Brenda Jackson Edition Band 6 - Brenda Jackson - E-Book

Brenda Jackson Edition Band 6 E-Book

BRENDA JACKSON

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Beschreibung

LIEBESNACHT VORM HOCHZEITSTAG von Brenda Jackson
Auf keinen Fall darf Pamela sich anmerken lassen, wie sehr ihr vor der Ehe graut, die sie aus Geldnot eingehen muss. Einmal nur will sie vorher hemmungslose Lust und Leidenschaft erleben! Und der aufregend männliche Dillon ist genau der Richtige für eine wilde Nacht …

EIN UNWIDERSTEHLICHER TRAUMPRINZvon Brenda Jackson
Ramsey Westmoreland ist ein Traumprinz. Deswegen will Chloe ihn auch auf dem Titelbild ihrer Zeitschrift haben. Aber das ist gar nicht so leicht: Erst weigert er sich, dann hält er sie für die Aushilfsköchin, und schließlich knistert es so heiß zwischen ihnen, dass Chloe ihn für sich allein will …

DER SINNLICHE PLAN DES MILLIONÄRSvon Brenda Jackson
Gemma sinnlich zu verwöhnen – nichts wünscht sich Callum mehr. Dem Millionär gelingt es, die Innenarchitektin nach Australien zu locken. Und auf seinem herrschaftlichen Anwesen soll sich sein Traum erfüllen! Doch leider ist Gemma mit seinen Plänen nicht einverstanden …

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Seitenzahl: 563

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BRENDA JACKSON

BRENDA JACKSON EDITION BAND 6

IMPRESSUM

BRENDA JACKSON EDITION erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Neuauflage 2023 in der Reihe BRENDA JACKSON EDITION, Band 6

© 2009 by Brenda Streater Jackson Originaltitel: „Westmoreland’s Way“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Roman Poppe Deutsche Erstausgabe 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe COLLECTION BACCARA, Band 306

© 2010 by Brenda Streater Jackson Originaltitel: „Hot Westmoreland Nights“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Andrea Greul Deutsche Erstausgabe 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1657

© 2010 by Brenda Streater Jackson Originaltitel: „What a Westmoreland Wants“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Brigitte Marliani-Hörnlein Deutsche Erstausgabe 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe COLLECTION BACCARA, Band 307

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 10/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751517058

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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Liebesnacht vorm Hochzeitstag

PROLOG

„Ich weiß, wie wichtig es dir ist, Nachforschungen über deinen Urgroßvater anzustellen“, sagte James Westmoreland. „Und dabei wünsche ich dir viel Erfolg. Falls du Hilfe brauchst, kannst du uns jederzeit anrufen. Richte deinen Brüdern und Cousins aus, dass sie sich auf die Westmorelands aus Atlanta verlassen können.“

Dillon Westmoreland nippte an seinem Weinglas und sah dem alten Mann in die Augen, den er erst seit elf Monaten kannte. James war mit seinen Söhnen und Neffen nach Denver gekommen und hatte behauptet, mit ihm verwandt zu sein. Den Beweis dafür hatte er gleich mitgebracht: ein uraltes Stammbuch.

„Danke“, antwortete Dillon. James’ unerwarteter Besuch auf der Shady Tree Ranch hatte bei Dillons Familie für große Aufregung gesorgt. Nachdem alle einander kennengelernt hatten, waren viele Fragen geklärt, aber auch viele neue aufgeworfen worden. Dillon und seine Verwandten hatten jahrelang angenommen, dass sie außerhalb von Denver keine Angehörigen besaßen. Deshalb waren alle über die guten Neuigkeiten erfreut gewesen.

Seufzend betrachtete Dillon die Gäste auf der Hochzeitsfeier seines Cousins Reggie. Vor wenigen Monaten hatten Dillon und seine Brüder das Brautpaar und weitere Verwandte aus Atlanta auf einem Familientreffen kennengelernt. Dabei war Dillon sofort aufgefallen, wie sehr die Westmorelands aus Atlanta denen aus Denver ähnelten. Ihre Gesichtszüge und Körperhaltungen waren beinahe identisch. Und das war kein Wunder – immerhin waren ihre Urgroßväter Reginald und Raphel eineiige Zwillinge gewesen.

