Boja das schöne Räubermädchen - Heinrich August Müller - E-Book

Boja das schöne Räubermädchen E-Book

Heinrich August Müller

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Beschreibung

Luther von Walbeck, erwählter Markgraf der Nordmark (Altmark), wurde im Jahre 998 von Kaiser Otto III. beordert, das größte Probestück eines unerschrockenen Heldenmuths und seiner, durch frühere Thaten ausgezeichneten Tapferkeit, abzulegen. Ehrenvoll erschien ihm der Auftrag, aber gefährlich und er stellte sich selbst die Prophezeiung, daß er nur dann gelingen werde, wenn ihn das Glück besonders begünstigte. Eilig zog er kriegerische Schaaren zusammen, so vieler er habhaft werden konnte. Godila, seine Gattin, sah ihm mit banger Ahnung und thränenvollem Blicke nach, indeß sein Sohn, Werner, sich kühn und thatenlustig mit seinem Streitroß tummelte, freudig, daß er dem Vater in die Feldschlacht folgen durfte.

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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B o j a

das

schöne Räubermädchen

oder

der große Teufel.

Heinrich August Müller

Inhalt.

Erster Theil.

Zweiter Theil.

Dritter Theil.

Erster Theil.

Luther von Walbeck, erwählter Markgraf der Nordmark (Altmark), wurde im Jahre 998 von Kaiser Otto III. beordert, das größte Probestück eines unerschrockenen Heldenmuths und seiner, durch frühere Thaten ausgezeichneten Tapferkeit, abzulegen. Ehrenvoll erschien ihm der Auftrag, aber gefährlich und er stellte sich selbst die Prophezeiung, daß er nur dann gelingen werde, wenn ihn das Glück besonders begünstigte. Eilig zog er kriegerische Schaaren zusammen, so vieler er habhaft werden konnte. Godila, seine Gattin, sah ihm mit banger Ahnung und thränenvollem Blicke nach, indeß sein Sohn, Werner, sich kühn und thatenlustig mit seinem Streitroß tummelte, freudig, daß er dem Vater in die Feldschlacht folgen durfte.

Mit einer furchtbaren Macht bedrohten die Wenden Brandenburg, sie wollten es erstürmen, um dort das Schauspiel der unmenschlichen Gräuelscenen zu wiederholen, die sie in Havelberg geübt hatten. Sie glühten vor Rache und Wuth gegen die Deutschen, die sie bei den Christenbekehrungen geplagt, gemartert, geplündert hatten, und sie ihrer Rechte und Freiheiten berauben und sie, wie Sclaven, unter die Füße treten wollten. Es war bei ihnen zum Wahlspruch geworden, daß alle Christen vertilgt werden müßten, wenn sie zu einem dauerhaften Frieden, zum ruhigen Besitz ihres Eigenthums, zur ungestörten Freiheit kommen und ihre Nationalehre behaupten wollten.

Der Markgraf Luther überschaute seine Truppenzahl, berechnete seine Vertheidigungsmittel und fand, daß er Wunder der Tapferkeit thun müsse, wenn er über die Feinde siegen und sie von der Erstürmung der Stadt zurückschlagen wollte. Der jugendliche Werner hatte, wie diesmal auf dem Marsche nach Brandenburg, seinen Vater nie so sinnig und gedankenvoll gesehn und sagte:

»Ich denke, wer siegen will, muß freudigen Muth haben. Seyd Ihr doch, als ob wir den Wenden das Feld hätten räumen müssen. Mit diesem Ernst, aus dem fast Furcht und Bangigkeit hervorblickt, ließe ich mich vor Luitgard, meiner Braut, nicht sehn.«

Finster blickte ihn der Markgraf an und sagte:

»Du hast einen falschen Muth, weil Du die Gefahr nicht kennst. Wollen sehn, wie Du dich im Ungewitter gebehrdest. Zweifelhaft ist des Sieges Glück und wer es mit unbesonnener Gewißheit hofft und die Kräfte ruhen läßt, die es erringen sollen, der hat’s oft schon verloren. Luitgard wird sich sich aber Deinetwegen ängstigen.«

»Auch freuen, Vater, wenn ich, mit einer Heldenthat geschmückt, vor ihr erscheine. In ihrer Achtung, höher zu steigen, da ich ihrer zärtlichsten Liebe gewiß bin, das ist für mich ein Ziel, nach dem ich auf der gefahrvollsten Bahn strebe.«

»Du hast dir Großes vorgenommen, die Größe Deines Muths zu messen, dazu wird Dir die Gelegenheit nicht fehlen.«

Von der Grausamkeit der Wenden, von ihrer rohen Unmenschlichkeit war das Äußerste zu fürchten, wenn man an die Zeit zurück dachte, wo sie; als Sieger, in Havelberg eindrangen. Der vorige Markgraf Dietrich hatte sie wirklich erbittert und erschien ihnen nur als Tyrann und Unterdrücker. Die unbarmherzigen Erpressungen aller Art, überzeugten sie, daß es den Sachsen bei ihrer Bekehrung zum Christenthum, wohl um Geld und Gut, nicht aber um die Rettung ihrer Seelen zu thun sey.

Der Zunder zur allgemeinen Empörung der Wenden schlug durch folgenden Umstand in lichte Flammen auf: das Haupt der Obotriten, eines wendischen Völkerstamms im Mecklenburgischen, Mistewoi genannt, begehrte des Sachsenherzogs Bernhards Nichte zur Gemahlin. Die Hand der schönen Jungfrau, gegen die seine ganze Seele in Liebe entbrannt war, die von dem Glücke träumte, mit dem schönen kraftvollen Fürsten verbunden zu werden, wurde ihm unter einem nichtigen Vorwande verweigert. Sie selbst ließ es ihm durch einen Geheimboten kund thun, daß der Markgraf Dietrich das angeknüpfte Band zerrissen und dem Oheim die Worte, in ihrem Beiseyn, ins Gesicht gerufen habe: eine edle Prinzessin müsse man mit solch einem wendischen Hunde nicht verbinden.

Mistewoi ließ dem Markgraf, vom höchsten Grimm entflammt, durch einen seiner Diener die Antwort sagen: ein wendischer Hund kann gut bellen und beißen, und er werde Beides mit einer Gewalt thun, daß den Feinden Ohren und Beine weh thun und Hören und Sehen vergehen sollte.

Der tief beleidigte Wende hielt Wort, vereinigte sich mit den Wendenstämmen, die Deutschen zu verdrängen und sie mit allen Ruthen des Kriegs zu züchtigen; aber auf Dietrichen und sein Land waren die Blitze einer zerstörenden Rache besonders gerichtet. Dreißigtausend wohlgerüstete Wenden, Mistewoi an der Spitze, nahten der Festung Havelberg. Die kaiserliche Besatzung fiel unter den Schwertern; kein Menschenleben wurde geschont; die Geistlichen erfuhren alle Qualen und auf eine grausenvolle Art wurde der Bischof Udo, zu Tode gemartert. Die schöne Domkirche wurde in einen Schutt- und Aschenhaufen verwandelt und jede Spur des Christenthums vertilgt, so weit die wendischen Horden vordrangen.

Solche Gräuel- und Mordauftritte fürchtete auch der Markgraf für das berennte Brandenburg und nicht zureichend schienen ihm die Mittel, sie abzuwenden.

