Blendende Gier - Angela Lautenschläger - E-Book
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Blendende Gier E-Book

Angela Lautenschläger

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Beschreibung

Eine dunkle Schuld, die nicht verjährt … Der Hamburg-Krimi »Blendende Gier« von Bestsellerautorin Angela Lautenschläger jetzt als eBook bei dotbooks. Mitten in der Nacht erhält die Hamburger Anwältin Theresa Sommer einen alarmierten Anruf vom Ex-Mann einer Mandantin. Dr. Konrad Driburg bittet sie, sofort in seine Villa zu kommen: Vor seinem Kamin liegt eine fremde Frau im Abendkleid – tot. Der Besitzer eines Pharmakonzerns beteuert immer wieder, unschuldig zu sein. Doch wie ist die Frau in sein Haus gelangt, und was wollte sie dort? Kommissar Lukas Kampmann ist sich sicher, dass Driburgs Weste nicht so blütenweiß ist, wie er behauptet. Oder ist er vielleicht nur eine Marionette in einem weitaus größeren, tödlichen Spiel? Kampmann kann nicht verhindern, dass Theresa den Fall übernimmt – und sich damit bald selbst in Gefahr bringt … Nach der Krimi-Bestsellerserie um Engel & Sander ermittelt nun ein neues Traum-Duo: die taffe Anwältin Theresa Sommer und Lukas Kampmann, ein Kommissar mit besonderen Ermittlungsmethoden. Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der fesselnde Kriminalroman »Blendende Gier« von Bestsellerautorin Angela Lautenschläger bietet den Fans ihrer Erfolgsserie natürlich auch ein Wiedersehen mit Nachlasspflegerin Friedelinde Engel und Kommissar Sander. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 481

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Über dieses Buch:

Mitten in der Nacht erhält die Hamburger Anwältin Theresa Sommer einen alarmierten Anruf vom Ex-Mann einer Mandantin. Dr. Konrad Driburg bittet sie, sofort in seine Villa zu kommen: Vor seinem Kamin liegt eine fremde Frau im Abendkleid – tot. Der Besitzer eines Pharmakonzerns beteuert immer wieder, unschuldig zu sein. Doch wie ist die Frau in sein Haus gelangt, und was wollte sie dort? Kommissar Lukas Kampmann ist sich sicher, dass Driburgs Weste nicht so blütenweiß ist, wie er behauptet. Oder ist er vielleicht nur eine Marionette in einem weitaus größeren, tödlichen Spiel? Kampmann kann nicht verhindern, dass Theresa den Fall übernimmt – und sich damit bald selbst in Gefahr bringt …

Über die Autorin:

Angela Lautenschläger arbeitet seit Jahren als Nachlasspflegerin und erlebt in ihrem Berufsalltag mehr spannende Fälle, als sie in Büchern verarbeiten kann. Ihre Freizeit widmet sie voll und ganz dem Krimilesen, dem Schreiben und dem Reisen. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Katzen in Hamburg.

Bei dotbooks erscheinen die Bände ihre »Engel und Sander«-Reihe sowohl als eBook- als auch Printausgaben:

»Stille Zeugen«

»Geheime Rache«

»Tödlicher Nachlass«

»Blindes Urteil«

»Gerechte Strafe«

»Brennende Angst«

»Stummer Zorn«

Die ersten drei Bände sind auch im Sammelband »Eiskaltes Erbe« erhältlich.

Auch ihre »Sommer und Kampmann«-Reihe erscheint bei dotbooks als eBook- und Printausgaben:

»Kalter Neid«

»Blendende Gier«

Weitere Bände sind in Planung.

***

Originalausgabe Juli 2022

Copyright © der Originalausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Philipp Bobrowski

Titelbildgestaltung: © HildenDesign unter Verwendung eines Motives von Shutterstock.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-98690-306-0

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Angela Lautenschläger

Blendende Gier

Der zweite Fall für Sommer und Kampmann

dotbooks.

Prolog

Die Frau wartete vor dem Haus auf ihn. Sie kam ihm vage bekannt vor, aber er war sich nicht sicher, ob er sie wirklich schon einmal gesehen hatte. Er war nicht dumm. Es gab Männer, die bedeutend attraktiver waren als er. Aber die Frau sah in seine Richtung, und sie lächelte ihn an. Möglicherweise irrte er sich, und sie interessierte sich doch für ihn. Er probierte es ebenfalls mit einem Lächeln. Als sie einen Schritt auf ihn zumachte, wurde er für einen Augenblick unsicher. Aber was sollte er tun? Weggehen und sie stehen lassen war keine Option. Er wollte sich nicht lächerlich machen.

Ihre Stimme war angenehm, und sie schaffte es, mit wenigen humorvollen Worten die natürliche Distanz zwischen ihnen zu überwinden. Seine Anspannung wich, und nachdem er eine Weile unsicher herumgedruckst hatte, gelang ihm die ein oder andere witzige Bemerkung. Als würden sie sich schon lange kennen, hakte sie sich bei ihm ein, und gemeinsam betraten sie die Bar ein paar Häuser weiter. Sie sprachen den ganzen Abend über miteinander. Er erzählte ihr von seiner Arbeit, von den Kollegen, von seiner Familie, den Eigenheiten seiner Mutter und brachte es fertig, den Umstand seiner privaten Situation zu beschönigen. Erst als sie auseinandergingen, fiel ihm auf, dass sie über sich so gut wie gar nichts erzählt hatte.

Später kamen ihm Zweifel daran, ob sich ihr Interesse wirklich auf ihn richtete oder ob sie ihn nur ausgenutzt hatte. Aber da war es bereits zu spät. Er war verliebt, und er würde alles für sie tun.

Kapitel 1

Verdammt!

Mitten in der Nacht läutete ihr Handy. Ohne die Augen zu öffnen, tastete Theresa auf dem Nachttisch danach. Sie fand es und warf einen Blick auf das Display. Dort stand nur Private Nummer. Mit anderen Worten wurde sie um drei Uhr nachts von einem Fremden angerufen. Sie drückte die grüne Taste. »Hm?«, machte sie und legte den Unterarm über die Augen.

»Frau Sommer? Konrad Driburg hier. Es tut mir wirklich leid, Sie mitten in der Nacht zu stören, aber ich würde Sie nicht anrufen, wenn es nicht wichtig wäre.«

Theresa nahm den Arm herunter und öffnete die Augen. Es war stockduster, und man sah überhaupt nichts. »Herr Dr. Driburg?«

»Können Sie bitte sofort kommen?«

»Augenblick.« Theresa knipste die Nachttischlampe an. Der Wecker zeigte die Uhrzeit mit 3.05 Uhr an, und am Apparat war ihr Prozessgegner aus der Scheidungsverhandlung vom Freitag. Sie hatte noch nie mit ihm telefoniert, und im Gerichtssaal hatte er seine Anwälte für sich sprechen lassen. Dr. Driburg war elegant und souverän aufgetreten, jetzt hörte sie einen leicht panischen Unterton in seiner Stimme.

»Frau Sommer? Sind Sie noch da?«

Theresa räusperte sich. »Ich bin ein bisschen verwirrt. Worum geht es denn?«

»Ich muss Ihnen etwas zeigen. Hier, bei mir zu Hause. Wilmans Park 15. Aber das wissen Sie ja.« Er legte auf.

Theresa schnappte nach Luft. Was war das denn? Sie drückte die Rückruftaste.

Er meldete sich mit den Worten: »Ich würde nicht fragen, wenn es nicht wichtig wäre, Frau Sommer. Bitte, kommen Sie«, und legte erneut auf.

Theresa warf das Smartphone auf die Bettdecke und rieb sich die Augen. Man wurde kein erfolgreicher Unternehmer, wenn man keine Befehle erteilen konnte, allerdings war sie nicht diejenige, die sich von ihm herumkommandieren ließ. Bei ihrem Rückruf hatte er beinahe erleichtert geklungen. Vielleicht weil er wusste, dass sie sich immerhin mit der Angelegenheit befasste. Sie machte ein unwirsches Geräusch und schlug die Bettdecke beiseite. Jetzt konnte sie ohnehin nicht mehr schlafen, und wenn sich herausstellte, dass er sie auf den Arm nehmen wollte, würde sie ihm einfach eine saftige Rechnung schicken. Aber sie glaubte nicht, dass es nicht tatsächlich ein Problem gab, denn ein Mann wie Dr. Konrad Driburg sagte nur sehr selten bitte.

Sie ging ins Bad, wusch sich das Gesicht und steckte sich die Haare hoch. Über ihren grauen Jogginganzug zog sie ihr schwarzes Jackett und lief die Treppe hinunter. Sie schlüpfte in ihre Sneaker, nahm die Autoschlüssel vom Flurregal und ging in die Garage.

Wilmans Park war eine elegante Wohnstraße in Blankenese und lag in Elbnähe oberhalb des Treppenviertels. Das Anwesen war von einer hohen Hecke umgeben, durch das zweiflügelige Gittertor war die mit schwarzem Kopfstein gepflasterte Zufahrt zu sehen. Um den Wert dieser Immobilie hatte Theresa, die Driburgs Ehefrau im Scheidungsverfahren vertrat, mit Driburgs Anwälten gestritten. Und um die Bankkonten in Deutschland und in der Schweiz. Manchmal war es Theresa so vorgekommen, als würden sich nur die Anwälte streiten und vielleicht noch ihre Mandantin, aber Konrad Driburg hatte sich stets so verhalten, als stünde er über den Dingen. Vielleicht lag es daran, dass ihm diese schicke Villa geblieben war. Oder er hatte sie alle reingelegt und besaß noch ein paar geheime Konten in Luxemburg.

