Boris und sein Doppelleben - Anna Sonngarten - E-Book

Boris und sein Doppelleben E-Book

Anna Sonngarten

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Beschreibung

In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie wird die von allen bewunderte Denise Schoenecker als Leiterin des Kinderheims noch weiter in den Mittelpunkt gerückt. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. »Guten Abend, ich möchte eine Vermisstenanzeige aufgeben«, sagte Katja Hansen gepresst. Sie hatte vor Anspannung die Luft angehalten. Stand sie wirklich im Polizeibüro von Maibach? Ja, daran gab es keinen Zweifel. Katja schaute sich nervös um und blickte dann der Polizeihauptmeisterin Gerda Nickenich direkt in die Augen. Die Beamtin musterte die junge Frau überrascht. »Wen vermissen Sie denn?« »Meinen Mann.« »Ach so«, sagte Gerda Nickenich scheinbar erleichtert. »Mama?«, machte sich Louis bemerkbar. Der Vierjährige stand neben seiner Mutter und wollte sehen, mit wem seine Mama da sprach. Katja hob ihn hoch und setzte ihn auf den Tresen. Gerda Nickenich zog die Augenbrauen hoch. Doch der kleine blonde Louis lächelte die Beamtin keck an, als wollte er sagen: »Hier bin ich!« Gerda Nickenich lächelte zurück, aber Katja Hansen schaute besorgt. »Wieso ›Ach so‹?«, wollte sie wissen.

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Seitenzahl: 129

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Sophienlust - Die nächste Generation – 148 –Boris und sein Doppelleben

Zwei Ehen sind eine zu viel

Anna Sonngarten

»Guten Abend, ich möchte eine Vermisstenanzeige aufgeben«, sagte Katja Hansen gepresst. Sie hatte vor Anspannung die Luft angehalten. Stand sie wirklich im Polizeibüro von Maibach? Ja, daran gab es keinen Zweifel. Katja schaute sich nervös um und blickte dann der Polizeihauptmeisterin Gerda Nickenich direkt in die Augen. Die Beamtin musterte die junge Frau überrascht.

»Wen vermissen Sie denn?«

»Meinen Mann.«

»Ach so«, sagte Gerda Nickenich scheinbar erleichtert.

»Mama?«, machte sich Louis bemerkbar. Der Vierjährige stand neben seiner Mutter und wollte sehen, mit wem seine Mama da sprach. Katja hob ihn hoch und setzte ihn auf den Tresen. Gerda Nickenich zog die Augenbrauen hoch. Doch der kleine blonde Louis lächelte die Beamtin keck an, als wollte er sagen: »Hier bin ich!«

Gerda Nickenich lächelte zurück, aber Katja Hansen schaute besorgt.

»Wieso ›Ach so‹?«, wollte sie wissen.

»Nun, wenn Sie Ihren Kleinen hier vermissten, würde ich alle Hebel in Bewegung setzen.« Sie zeigte mit einer Kopfbewegung in Louis Richtung.

»Und bei einem Erwachsenen kann man sich Zeit lassen?«, fragte Katja gereizt.

»Nicht unbedingt. Fangen wir mal von vorne an. Wie heißt Ihr Mann und seit wann vermissen Sie ihn?«

Gerda Nickenich setzte sich an den PC, um die Informationen aufzunehmen. Sie ließ sich tatsächlich etwas Zeit, weil sie nicht an einen Kriminalfall glaubte. Maibach war eine Kleinstadt, in der zum Glück eigentlich nie etwas passierte, was einem Verbrechen auch nur annähernd ähnelte. Wahrscheinlich handelte es sich um einen Ehestreit, bei dem der Mann mal für ein paar Tage abgetaucht war.

»Boris Hansen, 38. Rotblonde Haare, rotblonder Bart. Grünblaue Augen. Schlank, aber muskulös. Keine Tattoos«, ratterte Katja Hansen herunter, als hätte sie vorher geübt. Dann kramte sie ein Foto mit Rahmen aus ihrer Handtasche. Es stand normalerweise auf ihrem Schreibtisch. Sie hatte es eilig eingesteckt, aus Ermangelung anderer Alternativen. Gerda nahm es entgegen. Ein glückliches Familienfoto: Eine attraktive dunkelhaarige sportlich schlanke Frau stand neben einem ebenso attraktiven Mann, der seinen Sohn auf dem Arm hielt und mit dem anderen seine Frau umfingt. Alle drei lachten fröhlich in die Kamera.