Ehe der tapfere und besonnene Luther, der nie übermüthig wagte, wo er nicht einen sicheren Boden fand, auf dem er zu siegen glauben konnte, in Brandenburg mit seiner Schaar erscheinen konnte, hatte der Kaiser bereits den Erzbischof von Magdeburg, Gieseler, mit seiner Mannschaft dahin beordert, der die leichteren Stürme, welche die Wenden gegen die Stadt thun möchten, abhalten sollte. Der Termin bis zur Ankunft des Markgrafen war ihm bestimmt und er durfte, vor der gesetzten Frist, seinen Posten nicht verlassen.

Die Wenden erfuhren es durch ihre ausgesandten Kundschafter, daß der Markgraf mit einem Heer im Anzuge sey. Die Ankunft eines so erfahrnen und klugen Anführers und beherzter Truppen, die sich mit ihnen messen konnten, wollten sie nicht abwarten und gedachten entweder die Stadt zu überrumpeln, oder sie mit List einzunehmen. Das letztere wäre ihnen fast gelungen.

Borlach, ein Wende von ungeheurer Größe, furchtbar gerüstet, mit einem langen, bis auf die Brust herabhangenden Barte, geschickt und klug zum Unterhandeln, der Ersten einer, kam, mit einem kleinen Gefolge, bis zu den ersten erzbischöflichen Wachposten mit dem Gesuch: er wolle, eines gütlichen Vergleichs wegen, den Erzbischof sprechen. Der Erzbischof ließ ihm das Stadtthor öffnen und er wurde, ohne sein Gefolge, eingelassen. Über die riesenmäßige Gestalt und das Schwert, über das Roß von noch ungesehener Höhe, staunten und zitterten die Bürger, die den furchtbaren Wenden sahn.

Der Krieger, als er vor dem Erzbischof stand, sprach in tiefem Baßton die Worte:

»Nicht hat mich Mistewoi abgesandt, von Euch den Frieden zu erbetteln. Unsere Macht ist so stark, daß es ein Geringes ist, Euer Häuflein niederzutreten und täglich strömen neue Männer herbei. Menschenblut soll aber geschont werden, darum komme ich zu Euch. Ihr werdet nicht wollen, daß Brandenburg, wie einst Havelberg, unserm Grimm erliege. Kommt zu Mistewoi ins Lager, ehrenvollen Frieden hat er Euch zugedacht und Unbilliges fordert er nicht.«

»Versucht’s,« erwiederte der Erzbischof, dem die Sendung sehr willkommen war, »mein Häuflein niederzutreten, wie’s Euch dabei ergehen wird. Rache, Arme und Schwerter stehn auch mir zu Gebote. Wie Havelberg, soll Brandenburg nimmer fallen. Wenn der angebotene Friede ein ehrenvoller ist, so bin ich bereit, ihn zu schließen. Morgen, bei Sonnenaufgang, soll mich Euer Fürst, zwischen Brandenburg und seinem Lager finden. Kein Bewaffneter darf ihn begleiten, wir sprechen uns ohne Zeugen.«

Froh, seinen Zweck erreicht und den geistlichen Herrn überredet zu haben, jagte der Wende nach dem Hauptlager zurück.

Aus Vorsicht ließ der Erzbischof einen Knecht mitreiten, der für ihn ein flüchtiges Roß am Zügel führte, um, wenn für ihn Gefahr entstände, sich durch die Flucht zu retten. Mistewoi hatte in einem Gebüsch Reiter versteckt, welche auf ein gegebenes Zeichen hervorbrechen, Gieselern umringen und gefangen nehmen sollten, dann wollte er mit ihm unterhandeln.

Zum Glück für den Erzbischof kamen die Reiter, vielleicht durch ein falsches Zeichen getäuscht, hervorgesprengt, nahmen den Weg nach seinem Wagen, er ahnete Verrätherei, schwang sich auf sein Roß, floh davon, rettete seine Freiheit, indeß seine Begleiter niedergehauen wurden.

Dieser Vorfall stimmte ihn so kleinmüthig, daß er mit peinlicher Sehnsucht die ihm verheißene Ankunft der markgräflichen Truppen und die Ablösung von einem Posten erwartete, den er einem andern gern überließ, wenn auch Ehre und Sieg dabei zu gewinnen war. Ohne die Hülfstruppen Luthers gesehn zu haben, verließ er an dem Tage, der ihm bestimmt war, Brandenburg, und eilte auf Magdeburg zu. Der Markgraf begegnete ihm unterwegs, er übergab demselben seine bisher geführte Aufsicht und setzt seine Reise fort.

Eine Rauchsäule, die von der Stadt aufstieg, verkündete es dem Markgrafen in der Ferne, daß die Wenden in die Stadt eingebrochen waren und ihr grausames Spiel in derselben trieben. Eine Schaar kam ihm, zum Kampf gerüstet, entgegen. Er hielt es nicht für rathsam, sich mit ihr zu messen, ergriff die Flucht und ersparte sich so eine sichere Niederlage.

Grimmig und von Zorn entrüstet, zerbrach Werner sein Schwert, wie eine Ruthe, warf’s auf die Erde und sprach:

»Lieber Tod, Gefangenschaft, als Schande!«

»Narr,« entgegnete der Markgraf, »wenn Du das für eine Ehre hältst, von den Schwertern der Heiden zu fallen, oder in Gefangenschaft zu gerathen, so kannst Du dir diese erwerben. Der Weg zum Ruhme nach Brandenburg steht Dir offen. Wer sich in einen Schlund stürzt, von dem den Verständigen die Vernunft zurückzieht, der hat wahrlich einen rasenden Sinn. Von Ehre und Schande hast Du sonderbare Begriffe!«

Ein Schreiben von Luitgard, der Geliebten Werners, brachte ihn schnell auf andere Gedanken. Ein reitender Bote kam an und überreichte es ihm auf dem Marsche.

»Durch einen Zufall mußt’ ich’s erfahren, daß Du mit Deinem Vater gegen die verhaßten Wenden ausgezogen seyst. Und das hast Du mir nicht selbst gemeldet? Der Graf Dedo von Wettin hatte eine Unterredung mit meinem Vater, und als er beim Abschiede mir vorüberging, sagte er; wißt ihr’s, der Markgraf Luther ist mit seinem Werner ausgezogen, um dem Reiche der Wenden ein Ende zu machen. Wie aber das gelingen wird? Er machte dabei ein so freundlich-hämisches Gesicht, als ob er mir einen Pfeil ins Herz drücken wollte, der mich schmerzen sollte. War das seine Absicht, so hat er seinen Zweck völlig erreicht. Seit diesem Augenblick bin ich Deinetwegen in einer Unruhe, die kein Trost stillen kann. Ach, Werner, wenn ich Dich verlieren müßte! Im Traume sah ich Dich verwundet, mit dem Tode ringend. Den Boten, den meine Mutter, ohne des Vaters Wissen, sendet, fertige eilig ab und laß mich’s erfahren, daß meine Bekümmernisse um Dich eitel waren.«

In dem Antwortsschreiben entschuldigte sich Werner, daß er Luitgard nicht seinen Kriegszug meldete; er dankte ihr für ihre besorgte, zärtliche Liebe und schrieb voll Mißmuth, wie tief es ihn kränke, daß er die Gelegenheit nicht fand, redende Beweise seines Muthes und seiner Tapferkeit abzulegen.