Wie von Geisterhand öffneten sich die beiden Flügel des Tores, und das Licht vor dem Haus ging an. Theresa fuhr auf das Grundstück und stellte ihren Wagen neben den schwarzen Jaguar hinter dem Rondell. Als sie ausstieg, stand Driburg in der geöffneten Haustür. Er trug einen Smoking, schwarze Lackschuhe, und sein dichtes, graues Haar war gut frisiert. Nur die vorgebundene Fliege hatte er gelöst, sodass das Ende des Bändchens mit dem Haken auf einer Seite seines Halses herunterhing, die Fliege auf der anderen Seite.

Driburg streckte den Arm nach ihr aus. »Ich bin Ihnen wirklich dankbar, dass Sie meiner Bitte gefolgt sind. Kommen Sie doch herein und erschrecken Sie nicht.«

Am Ende des Flurs, in dem nur eine kleine Tiffanylampe brannte, lag ein hell erleuchteter Wohnraum. Driburg schloss die Haustür hinter ihr und eilte dann an ihr vorbei zum Wohnzimmer. Die doppelflügelige Glastür zum Wohnraum stand offen, Driburg blieb im Durchgang stehen und sah Theresa kurz an. Sie hatte den Eindruck, dass er etwas sagen wollte, aber dann trat er beiseite, und Theresa ging weiter.

Durch die Glasfassade hatte man einen Blick in den parkähnlichen Garten, in dem einige Laternen steinerne Statuen beleuchteten. An den beiden Seitenwänden des Raumes standen deckenhohe Bücherregale, die rechte Hälfte des Raumes dominierte eine weißlederne Sitzgruppe, in der linken Hälfte lud ein langer Esstisch mit zehn Stühlen zu Gesellschaften ein. Dort gab es auch einen Kamin, und auf dem Flokatiteppich davor lag eine Frau. Sie trug ein Abendkleid aus türkisfarbener Seide mit silbernen Paspeln. Ihr linker Arm war angewinkelt, die Hand lag auf Höhe ihres Kopfes. Um das Handgelenk trug sie eine teuer aussehende, mit Diamanten besetzte Uhr, der rechte Arm lag ausgestreckt neben ihrem Körper, und um das Handgelenk waren mehrere silberne Armbänder gewunden. Die blonden Haare lagen in üppigen Wellen wie bei Marylin Monroe. Zwischen dem Leichnam und dem Kamin lag ein Schürhaken, mit dem ihr jemand den Hinterkopf zertrümmert hatte.

Theresa wandte sich um und sah von Driburg zu der Toten und wieder zurück. Ein Paar kehrt am Tag nach der gelungenen Scheidung des Mannes nachts von einer Feier nach Hause zurück, gerät in Streit, und der Mann erschlägt die Frau mit dem Schürhaken. »Herr Dr. Driburg, ich mache keine Strafverteidigung.«

Ein kurzes Lächeln huschte über sein gut geschnittenes Gesicht. »Ich weiß, dass es so aussieht, als wäre ich es gewesen«, sagte er dann mit ernster Miene. »Aber ich kenne diese Frau nicht.«

Theresa zog die Unterlippe ein und nickte. »Okay«, sagte sie. »Das ist ein Problem.«

»Sehen Sie? Genau das war auch mein Gedanke.«

»Haben Sie die Polizei schon gerufen?«

»Noch nicht. Ich habe ihren Puls gefühlt, festgestellt, dass die Frau tot ist, und dann habe ich Sie angerufen.«

»Warum haben Sie nicht Ihre Anwälte angerufen? Die Kanzlei, die Sie vertritt, scheint davon doch eine Menge vorzuhalten.«

Driburg knöpfte sein Jackett auf und steckte die Hände in die Hosentaschen. »Sehen Sie, ich weiß nicht, wer die Frau ist, aber ich hätte eine Ahnung, um wen es sich handeln könnte, und dann wäre es nicht klug, wenn ich unsere Firmenanwälte beauftrage.«

»Weil?«

»Weil es sein könnte, dass die Frau die Geliebte meines Anwalts ist.«

Üblicherweise läutete sein Wecker um sechs Uhr. Lukas hatte dann noch ausreichend Zeit, um ein paar Yogaübungen zu machen, zu duschen und bei einer Tasse grünen Tee über seinen aktuellen Fall nachzudenken. Als an diesem Sonntagmorgen sein Telefon um sechs Uhr läutete, war er völlig verwirrt. Die Einsatzzentrale des Präsidiums bat ihn, zu einem möglichen Tatort zu fahren und mit den Ermittlungen zu beginnen. Es läge Fremdeinwirkung vor, und der Kriminaldauerdienst sei wegen eines Suizids und einer Schießerei auf der Reeperbahn voll ausgelastet. Der Polizeipräsident hätte gemeint, dass dieser Fall mit ein wenig Fingerspitzengefühl angefasst werden müsse. Diese Nachricht fand Lukas interessant, denn zum einen bedeutete das, dass Dr. Mühlenbeck vor sechs Uhr morgens an einem Sonntag aufgescheucht worden war, und zum anderen, dass in allen anderen Fällen offenbar kein Fingerspitzengefühl gefragt war. Lukas bat darum, abgeholt zu werden, und nannte den Namen der Beamtin, die er gern dabeihätte. Sein eigentlicher Partner Kai Lehmann befand sich im Urlaub mit seiner Freundin Sybille. Lukas hatte mit sich selbst eine Wette abgeschlossen, ob Kai als Single zurückkommen würde, und er war sich ziemlich sicher, dass er die Wette gewinnen würde.

Um halb sieben fuhr ein kleiner roter Flitzer vor dem Haus vor, in dem Lukas wohnte. Lukas stieg ein und begrüßte Jessica Stiehl, die zu seiner Überraschung wie aus dem Ei gepellt aussah. Das blonde Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, sie trug schwarze Jeans und eine schwarze Lederjacke, und sie war sogar geschminkt. An der nächsten roten Ampel wurde ihm klar, wie sie das geschafft hatte. In dem Fach unter der Handbremse klapperten ein Kajal, Lippenstift und ein silbernes Döschen durcheinander. Vermutlich hatte sie die Ampelphasen genutzt. Sehr effektiv, die Frau.

»Danke, dass Sie mich abholen.«

»Danke, dass Sie mich angefordert haben.«

»Ich hätte gedacht, dass Sie Sonntagmorgen mal ausschlafen wollen.«

»Och, ich war noch gar nicht im Bett. Ich war auf der Piste, als der Anruf kam.«

»Um sechs Uhr morgens?« Lukas war schon vom Zuhören erschöpft.

»Na ja, ging schon so langsam zu Ende, die Nacht.«

Lukas sah aus dem Beifahrerfenster und dachte an seine Jugend.

Und sie fuhr einen heißen Reifen. Dagegen wirkten Kais Fahrkünste wie die einer alten Frau. Gott sei Dank war so früh am Sonntagmorgen kaum ein Mensch unterwegs. Als sie mit Schwung von der Osterleystraße in die Straße Wilmans Park abbog, wusste er, weshalb Mühle für die Sache besonderes Fingerspitzengefühl erwartete. Wo Geld und Macht zu Hause waren, wollte man gern diskret vorgehen.

Vor dem Haus Nummer 15 standen drei Polizeiwagen, ein Leichenwagen und der Transporter der Spurensicherung. Und vermutlich würden in wenigen Minuten die ersten Journalisten eintreffen. Diskretion ging irgendwie anders.

Jessica nutzte eine winzige Lücke zwischen zwei Streifenwagen, um in die Auffahrt einzubiegen und ihren Wagen neben einem Jaguar und einem Audi Cabrio zum Halten zu bringen. Lukas war froh, dass die Fahrt zu Ende war. An der geöffneten Haustür der Villa empfing sie ein uniformierter Kollege und führte sie ins Haus. Am Ende des Flurs lag ein Wohnraum von beachtlicher Größe, in dem eine Menge Leute herumstanden. Zu Lukas’ Überraschung entdeckte er ein bekanntes Gesicht.

»Frau Sommer.«

Die Rechtsanwältin schien nicht besonders erfreut zu sein, ihn zu sehen. »Herr Kampmann.«

Sein Blick wanderte zu dem Mann neben ihr. Groß, schlank, Ende fünfzig, graue Haare, Smoking, Lackschuhe. Jessica hatte gemeint, er sähe aus wie dieser Schauspieler, der schon einige Male verheiratet gewesen war und auch in Hamburg wohnte. Lukas hatte keine Ahnung, von wem sie gesprochen und wie sie das so schnell herausgefunden hatte. Offenbar hatte sie die Ampelphasen nach dem Schminken zum Surfen im Netz genutzt.

»Driburg«, stellte sich der Grauhaarige vor. »Dr. Konrad Driburg. Ich wohne hier. Frau Sommer kennen Sie offenbar schon.«

»Ja, wir kennen uns aus einer früheren Angelegenheit«, erklärte Lukas. »Ich bin Kriminalhauptkommissar Lukas Kampmann. Das ist meine Kollegin Polizeiobermeisterin Stiehl.«

Lukas war ein wenig verwirrt. Driburg war offenbar von einer eleganten Abendveranstaltung zurückgekehrt, Theresa Sommer hingegen sah genau wie Lukas wie aus dem Bett geholt aus. Was machte sie hier? Er hoffte nicht, dass die beiden etwas miteinander hatten. Bei dem Gedanken daran spürte er einen leichten Stich der Enttäuschung.

