Blickwinkel - die etwas andere Biografie - Roswitha Schreiner - E-Book

Blickwinkel - die etwas andere Biografie E-Book

Roswitha Schreiner

0,0

Beschreibung

"Blickwinkel - die etwas andere Biografie" von Roswitha Schreiner Seit über drei Jahrzehnten ist uns ihr Gesicht in der deutschen TV-Landschaft vertraut. Viele sind mit ihr aufgewachsen und haben sie als Freundin von Hendrik Martz in den "Wicherts von nebenan" erlebt. An der Seite von Manfred Krug in "Liebling Kreuzberg" hat sie sich, als Tochter der Nation, in die Herzen der Zuschauer gespielt. Als erste Kommissarin in Minirock und Stöckelschuh, hat sie im "TATORT" für Aufruhr gesorgt. Nach ihrem zauberhaften Kinderbuch "Leonies Haus", illustriert von Sonja van Bergen, nimmt die Schauspielerin in "Blickwinkel - die etwas andere Biografie" uns Leser nun in einem ABC Darium mit in ihr Leben und ihre Gedankenwelt. Die Begegnungen und Ereignisse in der Filmwelt reflektiert sie bewusst aus ihrem ganz persönlichen Blickwinkel. Nicht nur "TATORT" oder "ROTE ROSEN" - Fans u.v.m, kommen in dieser "anderen" Biografie auf Ihre Kosten, auch Liebhaber von Poesie und Lyrik werden ihre Texte genießen. Ein Buch zum Nachdenken, das das "Mensch sein" in den Fokus rückt.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 104

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Roswitha Schreiner

Blickwinkel

die etwas andere Biografie

Für meine Eltern

Inhaltsverzeichnis

A

anachronistisch

B

Berufung

C

Chance

D

durchgesetzt

E

erste Liebe

F

Frankreich

G

Glück im Unglück

H

hinterlassen

I

Intrigen und Ideale

J

Jetzt

K

Kindheit

L

loslassen

M

Manfred

N

noch

O

Oma

P

Paris

Q

Quantensprung

R

Rote Rosen

S

Sonntagsritual

T

Tausend und eine Nacht

U

unschuldig / unziemlich

V

Veränderungen

W

Wende

X

X-Mas

Y

Yin Yang

Z

Zeit

Last but not least

Es gibt niemals nur die eine Wahrheit.

Jeder hat seine eigene Wahrnehmung.

Wahrheit ist so verschieden,

wie die Menschen selbst.

A

anachronistisch

falsche zeitliche Einordnung von Ereignissen

Sie wurde spät Mutter.

Sie wäre es lieber viel früher geworden.

Das Leben trifft eigene Entscheidungen.

Jeder hat seine Erfahrungen zu bewältigen,

die immer prägend,

aber niemals unnütz sind.

Auch wenn man sich manche von ihnen gern erspart hätte.

Andere Eltern bekommen in jungen Jahren ihre Kinder, arbeiten parallel an ihrer Karriere,

um ab einem bestimmten Alter der Kinder,

in Beruf und Leben richtig durchzustarten.

Sind die Kinder aus dem Haus,

können sie „ihr Leben“ leben.

Bei ihr lief alles anachronistisch.

Sie hat zuerst „ihr Leben“ gelebt,

bevor sie endlich die langersehnten Kinder bekam.

Sie musste lernen zurückzuschrauben, als ihre Kinder

geboren wurden. Und wer weiß, ob sie wieder durchstartet,

sobald die Kinder aus dem Haus sind.

Sie lebte schon immer gegen die Zeit.

Bereits als Kind hatte sie das große Glück,

am Theater eigenes Geld zu verdienen.

Nicht erst als Erwachsene.

Taschengeld brauchte sie nie.

Ihre Klassenkameraden nahmen sich viel Zeit rauszufinden, was sie mal „werden“ wollten.

Studierten und brachen wieder ab, um etwas Neues

auszuprobieren.

Für sie stand schon lange vor dem Abitur fest: „ich werde Schauspielerin!“.

Einzig das große Glück mit dem Nachwuchs ließ lange auf sich warten.

Wie lebt es sich so „verkehrt herum“?

Es hält mich auf Trab.

Es birgt die Verantwortung fit zu bleiben.

Ich kann bewusster auf Dinge verzichten, die ich bereits hatte. Manchmal versetzt es mich in Panik, wie viel Zeit noch bleibt? Aber schlussendlich, kann das niemand für sich beantworten.

