter und blieben dicht an der Mauer. An irgendeiner Stelle musste es doch eine Möglichkeit geben, in das Innere der Burg zu gelangen. Die gnadenlose Kälte biss unerbittlich in ihre nackten Arme und Beine. Dem gut genährten Rottweiler machte die Kälte weniger aus. Brav hielt der Vierbeiner mit Mark Schritt.

„Wie ich Stiles um sein dichtes Fell beneide. Zu gern würde ich jetzt mit ihm tauschen“, bibberte Mark.

Stiles drehte kurz seinen Kopf schräg nach oben und sah Mark an, als würde er sagen wollen: Das kannste wohl vergessen.

Gekrümmt vor Kälte und Schmerz erreichten die Jungs jetzt die Ostseite der Burg. Bis auf die Frontseite sahen alle Mauern gleich aus. Jeder einzelne Stein war millimetergenau verarbeitet und verfugt worden. Das Licht des hellen Vollmondes wurde durch die schneebedeckte Umgebung verstärkt, sodass die Sicht ausgezeichnet war. Stiles blieb schlagartig stehen, rümpfte seine Nase und gab ein leises Knurren von sich.

„Was ist denn los, Junge?“, fragte Mark.

Stiles lief mit einem Hechtsprung los, als würde er etwas hinterherjagen. Doch da war weit und breit nichts zu sehen. Nach ungefähr dreißig Metern blieb er abrupt stehen und bellte etwas in der Mauer an. Die Jungs versuchten schnell zu ihm zu laufen, doch aufgrund ihrer körperlich miserablen Verfassung konnten sie nur zügig humpeln.

Toby fing an zu lachen. „Hey, Jungs, wir bewegen uns wie ein paar abgehalfterte Zombies. Schneller als Romeros Zombies und langsamer als die in 28 Days Later.“

„Schön, Toby – schreib das auf, das sollten wir später ausdiskutieren“, murrte Roland sarkastisch.

Mark erreichte als Erster den aufgebrachten Stiles, der sich aber schlagartig beruhigte, als Mark ihn ansprach.

„Na, mein Junge, was hast du denn da gefunden … Hey Leute, hier ist was!“

Toby, Roland und Julius stießen nun auch zu den beiden. Schweigend standen sie da und starrten auf ein kleines Kellerfenster, welches einen winzigen Spalt geöffnet war. Roland ging in die Knie und schob es langsam auf.

„Na gut, ich würde mal sagen, wir haben unseren Eingang in die Festung gefunden. Los Jungs, mir nach!“

Roland fackelte nicht lange und schlängelte sich rückwärts durch das kleine Fenster.

„Und, was siehst du?“, wollte Julius wissen.

„Er ist doch noch nicht mal drin, also was soll er da sehen außer unsere dämlichen Gesichter?“, antwortete Toby.

Drinnen hörte man Rolands Schuhe aufschlagen. „Also der Boden scheint standfest zu sein. Wenn ich mich so umsehe, sehe ich eigentlich gar nichts. Dann kommt mal alle runter, eine andere Wahl haben wir eh nicht. Außerdem – ich will hier unten nicht alleine sterben!“

Nacheinander kletterten die Jungs schwerfällig durch das kleine Kellerfenster. Durch die andauernde Kälte war keiner von ihnen sehr beweglich. Zum Schluss stand nur noch Stiles vor dem Fenster und bellte.

Mark rief ihm zu: „Na los, mein Freund, hopp, ich fang dich auf!“

Doch aus Hopp wurde nichts, stattdessen robbte der bullige Rottweiler langsam voran und gab einige unsichere Fieplaute von sich. Die ganze Sache war ihm nicht geheuer. Mark zog unterstützend an seinen Vorderpfoten, Roland half ihm. Gemeinsam gelang es ihnen, den Hund durch das Fenster zu ziehen und sicher zu Boden zu bringen. Toby schloss das Fenster.

„So, verdammte Kälte, jetzt kommst du hier nicht mehr rein. Sagt mal, Jungs, riecht ihr das auch?“

„Es riecht eindeutig nach Feuer“, meinte Julius.

„Ja“, antwortete Roland, „irgendwie nach Kamin oder sowas. Deswegen hat Stiles vorhin gebellt, er dachte, es würde brennen.“

Mark holte sein Zippo-Feuerzeug wieder aus der Hosentasche. Die kleine Flamme spendete wenigstens ein bisschen Licht, somit konnten sie ihre unmittelbare Umgebung in diffuser Beleuchtung auskundschaften.