»Luitgard,« sagte er, »wenn ich mich prüfe, wie groß, meine Liebe gegen Dich ist, so gibt mir dieß allerdings die gegründetsten Ansprüche auf Deine Liebe; aber ich wollte mich auch zu einem Verdienst erheben, das Dich zwingen könnte, mich zu achten. Welchen Werth kann das meiner Person in Deinen Augen geben, daß ich ein Markgrafensohn bin, das konnte der gemeinste Sachse werden. — Von Dedo von Wettin urtheilst Du viel zu hart, wenn Du glaubst, er wollte Dich in Kummer senken. So böse und schadenfroh ist er wahrlich nicht. Was er aber mit den andern Worten sagen wollte, die eine Art von Hohn zu enthalten scheinen, der zunächst meinen Vater betrifft, darüber will ich ihm gelegentlich eine Erklärung abfordern. Übrigens ist unsere Sache schlecht gelungen. Mit großen Hoffnungen zog ich aus, mit Schaam und Verdruß kehre ich zurück. Wir sehn uns bald in Meißen.«

Der Erzbischof, um eine geheime Rache an dem Markgraf zu kühlen, der ihn öffentlich einen Feigen nannte, welcher es durch seine Flucht verschuldete, daß die Wenden, ohne Schwertschlag, Brandenburg eroberten, schwärzte ihn bei dem Kaiser an und gab vor: Luther habe des Feindes Ankunft im Felde nicht abgewartet, zwanzig Wenden hätten ihn mit seinem Heere vor sich hergejagt, auf ihm allein ruhe das Verbrechen, daß die arme Stadt eine Beute der Feinde geworden sey.

Der Markgraf wurde zur Verantwortung gezogen und nur ein Reinigungseid konnte ihn gegen den Verlust seine Würde sichern. Als er späterhin seinen Ankläger kennen lernte, schwor er, da, wo sich ihm die Gelegenheit dazu zeigte, ihm dafür den verdienten Lohn zu zahlen.

Der Markgraf Eckard von Thüringen und Meißen, war in der damaligen Zeit ein mächtiger Fürst, der mit den Herzogen von Böhmen und Polen in dem innigsten Freundschaftsbunde stand. Schwanehild, seine Gattin, war eine Schwester des Herzogs von Weimar, von dem er die kräftigste Unterstützung erwarten konnte. In dieser Ehe wurde nur die einzige Tochter, Luitgard, erzeugt. Sie war schön, geistvoll, liebenswürdig, wie ihre Mutter.

Zwischen Eckard, Luther und ihren Frauen herrschte eine völlige Übereinstimmung der Gemüther und eine Liebe, die durch kein Ereigniß gestört werden zu können schien. Werner, der in den Elternherzen die frohsten Hoffnungen erregte, ein wirklich schöner Jüngling war, der große Anlagen verrieth, und, eine gewisse Leidenschaftliche Heftigkeit abgerechnet, das beste Gemüth zeigte, war auch der Liebling Eckards und Schwanehilds.

Ehe die beiderseitigen Eltern dieser Kinder den Entschluß faßten, wenn sie das rechte Alter erreicht haben würden, sie mit einander zu vermählen, hatten sie sich schon insgeheim das unverbrüchliche Wort der Treue gegeben.

Noch kannten Werner und Luitgard den geschlossenen Vertrag ihrer Eltern nicht, als ihrer Liebe die größte Gefahr drohte. Es war dem Markgraf unbegreiflich, daß Eckard seit mehrern Monaden nichts von sich hören ließ. Er schickte einen Boten an ihn ab, der ihm ein Schreiben aus Thüringen überbrachte, in dem ihm Eckard auf eine höfliche Weise zu sich lud, um eine Sache von Wichtigkeit mit ihm abzuhandeln. Der Bote brachte überdieß den mündlichen Bescheid, es herrsche große Freude an des Markgrafen Hofe. Man spreche, zwar noch insgeheim, von einer Verheirathung des Kaisers mit der jungen Prinzessin.

»Klatscherei,« so fuhr der Markgraf den Berichtsteller an, »das Mährchen ist erlogen, das muß ich besser wissen. Rede hier kein Wort davor, wenn Deine Plauderei nicht aufs härteste bestraft werden soll.«

Der Markgraf fand die Sache nicht unmöglich, er hielt sie sogar für wahrscheinlich, da ihm das Betragen Eckards eine unzweideutige Erklärung dazu zu geben schien. Das stolze Gemüth Eckards, der immer nach höhern Dingen strebte, fand, nach seiner Meinung, auch darin Nahrung seine Tochter zu einer Kaiserin erhoben zu sehn.

Hätte er’s bei der Heirathsangelegenheit mit Eckard nur allein zu thun gehabt, so würde er ihn, mit Verachtung, seines gegebenen Worts entlassen haben; aber Werner hatte es ihm schon gestanden, wie unaussprechlich er seine Luitgard liebte und der Vater verschwieg es ihm nicht, daß ihm von Seiten ihrer Eltern kein Hinderniß im Wege stehe. Noch verschwieg er dem Sohne, der so leicht in leidenschaftliches Loben gerieth, ein Geheimniß, das ihn vom Gipfel seines höchsten Erdenglücks hinabstürzte. Daß sich Werner, selbst nicht von einem Kaiser, die Braut rauben ließ, wenn sie mit unwandelbarer Liebe an ihm festhielt, deß war er gewiß. Eine Reihe von Unfällen sah er voraus, wenn Eckard sich wirklich hätte so schwach finden lassen, daß er Otto’n sein Wort zur Vermählung gab und seine Tochter überredete, einen Kaiser bei ihrer Verheirathung einem Markgrafensohn vorzuziehn. Vor einem Monat war Werner in Thüringen gewesen und nichts schien er zu ahnen, was ihm den Verlust seiner Braut drohte.

Der Markgraf theilte seiner Godila die Sage des Boten mit, an welche diese ebenfalls nicht glauben wollte, aber sie entschloß sich aus guten Gründen, ihren Gemahl nach Thüringen zu begleiten. Das, was sie sich von einem Freunde, von einem Manne nicht denken konnten, dem ein in einer wichtigen Angelegenheit gegebenes Wort heilig seyn muß, der es wohl wußte, daß Luitgards Herz an Werner hing, war dennoch, zu ihrem Erstaunen, zu ihrer größten Verwunderung, geschehen.

Der jugendliche Kaiser, welcher noch nicht das zweiundzwanzigste Jahr erreicht hatte, sah bei einer festlichen Gelegenheit, wozu mehrere Fürsten mit ihren Töchtern geladen waren, auch die reizende Luitgard. Sie war es von allen Jungfrauen, die beim ersten Erblicken seine Liebe entzündete und sein Herz bewegte. Er wandte sich zuerst mit der Frage an den Herzog Bernhard von Weimar, wer diese Jungfrau sey, die sich durch körperliche Schönheit, durch Liebreiz, wie die kostbarste Perl, von allen andern Fürstentöchtern so auszeichne. Als ihm der Herzog die Antwort gegeben hatte, daß sie die Tochter seiner Schwester, der Markgräfin von Thüringen und Meißen, sey, setzte er noch hinzu:

»Wenn ihre körperlichen Reize Euch schon gefallen, so würdet Ihr sie Eurer Werthschätzung würdig finden, wenn Ihr wüßtet, welch ein heller Geist in ihr glänzt und welch ein gütiges Gemüth sie regiert. Sie ist die einzige Tochter, aber ein Schatz, der mehr werth ist, als viele Kinder.«

Bernhard bemerkte es nach einer Weile, daß der Kaiser mit Schwanehild sich unterhielt, neben der die blühende Tochter stand. Er sah’s, wie sie den Blick zur Erde niedersenkte, als der Kaiser mit einer verbindlichen Verbeugung von ihr ging:

Am andern Morgen, auf der Reise nach Weimar, wo Eckard mit Bernhard in einem Wagen fuhr, fand dieser den Markgraf sehr wohl gelaunt.