Wenn andere, jüngere Mütter um mich herum,

einen Schlaganfall erleiden oder Brustkrebs sie aus dem Leben reißt, bevor ihre Kinder eingeschult werden, erfüllt es mich mit Demut.

Ab und an werde ich als späte Mutter stigmatisiert.

Das ist der Preis.

Damit kann ich leben.

 

Warum will sie schreiben?

Bodo Kirchhoff sagt,

es gäbe inzwischen mehr Schreiber als Leser.

Sie schreibt dennoch.

Irgendjemand wird es schon lesen.

Menschen sind neugierig.

Es lässt sie sich vergleichen,

sich selbst erkennen,

spendet Mut.

So fühlt der Mensch sich weniger allein.

Nichts fürchtet der Mensch mehr, als die

Einsamkeit.

B

Berufung

Ihr Herz klopft.

Ist es Intuition?

Intuition, dass gleich etwas Entscheidendes in ihrem Leben passieren wird?

Etwas, dass sie nie wieder loslassen soll?

Sie ist gerade 10 Jahre alt.

In der Schule gibt es ein Vorsingen.

Und sie weiß nicht, weshalb ausgerechnet sie in die Gruppe der Auserwählten gelangt ist.

Sie kann gar nicht so gut singen.

„Egal, wenn niemand den Fehler bemerkt, bleibe ich einfach in der Gruppe“, beschließt sie.

Die Gruppe, die nun in einen Minibus gesetzt und zum namhaften Schillertheater am Ernst Reuter Platz kutschiert wird.

Sie fahren durch das Tor mit den großen Lettern: EINFAHRT FÜR BÜHNENANGEHÖRIGE.

Noch wurde der Irrtum mit ihr nicht bemerkt.

Vorbei am Pförtner,

immer noch wie ein blinder Passagier,

der nicht entdeckt werden will.

Und sie spürt heute noch das kalte Metall der Klinke und das Gewicht der schweren Eisentür, durch die sie alle schreiten,

um dann mitten drin zu stehen.

Mitten drin?

Oder mitten drauf? Die große Bühne!

Leer,

gehüllt in dumpfer Stille,

Staubkörner tanzen im Scheinwerferlicht,

schwarze Vorhänge, die 20 Meter in die Höhe ragen,

gesäumt von rotem schwerem Samt an beiden Seiten.

Sie spürt die Anwesenheit von wispernden Geistern.

Längst verstorbene Schauspieler, die einst hier auf den Brettern standen.

Ihr ist, als würden diese sie in dem Moment auf ewig verzaubern. Hier gehört sie hin, das soll ihre Welt werden.

Mit der größten Selbstverständlichkeit der Welt,

von der sie kurz zuvor nichts geahnt hat,

verschluckt sie die Gewissheit, dass sie hier doch richtig ist.

Hier und nirgendwo sonst.

Sie beschließt Schauspielerin zu werden und ist es geworden.

4. Januar 2012

Wieder klappert Metall,

wieder fühle ich Eisen,

das des kalten Gestells des Bettes, in dem ich ausgeliefert liege.

Zum zweiten Mal in meinem Leben, soll auch dies der Auftakt zu etwas werden, wovon ich zuvor nicht die geringste Ahnung hatte. Der Chirurg bereitet den Eingriff vor.

Eine halbe Stunde später, erwischt mich wieder das selbe Gefühl, dass in meinem Leben etwas geschehen ist,

etwas, das mich irreversibel und neu bestimmen wird.

Für den Rest meines Lebens.

Umwerfend,

intensiv.

Glück pur.

Und ganz tief in meinem Herzen:

wieder diese Gewissheit, dass alles richtig ist!

So wie es ist.

Ich werde euch zwei immer lieben.

 

Man starrt auf die Zukunft und hofft,

dass sie besser wird.

Erst im Nachhinein erkennt man, dass

sogar im Schrecklichen noch Gutes lag.

Denn man hatte noch ein Stück

Lebenszeit vor sich.

C

Chance

Es gibt Chancen im Leben, die ergreift man.

Und die, die man verpasst, weil man versagt.

Und genau diese sind unwiederbringlich.

Gestern musste ich erneut wegen meiner Mutter weinen.

Der Rettungswagen nach Saarow fuhr an mir vorbei.

Schmerz ist abrufbar.

Die Sirene des Krankenwagens hat alle Erinnerungen wachgerufen.

Ich sehe mich wieder durch die Gänge des Krankenhauses laufen.

Ich suche die Intensivstation.

Meine Zwillinge im Buggy.

Sie sind gerade ein halbes Jahr alt und können im Buggy kaum sitzen.