»Darf ich es abfotografieren für die Akte?«, fragte Gerda, wartete die Antwort aber nicht ab, sondern machte eine Handyaufnahme von dem Foto. Sie würde es später in die digitale Akte von Boris Hansen einfügen.

»Seit wann vermissen Sie ihren Mann?«

»Vor zwei Wochen ist er zu einer Reise nach Südfrankreich aufgebrochen. Er ist Weinhändler und Geschäftsführer bei ›Vino Mundi‹. Er besucht regelmäßig die Vertragswinzer. Er hätte am Sonntag zurück sein müssen. Heute ist aber schon Mittwoch und ich kann ihn auf seinem Handy nicht erreichen.«

»Er ist also seit drei Tagen verspätet.«

»Verspätet? Sagt man das so? Für mich ist er verschwunden. Wir hatten während der zwei Wochen schon keinen Kontakt, aber das hat mich nicht beunruhigt. In den Weinbergen ist der Empfang oft schlecht und er will auf den Reisen auch nicht gestört werden. Er sei dann im ›Tunnel‹, sagt er immer.«

»Wollen Sie damit sagen, dass er auch schon seit zwei Wochen und drei Tagen verschwunden sein könnte?«, fragte Gerda.

»Theoretisch schon.«

»Haben Sie selber schon versucht, die Winzer, die er besuchen wollte, zu kontaktieren?«

»Ja, schon, aber mein Französisch ist zu schlecht. Außerdem … nun ehrlich gesagt, interessiere ich mich nicht so besonders für Weinanbau. Ich weiß nicht, welche Winzer er besuchen wollte.«

Gerda Nickenich fragte sich, ob Katja Hansen wollte, dass sie alle Winzer in Südfrankreich anrief. Das konnte sie vergessen …

»Können Sie denn zumindest die Region eingrenzen? Südfrankreich ist groß. Ich habe keine Ahnung, wie viele Weingüter es dort gibt, aber ich schätze …«

»Mama? Was macht die Frau?« Louis war langweilig. Er rutschte auf dem Tresen herum und wollte wieder runter. Katja hob ihn runter und stellte ihn auf die Beine. Da sah der Kleine aber nichts und er zog seiner Mutter an der Jacke. Sie holte ein Spielzeugauto aus der Tasche und gab es ihm. Louis ließ das Auto auf dem Boden fahren.

»Die Region Côte d’Azur, meine ich. Sie gehört zum Weinbaugebiet Côte de Provence. Also er ist irgendwo in der Provence unterwegs.«

»Genauer haben Sie es nicht? Wo sollen wir Ihren Mann denn da suchen?«

»Ich dachte … die Polizei kann doch … also ich weiß es ja auch nicht, aber kann die Polizei sich nicht an die französische Polizei wenden, vielleicht gab es ja einen Unfall. Vielleicht liegt er irgendwo im Krankenhaus. Im Koma vielleicht. So etwas gibt es doch.« Katja hatte sich mehr Engagement von der Polizistin gewünscht.

Gerda schaute die schmale blasse Frau mit den dunklen glatten Haaren aufmerksam an. Sie wirkte fahrig und nervös. Ständig klemmte sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr, die ihr kurz darauf wieder ins Gesicht fiel.

»Natürlich gebe ich eine Personenbeschreibung an die Kollegen in Südfrankreich weiter. Aber Ihr Mann wird doch einen Personalausweis bei sich tragen und wenn er einen Unfall gehabt hätte, würden sich die französischen Behörden melden.«

»Natürlich. Sie haben recht«, gab Katja kleinlaut zu.

»Ich will Ihnen nicht zu nahetreten, aber wie stand es denn um Ihre Ehe …?«

»Was wollen Sie damit andeuten?«, erboste sich Katja.

»Ich will nichts andeuten, aber könnte es nicht sein, dass Ihr Mann sich abgesetzt hat?« Gerda sah Katja Hansen gerade in die Augen.

Katja machte den Mund auf und wieder zu. Wollte die Beamtin sie demütigen?

