Bonsai - Alejandro Zambra - E-Book

Bonsai E-Book

Alejandro Zambra

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Beschreibung

Julio liebt Emilia, Emilia liebt Julio, beide lieben Proust – beide haben in Wirklichkeit nicht eine Seite Proust gelesen –, ein Jahr lang sind sie während ihres Studiums liiert, dann verlässt sie ihn, und er liebt sie weiter, sie geht nach Europa, und er liebt sie weiter, die Zeit vergeht, und er liebt sie weiter, sie stirbt, und er liebt sie weiter, Jahre später erinnert er sich, und er liebt sie immer weiter. Bonsai ist die blendend schöne Miniatur einer epischen Liebesgeschichte: ein kunstvoll geraffter Roman über die erotisierende Wirkung von Lektüren, missverstandene körperliche Zuneigung und die nicht enden wollende Sehnsucht nach dem anderen.

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Seitenzahl: 48

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Suhrkamp

Die Originalausgabe erschien 2006 unter dem Titel Bonsái bei Editorial Anagrama, Barcelona.

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2015

Erste Auflage 2015

© der deutschen Ausgabe Suhrkamp Verlag Berlin 2015

© 2006 Alejandro Zambra

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

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eISBN 978-3-518-74142-9

www.suhrkamp.de

INHALT

Knäuel

Tantalia

Leihgaben

Überreste

Zwei Zeichnungen

Für Alhelí

Die Jahre vergingen, und die Einzige,die sich nicht veränderte,war das Mädchen seines Romans.

Yasunari Kawabata

Der Schmerz wird verdichtet und gesichtet.

Gonzalo Millán

KNÄUEL

Am Ende stirbt sie, und er bleibt allein, doch allein war er schon mehrere Jahre vor ihrem Tod, vor dem Tod Emilias. Sagen wir, sie heißt oder hieß Emilia, und er heißt, hieß und heißt immer noch Julio. Julio und Emilia. Am Ende stirbt Emilia, Julio stirbt nicht. Der Rest ist Literatur:

Beim ersten Mal schliefen sie rein zufällig miteinander. Die Prüfung Spanische Syntax II stand an, ein Fach, in dem keiner der beiden sattelfest war, doch sie waren jung und theoretisch zu allem bereit, sogar dazu, Spanische Syntax II bei den Vergara-Zwillingen zu lernen. Die Lerngruppe wurde größer als vorgesehen: Jemand legte Musik auf, er lerne immer mit Musik, ein anderer brachte Wodka mit, ohne Wodka könne er sich schwer konzentrieren, und ein Dritter ging Orangen kaufen, Wodka bekomme ihm nur mit Orangensaft. Um drei Uhr morgens waren sie hoffnungslos blau und wollten schlafen gehen. Obwohl Julio die Nacht lieber mit einer der Vergara-Schwestern verbracht hätte, fand er sich schnell damit ab, die Dienstbotenkammer mit Emilia zu teilen.

Julio missfiel es, dass Emilia im Unterricht so viele Fragen stellte, und Emilia ärgerte es, dass Julio die Kurse bestand, obwohl er sich kaum in der Uni blicken ließ, aber in jener Nacht entdeckten die beiden verwandte Gefühle, wie sie jedes Pärchen mit etwas gutem Willen entdecken kann. Natürlich schnitten sie in der Prüfung miserabel ab. Eine Woche später lernten sie wieder bei den Vergaras für das Nachholexamen und schliefen erneut miteinander, obwohl sie bei diesem zweiten Mal keine Kammer mehr teilen mussten, da die Eltern der Zwillinge nach Buenos Aires gereist waren.

Kurz bevor Emilia sich mit Julio einließ, hatte sie beschlossen, fortan mit niemandem mehr Liebe zu machen, sondern nur noch zu vögeln wie die Spanier, follar nannten sie es, nichts mehr von wegen bumsen, mit jemandem schlafen und ficken schon gar nicht. Das ist ein chilenisches Problem, sagte Emilia damals mit einer Ungeniertheit zu Julio, die sie nur im Dunkeln entfaltete, natürlich flüsternd: Das ist ein Problem von uns jungen Leuten in Chile, wir sind zu jung, um Liebe zu machen, und wenn du in Chile nicht Liebe machst, kannst du bloß ficken, aber mit dir würde ich das ungern tun, mir wäre lieber, wir würden auf gut Spanisch vögeln.

Damals kannte Emilia Spanien noch nicht. Jahre später sollte sie in Madrid leben, einer Stadt, in der sie bestimmt reichlich auf gut Spanisch vögelte, wenn auch nicht mehr mit Julio, sondern vor allem mit Javier Martínez, mit Ángel García Atienza, mit Julián Alburquerque, ja sogar mit Karolina Kopeć, ihrer polnischen Freundin, wenn auch nur ein einziges Mal und mit etwas Nachhelfen. Doch in jener Nacht, der zweiten, wurde aus Julio der zweite Sexualpartner in Emilias Leben, Emilias zweiter Mann, wie es Mütter und Psychologen mit einer gewissen Scheinheiligkeit ausdrücken, und für Julio wurde daraus die erste ernsthafte Beziehung. Julio mied ernsthafte Beziehungen, scheute aber nicht die Frauen, sondern die Ernsthaftigkeit, da er bereits wusste, dass diese ebenso oder noch gefährlicher ist als die Frauen. Julio wusste, dass er zur Ernsthaftigkeit verdammt war, und stemmte sich trotzig gegen dieses ernste Schicksal, einstweilen stoisch den entsetzlichen, unabwendbaren Tag zu erwarten, an dem sich die Ernsthaftigkeit für immer in seinem Leben einnisten würde.

Emilias erster fester Freund war unbeholfen, doch seine Unbeholfenheit hatte etwas Authentisches. Er beging viele Fehler, sah sie auch fast immer ein und machte sie wieder gut, aber manche Fehler lassen sich nicht wiedergutmachen, und der Unbeholfene, ihr Erster, beging ein, zwei dieser unverzeihlichen Fehler. Es lohnt nicht, ein Wort darüber zu verlieren.

Beide waren fünfzehn gewesen, als sie anfingen, miteinander zu gehen, aber Emilia wurde sechzehn und siebzehn, und der Unbeholfene blieb fünfzehn. Und so fort: Emilia wurde achtzehn, neunzehn, vierundzwanzig, und er fünfzehn. Siebenundzwanzig, achtundzwanzig, und er fünfzehn, immer noch, bis sie dreißig wurde, denn ab dreißig summierte Emilia keine Jahre mehr, nicht, weil sie sich von da an für jünger ausgegeben hätte, sondern weil Emilia wenige Tage nach ihrem dreißigsten Geburtstag starb, und die Jahre summierten sich nicht mehr für sie, denn von da an war sie tot.

Emilias zweiter fester Freund war allzu weiß. Mit ihm entdeckte sie das Bergsteigen, die Fahrradtouren, Joggen und Joghurt. Vor allem war es eine Zeit mit jeder Menge Joghurt, und das war wichtig für Emilia, denn sie hatte eine Zeit mit jeder Menge Pisco hinter sich, mit langen, verworrenen Nächten voll Piscola, Pisco Sour und sogar Pisco pur, ohne Eis und alles. Sie befingerten einander ausgiebig, gelangten aber nie zum eigentlichen Akt, denn weiß, wie er war, machte er Emilia misstrauisch, obwohl sie selbst weiß war, fast makellos weiß, mit kurzem Haar, das allerdings tiefschwarz.