»Vielleicht mögen Sie sich auch mal mit der Ursache dieses Menschenauflaufs befassen.«

Lukas wandte sich um. Auf dem Boden kniete ein sehr dicker Mann, der Rechtsmediziner Dr. Hornecker. Dessen Kollege Dr. Berger war Lukas eigentlich lieber, denn Dr. Hornecker war immer ein wenig anstrengend und leicht beleidigt. Möglicherweise lag das daran, dass sein Name von allen gern verhohnepipelt wurde.

Dr. Hornecker kniete neben der Toten. Sie trug ein Abendkleid, hatte eine gute Figur und war vermutlich die Geliebte des Hausherrn.

»Herr Dr. Hornecker, dann schießen Sie mal los.«

»Schädelhirntrauma, die Frau ist seit etwa drei Stunden tot. Um die dreißig, würde ich sagen, keine Papiere.« Dr. Hornecker deutete auf Driburg. »Aber wie alt sie war, muss er ja wissen.«

»Können wir sie mal umdrehen?«, fragte Lukas.

»Tun Sie sich keinen Zwang an.« Dr. Hornecker streckte die Hand nach Lukas aus, und der hievte ihn mit einiger Mühe in die Höhe. Der Rechtsmediziner deutete nach unten. »Bitte.«

Seufzend beugte sich Lukas über die Frau und fasste ihre Schultern. Ohne dass er sie auffordern musste, griff Jessica nach den schlanken Fesseln der Frau, und gemeinsam drehten sie die Tote um. Sie trug silberne Pumps mit Bleistiftabsätzen und Riemchen um die Fesseln, eine Menge Schmuck an den Handgelenken und um den Hals, der türkisfarbene Seidenstoff war mit silbernen Paillettenbändern eingefasst. Sie hatte sich alle Mühe gegeben, sich schön zu machen, aber ihr zu stark geschminktes Gesicht war grobknochig, die Lippen offenbar aufgespritzt, und sie trug falsche Wimpern. Ihre Frisur wirkte wie eine Perücke.

»Sie hat keine Handtasche dabei«, stellte Jessica fest und sah sich um.

»Nein«, stimmte Lukas zu. »Zu diesem Outfit gehört doch eine Clutch, oder wie?«

Jessica warf ihm ein kokettes Grinsen zu. »Stimmt. Ich geh mal gucken, ob ich sie finde.«

»Kann die Frau weg? Ich würde gern mal zu meinem Frühschoppen.« Dr. Hornecker bückte sich nach seiner Tasche.

»Ja, Sie können sie wegbringen lassen.« Lukas sah sich um. Und wenn die Spurensicherung weg war, hatte er vielleicht Gelegenheit, die Atmosphäre aufzunehmen. Und vor allem, einige Worte mit Theresa Sommer zu wechseln. Und natürlich mit Dr. Driburg.

Es dauerte eine ganze Weile, bis die Bestatter den Leichnam abtransportiert und die Kollegen der Spurensicherung das Haus verlassen hatten. Theresa Sommer saß auf der Vorderkante des weißen Ledersofas, Dr. Driburg stand vor dem Terrassenfenster und sah nach draußen in den Garten. Es war inzwischen hell geworden, die Vögel zwitscherten. Jessica schien den Fähigkeiten der Spurensicherung nicht zu trauen und drehte jedes Kissen um, sah auf der Suche nach der fehlenden Handtasche hinter alle Bücher und unter die Möbel.

»Herr Dr. Driburg, können wir …«

Driburg drehte sich um. »Wollen wir in die Küche gehen? Ich glaube, wir können alle einen Kaffee vertragen.«

Das Haus hatte eine wunderschöne Landhausküche mit einer Kochinsel und glänzenden Kupfertöpfen, die an einem Gestell darüber hingen. Lukas bekam augenblicklich Lust, ein leckeres vegetarisches Menü zu zaubern. Auf dem Küchenschrank neben dem Fenster stand ein riesiger chromfunkelnder Kaffeeautomat.

»Was möchten Sie? Espresso, Kaffee, Macchiato …«

»Espresso«, sagten Lukas und Theresa wie aus einem Munde.

Der Hausherr schien im Umgang mit der Maschine geübt zu sein, servierte ihnen zwei Espressi auf der kleinen Bar und bereitete sich einen Kaffee zu. Den Smoking und seine übrige Kleidung hatte die KTU mitgenommen. Wenn Driburg tatsächlich den ganzen Abend über den Smoking getragen und die Frau erschlagen hatte, würden sie darauf Blutspritzer finden. Fingerabdrücke waren ihm bereits abgenommen worden, und eine Mitarbeiterin hatte die Anhaftungen unter seinen Fingernägeln gesichert. Er hatte all das klaglos über sich ergehen lassen. In dem schwarzen Shirt und der beigefarbenen Chinohose sah Driburg jetzt aus wie ein normaler Mensch.

»Frau Sommer, nur für mich, vertreten Sie die Interessen von Dr. Driburg?«

Zu Lukas’ Überraschung wechselten Driburg und Theresa Sommer fragende Blicke. Sie schienen sich über die Beziehung selbst nicht einig zu sein, was Lukas erneut einen Stich gab. Schließlich nickte Driburg.

»Gut, Herr Kampmann. Ich beginne ganz von vorn«, sagte Theresa. »Herr Dr. Driburg wurde am Freitag geschieden. Ich habe seine Ehefrau im Scheidungsverfahren vertreten. Heute Nacht um kurz nach drei rief er mich an und bat mich herzukommen, weil er mir etwas zeigen müsse. Ich bin sofort losgefahren, und Dr. Driburg hat mir die Tote vor dem Kamin gezeigt.«

»Wie spät war es, als Sie ankamen?«

»Ich denke, so etwa gegen vier Uhr.«

»Soweit ich weiß, ging der Anruf bei der Polizei um drei Minuten nach fünf ein. Was haben Sie in der Zwischenzeit gemacht?«, fragte Lukas und rührte seinen Espresso um, obwohl er keinen Zucker hineingetan hatte. Er war nicht sicher, ob er das, was die beiden getan hatten, hören wollte.

»Wir haben den Sachverhalt miteinander erörtert.«

Lukas hörte auf zu rühren und sah Theresa Sommer an. »Bitte?«

»Als Erstes haben wir geklärt, weshalb Dr. Driburg mich angerufen hat und was er von mir erwartet.«

»Und was erwarten Sie von Frau Sommer?«, fragte Lukas Dr. Driburg.

»Ich habe Frau Sommer gebeten, meine Interessen wahrzunehmen. Die Beauftragung eines Strafverteidigers halte ich nicht für erforderlich, aber ich kenne mich mit rechtlichen Gepflogenheiten, also mit strafrechtlichen, nicht gut aus.«

»Sie werden doch sicher eine Kanzlei haben, die Sie in rechtlichen Angelegenheiten aller Art vertritt.«

»Sicher, aber Frau Sommer hat mir in dem Scheidungsverfahren gut gefallen.« Driburg lächelte. »Tatsächlich hätte ich mir gewünscht, dass sie meine Interessen wahrnimmt und nicht meine eigene Kanzlei.«

»Okay, dann haben Sie also eine Stunde lang erörtert, ob und wie Frau Sommer Ihre Interessen wahrnimmt.«

»Nein, damit waren wir schneller durch«, erklärte Theresa Sommer. »Dann haben wir über die Sache selbst gesprochen.« Sie sah Driburg an. »Möchten Sie, dass ich wiedergebe, was Sie mir erzählt haben?«

»Ja, bitte.«

»Gut. Ich kam also hier an. Dr. Driburg hat mir berichtet, dass er etwa gegen zehn vor drei von einer Veranstaltung heimgekehrt ist. Er hat das Haus betreten, die Lampe im Flur eingeschaltet und ist ins Wohnzimmer weitergegangen. Dort hat er das Deckenlicht angemacht und die Frau vor dem Kamin entdeckt. Nachdem er vergeblich versucht hat, ihren Puls zu fühlen, hat er überlegt, was er tun soll.«

»Und er hat Sie angerufen.« Lukas trank einen Schluck Espresso. »Gestatten Sie mir die Frage, Herr Dr. Driburg, für mich ist es ein wenig schwer zu verstehen, warum Sie nicht auch die Polizei oder wenigstens einen Krankenwagen gerufen haben.«

»Herr Kampmann, die Frau war tot. Ich konnte keinen Puls spüren. Kein Arzt der Welt hätte ihr helfen können. Und in meinem eigenen Interesse habe ich zuerst Frau Sommer angerufen, bevor ich die Polizei rief. Schließlich kam ich mir vor, als hinge über meinem Kopf ein neongelber Pfeil mit der Aufschrift Mörder, der direkt auf mich wies. Ich wollte der geballten Staatsmacht nicht allein gegenübertreten.«

»Verstehe. Ich kann dem also entnehmen, dass Sie die Frau nicht umgebracht haben?«

»Richtig.«

»Wer ist die Frau?«

»Das weiß ich nicht.«

Lukas leerte seine Espressotasse. »Die Spurensicherung hat keine Einbruchspuren gefunden.«

»Man kann das Haus durch den Eingang vorn betreten, den Sie benutzt haben, oder durch den Zugang durch den Wirtschaftsraum auf der Rückseite des Hauses. Beide Eingänge sind mit Codeschlössern gesichert.«

»Wie häufig wechseln Sie diesen Code?«

»In unregelmäßigen Abständen. Eigentlich immer dann, wenn ich daran denke.«

»Und wann haben Sie zuletzt einen neuen Code eingegeben?«

»Ich kann das anhand des Protokolls nachprüfen. Vermutlich vor etwa zwei Wochen.«

»Gibt es weitere Personen, die den Code kennen?«

»Meine Haushälterin.«

»Geben Sie meiner Kollegin bitte den Namen und die Anschrift Ihrer Haushälterin. Ich nehme nicht an, dass Sie sonntags zu Ihnen kommt?«

»Nein, Sie kommt morgen früh gegen acht Uhr wieder.«

»Und sonst kennt niemand den Code?«

»Nein.«

»Da stellt sich die Frage, wie die Frau hier hereingekommen ist.«

»Ja, die Frage stellt sich«, bestätigte Driburg.