„Ich hoffe, mein Feuerzeug hat noch genug Benzin. Was ist das hier, ein Kohlenkeller?“

Die Jungs schauten sich um und entdeckten große Mengen Braunkohlebriketts sowie fein säuberlich bis unter die Decke gestapeltes Brennholz. Der Raum war so groß wie die Turnhalle einer durchschnittlichen Schule. Was hier an Brennstoff lagerte, würde wohl für dreißig Jahre Winter nonstop reichen. Der gesamte Boden war bedeckt mit einer Mischung aus Kohlenstaub und Sägespänen.

„Merkt ihr was?“, fragte Toby. „Seitdem ich das Fenster geschlossen hab, wird es ganz langsam spürbar wärmer.“

„Hast recht, Toby, lass uns mal suchen, woher die Wärme kommt“, schlug Roland vor.

„Ich weiß nicht, wie lange mein Feuerzeug noch brennt, die Flamme fängt an zu flackern, und das bedeutet, dass das Benzin so langsam verbraucht ist. Dann stehen wir im Dunkeln. Häh, Julius, hallo, wo bist du denn?“

„Ja, ich bin hier. Durch die vielen Holz- und Kohlenstapel, die überall hier verteilt sind, gleicht dieser Raum einem Labyrinth oder Irrgarten. Lasst uns bloß zusammenbleiben.“

Vorsichtig stieg Julius über die Holzscheite zurück und schloss sich wieder den anderen an. Dass Mark sich offenbar Sorgen um ihn gemacht hatte, tat ihm leid, obwohl er zugeben musste, dass er das Gefühl genoss, jemandem wichtig zu sein. Die vielen Jahre auf Blakes Insel hatten ihre Spuren hinterlassen. Er hatte sich meist einsam und verloren gefühlt. Doch diese Zeit war nun vorbei! Egal wo wir hier gelandet sind – solange ich bei meinen Freunden bin, habe ich das Gefühl, ich könnte alles schaffen, dachte er glücklich. Und trotz der ungewissen Situation stahl sich ein ganz leichtes Lächeln auf sein Gesicht.

Langsam machten die Jungs einen Schritt nach dem anderen. Die unbekannte Umgebung, die durch die kleine Flamme des Feuerzeugs nur unzureichend beleuchtet wurde, ließ sie vorsichtig sein. Nach allem, was sie in den letzten Wochen erlebt hatten, war die Wahrscheinlichkeit groß, dass etwas Unvorhergesehenes passieren würde. Zumindest war dieses Gefühl, auf der Hut zu sein, fest in ihnen verankert.

„Na endlich!“, rief Toby schließlich. „Eine Tür, und sie ist nicht verschlossen. Dachte schon, wir sind in diesem Labyrinth voller Brennstoff für ewig gefangen. Aha, hier geht es zum Flur. Sieht aus, als würde es hier noch andere Räume in diesem Kellergeschoss geben.“

„Warte mal, Toby, bevor wir weitergehen, seht euch mal das hier an.“

Mark schwenkte sein brennendes Feuerzeug langsam in die Richtung eines zwei Meter hohen Schrankes, der völlig unscheinbar neben der Tür stand. Schwarze Oberfläche, schwarze Griffe, dazu noch das schwache Licht des kleinen Benzinfeuerzeuges – da konnte man selbst so ein großes Möbelstück leicht übersehen.

„Ich bitte euch, wir wären doch nicht wirklich wir, wenn wir diesen Schrank hier völlig unbeachtet ließen“, ergänzte Mark mit einem Augenzwinkern. „Roland, bitte sei doch so lieb. Falls da was herausspringt und uns angreift, musst du uns beschützen.“

„Aber selbstverständlich, ich möchte doch nicht, dass euch was passiert“, antwortete Roland ebenso überfreundlich, wie er aufgefordert wurde, und öffnete langsam die zweiflüglige Schranktür.

„Geht es noch ein wenig langsamer, Roland? Wollen wir jetzt einschlafen, hm?!“, fragte Toby genervt.

