Bonobo Moussaka - Adeline Dieudonné - E-Book

Bonobo Moussaka E-Book

Adeline Dieudonné

0,0
6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Warum habe ich diese Einladung bloß angenommen? Weihnachten ist das Fest der Familie. Daher nimmt sie ihre beiden Kinder mit zu ihrem Cousin, der die alleinerziehende Mutter großmütig eingeladen hat, sich mit seiner Musterfamilie und der Familie eines befreundeten Bankers an den üppig gedeckten Tisch zu setzen. Ein Essen in seliger Eintracht? Nicht ganz … Denn lauscht man dieser jungen Frau von heute (die Adeline Dieudonné gar nicht so unähnlich ist), offenbart sich, was sie angesichts der virulenten Themen unserer Gesellschaft fühlt und denkt. Doch sie wird sich nicht unterkriegen lassen. Schließlich hat sie zwei Kinder in diese Welt gesetzt und wird alles dafür tun, dass sie eine Zukunft haben.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 66

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über das Buch

Sie hat zwei Kinder in die Welt gesetzt. In diese Welt mitall ihren Ungerechtigkeiten und Problemen. Die Kinder nimmt sie mit zu ihrem Cousin Martin, der die alleinerziehende Mutter eingeladen hat, mit seiner Musterfamilie und der Familie eines befreundeten Bankers Weihnachten zu feiern. Ein Essen in seliger Eintracht? Nicht ganz …

Für Monsieur Muse …

In Erinnerung an unseren ununterbrochenen Dialog

Letztes Jahr bin ich 36 geworden.

36 Jahre.

Das war im Oktober.

An dem Tag … da beschlich mich ein ganz komisches Gefühl.

So eine Art Traurigkeit.

Gemischt mit Wut.

Abscheu.

Empörung.

Viel Scham.

Und viel Angst.

Ja, so was in der Art.

Fühlt sich so der Verlust der Unschuld an?

Vielleicht.

Dieses Gefühl begleitet mich seither – wie ein kleiner Stein im Schuh.

Anfangs habe ich ihn kaum gespürt, doch mit der Zeit ist er größer und größer geworden.

Inzwischen nimmt er alles ein, quetscht mir die Zehen und hindert mich am Weitergehen.

Und so stehe ich hier also, mit meinen 36 Jahren, und ein großer Traurigkeit-Wut-Abscheu-Empörung-Scham-Angst-Kiesel hält mich davon ab voranzukommen.

Und ich habe zwei Kinder.

Einen Jungen und ein Mädchen.

Wow, zwei Kinder! – Das muss man sich mal überlegen.

Ich habe zwei Kinder in die Welt gesetzt.

Zwei reine, unschuldige Wunder, wie alle Kinder.

Ich habe sie in die Welt gesetzt.

In diese Welt hier.

Zwei Kinder. Die viele Fragen stellen.

Ulkige Fragen.

»Mama, haben Fische einen Hals?«

»Keine Ahnung, mein Schatz … Aber frag doch mal die Maus.«

Fragen, die einen etwas in Verlegenheit bringen.

»Mama, was ist das?«

»Das« liegt in der weit geöffneten Schublade meines Nachttischs.

»Das, mein Herz, ist Mamas Spielzeug. Das darfst du nicht anfassen. Geh schnell die Hände waschen.«

Und obendrein stellen sie Fragen, die den Stein in meinem Schuh noch größer werden lassen.

»Mama, sag mal, warum kommen die Flüchtlinge eigentlich nicht mit dem Flugzeug zu uns? Dann würden sie nicht mehr im Meer ertrinken.«

»Weil die Chefs von Europa Scheusale sind, mein Liebling. Scheusale, die diese Leute lieber sterben lassen, als sie bei uns aufzunehmen. Deshalb dürfen sie nicht ins Flugzeug steigen.«

Und diese Scheusale haben wir gewählt.

Was uns ebenfalls zu Scheusalen macht.

Nein, dich nicht, mein Schatz.

Schließlich darfst du noch nicht zur Wahl gehen.