»Es ist doch sonderbar,« fing der Markgraf an, »wie uns das so wohl gefällt, wenn ein Kaiser mit uns freundlich spricht. Ist’s doch, als ob wir uns plötzlich auf höhere Stufen der Achtung gehoben fühlten: Er ist mit seiner hohen Würde doch auch nur ein Mensch, der kommt und geht, wie wir. Dem Kaiser Otto ist es wahrlich ein Leichtes, mit seiner herablassenden Freundlichkeit und Milde die Herzen zu erobern. Viel hat er mit mir vom deutschen Reiche gesprochen und sagte mir die Artigkeit: hätten wir in Deutschland mehrere Fürsten, wie ihr einer seyd, es würde von der Geißel der Wenden bald befreit seyn. Meine ganze Macht, diese Feinde zu vertilgen, hab’ ich ihm angeboten. Er drückte mir die Hand und sprach mit freundlichem Lächeln: ›Markgraf, wenn sich die Gelegenheit zeigt, nehme ich euer Anerbieten, dem ich ganz vertraue, in Anspruch.‹ Auch mit meiner Schwanehild redete er so gütig. Ein herrlicher Jüngling, der uns zu großen Hoffnungen berechtigt!«

Kalt und ernst entgegnete Bernhard:

»Darum also, weil er mit Dir freundlich sprach und artige Worte mit Dir wechselte? An diese Hoffnungen, mit denen Du dich täuschest, wollte ich auch glauben, wenn er ein deutsches und nicht ein italienisches Herz hätte. Nach Italien fühlt er sich im Innern hingezogen, die Sitte jenes Landes ehrt er nur, wir, wir sind ihm Fremde, Barbaren. Wir wissen dem selten Dank, der einen süßen Wahn zerstört, mit dem wir uns betrügen, aber ich will’s mit Dir doch wagen, da ich den Grund zu kennen glaube, weshalb er, wie Du glaubst, sich Dir mit der gepriesenen Güte nahte.«

»Na, und der wäre?«

»Der Zufall führte im großen Wirrwarr von Höflingen die Majestät mir näher und, kaum hatte sie einige artige, luftige Worte mit mir gewechselt, als sie mich fragte, wer dort die schöne Jungfrau sey. Die ist meines Schwagers Tochter, Luitgard, gab ich zur Antwort. Sie schien das Herz des Jünglings zu rühren und den Dank dafür trug er an Dich und meine Schwester ab. Man rechnet sich so Manches als verdienstlich an, was man doch nicht verdient und traut der Freundlichkeit der Großen, und ahnet die geheimen Gründe nicht, weshalb sie den Affen unserer Eitelkeit, die süße Nahrung reichen. Dabei wird’s bei dem Kaiser, hoff’ ich, wohl bleiben, dem man täglich neue Bilder vorgaukelt, mit dem seine Sinnlichkeit spielen kann.«

»Und,« sagte Eckard, »wenn’s dabei nicht bliebe, wenn Luitgard sein Herz gefesselt hätte, wenn er … Eine Kleinigkeit ist’s doch nicht, wenn eine Markgrafentochter eine Kaiserin würde. Sollte ich den Glanz der Hoheit, der von ihr auf mich strahlte, verschmähn?«

»O, der eiteln Thorheit, die sich so gern mit fremden Federn schmückt! Hast Du nicht eigenen Ruhm genug, daß Du mehr davon von Deiner Tochter borgen willst? Du bist sehr zerstreut, ich sehe, daß ich Deinem Gedächtniß zu Hilfe kommen muß. Wie Du mir’s selbst gesagt hart, so ist zwischen Dir und dem Markgraf Luther das Abkommen getroffen, daß Du Deine Tochter mit seinem Sohne vermählst. Und, wenn ein zehnfach größerer Herr, als dieser Kaiser, käme und um Luitgard’s Hand würbe, Deine Tochter dürftest Du ihm nicht geben. Wer darf dann sein Ehrenwort noch halten, wenn es ein Markgraf, der Hochmuth treiben will, bricht. Du kennst Luther von Walbeck, ungerochen ließe er das nicht hingehn. Werner selbst würde sein Leben wagen, die schöne Beute dem Kaiser zu rauben. Er ist ein stürmischer Jüngling, der, wenn seine Leidenschaft erglüht, wie ein Löwe toben kann. Wird Luitgard den Geliebten gegen einen Kaiser vertauschen? Ach, es gibt der Beispiele, daß eine Ritterfrau oft viel glücklicher ist, als eine Kaiserin. Sie geht im stillen Weh, weint in der Einsamkeit und muß bei Hofe, wie ein freundlicher Engel, erscheinen.«

»Luther ist ein verständiger Mann, er wird’s nicht wollen, daß Luitgard, um seines Sohnes willen, auf ein höheres Glück verzichte,« sagte Eckard.

»Das wird er, er muß es, eben weil er ein verständiger und weil er ein gerechter, treuer Mann ist. Doch laß uns nicht von leeren Dingen plaudern, die nie statt finden werden. Aber, Eckard, das muß ich Dir eingestehn, Deine Gesinnung hat sich mir nicht auf eine für Dich ehrenvolle Art verrathen. Nicht der nichtige Glanz, den der Zufall um eines Fürsten Haupt verbreitet, kann ihn geachtet machen, die Tugend sey sein Schmuck und seine Krone, durch die er sich, als Vorbild über sein Volk, erhebt.«

Eckard hielt sich mit den Seinen mehrere Tage in dem gastfreundlichen Weimar auf, und der Herzog mit seiner Gemahlin ließen sich’s recht angelegen seyn, die lieben Gäste aufs Beste zu bewirthen und ihnen angenehme Unterhaltung zu gewähren. Die Eitelkeit Schwanehildens konnte es der Schwiegerin doch nicht verschweigen, wie herablassend und freundlich der Kaiser mit ihr geredet hätte.

»Vielleicht,« entgegnete diese, »nahte er sich Dir darum, damit er das blühende Gesicht Deiner Tochter in der Nähe sähe. Frauen in unsern Jahren, verdanken oft den schönen Töchtern die Huldigungen der jungen Männer, die sie uns spenden. Durch unser Herz bahnen sie sich den Weg zur Tochter. Bernhard hat mir’s gesagt, Luitgards schöne Gestalt fiel dem Kaiser auf. Vielleicht gleicht sie einer Italienerin, die er liebt. Sag’ ihr kein Wort davon, sie möchte eitler werden und von einer Kaiserin träumen.«

»Die, nie, nie! Meinst Du, daß sie einen andern, als ihren Werner lieben könnte? Mein Gemahl scheint zu glauben, daß sie sich durch die Herrlichkeit des Kaisers blenden ließe. Als ich ihm entgegnete, daß ich das nicht glaubte, da zürnte er mir. Träte je der Fall ein, den ich doch nicht fürchte, daß Luitgard in der Treue zu dem edeln Werner wankte, so werd’ ich’s seyn, die ihr die feste, unerschütterliche Haltung gibt und soll’s deshalb zwischen mir und Eckard zu einer Spaltung kommen. Recht und Jugend verkauft’ ich nie um einen eiteln Preis. Was wär’ das für mich für ein Glück, meine Tochter, als Kaiserin vermählt und sie von mir getrennt zu sehn. Otto sieht ja Deutschland an wie eine Herberge; und Italien wie sein Vaterland. Der Baiern Herzog Heinrich, die Äbtissin Mathilde, werden das auflodernde Feuer der Liebe, wenn’s in Otto’s Herzen aufgeflammt wäre, schon löschen.«

Am achten Tage war’s, als Eckard sich zur Abreise von Weimar anschickte, da kam ein Herold an und brachte ein großes Schreiben vom Kaiser an den Markgraf. Er wollte es Eckard selbst und ohne Zeugen überreichen.