»Nein, natürlich nicht. Wie kommen Sie denn auf so etwas. Wir haben doch ein Kind. Louis ist gerade mal vier.«

Gerda sagte nichts. Sie wollte Frau Hansen nicht kränken. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass sich angeblich treu sorgende Ehemänner plötzlich auf und davon machten. Die neue englische Bezeichnung dafür hieß »Ghosting«. Wie ein Geist verschwand eine Person von einem auf den anderen Tag, brach jeden Kontakt ab und war unauffindbar.

»Wir werden versuchen, mithilfe der französischen Kollegen etwas über den Aufenthaltsort Ihres Mannes herauszufinden. Aber ich muss Ihnen leider auch sagen, dass eine erwachsene Person ihren Aufenthaltsort selbst bestimmen darf. Es ist nicht strafbar, einfach zu verschwinden.«

»Er ist nicht einfach verschwunden. Es ist etwas passiert!«, behauptete Katja mit unterdrückter Wut. Dann schnappte sie sich Louis und verließ das Büro der Beamtin. Gerda sah ihr ratlos hinterher. Katja Hansen schien sich geradezu zu wünschen, dass etwas passiert war. Damit konnte sie offenbar besser leben, als mit der Vorstellung, dass Ihr Ehemann einfach nicht zurückkommen wollte. Wer konnte ihr das verdenken? Trotz ihrer Zweifel brachte die Polizeibeamtin die Vermisstenanzeige natürlich auf den Weg und nahm Kontakt zu den französischen Behörden auf. Sie googelte Boris Hansen und fand auf der Internetseite des Weinhandels ›Vino Mundi‹ ein Profilbild von Hansen. Der Mann wirkte selbstbewusst. Der rötlichblonde Bart verlieh ihm den Anstrich von Abenteuerlust. Er stand mit geöffnetem und hochgekrempeltem Hemd in einem Weinberg und strotzte geradezu vor Energie. Gerda betrachtete erneut das Familienfoto. Sah sie eine glückliche Familie, oder trog der Anschein? Wer konnte darüber schon urteilen? Ein Foto war eine Momentaufnahme, das von der Wirklichkeit abweichen konnte. Gerda fasste folgenden Plan. Sie würde im Weinhandel ›Vino Mundi‹ über Boris Hansen Auskünfte einholen, Freunde von Herrn Hansen befragen und Katja Hansen zu Hause aufsuchen. Das war sie der jungen Frau schuldig und außerdem ihre Pflicht. Wenn diese Spuren ins Leere laufen sollten, konnte sie darüber hinaus nichts machen. Herr Hansen war erwachsen und im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Kräfte. Wenn ein Mensch aus seinem bisherigen Leben verschwinden wollte, war das keine Aufgabe für die Polizei, sondern für den Psychologen.

*

Katja Hansen war wütend. Das war also die viel beschworene Frauensolidarität? Wie konnte die Polizeibeamtin, ohne Katja zu kennen, davon ausgehen, dass in ihrer Ehe etwas nicht stimmte und Boris untergetaucht war. Nachdem sie Louis ins Bett gebracht hatte, rief sie Andrea von Lehn an. Mit der Tierarztfrau stand sie im lockeren Kontakt, seit Andrea ihr damals zur Seite gestanden hatte, als ihr Hund eingeschläfert werden musste. Die Tierarztfrau verfügte über gesunden Menschenverstand und Herzenswärme. Das waren genau die Eigenschaften, die die Polizeihauptmeisterin vermissen ließ. Das war zum gegenwärtigen Zeitpunkt Katjas Ansicht.

»Tierheim Waldi & Co. Sie sprechen mit Andrea von Lehn«, meldete sich Andrea.

»Hallo, Andrea, Katja hier. Ich muss mal mit jemandem sprechen, aber es geht nicht um ein krankes Tier.«

»Okay, worum dann?«

»Um meinen Mann. Um Boris. Er ist von einer Geschäftsreise nicht zurückgekommen …« Sie erzählte Andrea von Lehn das, was sie auch auf der Polizeidienststelle berichtet hatte.

»Und stell dir vor, die dumme Polizistin hat angedeutet, dass sich Boris abgesetzt haben könnte. Dass er absichtlich nicht nach Hause zurückgekehrt ist. Das sagt sie einfach so …«

»Uff, so etwas möchte man aber nicht hören. Das kann ich gut verstehen, dass dich das geärgert hat. Wahrscheinlich hat er kein Netz oder der Akku ist leer. Er hatte vielleicht auch eine Autopanne.« Andrea hatte gleich viele Ideen im Kopf, was passiert sein könnte.