Da riss Roland mit einem Ruck die Türen bis zum Anschlag auf. Dabei drehte er sich zu Toby um und schenkte ihm einen „Bitteschön, du Blödmann!“-Blick. Aber als er ‒ genau wie seine Freunde – realisierte, auf was sie da gestoßen waren, machte sich pure Begeisterung in ihren Gesichtern breit. Der Schrank war bis zum letzten Zentimeter vollgestopft mit Petroleumlampen, fünf Kanistern Petroleum, robusten Handschuhen aus Leder sowie zehn Schutzhelmen.

„Seht euch das an, Leute“, sagte Julius leise, „die ganzen Gegenstände hier sind ja fabrikneu. Schaut mal die Lampen, das Glas jeder einzelnen ist so klar und sauber – die hat doch noch nie jemand benutzt, sonst wären da ein paar Rußspuren sichtbar.“

„Bis jetzt, würde ich mal sagen“, meinte Mark, griff nach einer Lampe und entriegelte die Glasfassung, um den Docht mit seinem Feuerzeug anzuzünden. Doch vergebens – die Flamme in der Lampe erlosch nach ein bis zwei Sekunden. „Das klappt nicht, wahrscheinlich ist noch kein Petroleum eingefüllt. Na, das sollte bei dem Vorrat ja kein Problem sein.“

Und so schnappte sich jeder eine Lampe und schraubte den Tankverschluss auf. Roland hob einen der schweren Zwanzig-Liter-Kanister an – aufgrund des Kraftaufwands wurden Rolands Muskeln hart wie Holz. Die Adern an seinen Unterarmen schwollen an.

„So, Leute, her mit euren Lampen, die füllen wir jetzt bis zum Anschlag auf. Sparsamkeit ist hier fehl am Platz, bei den Mengen reicht das ja für eine halbe Ewigkeit – und so lange wollte ich eigentlich nicht hier bleiben. Leider haben wir keinen Trichter, das wäre einfacher.“

Roland füllte die vier Petroleumlampen auf. Der große Kanister war schwer zu handeln, außerdem waren die Einfüllstutzen der Lampen recht eng. Eine geringe Menge Brennstoff ging daneben und bildete auf dem Boden eine kleine Pfütze. Das war nicht weiter schlimm, denn der staub- und sägespanbedeckte Boden saugte das Petroleum sofort auf wie ein Schwamm. Erneut zückte Mark sein stahlpoliertes Feuerzeug und zündete die vier Lampen an. Ausgestattet mit der transportablen Beleuchtung ging es nun weiter. Toby ging voran und betrat den Flur. Roland, Mark und Julius folgten ihm. Rottweiler Stiles beschloss, sich gelassen der Masse anzuschließen.

„Weiter, Jungs. Wie ich vorhin schon sagte, gibt es hier noch mehr Räume. Und durch die Lampen können wir jetzt alles gut sehen. Hm, für einen Flur ist das aber verdammt groß. Hier kannst du ja sechs Linienbusse hintereinander parken – und das in Zweierreihen.“

Mark fand das nicht so ungewöhnlich: „Na ja, es ist eben eine Burg. Da darf alles etwas größer und mächtiger sein. Schaut mal hier, ein Fahrrad. Brandneu und nicht abgeschlossen steht es einfach angelehnt an der Mauer.“

„Nicht abgeschlossen, Scherzkeks – als ob das hier jemand klauen würde“, meinte Julius.

„Hm, sieht aus wie ein Retro-Mountain-Bike. Irgendwie total robust. Also schnell kann man damit nicht fahren, so schwer wie das ist. Seht mal den Schriftzug: Arbeitsdienst ‒ wer schreibt denn sowas auf sein Fahrrad?“

Die Jungs standen mit ihren Petroleumlampen im Gang und blickten irritiert auf das Fahrrad. Roland war unterdessen etwas hinter dem Gefährt aufgefallen. Er trat zur Wand und strich mit seinem Finger über die Fugen.