Dem Herzog Bernhard wurde die Erscheinung des kaiserlichen Herolds zuerst gemeldet, der mit einem so reichen Glanze erschien, wie man bisher zu sehn nicht gewohnt war. Er ging zum Markgraf und sagte mit ernster Miene:

»Du wirst sehr auf Deiner Hut seyn müssen, wenn Dich die kaiserliche Gnade nicht zu einem Fehltritt verlocken soll. Die Liebe zu Deiner Tochter scheint in Otto’s Herzen bis auf den Grund gedrungen zu seyn und gewiß will er um Dein Jawort bitten, indem er Dir die Ehre anthut, Dein Eidam werden zu wollen. Aber wie sich das von selbst versteht, eine andere, als eine abschlägliche Antwort kannst Du ihm nicht geben. Entflamme Wernern nicht zur Wuth. Gekränkte Liebe war oft in der Rache schrecklich.«

»Warum Du mir die Predigt hältst,« sagte Eckard mit finsterm Gesicht. »Was plauderst Du von kaiserlicher Gnade, von Ehre anthun und Eidam werden?«

»Geh nur hinab vor die Schloßthür, da harret Deiner in verschwendrischem Gepränge ein Herold, mit Knappen in glänzender Rüstung, daß ich anfangs glaubte, er wäre der Kaiser selbst, der seinen Einzug in eine Stadt halten wollte, die er mit dem Schwerte erobert hat.«

Ohne weiter zu hören, was Bernhard noch sagte, eilte Eckard die Treppe hinab, und als er mit klopfendem Herzen in der Schloßthür stand, verneigte sich der Herold tief und sagte dann:

»Der Kaiser läßt Euch durch mich einen Gruß vermelden und übersendet Euch von seiner Hand ein Schreiben, das ich Euch, ohne Zeugen, überreichen sollte.«

Neugierig und freundlich entgegnete der Markgraf:

»Ihr kommt vom Kaiser, darum seyd mir willkommen. Steigt vom Rosse, folgt mir, Ihr könnt mich allein sprechen.«

Als sie Beide in dem Zimmer des Markgrafen waren, zog der Herold das Schreiben hervor, überreichte es und sprach:

»Leset es durch, gebt mir dann Bescheid und erlaubet, daß ich mich zuvor einer mündlichen Bestellung entledigen darf, die der Kaiser mir selber aufgetragen hat. Er läßt Euch bitten, in kurzer Frist nach Aachen zu ihm zu kommen, weil er dort Wichtigeres, was er dem Papier nicht anvertrauen wollte, mit Euch verhandeln will.«

Der Markgraf trat seitwärts ins Fenster, hieß den Herold sich niedersetzen, entsiegelte den Brief und las sie kaiserlichen Worte:

Erlauchter Markgraf!

Für eine besondere und gnädige Fügung der Vorsehung muß ich’s achten, die Eure schöne und fromme Tochter Luitgard in meine Nähe führte. Dem Vater kann ich’s nicht verbergen, daß mein Herz in Liebe gegen sie entbrannte und daß dieses Feuer einer zärtlichen Neigung in mir nie erlöschen wird. Wenn sich von ihrer Seite keine Hindernisse finden, und das fürchť ich nicht, da sie mir noch so zart und jung erschien, so hoffe ich gewiß, Ihr werdet dem Nachkommen des großen Otto Eure Zustimmung nicht verweigern. Entnehmt daraus, wie hoch ich Euch ehre. Das Rühmliche, was mir der Herzog Bernhard von Eurer Tochter sagte, steht mit unauslöschlichen Zügen in meiner Seele geschrieben und, da ich der Wahrheit des wackern Herzogs fest vertraue, hat sein Urtheil meine Wahl nur fester noch begründet &c.

In einer Art von froher Geisteszerstreuung, da ihm glänzende Bilder der Zukunft vorüber schwebten, bei deren Anblick sein Geist sich weidete, sagte der Markgraf zum Herold:

»Euer Kaiser ist sehr gnädig! Laßt Euch die Zeit nicht lang werden, ich komme wieder. Schwerlich möchtet Ihr heute die Rückkreise antreten. Es ist mir in dem Schreiben eine Frage aufgegeben, die ich allein nicht beantworten kann.«

Er fand seine Schwanehild allein auf ihrem Zimmer, die aber von ihrem Bruder schon gehört hatte, daß ein kaiserlicher Herold mit einem Schreiben an ihren Gemahl angekommen sey, der ihn ohne Zeugen sprechen wolle. Der Herzog setzte hinzu:

»Ich vermuthe es, der Kaiser wirbt um Luitgards Hand. Ein sinnliches Gefühl hat sein Herz ergriffen. Du kennst Eckards Ehrsucht, der er, um sie zu befriedigen, die wahre Ehre selbst aufopfert. Ein schwerer Kampf mit ihm steht Dir bevor, daß Du ihn fest und treu bei seinem Worte hältst, was er dem Brandenburger Markgraf gab. Luitgard läßt sich gewiß nicht so leicht, die Wernern liebt, an einen Kaiser vertauschen. Dem liebenden Mädchen gilt der Auserkohrne mehr, als eine Kaiserkrone. Wie leicht könnt’s auch geschehen, wenn Otto nach Italien reist, daß des Südens laue Luft seine zärtlichsten Gefühle verwehte. Du mußt ein starkes Weib seyn, wenn Eckard von der Schwäche befallen wird, ohne die so viele Männer nicht sind.«

Die Herzogin war mit Luitgard und ihren Kindern an dem Tage nach Erfurt gefahren, um ihnen das glänzende Schauspiel des Frohnleichnamsfestes zu zeigen, das sie zu sehen wünschten. Als sie im großen Dom die prunkvolle Herrlichkeit des Gottesdienstes gesehn und angestaunt hatten und die Stufen herab nach dem schönen Gretenplatz stiegen, wo unten der Wagen hielt, der sie nach ihrem Quartier fahren sollte, da rief’s hinter ihnen: »Luitgard!« Sie sah sich neugierig um, und — welch ein freudiger Schreck — Werner stand in köstlicher Rüstung vor ihr. Höflich verbeugte er sich vor der Herzogin, küßte Luitgard die Hand und sprach:

»Ich komme von Meißen. Dort sucht’ ich Euch und als ich Euch nicht fand, bin ich hieher geritten. In Weimar, wenn Ihr mir, erlauchte Herzogin, das verstattet, will ich übernachten. Es kann Euch kein Geheimniß seyn, daß ich Luitgard liebe.«

Wirklich war die Herzogin um eine Antwort verlegen, da sie Wernern nicht den besten Empfang bei Eckard versprechen konnte, der sich mit dem Traume ergötzte, seine Tochter, als eine gekrönte Kaiserin zu sehn. Unartig durfte sie nicht seyn und sagte:

»Wohlan, wir sehn uns in Weimar.«

»Sollt ich mich hier in Erfurt von Wernern trennen?« fragte Luitgard die Base mit einem Trauergesicht.

