Die Erfindung der Kindheit - Alejandro Zambra - E-Book

Die Erfindung der Kindheit E-Book

Alejandro Zambra

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Beschreibung

Es sind die Jahre der chilenischen Militärdiktatur, aber seine Eltern verlieren kein Wort darüber. Er selbst lernt gerade zu lesen und zu schreiben und malt schöne Bilder, und wie sollte er da begreifen, dass seine heile Vorstadtwelt so harmlos nicht ist? Als ein Mädchen aus der Nachbarschaft ihn bittet, ihren Onkel zu beschatten, willigt er unbedarft ein. Und verstrickt sich auf eine Weise, die ihn sein Leben lang quälen wird. Die Erfindung der Kindheit handelt von dem mal melancholischen, mal wütenden Unterfangen, in den Trümmern der eigenen Geschichte eine verbindliche Wahrheit zu finden – ein Roman von blendender Strahlkraft und beeindruckender Tiefenschärfe. Und das bewegende Porträt einer ganzen Generation, die sich um ihre Vergangenheit betrogen fühlt. -- „Ein Buch von unglaublicher Intensität!“ La Vanguardia

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 150

Veröffentlichungsjahr: 2012

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Es sind die Jahre der chilenischen Militärdiktatur, aber seine Eltern verlieren kein Wort darüber. Er selbst lernt gerade lesen und schreiben und malt schöne Bilder, und wie sollte er da begreifen, dass seine heile Vorstadtwelt so harmlos nicht ist? Als ein Mädchen aus der Nachbarschaft ihn bittet, ihren Onkel zu beschatten, willigt er ein. Und verstrickt sich auf eine Weise, die ihn sein Leben lang quälen wird. Die Erfindung der Kindheit handelt von dem mal melancholischen, mal wütenden Unterfangen, in den Trümmern der eigenen Geschichte eine verbindliche Wahrheit zu finden – ein Roman von blendender Strahlkraft und beeindruckender Tiefenschärfe. Und das bewegende Porträt einer ganzen Generation, die sich um ihre Vergangenheit betrogen fühlt.

Alejandro Zambra, geboren 1975, lehrt Literaturwissenschaft in Santiago de Chile und arbeitet als Kritiker für die wichtigsten Zeitungen seines Landes. Seine Artikel, Erzählungen und Gedichte sind mit vielen Preisen ausgezeichnet worden. Die Erfindung der Kindheit ist sein erstes Buch in deutscher Sprache.

Susanne Lange lebt als Übersetzerin (u.a. Cernuda, Lorca, Prieto, Rulfo, Domínguez) bei Barcelona. Bereits mit mehreren Übersetzerpreisen ausgezeichnet, erhielt sie für ihre Neuübersetzung des Don Quijote allerhöchste Anerkennung.

Alejandro Zambra

Die Erfindung derKindheit

Roman

Aus dem Spanischenvon Susanne Lange

Suhrkamp Verlag

Die Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel

Formas de volver a casa

bei Editorial Anagrama, Barcelona.

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2012

© der deutschen Ausgabe Suhrkamp Verlag Berlin 2012

© Alejandro Zambra 2011

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlag: Hermann Michels und Regina Göllner

Umschlagabbildung: William Eisner/Associates

eISBN 978-3-518-79020-5

www.suhrkamp.de

Inhalt

I. Nebenfiguren

II. Die Literatur der Eltern

III. Die Literatur der Kinder

IV. Es geht uns gut

Für Andrea

Nun kann ich gehen; gehen lernen nicht mehr.

W. Benjamin

Statt zu schreien, schreibe ich Bücher.

R. Gary

I. Nebenfiguren

Einmal hatte ich mich verlaufen. Mit sechs oder sieben. Ich hatte nicht aufgepasst, und plötzlich waren meine Eltern weg. Ich erschrak sehr, fand jedoch nach Hause zurück und war sogar vor ihnen da. Sie hatten lange verzweifelt nach mir gesucht, aber an dem Nachmittag war ich überzeugt davon gewesen, dass sie sich verlaufen hatten. Dass ich den Weg nach Hause fand, sie nicht.

Du hast einen anderen Weg genommen, sagte meine Mutter, immer noch mit Tränen in den Augen.