Lukas war gewillt, ihm zu glauben, dass er die Frau nicht getötet hatte. Hätte er sie erschlagen, wäre auf seinem Smokinghemd wenigstens ein klitzekleiner Blutspritzer zu sehen gewesen, aber sein Hemd war blütenweiß gewesen. Die Frage war, ob das auch für seine Weste galt.

»Gut. Sie kennen die Frau nicht, und Sie wissen nicht, wie Sie hereingekommen ist.«

Dr. Driburg stützte sich auf dem Unterarm auf dem Tresen ab. »So ist es.«

»Von welcher Veranstaltung kamen Sie?«

»Von der Feier meines Unternehmens Dripha Cosmetics. Wir haben zweijähriges Jubiläum gefeiert.«

»Verstehe.« Nach der Kleidung, die Driburg getragen hatte, zu urteilen, hatte es sich dabei nicht um einen Grillabend oder ein gemütliches Beisammensein bei Würstchen und Kartoffelsalat gehandelt. »Haben Sie die Veranstaltung allein besucht?«

»Ja.«

Immerhin war er nicht mit Theresa Sommer dort gewesen.

»Wo hat die Veranstaltung stattgefunden?«

»Im Fontenay an der Alster. Wir haben dort eines der Restaurants gebucht.«

»Wie viele Personen haben an der Feier teilgenommen?«

»Die gesamte Belegschaft. 249 Personen.«

»Waren Sie mit dem eigenen Wagen dort?«

»Ja. Ich habe nur einen Begrüßungssekt getrunken und mich dann an Wasser gehalten. Ich musste eine Rede halten und Gespräche mit Mitarbeitern und Geschäftspartnern führen. Eigentlich hatte ich auf einen entspannenden Whiskey gesetzt, den ich nach meiner Rückkehr zu Hause trinken wollte.«

Lukas war ein in sich ruhender Mensch, er fühlte sich wohl, und er verspürte selten Neid. Im Augenblick aber war ihm dieser Kerl herzlich unsympathisch, weil er einfach perfekt zu sein schien. Er sah gut aus, war erfolgreich, charmant und vermutlich kein Mörder. Wenn Theresa Sommer da nicht anbiss, müsste doch etwas mit ihr nicht stimmen.

»Wenn Sie sonst keine Fragen haben …«, sagte Driburg. »Ich würde mich gern ein wenig hinlegen.«

»Nein. Im Augenblick nicht. Bitte lassen Sie uns so bald wie möglich die Protokolle Ihrer Schließanlage zukommen. Eine Kameraüberwachung haben Sie wohl nicht?«

»Nein, nur die Beleuchtung, die auf den Bewegungsmelder reagiert.«

»Schade. Und wir benötigen eine Liste der Mitarbeiter Ihres Unternehmens. Gibt es zufällig eine Aufzeichnung Ihrer Veranstaltung? Videoaufnahmen der Reden oder Beiträge?«

»Leider nicht. Sie werden sich auf die Angaben der Anwesenden verlassen müssen.«

»Dann tun Sie uns den Gefallen und geben Sie uns einen ungefähren Ablauf der Veranstaltung, wann Sie mit wem gesprochen haben.« Lukas schob seine leere Espressotasse von sich. »Vielen Dank für den Espresso.« Er warf einen Blick auf Theresa Sommer.

Die rutschte vom Barhocker. »Ich werde auch gehen.«

»Vielleicht können wir am Nachmittag noch einmal telefonieren. Sie werden auch müde sein, nachdem ich Sie aus dem Bett geholt habe.« Driburg reichte ihr galant den Arm.

An der Haustür wartete Jessica auf Lukas. »Diese verdammte Handtasche ist nirgendwo zu finden.« Ihr Blick fiel auf Driburg. »Entschuldigung.«

Nachdem Driburg die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, wartete Lukas, bis Jessica zu ihrem Wagen gegangen war.

»So wie es aussieht, stehen wir diesmal auf verschiedenen Seiten, wie?«

Theresa Sommer zog die Revers ihres Jacketts zusammen. »Das würde ich nicht sagen. Es sei denn, Sie halten Driburg für den Mörder. Allerdings unterliege ich der anwaltlichen Schweigepflicht. « Sie lächelte. »Aber über alles andere können wir sprechen. Einen schönen Sonntag.« Sie stieg in ihr Cabrio und setzte zurück.

»Alter, das ist vielleicht eine Hütte«, sagte Jessica, als Lukas in ihren Wagen einstieg. »Ich hab mich fast verlaufen.«

»Ja, das Haus ist ziemlich groß«, bestätigte Lukas. »Wir sollten uns mal mit seinen Einkommensverhältnissen befassen.« Er seufzte. Dazu hätte er natürlich gern Theresa Sommer befragt, aber das fiel vermutlich unter ihre anwaltliche Schweigepflicht. Nicht nur, dass sie seine Einladungen seit Monaten ablehnte, jetzt hielt sie sich auch noch in unmittelbarer Nähe eines Traumprinzen auf. Dagegen nahm er selbst sich aus wie ein blasser Behördenspacken.

»Äh«, machte Jessica und holte ihn damit in die Realität zurück. »Warum haben wir Dr. Driburg eigentlich nicht festgenommen?« Sie klang weder empört noch vorwurfsvoll, sondern einfach interessiert.

»Weshalb? Weil eine Frau in sein Haus eingebrochen ist und erschlagen wurde?«

»Und wenn er sie umgebracht hat?«

»Dann werden wir es merken. An seiner Kleidung oder unter seinen Nägeln werden wir Spuren finden. Oder nicht.«

»Hm.«

»Oder glauben Sie, dass er im Smoking nach Hause kommt, sich umzieht, die Frau erschlägt, und dann wieder den Smoking anzieht? Dann hätten die Kollegen wohl auch die verschmutzte Kleidung gefunden. Nein, ich glaube ihm.«

»Hm. Wir haben also gar nichts, weshalb wir ihn verdächtigen?« Jetzt klang Jessica enttäuscht.

»Doch. In einem Punkt dürfte er uns belogen haben.«

»Aha?«

»Dass er diese Frau nicht kennt. Das glaube ich ihm nicht.«

Lukas hatte Jessica angeboten, ihn im Präsidium abzusetzen und dann nach Hause zu fahren, aber die junge Frau schien über ein unerschöpfliches Energiereservoir zu verfügen. Als er mit einer Kanne grünem Tee aus der Teeküche des Präsidiums in ihr Dienstzimmer kam, saß sie bereits an Kais Computer. Ihre Lederjacke hing über der Rückenlehne des Stuhls. Sie trug ein schwarzes Shirt mit dem Schriftzug Sprich mich nicht an aus silbernen Pailletten. Vielleicht brauchte man solche Schutzkleidung, wenn man sich als junge Frau im Hamburger Nachtleben aufhielt.

»Ich weiß jetzt, warum Driburg sich so eine teure Hütte leisten kann«, sagte sie. »Dripha Cosmetics stellt Naturkosmetik für die Damen und Herren der höheren Gesellschaft her. Zertifiziert, biologisch abbaubar, ohne chemische Zusätze und Tierversuche. Und trotzdem macht es einen schön und begehrenswert.« Jessica spielte mit ihrem Pferdeschwanz und seufzte. »Das würde ich mir gern leisten können.«

»Brauchen Sie doch nicht. Jede Frau würde gern das Geheimnis kennen, weshalb Sie nach vierundzwanzig Stunden noch aussehen wie das blühende Leben.«

Sie blinzelte ihn an und wurde rot.

Er reichte ihr einen Teebecher. »Hier. Und was steht da noch so?«

Jessica stellte den heißen Becher ab. »Da steht, dass Dripha Cosmetics eine hundertprozentige Tochter von Driburg Pharma ist. Die stellen Medikamente her.«

»Gucken Sie mal, was genau diese beiden Firmen herstellen. Ich befasse mich inzwischen mit diesem Sicherungssystem, das Driburg in seiner Villa eingebaut hat. Solange wir keinen Obduktionsbericht haben und der Bericht der Spurensicherung noch nicht da ist, können wir ohnehin nicht viel machen.« Lukas setzte sich. »Und die Liste der Mitarbeiter haben wir auch noch nicht.« Er legte die Füße auf seinen Schreibtisch und nippte an seinem Teebecher. Zeit, sich ein wenig in Selbstmitleid zu suhlen.

Theresa Sommer. Nachdem er sie damals kennengelernt hatte, hatte er die Angaben zu ihr auf der Internetseite ihrer Kanzlei gegoogelt. Sie war 35, brünett, und heute hatte er sie das erste Mal ungeschminkt und mit nachlässig hochgesteckten Haaren gesehen, was ihrer Schönheit keinen Abbruch tat. Sie war seit fast zehn Jahren selbständig, hatte mit zwei Kollegen vor einigen Jahren eine gemeinsame Kanzlei gegründet und vertrat in erster Linie Frauen, die geschieden werden wollten. Wie zum Beispiel die Ehefrau von Konrad Driburg.