„Hm, das ist außergewöhnlich. Die Wände bestehen aus den gleichen Steinen wie die Außenmauern der Burg. Eigentlich nimmt man für den Innenausbau wesentlich kleinere Steine.“

„Es sei denn, jemand wollte, dass das Teil hier unkaputtbar wird. Also ich denke mal, einreißen kann man die Burg nicht einfach so ohne Weiteres. Wer das hier gebaut hat, wollte bestimmt eine Art Bunker“, sagte Julius und ließ dabei seinen Blick über die Wände des Ganges schweifen. „Schaut mal, da drüben. Da ist ein Lastenaufzug am Ende des Flures. Und genau gegenüber am anderen Ende eine Wendeltreppe. Das ist so gar nicht wie auf einer alten Burg. Auf jeden Fall scheint es hier ja mehrere Etagen zu geben. Ich würde vorschlagen, wir gehen nach oben und gucken, was uns erwartet.“

„Das würde ich ganz und gar nicht vorschlagen“, widersprach Roland. „Ich bin durchgefroren ohne Ende – so wie ihr auch. Die Wärmequelle muss hier unten sein, ich will sie finden. Und erst wenn mein Körper wenigstens eine Betriebstemperatur von siebenunddreißig Grad hat, wäre ich bereit, hochzugehen.“

Während die beiden noch das Für und Wider einer nächtlichen Erkundung der restlichen Burg diskutierten, öffnete Mark die Tür, die direkt gegenüber vom Brennstofflager war. Stiles drängelte sich vor, indem er Mark leicht anrempelte.

„Jawoll, danke Stiles, Entschuldigung, dass ich hier stehe – Hauptsache die neue Umgebung als Erster beschnuppern, ne, du kleiner Fellbatzen?!“

Vorsichtig betrat Mark ‒ gleich nach Stiles ‒ den Kellerraum. Er drehte am Stellrad seiner Petroleumlampe, um diese etwas heller scheinen zu lassen. Wie es aussah, stand er mitten in einem Waschsalon. Die Wände ‒ auch hier saubere und gepflegte Burgmauern. Der Boden ‒ auf den ersten Blick akribisch genau und vollkommen eben aus Beton gegossen. Nicht eine Delle, nicht eine Unebenheit. Die Raumtemperatur war angenehm warm.

Ein absoluter Blickfang waren zwölf Waschmaschinen, die in zwei Sechser-Reihen in der Mitte des Raumes aufgebaut waren. Auf jeder war der Schriftzug „Miele - Modell Nr. 55“ angebracht. Auch diese Maschinen machten den Eindruck, als seien sie fabrikneu und gerade erst ihrer Verpackung entsprungen. Es roch nicht nach frischer Wäsche, sondern irgendwie neu. Dieser Geruch war typisch für Elektrogeräte, die wochenlang in einer Styropor- oder PVC-Verpackung gefangen waren und jetzt endlich atmen konnten. Auf der rechten Seite des Raumes stand ein Holzregal mit vielen kleinen Fächern. Vielleicht sollte dort saubere oder Schmutzwäsche zwischengelagert werden. Jedenfalls waren jetzt alle Fächer leer.

An der Wand gegenüber standen bis unter die Decke gestapelt mehrere hundert Pakete mit der Aufschrift „Henko ‒ Henkel’s Wasch- und Bleich-Soda“. An der Wand gegenüber der Eingangstür sah man Unmengen von Matratzen und Decken, ebenfalls so hoch es eben ging gestapelt. Die Matratzen waren hellgrau mit zwei weißen, breiten Streifen, die sich quer über die etwa zwanzig Zentimeter dicke Liegefläche zogen. Die Decken waren dunkelgrau, aus festem Material, das in jedem Falle gut wärmen würde. Scheinbar alles unbenutzt und brandneu. Mark wollte die Meinung seiner Freunde hören, doch die untersuchten noch die Mauer im Flur.

„Jungs, kommt mal hier rein, ich hab hier was entdeckt ‒ und lasst doch jetzt mal die blöden Mauern in Ruhe, die werden schon nicht einstürzen.“

„Jaha, wir kommen ja. Mach mal nicht so eine Hektik“, rief Roland. „Der Kleine ist ja ganz aufgeregt, mal sehen, was er hat.“

Erwartungsvoll kamen Toby, Roland und Julius in die Waschküche.

„Oha“, rief Toby beim Anblick der Waschmaschinen, „diese Dinger sehen ziemlich alt aus. Ich meine, sie sind ja offensichtlich brandneu, aber aus längst vergangenen Tagen.“

„Dann kommen eigentlich nur zwei Möglichkeiten in Betracht“, meinte Julius. „Entweder der Eigentümer ist ein absoluter Retro-Fan ‒ oder wir sind in der Zeit gelandet, in der diese Waschmaschinen das Highlight der Technik waren.“