»Oder vielleicht einen Unfall. Er könnte bewusstlos sein …«

»Ja, auch möglich …«, bestätigte Andrea.

»Ich habe jedenfalls eine Vermisstenanzeige aufgegeben.«

»Gut, Katja. Das klärt sich bestimmt alles auf. Mobiltelefone sind Fluch und Segen zugleich. Man wird sofort nervös, wenn etwas nicht nach Plan läuft und jemand nicht erreichbar ist.« Andrea überlegte, ob ihr ein Beispiel dafür einfiel. Hatte sie selber schon einmal drei Tage auf Joachim gewartet und nicht gewusst, wo er war? Nein, das war noch nie vorgekommen. Aber das musste Katja nicht wissen. Andrea wollte positiv bleiben, damit sich Katja nicht noch mehr aufregte. Deshalb gab sie ihr auch nicht den Tipp, nach Hinweisen für ein mögliches Verschwinden von Boris zu suchen.

Das brauchte sie auch nicht, denn kurz nachdem Katja aufgelegt hatte, begann sie von selbst nach Hinweisen zu suchen. Sie begann in Boris Arbeitszimmer. Sie zog sämtliche Schubladen auf, ohne zu wissen, wonach sie eigentlich suchte. Sie stutzte kurz, als sie das Familienfoto in einer Schublade fand. Sie hatten es in zweifacher Ausfertigung, aber bei Boris lag es mit der Bildseite nach unten, anstatt auf seinem Schreibtisch. Sie war sich sicher, dass es erst vor Kurzem noch auf seinem Schreibtisch gestanden hatte. Sie stellte es dorthin zurück und kramte weiter in seinen Unterlagen. Sie fand einen Wust an Papieren, Werbe-Flyern und Visitenkarten, mit denen sie wenig anfangen konnte. Katja gab auf. Das alles ermüdete sie. Dann nahm sie sich Boris und Mäntel und Jacken vor. So hatte sie es schon oft in Filmen gesehen. Die betrogene Ehefrau fand eine Hotelrechnung oder die Quittung eines Floristen in der Jackentasche ihres Mannes. Katja musste über sich selber lachen. Es war absurd. Sie fand nichts dergleichen. Bevor sie ins Bett ging, folgte sie noch dem Impuls einen Blick auf ihre Kontoausauszüge zu werfen. Boris und sie hatten ein gemeinsames Familienkonto. Sie loggte sich beim online Banking ein und überprüfte die Abhebungen der letzten Wochen. Boris hatte einmal vor vier und einmal vor zwei Wochen jeweils zehntausend Euro abgehoben. Sie erstarrte. Panik stieg in ihr hoch und vernebelte ihre Gedanken. Sie zwang sich, ruhig zu bleiben und nachzudenken. Gab es in den letzten Wochen irgendwelche außergewöhnlichen Ausgaben, die sie vielleicht vergessen hatte? Nein. Da war nichts. Nichts für zwanzigtausend Euro. Ihr Herz raste und ihr Kopf dröhnte. Sie bekam keine Luft. Mit zitternden Händen griff sie nach ihrem Handy und wählte den Notruf.

*

»Sie haben eine Panikattacke. Das ist eigentlich harmlos, aber sehr beängstigend. Es ist kein Herzinfarkt, kann sich aber so anfühlen. Ich kann jetzt nur die akuten Symptome behandeln. Wenn Sie öfter damit zu tun haben, müssten Sie sich an einen Psychiater wenden. Ich gebe ihnen jetzt ein niedrig dosiertes Benzodiazepin. Mehr kann ich nicht für Sie tun.« Der Notarzt hatte mit einem Schnelltest das kardiale Troponin bestimmt und damit einen Herzinfarkt ausgeschlossen. Katjas Blutdruck war erhöht, aber noch vertretbar. Für einen Schlaganfall gab es ebenfalls keine Anzeichen.

»Ich habe einen vierjährigen Sohn. Wenn ich das Medikament nehme, bin ich dann noch einsatzfähig?« Der kleine Louis hatte nichts von all dem mitbekommen und schlummerte tief und fest in seinem Bettchen.