Lukas nahm die Füße vom Tisch und gab den Namen in die Suchmaschine ein. Mehrere Onlinezeitungen zeigten Driburg mit einer gut aussehenden Frau, die den Bildunterschriften zufolge seine Ehefrau Margret war. Sie war fünfzig Jahre alt, und die Zeitungen vermeldeten, dass sich der erfolgreiche Unternehmer und sein ehemaliges Model nach vierzehn Jahren Ehe hatten scheiden lassen. Driburg war bei der Eheschließung vierundvierzig Jahre alt gewesen. Lukas suchte weiter und prüfte auch den Melderegistereintrag von Driburg, aber diese Ehe war seine einzige gewesen, und er hatte auch keine Kinder. Die Samstagsausgaben befassten sich mit der Frage, wie viel Geld Driburg seiner Exfrau bei der Scheidung zahlen musste, außerdem hatten sie Fotos aus der Vergangenheit ausgekramt. Die Driburgs bei der Eheschließung, beim Skiurlaub, auf einem Ball, bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung, bei sich zu Hause und im Restaurant. Ein schönes Paar im Glück. Jedenfalls bis letzten Freitag.

Lukas griff zum Telefonhörer und wählte die Nummer des Bereitschaftsdienstes der Staatsanwaltschaft. Er wurde zum diensthabenden Staatsanwalt durchgestellt und trug ihm sein Anliegen vor.

»Einen Beschluss zur Sicherstellung von Überwachungsaufnahmen?« Staatsanwalt Patrick Degen klang ein wenig enttäuscht. »Keinen Haftbefehl?«

»Bedaure.« Lukas warf einen Blick auf die Uhr. »Der Mord ist gerade mal sechs Stunden her, und wir haben noch keinen Tatverdächtigen.«

»Tja, kann man nichts machen. Ich kümmere mich drum. Sie können den Beschluss in einer Stunde abholen.«

»Danke. Bis später.« Lukas legte auf und loggte sich bei Inpol ein. Die unbekannte Tote wurde vielleicht irgendwo vermisst. Es würde ihnen die Arbeit jedenfalls erheblich erleichtern, wenn sie wüssten, wer da umgebracht worden war.

Lukas hatte einige Schwierigkeiten, Jessica davon zu überzeugen, dass sie nach Hause gehen und sich erholen sollte. Sie konnten am Montagmorgen weitermachen, wenn sie weitere Informationen hatten. Er selbst machte sich mit der U-Bahn auf den Weg zur Staatsanwaltschaft und von dort zum Hotel The Fontenay.

Das Hotel war von einem Hamburger Unternehmer erst vor wenigen Jahren errichtet worden. Ein moderner, mehrstöckiger Bau, bestehend aus drei miteinander verbundenen kreisförmigen Gebäudeteilen mit Dachterrassen und von zahlreichen Bäumen umstanden. Die Lage an der Alster war erstklassig, und Lukas ahnte beim Betreten, dass die Ausrichtung der Jubiläumsfeier für knapp 250 Personen ein hübsches Sümmchen gekostet haben dürfte. Aber vermutlich hatte das Unternehmen bei der Gründung noch nicht so viele Mitarbeiter gehabt. Dann waren die Kosten nicht ganz so hoch.

Der junge Mann hinter dem Empfangstresen war ausgesprochen höflich und sehr diskret. Lukas fühlte sich veranlasst, seine Stimme zu senken und den Beschluss dezent über den Tresen zu schieben. Der junge Mann verschwand durch die Tür mit der Aufschrift Geschäftsleitung und kehrte mit einem elegant gekleideten Mann zurück, der sich als stellvertretender Direktor Jonathan Fisch vorstellte.

»Wenn Sie mir Ihre Mailadresse nennen, leiten wir Ihnen die Aufnahmen vom Samstagabend zu«, erklärte Fisch.

»Das ist sehr nett.« Lukas gab ihm seine Visitenkarte und zeigte Fisch auch die Aufnahme der Toten. »Wissen Sie, ob diese Frau Gast in Ihrem Hotel ist? Entweder als Übernachtungsgast oder vielleicht war sie auch Teilnehmerin der Jubiläumsfeier gestern Abend.«

Fisch betrachtete die Aufnahme der Toten. »Die Frau wurde ermordet?«

»Ja.«

Fisch schüttelte den Kopf. »Ich kenne sie nicht. Wenn ich das Foto behalten kann, werde ich die Mitarbeiter fragen, die gestern Dienst hatten.«

»Danke.«

»Ich sage Ihnen dann Bescheid. Darf ich Sie noch zu einer Tasse Tee einladen? Wir bieten in unserer Atrium Lounge Afternoon Tea an.« Fisch deutete in einen großzügigen runden Salon und setzte sich in Bewegung.

Lukas legte den Kopf in den Nacken. An einer gläsernen Kuppel hing ein imposanter Kronleuchter, die darüberliegenden Stockwerke waren durch Verblendungen vor neugierigen Blicken geschützt.

»Hier hätten wir noch einen Platz.« Fisch schob Lukas an einem runden Tisch einen Sessel zurecht und gab einer jungen Kellnerin ein Zeichen. »Bitte servieren Sie dem Kommissar einen Afternoon Tea. Er ist mein Gast.«

»Oh, das kann ich nicht annehmen«, wehrte Lukas ab.

»Ich bitte Sie, Herr Kommissar. Wir haben hier nichts zu verbergen, und ich erwarte auch keine Gefälligkeit. Lassen Sie es sich schmecken.«

Das tat Lukas. Er war furchtbar hungrig, und er verputzte alle Sandwiches und anschließend die Scones mit Clotted Cream und Marmelade und noch ein Törtchen. Mehr schaffte er beim besten Willen nicht, und in Anbetracht des Luxus, der ihn hier umfing, gönnte er sich für die Heimfahrt ein Taxi.

Theresa kochte sich einen Lavendeltee und legte sich für ein Stündchen aufs Sofa. Anschließend holte sie ihre am Morgen verpassten Yogaübungen nach und setzte sich mit einer Tasse Kaffee und einem aufgebackenen Croissant vor den Laptop. Noch immer fragte sie sich, weshalb Driburg ausgerechnet sie angerufen hatte. Im Scheidungsverfahren war er von der zweitgrößten Kanzlei Hamburgs vertreten worden, zwei Anwälte hatten am Verhandlungstermin teilgenommen. Driburg war stinkreich und erfolgreich. Theresa litt keineswegs unter Minderwertigkeitskomplexen oder an mangelndem Selbstbewusstsein, aber sie ließ sich auch nicht gern auf den Arm nehmen oder benutzen. Sie googelte seinen Namen und fand eine Reihe von Meldungen über ihn und tatsächlich auch über sich selbst. Einer der Journalisten war der Auffassung, dass sie sich in der Scheidungsverhandlung gut geschlagen hatte.

Sie zuckte zusammen, als ihr Telefon läutete. »Sommer.«

»Frau Sommer, hier spricht Konrad Driburg.«

»Herr Dr. Driburg.«

»Ich wollte mich zuallererst noch einmal dafür entschuldigen, dass ich Sie heute früh aus dem Bett geholt habe. Ich weiß es sehr zu schätzen, dass Sie gleich gekommen sind. Worüber wir noch nicht gesprochen haben, ist Ihre Bezahlung. Ist Ihnen ein Stundenhonorar von 350 Euro recht?«

Theresa, der bekannt war, dass Driburg seinen Anwälten vermutlich das Doppelte zahlte, wusste nicht, ob sie beleidigt oder beeindruckt sein sollte. Auf alle Fälle war der Stundensatz höher als ihr übliches Honorar. »Damit bin ich einverstanden. Worüber wir noch nicht sehr ausführlich gesprochen haben, ist, ob mein Auftrag jetzt beendet ist. Wenn ich den Kommissar heute richtig verstanden habe, hält er Sie nicht für den Täter.«

»Und Sie? Halten Sie mich für den Täter?«

»Warum wollen Sie das wissen?«

»Nun, Sie sind keine Strafverteidigerin. Denen muss es egal sein, ob ihr Mandant schuldig ist oder nicht. Aber Sie sind keine und außerdem eine kluge Frau. Ich habe den leisen Verdacht, dass Sie mich nicht vertreten würden, wenn Sie mich für schuldig hielten.«

»Ich denke, Sie haben mich nicht für Ihre Strafverteidigung engagiert.«

Er lachte leise. »Touché. Vermutlich ist Strafverteidigung die richtige Bezeichnung in juristischer Hinsicht, aber ich würde mich wohler fühlen, wenn wir es als Begleitung des Ermittlungsverfahrens bezeichnen.«

»Gut, das können wir gern tun«, sagte Theresa. »Aber sobald die Polizei ihre Meinung ändert und Sie als Verdächtigen einstuft, müssen wir einen Kollegen hinzuziehen, der Strafverteidigung macht. Und ich verlange, dass Sie mir ausführlich und ehrlich Auskunft erteilen.«

»Einverstanden. Das könnte ich heute Abend bei einem Abendessen machen. Was halten Sie vom Louis Jacob? Ich bestelle Ihnen ein Taxi, das Sie abholt.«

»Das ist nicht erforderlich. Ich komme mit meinem eigenen Wagen.«

»Zwanzig Uhr?«

»In Ordnung. Bis später.«

Dieses Gespräch hatte nicht gerade zu ihrer Beruhigung beigetragen, aber am Abend würde sie Driburg auf den Zahn fühlen.