Roland erinnerte sich: „Also bei meiner Oma im Keller stand so ein ähnliches Modell. Sie erzählte mal, Opa hätte die in den sechziger Jahren angeschafft. Na ja, ich würde mal sagen, wir sind in den Sechzigern. Fragt sich nur wo. Aber da auf den Maschinen Miele und Modell steht, sind wir bestimmt in Deutschland. Was meinst du, Toby?“

„Hm, da könntest du recht haben. Deutschland in den Sechzigern ‒ das soll doch gar nicht so schlimm gewesen sein.“

Mark geriet in Panik: „Leute, was ist, wenn wir hier nie wieder wegkommen? Ich hatte irgendwie gedacht, wenn wir erst mal von der Insel weg sind, wird alles gut. Stattdessen sind wir hier in dieser unheimlichen Burg und rätselraten, aus welchem Jahrzehnt die Waschmaschine von Rolands Oma stammt. Ich will endlich wieder nach Hause, ich will meine Familie wiedersehen! Zum Teufel, wer erfindet denn Maschinen, die einen durch Zeit und Raum bringen. Wenn überhaupt, baut man eine Zeitmaschine und keine Raumverschiebungsmaschine.“ Mark kämpfte mit den Tränen, sein Mund war trocken, ihm wurde schwindelig.

Roland ging zu ihm und legte seine Hände tröstend auf die Schultern seines verzweifelten Freundes.

„Jetzt beruhig dich mal, Kleiner! Ja, du hast recht, wir wissen gar nichts. Weder wo wir gelandet sind, noch in welcher Zeit. Aber im Moment ist die Situation nicht ganz aussichtslos. Ich denke, da haben wir auf Blakes Insel wohl Schlimmeres durchgemacht. Wir sind vier Jungs und ein Hund, wir werden schon eine Lösung finden.“

Toby unterstützte Rolands Bemühungen, Mark aufzuheitern: „Genau, Mark, gestern wären wir in dieser menschenfeindlichen Unterwasserstation fast ertrunken. Ich würde sagen, unsere Situation hat sich wesentlich verbessert.“

Julius brachte es auf den Punkt: „Freunde, ich denke, zusammen können wir alles schaffen. Und das sage ich nicht nur so, sondern das hat die Vergangenheit ja eindeutig bewiesen. Ich will mich ja nicht einschleimen, aber bei euch Trotteln fühle ich mich sicher. Und jetzt lasst uns den nächsten Raum erkunden. Na los, mir nach!“

Mark musste gegen seinen Willen bei so viel gut gemeintem Optimismus grinsen. „Na gut, ihr Helden, dann auf zum nächsten Raum.“

Lachend folgten Toby, Roland und Julius ihrem plötzlich beinahe gut gelaunten Freund. Stiles war es völlig egal, wo es hinging, er wollte einfach nur dabei sein und trottete gemütlich hinterher. Die Tür des nächsten Raumes war ungefähr zehn Meter entfernt. Die Abstände der Türen waren recht groß, ebenso wie die einzelnen Räume selbst. Vor lauter Aufregung und vollständiger Inanspruchnahme ihres Entdeckergeistes merkten die Jungs nicht, dass in den letzten dreißig Minuten auf der ganzen Etage eine angenehme Zimmertemperatur herrschte.

Schließlich erreichten sie die Tür zum dritten und letzten Raum, der von dem Flur aus erreichbar war.

„Komisch, die Tür zur Waschküche war aus Holz, diese hier ist aus schwerem Eisen“, stellte Toby fest und legte vorsichtig seine Handfläche gegen die Tür. „Sie ist warm!“

„Ja, das ist ja sehr schön, geh mal zur Seite“, sagte Roland und drückte die Türklinke ungeduldig nach unten. „Also entweder klemmt die oder …“

„… oder eben nicht“, beendete Julius kichernd den Satz.

Roland stemmte sein gesamtes Körpergewicht gegen die schwere Tür, und tatsächlich gab diese langsam nach. Sie war gerade mal einen Spalt offen, da drängelte sich Rottweiler Stiles mit seinen 75 Kilogramm an den Jungs vorbei und huschte durch den Spalt, um den Raum als Erster zu erkunden. Stark aufgewärmte Luft kam ihnen entgegen. Mark hielt seine Lampe in den Raum und ging, ohne zu zögern, in die linke hintere Ecke.