»Ja, das ist kein Problem. Ich gebe Ihnen nur zwei Milligramm. Versuchen Sie, ruhig und tief zu atmen. Aber bitte keinen Alkohol trinken. Der gute alte Schnaps ist zwar ein beliebtes Hausmittel gegen Stress, aber wäre jetzt kontraindiziert.«

»Nein, nein. Ich trinke nie Alkohol.«

»Gut.« Der Arzt überlegte kurz, ob er Frau Hansen nach möglichen Auslösern für die Panikattacke fragen sollte. Aber da ging ein weiterer Notruf über die Zentrale ein. Er musste los.

»Suchen Sie Ihren Hausarzt auf und besprechen Sie mit ihm das weitere Vorgehen«, riet er ihr noch und brach zu seinem nächsten Fall auf.

Katja blieb auf dem Sofa liegen und wickelte sich in eine Decke. Sie zwang sich, ruhig zu bleiben und konzentrierte sich auf ihre Atmung. Doch die Gedanken kreisten weiter in ihrem Kopf. Sie suchte nach logischen Erklärungen für die Abbuchungen. Es kam ihr sogar in den Sinn, dass Boris sie mit einer Traumreise überraschen wollte. Aber das war reines Wunschdenken, denn sie wusste tief in ihrem Inneren, dass es sich so nicht verhielt. Über diese romantische Phase waren sie lange hinweg. Sie kannten sich schon lange. Eigentlich seit ihrer Schulzeit, aber erst vor vier Jahren hatten sie endlich ihr Wunschkind bekommen. Katja glaubte aber dennoch, dass Boris und sie ein gutes Team waren. Jeder hatte seinen Beruf. Sie war selbstständige Interior-Designerin, er Weinhändler und Geschäftsführer bei einem Franchise Unternehmen. Beruflich gingen sie sehr unterschiedliche Wege, aber das war ihrer Meinung nach interessanter, als würden sie beide dasselbe tun. Und sie hatten Louis. Ihr kleiner Prinz, den sie beide über alles liebten. Warum also war sie so beunruhigt? Sie atmete ruhiger. Das Medikament wirkte und irgendwann schlief sie tatsächlich ein.

*

Vier Tage später klingelte Gerda Nickenich an Katjas Tür. Die Polizistin hatte sich angemeldet und war pünktlich zur Stelle. Katja öffnete.

»Guten Tag, Frau Nickenich. Kommen Sie herein«, sagte sie tonlos.

Gerda betrat das Haus einer Interior-Designerin. Ein Beruf, den die bodenständige Polizistin unter dem Namen Innenarchitektin kannte, und den sie für überflüssig hielt. Jetzt staunte sie aber nicht schlecht, was Katja aus dem schmucklosen Reihenhaus aus den 70 gern gemacht hatte. Hier war nichts dem Zufall überlassen worden. Alles war perfekt durchgestylt, geschmackvoll und bis ins Detail durchdacht. Katja führte, Gerda ins Wohnzimmer und bat sie, Platz zu nehmen.

»Danke, aber ich würde mich lieber umsehen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«

»Nein, sicher. Machen Sie das. Aber warum?«

Gerda setzte sich dann doch, sah sich kurz um und fasste zusammen, was sie inzwischen wusste.

»Boris Hansen hatte keinen Unfall. Zumindest nicht in Frankreich. Ob er überhaupt in Frankreich ist oder war, konnte ich bisher nicht erfahren. Seine Mitarbeiterin bei ›Vino Mundi‹ geht davon aus. Der Chef hätte von Frankreich gesprochen. Mehr könne sie nicht dazu sagen.«

Katja nickte mit dem Kopf. Dann teilte sie der Beamtin mit, was sie inzwischen wusste.

»Mein Mann hat in den letzten Wochen zweimal 10.000 Euro von unserem gemeinsamen Konto abgehoben. Mir ist nicht bekannt wozu. Ich weiß nicht, was er mit dem Geld finanzieren will.«

Gerda sah Katja ruhig an. Sie sah verändert aus. Vor wenigen Tagen war sie ihr fahrig und nervös erschienen. Jetzt schien alle Lebenskraft aus ihr gewichen zu sein. Sie wirkte resigniert.

»Haben Sie darüber hinaus noch andere Hinweise gefunden?«

»Hinweise darauf, dass er abgetaucht ist?«, fragte Katja nach.

Jetzt nickte Gerda mit dem Kopf und sagte »Genau«.