Es standen auf den Stufen mehrere Menschen still, die theils den schönen, reichgekleideten Ritter, theils die reizende Luitgard mit innerer Lust betrachteten. Die Herzogin verneigte sich gegen Werner, ging weiter, Luitgard mußte ihr folgen, sie drückte seine Hand fest in der ihren und sprach leise:

»Die Herzogin wohnt auf dem Anger und ist leicht zu erfragen.«

Schnell rollte der Wagen davon und gedankenvoll stand Werner da, blickte ihm nach, und ein bitteres Gefühl war in ihm aufgeweckt. Die Herzogin war so kalt, so zurückstoßend. Es schien ihm so, als ob in ihren Höflichen Worte der Sinn lag, daß er in Weimar kein willkommner Gast sey. Er fühlte es selbst, daß ihn die Überraschung, als er, was er nicht glaubte, Luitgard erblickte, zu einem Geständnisse geführt hatte, was er noch hätte verschweigen müssen. Selbst Luitgard ließ sich durch ihr Gefühl überwältigen und vergaß alle Vorsicht. Er wollte also zur Herzogin gehn und, so gut, als das möglich war, den begangenen Fehler wieder gut machen und, insbesondere, unter einem schicklichen Vorwande seinen Besuch, zu dem er sich die Erlaubniß erbat, absagen.

Die Herzogin sagte zu Luitgard im Wagen:

»Da habe ich ja ein Geheimniß erfahren, um das ich noch nicht wußte, was mir selbst Deine Eltern verschwiegen. Du, noch ein Kind, wärst dieses Werners Braut? Kennst Du den Willen Deiner Eltern? O, es gehört mehr Erfahrung dazu, den rechten Gatten zu wählen, als Du dir zuschreiben kannst. Nicht, wie mit Spielzeug, kann man mit dem Bräutigam wechseln.«

Luitgard entgegnete:

»Wär es denn ein Unrecht, wenn ich Wernern liebte? Muß auf meine Liebe zu ihm die Heirath folgen? Lieben sich nicht Geschwister und Jugendfreunde auch? Wie sehr mein Herz ihm ergeben ist, das weiß die Mutter auch und hat mir nicht geboten, daß ich ihn hassen soll.«

Der feierliche Umgang der versammelten Menschen hatte noch nicht seinen Anfang genommen, als die Herzogin, die aus dem Fenster sah, Werner in der Ferne erblickte, der sich mit eiligen Schritten nahte. Sie wollte seinen Gruß vermeiden, trat vom Fenster zurück und erwartete es mit zweifelhafter Ängstlichkeit, ob er vorübergehn, oder zu ihr kommen werde. Da klopfte es an die Thür und der junge Markgraf trat ein.

»Um Euch, verehrte Herzogin,« fing Werner an, »nicht wortbrüchig zu erscheinen, mußt’ ich Euch abermals mit meiner Gegenwart beschweren. Eben begegnet mir der Graf Dedo von Wettin und meldet mir, es schwärme ein Räuberhaufe, angeführt von dem berüchtigten Günzel von Kuhberg, in der Gardeleber Heide umher, welcher seine Plünderungen und Streifereien immer weiter ausbreite, dessen Unfug gedämpft werden solle. Ich werde abreisen, meine Tapfern zusammenrufen und den wilden Haufen zerstreuen. Da die Pflicht mich ruft, kann ich nach Weimar nicht kommen. Wer weiß auch, ob ich ein angenehmer Gast gewesen wäre.«

»Das wolltet Ihr bezweifeln?« sagte die Herzogin. »Doch eins ist mir von Euch aufgefallen, daß Ihr so frei und traulich mit Luitgard umgeht, als ob sie Eure erklärte Braut wäre. Ist sie das? Ich weiß es nicht.«

»So werdet Ihr’s erfahren. Ist die Braut, mit der man frei und traulich umgeht? Der Schluß kann nicht immer richtig seyn. Die Liebe unserer Eltern hat sich auch unsern Seelen eingedrückt. Und, wär’ es denn ein so großes Unglück, wenn Luitgard meine Gattin würde? Bin ich nicht eines Markgrafen Sohn? Doch meines Bleibens ist hier nicht länger.«

Er verneigte sich gegen die Herzogin und sagte dann zu Luitgard:

»Grüßt Eure Eltern, wenn Ihr wollt und sagt ihnen, daß wir ihren Besuch erwarten.«

Er gab ihr seine Hand, und sah es, daß ihr in den Augen Thränen glänzten. Nach einer halben Stunde sah sie ihn mit einem kleinen Gefolge über den Anger reiten. Er wehte ihr mit seinem Taschentuch zu, sie aber sank in tiefe Trauer.

Während dieses unerwarteten Ereignisses in Erfurt, das für die Herzogin kein erwünschtes war, trug sich in Weimar Wichtiges zu, was mit Luitgards Liebe in feindlichem Widerstreite stand. Eckard kam, in einer Art von Freude, aber nicht ohne Besorgniß, wie Schwanehild entscheiden werde, mit dem offenen Briefe des Kaisers zu seiner Gattin und sagte:

»Noch kann kein Markgraf sich rühmen, daß er von einem Kaiser solch einen Brief empfangen hat, als ich. Gönne mir Deine Aufmerksamkeit, sein Inhalt ist sehr wichtig, auch Deine Entscheidung will ich hören.«

Als er den Brief gelesen hatte, fragte er:

»Welche Antwort würdest Du dem Kaiser geben?«

»Nach einer Antwort auf den Brief solltest Du mich nicht fragen; ich dachte, sie läge Dir klar vor Augen und im Herzen. Du hast keine zweite Tochter, die Du an den Kaiser verheirathen kannst und die Einzige hast Du dem Sohne Luthers zugesagt. Könnte ein Kaiser Dich zum wortbrüchigen Manne machen, so hätte er die Gewalt eines bösen Geistes über Dich, die Dich überwinden könnte. Überdies muß ich Dir’s gestehn, daß Werners und Luitgards Herz Ein Herz sind, mit allen Banden der Liebe fest verbunden. Wer mag sie scheiden! Sie liebt die Person, nicht Hoheit, Glanz und Titel. Und, du lieber Himmel, ist denn eine Kaiserin in dem Grade glücklicher, als sie über eine Markgräfin erhaben ist? Dem Kaiser gieb eine ehrliche, aufrichtige Antwort und damit wird er sich zufrieden stellen lassen.«

»Schwanehild, das ist keine Antwort, wie ich sie von Dir erwartete: Fühlst Du in Dir nicht das Verlangen, Dich zum Höhern zu erheben? Klingt das nicht Deinen Ohren süß, wenn man Dich Mutter der Kaiserin nennt? Gibt es keine höhere Pflicht, die uns von einem gegebenen Versprechen entbindet?«

»Nach meinem Dafürhalten, in diesem Punkte wenigstens nicht und Luther wird es auch nicht glauben. Welchen Verdruß wirst Du dir bereiten, in welche Verlegenheiten Dich setzen; welchen Kummer anrichten und welche Thränen auspressen, wenn Du dem Kaiser schreibst, Du wolltest seiner Neigung folgen und Luitgard mit ihm vermählen!«