„Leute, guckt euch das an, ein riesengroßer Heizungskessel. Diese Wärme, Mann, tut das gut, hier bleibe ich.“

Die anderen schlossen sich Mark an und setzten sich zu ihm auf den warmen Betonboden, direkt vor den wärmespendenden Eisenkoloss, dessen Ausmaße ein gutes Drittel des gesamten Raumes einnahmen. Und das wollte etwas heißen, denn der Heizungsraum war genauso groß wie die Waschküche und damit doch bloß halb so groß wie der mächtige Raum gegenüber, in dem das Brennholz und die Kohle lagerten. Außer dem Kessel gab es jede Menge Rohre in unterschiedlichen Durchmessern, die an den Wänden und unter der Decke entlangführten und schließlich in den Mauern verschwanden. An jedem einzelnen Rohr waren ein Druckmesser und ein Ventil angebracht, wahrscheinlich um damit die Wärmezufuhr zu anderen Räumen steuern zu können.

Toby erkannte die Konstruktion: „Leute, das ist eine Dampfheizung. Ich habe mal eine Schlossführung mitgemacht, da haben die erklärt, wie so alte Schlösser und Burgen beheizt wurden.“ Er öffnete demonstrativ eine Klappe an dem Kessel. „Seht ihr, hier kommt das Brennholz oder auch die Kohle rein. Und – hey, Moment mal!“

„Richtig, Toby, das ist mir auch gerade klargeworden“, warf Julius ein. „Jemand muss vor Kurzem hier gewesen sein, sonst wäre der Ofen nicht warm und der Brennstoff im Inneren würde nicht leicht glühen, so wie jetzt in unserem Fall.“

Die angeregte Konversation der Jungs wurde urplötzlich durch ein unangenehm lautes Geräusch unterbrochen. Erschrocken sahen sich die vier an. Selbst Stiles, der sich gemütlich mit seinem Rücken dicht an Mark gelegt hatte, sprang auf und blickte Richtung Tür. Sein Gesichtsausdruck verriet: Ich mache hier jede Bedrohung platt, also versucht es gar nicht erst.

Roland runzelte die Stirn. „Dieses Geräusch, das klingt so mechanisch, so gequält. Als ob eine schwere Last transportiert wird oder so.“

„Roland, du bist genial“, lobte Toby. „Das ist doch bestimmt die Zugbrücke, die gerade runtergelassen wird.“

Mark sprang auf. „Schnell, vielleicht erwischen wir jemanden, der uns helfen kann!“

Ohne die Reaktion seiner Freunde abzuwarten, lief Mark los, dicht gefolgt von Stiles. Durch seinen drahtigen Körperbau war Mark besonders schnell. Er rannte raus auf den Flur und von da aus in den Raum, in dem der Brennstoff lagerte. Die vielen Ecken und Abzweigungen, für die sie vorher mehrere Minuten brauchten, meisterte er jetzt in nicht mal dreißig Sekunden. Dann erreichte er das Kellerfenster, durch das sie die Burg betreten hatten. Mark überlegte nicht lange, nahm einen kurzen Anlauf und hechtete mit einem Sprung durch das offen stehende Fenster. Ohne auch nur eine Sekunde zu verlieren, lief er weiter zur vorderen Seite der Burg. Sehen konnte er noch nichts, aber er nahm wahr, dass das laute Geräusch, das die Zugbrücke verursacht haben sollte, auf einmal verstummte. Ein neues Geräusch bestimmte die Situation. Mark lauschte in die Nacht: Das ist doch ein Auto oder ein anderes benzingetriebenes Fahrzeug. Hoffentlich erwische ich noch jemanden.

Völlig erschöpft und gänzlich aus der Puste erreichte er die Zugbrücke, die bereits wieder hochgefahren wurde. Seine Vermutung bestätigte sich: Er sah in der dunklen Nacht die roten Rücklichter eines sich entfernenden Autos, die sekündlich kleiner wurden und schließlich in der Ferne verschwanden. Hinterherlaufen und auf sich aufmerksam machen wäre eine gute Idee gewesen, doch die Zugbrücke war bereits hochgefahren, sodass die Burg wieder durch den breiten Wassergraben von der Straße getrennt war. Enttäuscht ging Mark langsam wieder zurück zum Kellerfenster. Die anderen Jungs, angeführt von Stiles, liefen ihm entgegen. Auf halber Strecke trafen sie sich.

„Sag mal, Kleiner, bist du total bescheuert oder was?“, fuhr Roland ihn an.

Mark sah ihn überrascht an. Was war denn los?