Kapitel 2

Hedwig Fröhlich zupfte ihre grauen Locken vor dem Spiegel zurecht, schlüpfte in ihre beigefarbene Jacke und griff nach ihrer Handtasche. Sie zog die Wohnungstür hinter sich zu, lief die Treppe hinunter und grüßte ihre Nachbarin Frau Siebenkötter, die gerade die Tageszeitung von ihrer Fußmatte nahm. Dann verließ sie das Haus und eilte zur U-Bahn. Nach einer halbstündigen Bahnfahrt verließ sie die Station in der Innenstadt und steuerte mit schnellen Schritten ihr Ziel an. Als sie das Bürohaus betrat, stieg sie nicht die Treppe hinauf, sondern nahm den Fahrstuhl. Diesen kleinen Luxus konnte sie sich mit sechsundsiebzig Jahren wohl gönnen. Es war fünf Minuten nach acht, und an einem Montagmorgen war um diese Zeit erfahrungsgemäß noch keiner der Anwälte da. Hedwig gab den Sicherheitscode in die Schließanlage ein und zog die Glastür auf.

Um die Stimmung im Büro zu heben, hatte sie sich angewöhnt, am Montagmorgen einen Strauß frischer Blumen vom Bahnhof mitzubringen. Sie warf den verblühten Strauß der Vorwoche weg und stellte frische Tulpen in die Vase. Anschließend kochte sie nach guter alter Tradition Kaffee. Das bedeutete, dass sie einen Wasserkessel aufsetzte, eine Filtertüte in einen Porzellanfilter setzte und Kaffeepulver hineinlöffelte. Anschließend fuhr sie den PC hoch und checkte die Mails.

Als sie vor einem halben Jahr als Schwangerschaftsvertretung eher zufällig in der Kanzlei Winkler, Harms und Sommer begonnen hatte, waren ihr alle technischen Geräte unheimlich gewesen. Inzwischen kam sie ganz gut mit diesem Ding zurecht, und wenn es Probleme gab, fragte sie ihre studentische Hilfskraft Tobi. Hedwig druckte die Eingänge aus dem elektronischen Anwaltspostfach aus, ordnete sie den Akten zu und suchte die Wiedervorlagen heraus. Sie balancierte einen ziemlich hohen Aktenstapel den Gang entlang und legte Florian Winkler und Marc Harms ihre Akten auf die leeren Schreibtische. Mit den letzten drei Akten auf dem Arm öffnete sie die Tür zum Anwaltszimmer am Ende des Ganges und hielt erschrocken inne. »Theresa!«

»Huch, Gott, Hedwig.«

»Ich wusste nicht, dass du schon da bist.« Hedwig legte die Akten auf den Schreibtisch ihrer Nichte. »Ich dachte, ich bin die Erste. Seit wann bist du denn schon da?«

»Ach, eine Weile. Ich glaube, ich bin um sieben zu Hause losgefahren.«

»So, so.« Hedwig schob einige Papiere zusammen und drehte den Blumentopf auf der Fensterbank ein wenig zurecht. »Gab es Probleme zu Hause, Liebes?«

»Wie? Nein, zu Hause ist alles in Ordnung.«

»Also keine Probleme mit Tim?«

»Da ich mittlerweile geschieden bin und Tim sich seit Weihnachten nicht bei mir gemeldet hat, kann ich auch keine Probleme mit ihm haben.«

»Aha, verstehe. Und auch sonst ist alles in Ordnung?«

Theresa löste den Blick vom Bildschirm und sah ihre Tante an. »Möchtest du irgendetwas wissen, Hedwig?«

»Na ja.« Hedwig stellte sich neben Theresa und warf einen Blick auf den Bildschirm. »Woran arbeitest du denn?« Sie konnte nichts erkennen, und dummerweise lag ihre Lesebrille auf dem Empfangstresen. Hedwig beugte sich vor. »Oh, ein gut aussehender Mann. Warst du mit ihm aus?«

»Richtig. Das war ich.« Für Hedwigs Begriffe servierte ihre Nichte sie recht rüde ab und wandte sich den Akten zu, die Hedwig ihr hingelegt hatte. »Ist aber nicht weiter wichtig. Ich sehe mir das mal an. Danke.«

Das war ungewöhnlich deutlich. Leicht verschnupft ging Hedwig zur Tür.

»Entschuldige, Hedwig. Wir können nachher ein wenig plaudern. Im Augenblick habe ich den Kopf nicht frei.«

»Natürlich, Liebes.« Hedwig zog die Tür zu und kehrte an ihren Arbeitsplatz zurück. Sie setzte sich an ihren PC und gab den Namen des Mannes ein, den sie auf dem Bildschirm gesehen hatte. Konrad Driburg. Die Suchmaschine spuckte unzählige Einträge zu diesem Mann aus. Unter anderem auch das Foto, das ihre Nichte sich auf dem Bildschirm angesehen hatte. Hedwig geriet ins Grübeln. Das Gesicht sagte ihr nichts, aber der Name kam ihr bekannt vor. Sie guckte auch noch mal in der Mandantenliste nach und fand dort Margret Driburg. Natürlich, Theresa war doch gerade am Freitag zum Gerichtstermin gewesen. Na ja, anschließend hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen. Vermutlich war ihrer Nichte aufgegangen, dass es sich um einen dieser fiesen Ehemänner handelte, die bei der Scheidung völlig vergessen hatten, dass sie einen Großteil ihres Geldes noch auf einem Konto in der Schweiz parkten. Allerdings war das erste Suchergebnis die Mitteilung über eine Tote. Eine Tote, die man in Driburgs Haus vor dem Kamin gefunden hatte und bei der es sich offenbar um seine Geliebte handelte. Donnerwetter! Das interessierte Hedwig natürlich sehr, und dann würde sie auch noch interessieren, warum Theresa sich für diesen Mann interessierte und wer diese Frau umgebracht hatte. Dieser Konrad Driburg sah nicht so dämlich aus wie jemand, der eine Frau in seinem eigenen Haus umbrachte, sie vor dem Kamin liegen ließ und dann auf das Eintreffen der Polizei wartete. Hedwig vertiefte sich in die Einträge und schrak zusammen, als die Bürotür geöffnet wurde.

»Morgen, Hedwig. Haben Sie schon eine Tasse von Ihrem wunderbaren Kaffee fertig?« Florian Winkler lief, ohne den Blick von seinem Smartphone zu nehmen, an ihr vorbei.

Als ihr Puls sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, nahm sie sich fest vor, gleich eine Tasse Kaffee einzuschenken. Gleich.

»Guten Morgen, Frau Fröhlich, in einer halben Stunde kommt mein Halbzehntermin, und es wäre prima, wenn Sie uns Ihren Kaffee bringen könnten. Und vielleicht ein paar Kekse.« Marc Harms schnupperte kurz an den Tulpen und verschwand dann in seinem Büro.

»Ja, sofort«, sagte Hedwig abwesend.

Herrje, musste ausgerechnet jetzt das Telefon läuten.

»Moin!« Als Letztes schlappte Tobi, ihre studentische Hilfskraft, herein. »Alles klar?«

Die Tür war kaum hinter ihm zugefallen, als sie erneut geöffnet wurde und ein Paketbote einen Stapel Kartons hereintrug. Hedwig sah ein, dass jetzt keine Zeit dafür war, sich im Internet herumzutreiben, und sie sich ihrer Arbeit widmen musste.

Theresa rieb sich über das Gesicht, dann erhob sie sich und sah aus dem Fenster auf die belebte Straße hinaus. Sie hatte ihrer Mandantin Margret Driburg eine Mail geschrieben und sie gefragt, ob sie damit einverstanden sei, wenn Theresa ihren Exmann in diesem wie auch immer gearteten Verfahren begleitete. Natürlich war die Anfrage rechtlich notwendig gewesen, aber zugleich auch eine Möglichkeit, bei einer ablehnenden Mitteilung Driburg eine Absage zu erteilen. Aber die Eheleute waren im Guten auseinandergegangen, es war eigentlich nur noch um die Aufteilung des Geldes gegangen. Und aus diesem Grund war Margret Driburg einverstanden. »Sie sind eine gute Anwältin und werden Konrad aus dieser Sache herausholen«, hatte sie geschrieben.

Theresa hatte gestern Abend eine Stunde lang mit Konrad Driburg zusammengesessen und nur einen kleinen Salat bestellt, um deutlich zu machen, dass es sich nicht um ein ausuferndes Diner handelte. Driburg hatte ihr eine ganze Menge erzählt und Theresa sich Notizen gemacht. Aber obwohl Driburg ihr einige Informationen gegeben hatte, war sie den ganzen Abend über das Gefühl nicht losgeworden, dass er selbst bestimmte, welche Informationen Theresa benötigte, und einiges zurückhielt.

Heute Morgen hatte sie das, was sie erfahren hatte, noch einmal im Internet überprüfen wollen. Und ausgerechnet da war Hedwig hereingekommen, die mit Fug und Recht den Nachnamen Marple tragen konnte. Und ebenso wie die echte Spürnase hatte Hedwig keine Scheu, sich in Gefahr zu bringen, weshalb Theresa vorgehabt hatte, ihr nichts von dieser Sache zu erzählen. Aber das war natürlich dummes Zeug. Hedwig sah es ihr doch ohnehin an der Nase an. Und jetzt hatte sie Hedwig auch noch so unfreundlich angefahren. Als Erstes musste sie sich bei ihr für ihr Verhalten entschuldigen.