Noch bist du also kein Scheusal.

Aber eines Tages wirst du auch eines werden, wie jeder von uns. Sobald du volljährig wirst.

»Aber dann wählt doch einfach andere Chefs.«

»Da hast du recht, mein Liebling.«

Ich glaube, letztes Weihnachten habe ich das Wachsen des Steins am stärksten gespürt.

Ich war bei meinem Cousin Martin eingeladen.

Martin wohnt mit seiner Frau Françoise und ihren drei Töchtern Alice, Candice und Bérénice in einem sehr hübschen Haus am Stadtrand.

Nun ja, was heißt sehr hübsch …

Lustigerweise entspricht das Haus genau der Defini-tion von einem »sehr hübschen Haus am Stadtrand«.

Es würde sich gut auf dem Werbebanner einer Immobilienfirma machen, die eine neue Wohnsiedlung plant.

Auf mich macht das Haus allerdings einen eher traurigen Eindruck.

So traurig …

Ich weiß nicht, warum, aber jedes Mal, wenn ich vor dem Haus stehe, möchte ich es am liebsten in den Arm nehmen und mit ihm weinen. Ihm zuflüstern, dass es nicht weiter schlimm sei, dass es so traurig wirke. Dass es nicht ganz allein sei, weil es noch so viele andere traurige Dinge auf dieser Welt gebe.

Jedes Mal, wenn ich das Haus sehe, denke ich aber auch: Wenn ich darin leben müsste, würde ich spätestens nach drei Tagen aus dem Fenster springen.

Was ziemlich bescheuert wäre, weil es nur ein Obergeschoss hat.

Ich weiß nicht, warum ich das so empfinde.

Das Haus hat schließlich alles zu bieten, was man zum Glücklichsein braucht.

Smart TV im Wohnzimmer, in der Küche, im Elternschlafzimmer, im Spielzimmer der Kinder.

Einen Blu-Ray-Player mit Surround-Soundsystem fürs Heimkinovergnügen.

Das schicke Designersofa, das auf der Titelseite sämtlicher Kataloge prangt.

Und über dem Kamin hängt eine afrikanische Maske, Souvenir von einer Safaritour, das Françoise in einem »echten« Massai-Dorf in Tansania gekauft hat.

Das Schlafzimmer verfügt über einen begehbaren Kleiderschrank mit elektrischem Krawattenhalter und einem kleinen Schmuckkästchen für Manschettenknöpfe. Alles ist maßgefertigt, selbst die Schuhfächer sind exakt auf die Schuhgrößen vom Hausherrn und seiner Gattin abgestimmt.

In der Küche gibt es einen Thermomix, eine Saftpresse, eine Fritteuse, einen Dampfgarer, ein Waffeleisen, eine Mandoline, eine Nespresso-Maschine, eine Sorbet-Maschine, einen Joghurtbereiter, einen Brotbackautomat und einen Schäler für Ananas. Ja, ausschließlich für Ananas.

Im amerikanischen Kühlschrank sind immer Fanta und Danone-Schoko-Pudding vorrätig. Bier für ihn und Roséwein für sie.

Das kleine Büro ist vollgestopft mit einem Hometrainer, der als Wäscheständer dient, einer Ruderbank, einem Stepper, einer Yogamatte, Hanteln … und einem Set Elektroden, um vor der Glotze seine Bauchmuskeln zu modellieren.

Im Badezimmer stehen Fructis-Shampoo und Tahiti-Duschgel. Intimwaschlotion für Françoise. Ein Gillette-Rasierer für ihn und ein Gillette-Rasierer für sie. 23 Tiegel mit Bodylotion, Gesichtscreme, Handcreme, Fußcreme, Augenkonturcreme, einem Spezialserum für die Nagelhaut, Anti-Cellulite-Creme, schlankmachender Creme und einer Creme mit Hyaluronsäure beziehungsweise eine mit Liftingeffekt. Und natürlich ein Deo für helle und ein Deo für dunkle Kleidung.

Darüber hinaus findet man im Haus 3 iPads, 5 iPods, 4 Laptops und 6 Smartphones.