Aufgebracht entgegnete Eckard:

»Und eben das werd’ ich ihm schreiben und mich an kein Geschwätz kehren.«

»Warum also verlangtest Du von mir eine Antwort? Eine andere, als die ist, die Dich so empört, kann ich Dir nie geben. Die That, zu der die Ehrsucht Manchen schon verleitete, hat ihn in bittere Reue gestürzt, Eckard, das bedenke.«

Der Markgraf blitzte seine Gattin zornig an und ging eilig von ihr. Sogleich ließ er durch seinen Geheimschreiber diese Antwort aufsetzen, da er selbst des Schreibens wenig mächtig war:

Eure Kaiserliche Majestät thun mir eine Ehre an, die ich höher schätze, als Alles. Hätte ich ein Theureres Gut auf Erden, als meine einzige Tochter, und Ew. Majestät forderten es, so würd’ ich’s geben. Luitgard ist mit der Herzogin in Erfurt und erst bei ihrer Wiederkehr kann ich ihr die frohe Botschaft melden. Sie wird eine Ehre, ein Glück nicht von sich weisen, das unter Millionen nur einer Einzigen geboten wird. In Aachen sollt Ihr aus meinem Munde die Antwort vernehmen &c.

Eckard wollte es nicht, daß der Herold noch auf dem Schlosse wäre, wenn Luitgard von Erfurt käme, darum fertigte er ihn noch in derselben Stunde ab. Überhaupt wäre er lieber sogleich nach Meißen abgereist, als daß er die Nacht noch in Weimar blieb, da er von allen Seiten bestürmt wurde, dem Kaiser eine abschlägliche Antwort zu ertheilen.

Luitgard erzählte es ihrer Mutter am Abend noch, daß sie Wernern in Erfurt, auf wenige Augenblicke, sah, und daß die Herzogin so kalt und unhöflich gegen ihn gewesen sey, daß er den versprochenen Besuch, nach Weimar zu kommen, aufgekündigt hätte.

»Das hat die Herzogin klug gemacht,« sagte die Mutter, »da sie es nicht wußte, ob die Erscheinung Werners Deinem Vater oder dem Herzog willkommen war. Ich selber hätt’ ihn hier nicht gern gesehn.«

»Mutter, Mutter,« fragte Luitgard ängstlich, »warum denn nicht? Hat er Euch beleidigt, weshalb Ihr ihm zürnt? Ein Unrecht begangen, daß er verachtet zu werden verdient? Sonst hattet Ihr ihn so lieb!«

»Soll’s die Welt schon wissen, daß er Dich liebt? Weiß er’s schon gewiß, ob der Vater Dich mit ihm verbinden will? Könnte ein zu früh entdecktes Geheimniß nicht schaden? Kennst Du des Vaters Sinn?«

»Mutter, es ist mir nicht schwer geworden, ihn zu errathen, wenn er Wernern über die Wange strich und sagte: ich wünsche mir solch einen Sohn! Nicht wandelbar ist des Vaters Beschluß und wenn er das wäre, könnte er meine Neigung ändern? Unglücklich will er seine eigne Tochter nicht machen.«

»Und wenn er Dich auf eine andere Weise glücklicher zu machen gedächte, als Du es glaubst, könntest Du ihn tadeln?«

»Nicht tadeln, aber ihm beweisen, daß ich nur mit Werner glücklich werden kann.«

Freundlich, wie Luitgard immer den Vater zu sehen gewohnt war, trat er ins Zimmer. Er fragte sie nach dem Vergnügen der heutigen Reise, und sie sagte, recht absichtlich, um seine Gesinnung gegen Werner zu erforschen, die ihr die Rede der Mutter zweifelhaft gemacht hatte:

»Denkt Euch, Werner wollte uns in Meißen besuchen, dort mußte er erfahren haben, daß wir in Weimar wären. Er scheut die Weite des Wegs nicht und reitet bis Erfurt. Da traf ich mit ihm auf den Stufen des Doms zusammen. Groß war unsere Freude. Eine Räuberrotte, die unter Günzel von Kuhberg in der Altmark ihr böses Wesen treibt, rief ihn schnell zurück, sonst wär’ er nach Weimar gekommen und hätte uns nach Meißen begleitet.«

Mit ernster Miene sagte Eckard:

»Auch ohne seine Begleitung, denke ich, werden wir gesund nach Meißen kommen. Fast treibt er’s mit seiner Liebe zu weit, es ist Zeit, daß man den Beweisen derselben Einhalt thut. Die Welt sollte wohl gar glauben, daß …«

»Vater, um der Welt willen wolltet Ihr den Beweisen seiner Liebe Einhalt thun? Was kümmert Euch die Welt!«

»Luitgard, es gab eine Zeit, als Du noch in Kinderschuhen gingst und Werner ein Knabe war, da konntet ihr, wie’s Kinder pflegen, mit einander spielen; jetzt bist Du eine Jungfrau geworden, die mit dem Markgrafensohn, der im einundzwanzigsten Jahre steht, das Spiel nicht forttreiben darf.«

»So laßt’s zum Ernst mit uns kommen, Vater. Wie damals, als Kinder, so lieben wir uns noch und das Gegentheil, ihn zu hassen, könnt Ihr nicht gebieten. Sagt mir’s, hat er’s verschuldet, daß sich Euer Herz von ihm abgekehrt hat? Auch die Mutter scheint Wernern zu zürnen. Geschähe es darum nur, daß er mich liebt, so müßt’ ich ihn bedauern, daß er so unverdient leidet.«

»Stille, stille, Luitgard, hier ist der Ort nicht, weiter über die Sache zu reden, wir verschieben es, bis zu einer andern Gelegenheit.«

Luitgard sank in tiefe Trauer, als sich der Vater entfernt hatte und rief klagend aus:

»Welch eine Verwandlung ist hier vorgegangen und welches ist der Grund davon! Will man mir das Herz zerreißen und mich von meinem Werner scheiden? Man sage mir’s, warum man mich von ihm entfernen will? Hätte man den langen Umgang, der unter uns stattfand, darum so lange geduldet, daß man die Gewohnheit, die uns immer inniger verband, zu einem Dolche machte, den man in unser Leben stößt? Soll ich mein Daseyn verwünschen und jede Wohlthat für ein Übel achten, die mich bisher genährt und zum Verstande gebildet hat?«

»Luitgard, Luitgard« sagte die Mutter, »versündige Dich nicht weiter mit solchen Worten! Hat Dein Vater ein Band zwischen Werner und Dir geknüpft, daß Du ihn des Unrechts zeihen könntest, wenn er es, zerrisse?«

Mit den Worten: »Das Band hat Gott geknüpft und Menschen sollen es nicht zerreißen, sie möchten denn mein Herz zerreißen!« ging sie zu Mathilden, ihrer Zofe.

Die ganze Nacht kam kein Schlaf in ihre Augen. Verwirrte Gedanken gingen durch ihren Kopf und quälende Gefühle marterten ihr Inneres. Mit der Liebe zu Werner und ihrem Vater gerieth sie in einen peinigenden Streit; aber die Liebe zum Erstern siegte. Der Entschluß stand in ihr fest, Alles aufzuopfern und zu verlassen, ehe sie sich von ihm trennen ließe. Völlig unentdeckt blieb es ihr aber, was die Umwandlung des bisher bestehenden Verhältnisses herbeiführte. Sie wollte, sobald sich die Gelegenheit dazu fand, ihren Vater um eine Erklärung und um Aufschluß bitten, er mußte ihr den geben können.