Da wir aber in Indonesien keinen Kinderwagen brauchten, besitzen wir auch keinen.

Noch ahnen wir nicht, wie lange wir hier bleiben werden.

Die Kinder müssen vor der Tür warten.

Während ich in einen grünen Kittel steige und mich desinfiziere.

Aber es gab sie noch!

Meine Mutter.

Oder das, was mir der Tod noch nicht entrissen hatte.

Ihre glücklichen Augen, als sie mich sah.

Die Liebe zu mir war immer da.

Ihre ersten Schreibversuche nach dem Schlaganfall waren mein Name!

All das Wenige, war besser als das Nichts nach ihrem Tod. Und doch war es nur eine klägliche Verlängerung dessen, was längst vorbei war.

Ich war blind dafür.

Zwei Jahre lang dachte ich,

es könnte wieder aufwärts gehen, wenn man nur will.

Trotz aller Rückschläge.

Oberschenkelhalsbruch.

Offenes Bein.

Gefäßverengung.

Ich hoffte, alles würde wieder so wie früher.

Meine Mutter würde wieder durch ihren Garten laufen und Obst und Gemüse ernten und Herrin über ihre Wohnung und ihr Leben sein.

Die Amputation blockte ich ab und die Gefäßerweiterung glückte. Wieder Hoffnung.

Wieder war ich blind für die Möglichkeit, es könnte die Reise in den Abschied sein.

Mit dem Bewusstsein der Endlichkeit, die vor der Tür stand, hätte ich die Zeit anders genutzt.

1000 Fragen hätte ich noch gestellt.

Wie jemand, der einen anderen zum Zug begleitet

und weiß, derjenige wird gleich einsteigen und für immer fortfahren.

Nun ist es zu spät.

Diese Chance habe ich verpasst.

Stattdessen habe ich die Möglichkeit, meine Mutter könnte sterben, verdrängt.

Wieso sollte ich daran denken?

Meine Mutter gab es schon, als ich auf die Welt kam. Eine Mutter zu haben,

ist somit das Selbstverständlichste der Welt.

Stets durfte ich über sie verfügen.

Es konnte doch nur weitergehen!

Und bitte wieder besser werden.

Ich war erschöpft zwischen zwei Stillbabys,

Schlafmangel und dem, was ich aufbringen musste,

um meine Mutter nicht im Stich zu lassen.

Es war auch eine Mischung aus Zorn,

dass sie mir all dies in so einer Lebensphase antut.

Wo die Kinder noch so klein sind.

Und auf der anderen Seite, die Verzweiflung,

aus der Situation wieder rauszukommen,

sodass wir alle wieder zu unserem alten Leben zurück finden

mögen.

Ich habe das Unabänderliche ausgeblendet.

Damit habe ich mir die Chance genommen,

es richtig zu einem Ende zu bringen.

Ihr

und mir.

 

Es gibt Situationen im Leben,

über die man sich im Nachhinein fragt,

ob man es mit dem heutigen Wissen

anders gemacht hätte?

Meistens ist die ehrliche Antwort NEIN.

Alles andere wäre gelogen.

Weil man es in dem Moment einfach so

tun musste.

Weil es die Werte widerspiegelt,

für die man steht.

Deshalb würde man es, auch mit dem

„heutigen Wissen“,

immer wieder genauso tun.

D

durchgesetzt

Es ist Spätherbst.

Sie dreht gerade einen ihrer letzten beiden Abschieds-„Tatorte“. In Tschechien.

Es geht um den Selbstmord einer Nonne.

In Deutschland wurde mit dieser Story von keinem Kloster eine Drehgenehmigung erteilt.

Eine Nonne begeht keinen Selbstmord.

Eine Todsünde.

Das „Tatort“-Team hat das große Glück,

in einem Kloster in der Nähe von Pilsen zu drehen.

Maria Schell spielt die Oberin des Klosters.

Maria ist intensiv, umwerfend,

fragil und stark zugleich.

Maria sucht das Licht und den Fokus der Kamera,

wie kaum ein anderer Profi.

Maria leuchtet,

alles an ihr leuchtet,

ihre Augen, ihre Würde.

Auch wenn Maria körperlich nicht mehr stark belastbar war.

Es war abzusehen, dass diese großartige Schauspielerin nicht mehr viele Filme in ihrem Leben drehen würde.

Um so bedeutsamer, diesen Weltstar für das „Tatort“-Projekt gewonnen zu haben. Ende Oktober war der Dreh im Kasten.