Nein, den anderen Weg habt ihr genommen, dachte ich, schwieg aber.

Mein Vater saß im Sessel und sah seelenruhig zu uns herüber. Manchmal scheint mir, er saß ständig dort und dachte. Vielleicht dachte er auch gar nicht. Vielleicht schloss er bloß die Augen und ließ die Gegenwart gelassen oder resigniert über sich ergehen. Doch an dem Abend ergriff er das Wort. Gut gemacht, sagte er zu mir, du hast eine Widrigkeit gemeistert. Meine Mutter warf ihm einen skeptischen Blick zu, aber er spann weiter an seiner wirren Rede über die Widrigkeiten.

Ich legte mich in den Sessel gegenüber und tat so, als schliefe ich. Dabei hörte ich sie nach bewährter Manier streiten. Sie spulte fünf Sätze ab, er antwortete mit einem einzigen Wort. Mal sagte er scharf: nein. Mal fast schreiend: Lüge. Manchmal sogar im Kripojargon: negativ.

Meine Mutter trug mich an dem Abend ins Bett, sie wusste wohl, dass ich nicht schlief, denn sie sagte, ich solle gut zuhören: Dein Papa hat Recht. Jetzt wissen wir, dass du dich nicht verläufst. Dass du dich draußen allein zurechtfindest. Aber du musst besser auf den Weg achten, schneller gehen.

Ich hörte auf sie. Von da an ging ich schneller. Ja als ich zwei Jahre später zum ersten Mal mit Claudia sprach, fragte sie, warum ich immer so schnell unterwegs sei. Seit Tagen hatte sie mich verfolgt, mir nachspioniert. Wir hatten uns erst vor Kurzem kennengelernt, in der Erdbebennacht am 3. März 1985, hatten damals jedoch nicht miteinander geredet.

Claudia war zwölf und ich neun, das machte eine Freundschaft zwischen uns unmöglich. Trotzdem waren wir Freunde oder beinahe. Wir sprachen viel miteinander. Manchmal scheint mir, dieses Buch schreibe ich nur, um mich an unsere Gespräche zu erinnern.

In der Nacht des Erdbebens hatte ich Angst, und doch gefiel mir irgendwie, was da geschah.

Die Erwachsenen hatten in einem der Vorgärten zwei Zelte aufgestellt, in denen die Kinder schlafen sollten. Zuerst gab es Gerangel, weil wir alle in dem Igluzelt schlafen wollten, das damals der letzte Schrei war, aber das bekamen die Mädchen. Wir zogen uns zurück, um uns im Stillen zu hauen, was wir immer taten, wenn wir allein waren: fröhlich und wüst aufeinander einprügeln. Aber kaum hatten wir angefangen, da blutete dem Rothaarigen schon die Nase, und wir mussten uns ein neues Spiel suchen.

Jemand kam auf die Idee, jeder solle sein Testament machen, was wir für einen guten Plan hielten, bis wir merkten, wie sinnlos er war, weil bei einem noch stärkeren Erdbeben die Welt untergehen und uns niemand mehr würde beerben können. Als Nächstes malten wir uns aus, die Erde wäre ein Hund, der sich schüttelte und die Leute wie Flöhe in den Weltraum schleuderte, und so lebhaft malten wir uns das aus, dass uns das Lachen übermannte, dann der Schlaf.

Aber ich wollte nicht schlafen. Ich war so müde wie noch nie, eine neue Art Müdigkeit, die in den Augen brannte. Ich beschloss, die Nacht wach zu bleiben, und versuchte, in den Iglu zu schlüpfen, um mit den Mädchen weiterzureden, aber die Tochter des Carabinero warf mich hinaus und sagte, ich wolle sie vergewaltigen. Damals wusste ich nicht, was ein Vergewaltiger war, beteuerte jedoch, dass ich nur schauen, nicht vergewaltigen wollte, aber sie lachte höhnisch und entgegnete, das sagten alle Vergewaltiger. Ich musste draußen bleiben und zuhören, wie sie spielten, ihre Püppchen seien die einzigen Überlebenden, sie rüttelten ihre Besitzerinnen und brachen in Tränen aus, als sie feststellten, dass sie tot waren; nur eine der Puppen war zufrieden, die Menschheit sei ihr schon immer zuwider gewesen. Am Ende entbrannte ein Machtkampf unter ihnen, der sich in die Länge zu ziehen drohte, jedoch schnell gelöst wurde, weil es nur eine echte Barbiepuppe gab. Die gewann.