Traurig schied sie von Weimar. Als sie die Herzogin umarmte, sagte ihr die leise ins Ohr:

»Luitgard, Du wirft einen schweren Kampf zu bestehn haben. Der Fromme erhält die Kraft vom Himmel und die Jugend führt zum Überwinden. Bleibe fest und unerschütterlich.« …

Wehmüthig blickte Luitgard die edle Herzogin an, sie ahnete es, was sie mit den Worten sagen wollte und sagte eben so leise zu ihr:

»Gott ist mächtig in den Schwachen!«

Der Markgraf sprach unterwegs von gleichgültigen Dingen, schien guter Laune zu seyn, aber er hielt sich nicht viel im Wagen auf und saß, wider seine sonstige Gewohnheit, den größern Theil der Reise zu Pferde, als ob er die Nähe seiner Tochter und Gattin scheute. Am ersten Morgen, nach seiner Ankunft in Meißen, kam er in das Zimmer seiner Gattin und fand auch die Tochter bei der Mutter.

»Mir steht eine weite Reise bevor,« sagte er, »die mich auf längere Zeit von Euch entfernen wird, im Fall Ihr mich nicht begleiten wollt. Der Kaiser, der mich durch seine Güte so auszeichnet, hat mich zu sich nach Aachen eingeladen, wo er Wichtiges mit mir verhandeln wird. Nur Gutes kann er von mir wollen. Welch ein schöner Jüngling ist dieser Otto, von der Natur zur Majestät gebildet. Wie überglänzt sein Geist doch Alle, die seines Alters sind! Menschlich und herablassend, milde und freundlich ist sein Gemüth. Kein rauher Fleck erscheint in seinem ganzen Wesen. Mit wem er sprach, der fühlt sich zu ihm hingezogen. Ja, wir Deutschen sind doch ungeschickte Bären gegen die feinen Italiener. Er wird die ruhmvollen Zeiten seines erlauchten Ahnen, des großen Heinrichs, wieder zurückführen! Schwanehilde, Du hast ihm das verdiente Lob gezollt. Ich muß es eingestehn, daß ich ungern in langer Trennung von Euch lebe. Seyd Ihr nicht in meiner Nähe, so ist mir nicht wohl und eines geheimen Sehnens, was mich verstimmt, kann ich mich nicht enthalten. Ihr könntet mich gegen dieses unfreundliche Gefühl schützen, wenn Ihr mich nach Aachen hin begleitet. Scheut Ihr auch der Reise Beschwerden, Eure Liebe zu mir wird sie überwinden. Und Du, theure Luitgard, die Thüringens güldene Aue, das bunte Harzgebirge und das liebliche Elbthal bei Meißen so entzückt, daß Du dich nicht daran satt sehen kannst, welche unerschöpfliche Genüsse wird Dir das Anschauen einer schönern, mit tausend Abwechslungen geschmückten Natur gewähren. Auch folgt die gute Tochter gern, wohin die Mutter mit dem Vater geht. Nun, Schwanehilde, was meinst Du zu dem Vorschlage, zu der Bitte, die nur aus Liebe kommt?«

Zwar zweifelte die Markgräfin daran nicht, daß es reine, aufrichtige Liebe war, die ihn bitten ließ, daß sie ihm mit Luitgard nach Aachen folgen sollte, aber sie ahnete es auch, daß er im Hintergrunde eine andere Absicht hatte, die er verschwieg, weshalb er die Reise in Vorschlag brachte. Es lag für sie in dem Gedanken Widriges, da sie Luitgards Liebe zu Wernern kannte, daß sie die Tochter dem Kaiser zuführen sollte. Sie scheute auch das Urtheil ihrer Freunde, wenn sie mit ihrem Gatten in diesem Einverständniß, das ihr das tadelnswertheste war, handelte. Wie wollte sie sich gegen die schwesterlich gesinnte Markgräfin Godila von dem Verdachte reinigen, daß sie Antheil an der Wortbrüchigkeit ihres Gatten nahm, wenn diese sie mit Vorwürfen bestürmte? Das Eine mußte sie auch der Herzogin beim Abschiede geloben, wenn es ihr nicht möglich sey, Eckarden von dem sündlichen Vornehmen, das seine Ruhmsucht erzeugte, abzulenken, daß sie wenigstens ihre Hand nicht bieten wollte, es zu befördern.

Sie gab dem Markgraf die Antwort:

»Ich denke, wenn Du allein nach Aachen reisest, daß Du Deine Rückkehr um so mehr beschleunigst. Das Geräusch, was in der Nähe eines Kaisers herrscht, verträgt sich nicht mit meinem Sinn, der nur die Stille liebt. Unzartes find’ ich auch darin, unsere Tochter, die in der Abgeschiedenheit von der großen Welt erzogen wurde, den Augen vieler Gaffer bloßzustellen. Seit einem Mond fast sind wir umhergeschwärmt, von einem Gelag zum andern, ich sehnte mich nach Ruhe und bin sehr glücklich, daß ich sie wieder gewonnen habe. Mich in ein neues Meer von prunkendem Getöse stürzen, das fordere nicht von mir. Luitgard ist noch jung, sie hat Zeit genug, das schöne Rheingefilde zu sehen und auch die Schweiz, mit ihren Bergen, Thälern und Seen; laß uns hier.«

»Das ist die Weise,« sagte Eckard mit erzürntem Gesicht und stärkerm Ton der Stimme, »wie die Weiber die Gebieterinnen der Männer sind. Ich bitte Dich und Du schlägst mir die Bitte ab. Könnt’ ich nicht befehlen?«

»Wenn Dir mit scheuem, unterthänigem Gehorsam gedient ist, so kannst Du befehlen und ich muß Dir, als eine gehorsame Sclavin, folgen. Eckard, Eckard, in Frühling sind es achtzehn Jahr, seit wir im ehelichen Verein so glücklich leben, doch eine solche Sprache hast Du gegen mich noch nie geführt. Ach, daß Luitgard Zeuge dieses Gesprächs seyn muß, das von einer Härte zeigt, die ich bisher noch nicht kannte. Seit wann ist dieser Geist in Dich gefahren? Seit der kaiserliche Herold in Weimar Dir erschien? Sollte der den Zunder der Zwietracht unter uns geworfen haben, vor dem das Feuer der Liebe erlöscht? Ach, folge nicht dem eiteln Blendwerk einer Leidenschaft, an dem des Lebens schönste Güter scheitern, der Friede, die Liebe! Setze ein Daseyn, was Dir bisher so theuer war, nicht auf ein gewagtes Spiel! Ein jedes Herz hat seine Rechte und es gibt sie nur dann erst auf, wenn man es selbst zerstört hat.«

»Luitgard,« fragte sie der Vater, »willst Du mich begleiten?«

»Ich allein? Die Mutter hier in Kummer und Thränen lassen? Das nur fordert nicht. Eine lange Gewohnheit hat mich an ihre leitende Hand gewöhnt und ihre Nähe könnt ich nicht entbehren. Was müßte sie von einer Tochter denken, die sie verließe! Ohne sie hätte ich keine Sinne für Gegenden, die in paradiesischer Herrlichkeit vor meinen Augen lägen.«

»Von mir also willst Du dich trennen? Bin ich nicht Dein Vater? Habe ich nicht gleiche Ansprüche an Deine dankbare Neigung?«