Maria Schell sollte am 15. Januar 1996 ihren 70. Geburtstag feiern. Damals kam mir das mächtig alt vor

und plötzlich kam mir am Set die Idee,

ob man diesen Geburtstag nicht zum Tag der Ausstrahlung unseres Kloster-„Tatort“ machen könne?

Der Regisseur, Hartmut Gries, erklärte sich sofort bereit, nach Rückkehr aus Tschechien, alles dranzusetzen, den Schnitt bis Mitte Dezember fertig zu haben.

Und somit noch eine Abnahme dieses „Tatorts“

vor dem Januar zu ermöglichen.

Ohne Abnahme des Films seitens des Senders,

keine Ausstrahlung.

Die Programmplanung stand bereits fest.

Der „Tatort“ mit Maria Schell war für den Januar nicht vorgesehen.

Der BAVARIA-Produzent wagte einen Vorstoß

bei den Verantwortlichen im WDR.

Auf Grund der Zeitknappheit sah man dort wenig Chance, noch Sendetermine umzuwerfen.

Für diesen „Geburtstags-Sonntag“ von Maria im Januar, war bereits ein anderer „Tatort“ geplant. Und ein „Tatort“ mit uns, stand für den Sonntag davor bereits im Programm.

Zwei WDR-„Tatorte“ so schnell hintereinander auszustrahlen, das hatte es bisher noch nie gegeben.

Die Aussichten daran zu rütteln, waren schlecht.

Auf einem „Tatort“-Jubiläumsfest, hatte ich mit dem damaligen Programmdirektor, Herrn Dr. Kellermeier getanzt und nett geplaudert.

Ich konnte mir nicht verkneifen, diesen einfach beim NDR anzurufen und ihm die Situation zu schildern.

Das hat mich in den Augen vieler

zu keiner einfachen Schauspielerin gemacht.

Mit Spätfolgen für mich.

Beim WDR hatte ich die Kompetenzen einer Schauspielerin überschritten. Bisher habe ich tatsächlich, seit Beendigung meines „Tatort“-Vertrages, nie wieder für den WDR gedreht.

Damals habe ich aus einem Impuls heraus gehandelt.

Es war mir eine Herzensangelegenheit.

Von Manfred Krug hatte ich im Laufe der Jahre gelernt, mit Rückgrat für Dinge einzustehen, die man für richtig hält. Vor allem, wenn es um den Film selbst geht und nicht um die eigene Eitelkeit.

Hier ging es um Maria Schell und um eine Ehrerbietung.

Noch am selben Tag bekamen die Verantwortlichen des WDR, vom damaligen Programmdirektor des NDR, Herrn Dr. Kellermeier, die Ansage, die Abnahme des „Tatorts“ zeitnah durchzuziehen.

Und die Ausstrahlung zu Marias 70. Geburtstag zu ermöglichen.

Maria Schell drehte nur noch zwei kleine Gastauftritte in „Samson und Delila“ und in „Dr. Berg“.

Im „Tatort“ „Heilig Blut“, war Maria tatsächlich in ihrer letzten großen Hauptrolle zu sehen.

Nicht lange danach lebte sie, zurückgezogen von der Welt, in ihrem Haus in Kärnten.

Ich habe sie bei den Dreharbeiten, als sehr großzügigen Menschen kennengelernt.

Sie liebte es, anderen ein Geschenk zu machen.

Mir schenkte sie das Buch „Die 5 Tibeter“ mit einer persönlichen Widmung.

Sie wollte, dass ich fit bleibe und die Hoffnung nicht aufgebe, Kinder zu bekommen, denn das sei es, was im Leben wirklich zählt.

Der „Tatort“ „Heilig Blut“, erzielte an diesem „Geburtstags-Sonntag“, den Quotenrekord von knapp 13 Millionen Zuschauern.

 

Ich kann Euch riechen.

Euer regelmäßiger Atem durchschneidet

die Stille der Nacht.

Wie lange noch werde ich das Glück haben,

Euch so nah zu spüren?

Wie lange werde ich das Glück haben,

Euch noch nicht in die weite, kalte Welt

entlassen zu müssen?

Für Lorenzo

E

erste Liebe

Ich sehe einen alten Mann über die Strasse laufen.

Sein Gang ist gebeugt, schwer und langsam.

Sein Kopf trägt kaum mehr Haare und ist leicht geneigt.

Wie alt mag er sein?

80 Jahre?

Oder sogar 90?

Er hat immer noch etwas verschmitztes im Gesicht.

So, als würde die Seele nicht altern,

nur der Körper.