Unter den Trümmern fand ich einen Liegestuhl und näherte mich damit schüchtern dem Lagerfeuer der Erwachsenen. Es kam mir seltsam vor, die Nachbarn vielleicht zum ersten Mal versammelt zu sehen. Sie spülten die Angst mit ein paar Schluck Wein und tiefen Verschwörerblicken hinunter. Jemand kam mit einem alten Holztisch an und warf ihn kurzerhand ins Feuer. Wenn du willst, werfe ich die Gitarre hinterher, sagte mein Vater, und alle lachten, sogar ich, trotz meiner Verblüffung, denn mein Vater machte gewöhnlich keine Witze. Da kam unser Nachbar Raúl mit Magali und Claudia zurück. Das sind meine Schwester und meine Nichte, sagte er. Nach dem Erdbeben war er sie holen gegangen und kehrte nun sichtlich erleichtert zurück.

Raúl war der Einzige in der Gegend, der allein lebte. Mir wollte nicht in den Kopf, wie jemand allein leben konnte. Das Alleinsein hielt ich für eine Art Strafe oder Krankheit.

An dem Morgen, als er mit einer Matratze auf dem Dach seines Fiat 500 eingetroffen war, fragte ich meine Mutter, wann seine Familie nachkommen würde, und sie antwortete sanft, nicht jeder habe eine Familie. Ich ging davon aus, wir würden ihm zur Seite stehen, erkannte jedoch bald schon überrascht, dass meine Eltern kein Interesse daran hatten, Raúl zur Seite zu stehen, dass sie es nicht für nötig hielten und sogar gewisse Vorbehalte gegen diesen dünnen, schweigsamen Mann hatten. Wir waren Nachbarn, teilten dieselbe Mauer, dieselbe Ligusterhecke, und dennoch trennte uns ein Abgrund.

Im Ort erzählte man sich, Raúl sei Christdemokrat, und das fand ich interessant. Es lässt sich heute schwer erklären, was ein neunjähriger Junge interessant daran findet, dass jemand Christdemokrat ist. Vielleicht glaubte ich, als Christdemokrat sei man zwangsläufig allein. Noch nie hatte ich meinen Vater mit Raúl reden sehen, deshalb war ich so erstaunt, dass sie in jener Nacht mehrere Zigaretten zusammen rauchten. Bestimmt redeten sie über seine Einsamkeit, bestimmt gab mein Vater dem Nachbarn Ratschläge, was sich dagegen tun ließ, obgleich er über die Einsamkeit recht wenig wissen konnte.

Abseits hielt Magali Claudia umarmt. Sie schienen sich unwohl zu fühlen. Aus Höflichkeit, vielleicht auch mit einer Spur Argwohn fragte eine Nachbarin Magali nach ihrem Beruf, und sie antwortete prompt, als hätte sie die Frage erwartet, sie sei Englischlehrerin.

Es war bereits spät, und ich wurde ins Bett geschickt. Widerwillig musste ich mir ein Plätzchen im Zelt schaffen. Ich hatte Angst, vom Schlaf überwältigt zu werden, hielt mich jedoch damit wach, den verirrten Stimmen in der Nacht zu lauschen. Raúl musste Schwester und Nichte inzwischen weggebracht haben, weil draußen nun über sie geredet wurde. Jemand hatte das Mädchen seltsam gefunden. Ich ganz und gar nicht. Schön hatte ich es gefunden. Und die Frau, sagte meine Mutter, hat nicht wie eine Englischlehrerin ausgesehen – ganz nach Hausfrau hat sie ausgesehen, warf ein anderer Nachbar ein, und auf dem Witz ritten sie noch eine Weile herum.

Ich stellte mir das Gesicht einer Englischlehrerin vor und wonach es auszusehen hatte, dachte an meine Mutter, meinen Vater, dachte: Wonach sieht das Gesicht meiner Eltern aus. Aber Eltern haben nie wirklich ein Gesicht. Nie lernen wir, sie richtig anzuschauen.

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