Sie stand auf und ging nach vorn zum Empfang. »Hedwig?« Theresa trat hinter ihre Tante, die in irgendetwas auf ihrem Bildschirm vertieft war.

»Hm, was gibt’s denn, Liebes?«

»Ich wollte mich entschuldigen, dass ich dich eben so angefahren habe. Das liegt nicht an dir, ich bin nur …«

»Es liegt an meine Neugierde«, antwortete Hedwig. »Ich hoffe nur, dass du dich nicht in den Kerl verknallt hast.«

»Was?« Theresa beugte sich vor. Auf dem Bildschirm des Kanzleicomputers war Konrad Driburg zu sehen, daneben ein Artikel mit der Überschrift Pharmariese steigt ins Kosmetikgeschäft ein. »Von wann ist dieser Artikel?«

»Der ist zwei Jahre alt. Driburg hatte bis dahin einen Pharmakonzern. Er sagt hier irgendwo, ihm sei ein bisschen langweilig geworden, und seine Frau habe ihn auf die Idee gebracht, die Kosmetikwelt zu revolutionieren. Frauen können auch schön sein, ohne dass Tiere oder Umwelt leiden.«

Theresa überflog den Artikel. Natürlich wusste sie, dass Driburg Dripha Cosmetics gegründet hatte. Das Unternehmen hatte schon nach wenigen Monaten Gewinn gemacht, was natürlich im Scheidungsverfahren eine Rolle gespielt hatte. Dass Driburgs Ehefrau die Idee zu dem biologisch einwandfreien Kosmetikunternehmen gehabt hatte, war eines ihrer schlagenden Argumente im Verfahren gewesen.

»Gut aussehen tut er ja, und nu hat er auch keine Frau mehr«, stellte Hedwig fest. Sie wiegte den Kopf. »Aber ob das so eine gute Idee ist?«

»Was? Ob was eine gute Idee ist?«

»Na, wenn du mit ihm ausgehst.«

»Woher weißt du, dass ich mit ihm ausgegangen bin?«

Hedwig sah zu ihr hoch. »Bist du schon? Na, den hast du doch erst am Freitag geschieden, hör mal.«

»Ach, Hedwig.« Theresa richtete sich auf und ging in die Teeküche.

»Na, lass mal«, sagte Hedwig, die ihr gefolgt war. »Ich schenk dir mal einen Kaffee ein. Andererseits ist es ja auch nicht so schlimm. Er ist gut aussehend, reich und geschieden. Warum solltest du dir nicht was gönnen.« Sie reichte Theresa eine Kaffeetasse. »Und manchmal regiert ja das Herz und nicht das Hirn.« Hedwig lächelte verschämt. »Entschuldige. Allerdings muss ich dir sagen, dass man bei ihm eine tote Frau vor dem Kamin gefunden hat.« Hedwig nahm sich einen Spüllappen und polierte den Wasserhahn. »Das würde meiner Meinung nach natürlich gegen ihn sprechen. So als Mann. Weiß man ja nicht, was dahintersteckt. Es ist natürlich kein gutes Aushängeschild, wenn bei ihm tote Frauen herumliegen.«

»Ich bin nicht in ihn verknallt, Hedwig.«

»Nicht?« Hedwig warf den Lappen in die Spüle. »Puh, da bin ich aber beruhigt.«

»Er hat mich gebeten, ihn während der polizeilichen Ermittlungen zu begleiten.«

Hedwig nahm den Lappen aus dem Spülbecken und knetete ihn. »Damit sie ihn nicht drankriegen?«

»Er sagt, dass er sie nicht umgebracht hat. Dass er sie noch nicht mal kennt.«

»Und, glaubst du ihm?«

»Merkwürdigerweise ja. Das sagt mir allerdings weder mein Herz noch mein Hirn, sondern mein Bauchgefühl.«

»So.« Hedwig öffnete den Schrank und nahm die Keksdose heraus. Nach einigem Nachdenken entschied sie sich für einen Schokoladenkeks. »Dann müssen wir wohl ein wenig recherchieren. Im Internetz. Da kann man ja von Glück sagen, dass ich mich damit inzwischen ein bisschen auskenne.«

Theresa legte ihrer Tante den Arm um die Schulter und gab ihr einen Kuss auf die leicht lilafarben getönte Dauerwelle. »Wenn ich dich nicht hätte, Hedwig.«

Als Kai Lehmann am Montagmorgen ihr Dienstzimmer betrat, wusste Lukas, dass er die Wette mit sich gewonnen hatte. Kai sah nicht aus wie eine Woche Gran Canaria, sondern wie sieben Tage Regenwetter. Nur die Anwesenheit von Jessica Stiehl entlockte ihm den Hauch eines Lächelns. Nachdem Jessica ihn auf den neuesten Stand gebracht und Lukas ihm einen Kaffee geholt hatte, machte sich Kai daran, die Ermittlungsergebnisse festzuhalten und zu ordnen. Jessica pappte in der Zwischenzeit Fotos der Beteiligten an das Whiteboard neben dem Fenster. Sehr viele waren das allerdings nicht. Ein Pressefoto von Konrad Driburg, das Jessica auf der Homepage des Unternehmens gefunden hatte, ein Foto seiner geschiedenen Ehefrau Margret und die Aufnahme einer Frau etwa Mitte oder Ende fünfzig, der Haushälterin Gerlinde Westphal.

»Was hat Frau Westphal gesagt?«, fragte Lukas.

Jessica war am Morgen auf dem Weg zur Arbeit bei Driburgs Villa vorbeigefahren und hatte mit der Haushälterin gesprochen. »Äh, also, sie sagt, dass sie die Frau nicht kennt. Also, die tote Frau. Sie ist seit zehn Jahren bei den Driburgs. Dass die Ehefrau nicht mehr da ist, findet sie schade. Das sei eine nette Frau gewesen. Sie ist nur unter der Woche bei Driburg tätig. Eigentlich vormittags von acht bis zwölf, wenn es mehr zu tun gibt, auch mal nachmittags. Früher, als die Ehe noch intakt war, ist sie auch mal am Wochenende da gewesen, wenn die Driburgs Gäste hatten, aber seit mehr als einem Jahr findet da wohl nichts mehr statt.«

»Hat sie etwas davon gesagt, dass Driburg andere Frauen hatte? Vielleicht eine Freundin?«

»Nix. Sie sagt, dass er wohl die Ruhe genießt. Er arbeitet viel, und sie bereitet ihm für abends eine Kleinigkeit vor. Wenn sie dann am nächsten Morgen kommt, räumt sie das Geschirr weg. Eigentlich sagt sie, ist es gar nicht nötig, dass sie zwanzig Stunden in der Woche kommt, aber sie wäre ja schön blöd, wenn sie den guten Job aufgibt.«

»Das heißt, sie war am Freitagmittag zuletzt in der Villa?«

»Ja, sie hat ihm eine Quiche vorbereitet, die er am Abend nur noch in den Ofen stellen musste. Dazu hat er vermutlich ein Glas Wein getrunken. Das Geschirr hat er dann selbst in die Spülmaschine geräumt.«

Ein bisschen beunruhigte es Lukas schon, dass dieser Kerl derzeit ungebunden war. Wenn er künftig ständig mit Theresa Sommer zu tun hatte, würde sich möglicherweise etwas zwischen den beiden entwickeln. Es war wirklich zum Verrücktwerden. Noch nie in seinem Leben hatte er Eifersucht empfunden, und jetzt erlitt er innerhalb von zwei Tagen den zweiten akuten Anfall.

»Und ich hab sie gefragt, ob sie das vielleicht mit der PIN für ihre Bankkarte genauso macht.«

»Entschuldigung. Ich war kurz abgelenkt. Was haben Sie gesagt?«

»Frau Westphal sagt, dass sie sich den Code für die Hauseingänge der Villa Driburg immer notiert. Sie könnte sich die sonst nicht merken.«

Lukas rieb sich über das Gesicht. »Ach, du Schande. Dann müssen wir uns das Umfeld dieser Frau genauer vornehmen. Hat sie Familie?«

»Sie ist verheiratet. Und ich glaube, sie hat etwas von einem Sohn gesagt.«

»Haben wir das Protokoll von Driburgs Sicherheitsanlage inzwischen bekommen?«

Kai stellte seinen Kaffeebecher ab. »Haben wir«, sagte er nach einem Blick in sein Mail-Postfach. Und den Obduktionsbericht. Und den Bericht der Spurensicherung.«

»Druck mal alles aus, damit wir uns damit beschäftigen können. Und dann müssen wir uns noch überlegen, wie wir die Teilnehmer des Jubiläumsfestes am besten vernehmen, ohne dass wir dafür drei Jahre brauchen.« Lukas schob den Aktenstapel und einige Papiere auf seinem Schreibtisch beiseite und stellte den Klingelkram wie den Behälter mit den Büroklammern, den Tesafilmroller und den Stifthalter auf die Fensterbank. »Setzt euch mal hier rüber, damit wir besser brainstormen können.«

Kai begann mit dem Obduktionsbericht von Dr. Hornecker. »Also, die Tote ist etwa dreißig Jahre alt, 1,75 groß und wiegt 68 Kilogramm. Die Haare sind blond gefärbt, und sie hat mehrere Implantate im Körper. Die Wangenknochen sind mit Implantaten aus Silikonelastomer aufgebaut worden, das Kinn wurde verjüngt und die Nase verschmälert.« Kai wurde blass. »Dagegen fallen die mit Hyaluron aufgespritzten Lippen gar nicht mehr ins Gewicht.«

»Klingt ja furchtbar.« Jessica legte die Handflächen an ihre Wangen und verzog den Mund. »Muss man sich mal vorstellen, wenn das nicht mehr geht.«

»Ja, grässlich«, stimmte Lukas zu. »Und es wirft die Frage auf, wie die Frau ursprünglich, also von Gott geschaffen, ausgesehen hat. Vielleicht erkennt sie dann jemand wieder, oder wir können sie wenigstens mit vermissten Personen abgleichen.«

»Dann schreib ich Dr. Hornecker gleich mal zurück, dass er die Dame in ihren Ursprungszustand zurückversetzen soll. Der wird sich freuen«, sagte Kai grinsend. »Aber wie ich ihn kenne, wird er das einem Assistenten überlassen.«

»Soll uns auch recht sein. Kann Hornecker etwas über die Herkunft sagen?«

Kai bewegte die Lippen, während er den Obduktionsbericht weiter durchlas. »Nein, sonst weiß er nichts. Kleidung und Schmuck hat er der Spurensicherung übergeben. Die Fingerabdrücke der Toten sind jedenfalls beim BKA nicht gespeichert.«

»Und was weiß Hinnerk?«, fragte Lukas.