Und last but not least: 32 Barbies und 2 Kens.

Kurzum, das Haus hat alles zu bieten, was man zum Glücklichsein braucht.

Und ist doch so traurig.

Das Haus meines Cousins.

Traurig und abstoßend.

Nicht einmal das Sonnenlicht möchte hereinkommen.

Und außerdem stinkt es. Obwohl … ich glaube, das liegt am Hund.

Mein Cousin Martin macht auf mich übrigens auch einen traurigen Eindruck.

Mein Cousin Martin … ist wie ein Hund.

Ein Labrador.

Er gehorcht aufs Wort. Hinterfragt nie etwas. Akzeptiert alles.

Martin arbeitet für Carglass.

Er ist dort der kaufmännische Geschäftsführer und verdient sehr gut.

Ich weiß nicht, ob er seine Arbeit mag.

Die Frage stellt er sich wahrscheinlich gar nicht.

Ich denke, in Martins Kopf hat seine Arbeit den gleichen Stellenwert wie seine Steuererklärung oder seine Frau Françoise. Sie ist ein notwendiges Übel, man muss sie nicht lieben.

Françoise arbeitet als Notarfachangestellte im Industriegebiet Nord von Wavre.

Ich habe nie so recht verstanden, wieso ein Notar seine Kanzlei im Industriegebiet ansiedelt, aber nun ja, er wird’s wissen.

Zum Weihnachtsessen haben Martin und Françoise ein befreundetes Paar eingeladen.

Philippe und Muriel. Mit ihren vier Kindern.

Emmanuel, Samuel, Gabriel und Noël.

Und mich mit meinen beiden Kleinen.

Philippe ist Martins bester Freund.

Er ist ebenfalls ein Labrador. Allerdings in einer Upgrade-Version.

Philippe macht irgendwas im Bankensektor.

Im Wesentlichen kauft er etwas zu einem Zeitpunkt X und verkauft es wieder zu einem Zeitpunkt Y. Er hat einen Riecher dafür, wann dieser Zeitpunkt Y gekommen ist, und es bringt ihm viel Kohle ein.

Philippe verdient deutlich besser als Martin.

Kurzum: Er ist ein Labrador, der andere Labradore locker zum Frühstück verspeist.

Also, nein, Philippe ist eigentlich kein Labrador.

Philippe ist eher ein Rottweiler.

Ja, ein Rottweiler, ihr wisst schon … Sobald ein Hund dieser Rasse sich in der Kehle eines anderen Hundes oder eines Menschen verbeißt, gibt es da diesen kleinen ausgeklügelten Mechanismus, der seinen Unterkiefer einrasten lässt. Nichts bringt ihn dann noch dazu loszulassen.

Philippe hat in der Tat einen breiten, imposanten Kiefer.

Und den Blick eines Rottweilers.

Einen freundlichen, sanften, treuherzigen Blick – und doch spürt man intuitiv, dass er einem mir nichts, dir nichts, zwischen Käsegang und Dessert, an die Gurgel gehen könnte, ohne dabei sein Lächeln zu verlieren.

Folglich haben alle anderen Hunde Angst vor dem Rottweiler.

Weil er für sie so etwas wie der Rudelführer ist.

Das Alphatier.

Das merkt man auch an der Art, wie Françoise, die Frau von Labrador Martin, in diesem Moment den Rottweiler Philippe ansieht.

Françoise fragt sich gerade sicher, ob ihr Nachwuchs nicht höher auf der evolutionären Leiter platziert wäre, wenn sie sich mit Philippe fortgepflanzt hätte.

Ihre Jüngste ist auf alles allergisch. Und die Große mit ihrer chronischen Mittelohrentzündung …

Philippe, davon ist sie schon mal überzeugt, hätte ihr nur männliche Nachkommen gemacht.

Ein hübscher Wurf kräftiger Rüden, die die Hundemutter bis zu ihrem Tod gut versorgt hätten.

Philippe hat übrigens vier Söhne.

Vier Söhne. Mit Muriel.