Kai nahm den Bericht der Spurensicherung zur Hand. »Die Tote hat den richtigen Code auf dem Zahlentableau am Hintereingang eingegeben. Die Abdrücke sind nur auf den Tasten des derzeitigen Codes 8479 zu finden. Sie hat Dreck unter den Fingernägeln gehabt. Nach der Analyse handelt es sich um dieselbe Erde, die auch in dem Beet vor dem Wirtschaftsraum zu finden ist.«

»Wo liegt dieser Wirtschaftsraum?«, fragte Lukas.

»Der liegt an der Hausecke hinten links. Man geht drei Stufen von der Terrasse hinunter und kann ihn durch eine Tür betreten. Von dem Wirtschaftsraum aus kommt man in den Heizungsraum und von dort in den Vorraum zur Küche«, erklärte Jessica.

»Und hat sie diesen Weg genommen?«, fragte Lukas.

»Vermutlich.« Kai vertiefte sich noch einmal in den Bericht. »Man hat ihre Fingerabdrücke auf dem Türblatt des Wirtschaftsraums, an dem Türrahmen im Übergang vom Wirtschaftsraum zum Heizungsraum und an der Tür von der Küche zum Flur gefunden.«

»Und im Wohnraum?«

Kai schüttelte den Kopf. »Nein, dort nicht.«

»Ich verstehe das alles nicht«, sagte Jessica. »Was wollte sie dort?«

»Das ist die zentrale Frage«, sagte Lukas. »Gibt es Hinweise darauf, dass sie nicht allein im Haus war? Abgesehen von Driburg, der später hinzugekommen ist?«

»Es gibt keine Spuren einer dritten Person. Allerdings fanden sich in den Fasern des Flokatiteppichs vor dem Kamin Erdreste. Die stammen aus dem Beet neben der Tür. An ihren silbernen Pumps befand sich keine Erde. Es kann also sein, dass die Erde von ihren Schuhen stammt oder von einer weiteren Person, die so klug war, keine Fingerabdrücke zu hinterlassen.«

»Also, wenn Frau Westphal am Freitagvormittag zuletzt geputzt hat, könnte die Erde von der Toten hereingetragen worden sein oder genauso gut von Driburg selbst«, sagte Jessica.

»Wenn er von der Terrasse ins Wohnzimmer gegangen ist«, stimmte Lukas zu. »Das wäre möglich.«

»Warum hatte sie überhaupt Schmutz unter den Nägeln?«, fragte Jessica. »Gibt es im Blumenbeet Spuren?«

»Ah, interessant«, sagte Kai mit Blick in den Bericht. »Dort gibt es tatsächlich Spuren, und zwar einen Abdruck eines Herrenschuhs. Allerdings passt dazu keiner von Driburgs Schuhen.«

»Und was ist mit Driburgs Kleidung?«

»Hm. Keine Blutspritzer oder DNA der Toten an seiner Kleidung, und der Schürhaken war abgewischt. Und Dr. Driburg hatte auch keine DNA der Toten unter seinen Fingernägeln oder sonst wo.«

»Okay, nehmen wir mal an, dass Driburg die Wahrheit gesagt hat. Er ist nach Hause gekommen und hat die Tote vorm Kamin vorgefunden.«

»Klingt, als würdest du das bedauern«, sagte Kai. »Na ja, wäre auch einfacher. Dann hätten wir den Mörder und könnten die Füße hochlegen.«

»Er ruft weder einen Krankenwagen noch die Polizei, sondern die Scheidungsanwältin seiner geschiedenen Ehefrau.«

»Vielleicht, weil er sie toll findet«, warf Jessica ein. »Das ist doch eine sehr gut aussehende, nette Frau.«

Seine Kollegin wusste ja nicht, dass sie ihm damit einen kleinen Stich versetzte. »Er sagt, er kennt die Frau nicht, wir glauben ihm erst mal, dass er die Frau nicht erschlagen hat, aber dann würde man doch wohl die Polizei rufen. Oder von mir aus auch Frau Sommer anrufen und die Polizei.«

»Und warum hat diese Sommer ihn nicht gleich dazu gebracht, die Polizei zu rufen?«, fragte Kai.

»Weil sie erst in seiner Villa von der Toten erfahren haben will, und dann haben die beiden beratschlagt.«

»Und wenn die Tote mit dem Scheidungsverfahren zu tun hat?«, mutmaßte Kai.

»Eher unwahrscheinlich. Sowohl die Anwältin als auch Driburg wissen, dass wir das schnell herausfinden würden. Überprüfen müssen wir es natürlich trotzdem. Und auch mit der Geschiedenen sprechen. Ich muss noch mal hin und mir das Haus ansehen«, sagte Lukas. »Vielleicht kommst du mit, Kai, dann kannst du dir selbst ein Bild machen.«

»Ist recht.«

»Und aus dem Schneider ist Driburg damit auch nicht«, fuhr Lukas fort. »Es stellt sich immer noch die Frage, warum die Frau sich die Mühe gemacht hat, ins Haus zu kommen. Was wollte sie dort?« Er wandte sich an Jessica. »Und ich will außerdem mehr über das Kosmetikunternehmen erfahren und über Dripha.«

»Kein Ding. Ich krieg alles raus, was wir wissen müssen.« Mit diesen Worten sah sie ihn so unternehmungslustig an, dass Lukas keinen Zweifel daran hatte, dass sie alles zutage fördern würde, was es dort zu finden gab.

Was seine Fahrweise anbetraf, war mit Kai eine wundersame Wandlung vorgegangen. Vielleicht kam es Lukas auch nur so vor, dass Kai eher defensiv fuhr, nachdem er Jessica Stiehls Fahrstil überlebt hatte.

»Nun frag schon.«

»Was?« Lukas sah Kai an.

»Wie mein Urlaub war.«

»Wie war dein Urlaub?«

»Wetter, Hotel, Verpflegung und Strand optimal. Begleitung drei minus.«

»Gab es auf dem Rückflug Turbulenzen?«

Kai wandte sich zu Lukas um und grinste schief. »Keiner kann so dezent fragen wie du.« Er richtete den Blick wieder auf die Straße. »Wir denken drüber nach, ob wir auch den nächsten Urlaub gemeinsam verbringen wollen.«

»Verstehe.«

»Tatsächlich?«

»Tja, du wirst den nächsten Urlaub möglicherweise im Reisebus mit einer Gruppe alleinstehender Seniorinnen verbringen.«

»Du hast es wirklich drauf, einen aufzuheitern.« Kai grinste wieder, und Lukas war froh darüber, dass sein Kollege ihm nicht übelnahm, dass er ihn aufzog. Immerhin schien der Tapetenwechsel zu Kais Entspannung beigetragen zu haben. Vor dem Urlaub hätte er auf derartige Bemerkungen gereizt reagiert.

Jedenfalls bog Kai sehr viel weniger rasant in die Einfahrt zu Driburgs Villa ein als Jessica.

»Hübsches Häuschen«, bemerkte Kai nach dem Aussteigen, als er seine Hose hochzog.

»Nur keinen Sozialneid.« Lukas schlug die Beifahrertür zu. »Dafür liegen bei dir keine toten Frauen auf dem Flokati.« Er wandte sich zu Kai um. »Oder doch?«

Lukas läutete, und erst nach einer ganzen Weile wurde ihnen von der Haushälterin geöffnet. Gerlinde Westphals brünetten Haare waren zu einer praktischen Kurzhaarfrisur geschnitten, sie trug Jeans und ein rot-weiß gestreiftes Shirt. Wie eine Haushälterin sah sie eigentlich nicht aus, dachte Lukas. Aber was wusste er schon, wie Haushälterinnen aussahen. Er zeigte ihr seinen Dienstausweis und stellte Kai und sich vor.

»Schon wieder Polizei? Heute Morgen war doch erst so eine junge Frau da.«

Lukas lächelte fein. »Richtig. Und jetzt sind zwei Männer da.«

Sie ließ sie eintreten und schloss die Haustür hinter ihnen.

»Wir müssen mit Ihnen sprechen, und uns außerdem noch einmal umsehen.« Lukas’ Blick fiel in die Küche. Dort war der Frühstückstisch gedeckt, und es lag eine aufgeschlagene Zeitung neben der dampfenden Kaffeetasse. »Ist Herr Driburg da?«