Er wusste nun, warum sich sein Urgroßvater Raphel Westmoreland im Alter von zweiundzwanzig Jahren von der Familie getrennt hatte: Raphel war mit der Frau des Pfarrers durchgebrannt und hatte Atlanta den Rücken gekehrt, da er sich nicht mehr in der Stadt hatte sehen lassen können. Seitdem hatten seine Verwandten nie wieder etwas von ihm gehört.

Manch einer hatte angenommen, dass er ermordet worden war. Schließlich hatte er mit der Frau eines Geistlichen eine Affäre gehabt. Nur wenige wussten, dass er sich schließlich in Denver sesshaft gemacht und eine Familie gegründet hatte – eine sehr große sogar.

Dillon war stolz, der älteste von fünfzehn Urenkeln zu sein. Allerdings lastete deshalb auch eine große Verantwortung auf seinen Schultern. Obwohl es manchmal nicht einfach gewesen war, hatte er sich stets um seine „Jungs“ gekümmert. Er war froh, dass alle fünfzehn Urenkel von Raphel es zu etwas gebracht hatten. Drei von ihnen waren zwar noch auf dem College, aber auch um sie machte Dillon sich keine Sorgen. Nur sein jüngster Bruder Bane bereitete ihm Kopfschmerzen. Wie oft hatte Dillon schon auf der Polizeiwache erscheinen müssen, um die Kaution für ihn zu zahlen?

„Möchtest du noch immer herausfinden, was mit den anderen Frauen deines Urgroßvaters passiert ist?“, erkundigte sich James. „Falls er sie überhaupt geheiratet hat.“

„Ja“, erwiderte Dillon. „Irgendwann im November werde ich mir Urlaub nehmen und nach Wyoming reisen.“

James hatte im Zuge seiner aufwendigen Stammbaumforschung Informationen über Dillons Vorfahren erhalten. Jetzt lag es an den Westmorelands aus Denver, weitere Recherchen anzustellen, um mehr über ihre Verwandten in Erfahrung zu bringen. Deshalb war die Reise nach Wyoming für Dillon sehr wichtig.

„Gut“, meinte James. „Ich will dich nicht weiter langweilen.“

Dillon musste lächeln, als sein Cousin Dare den Raum betrat. Wenn jemand Zweifel daran besaß, dass die beiden Familien miteinander verwandt waren, brauchte er bloß Dare und Dillon nebeneinanderzustellen. Sie sahen einander nämlich so ähnlich, dass man sie für Geschwister halten konnte statt für Cousins.

„Das tust du nicht“, entgegnete Dillon ehrlich. „Ich unterhalte mich gern mit dir.“

„Irgendwann müsst ihr euer Gespräch aber beenden“, schaltete sich Dare lächelnd ein. „Sobald Reggie und Olivia die Feier verlassen, werden wir alle zu Chase fahren. Dort setzen wir den Abend mit einer Runde Poker fort.“

Dillon zog die Brauen hoch. „Beim letzten Mal habe ich beinahe mein letztes Hemd verloren.“

Lachend klopfte Dare ihm auf die Schulter. „Willkommen in der Familie, Dillon.“

1. KAPITEL

„Hast du den Verstand verloren, Pam? Es ist uns egal, was du sagst – wir können es nicht zulassen! Du hast schon zu viel für uns aufgegeben.“

Pamela Novak wandte sich lächelnd zu ihren drei Schwestern um, die sie mit ernster Miene ansahen. Sie beschloss, dass es besser war, den Abwasch später zu erledigen und ihren Geschwistern die volle Aufmerksamkeit zu schenken.

Sie fragte sich, wie sie ihre Schwestern davon überzeugen konnte, dass sie das Richtige tat. Letztendlich opferte sie sich ja für sie auf. Fletcher drängte sie zu einer Hochzeit an Weihnachten. Und da es bereits Anfang November war, blieb nicht mehr viel Zeit. Sie hatten zwar noch keinen Termin festgelegt, aber er sprach jedes Mal darüber, wenn sie einander sahen. Er wollte so schnell wie möglich heiraten, und wenn sie ehrlich sein sollte, war eine schnelle Hochzeit auch in ihrem Interesse.

Nervös kaute sie auf der Unterlippe herum. Pamela musste sich eine Strategie einfallen lassen, mit der sie ihre Schwester Jillian von der Notwendigkeit der Hochzeit überzeugen konnte. Wenn sie erst einmal Jillian auf ihrer Seite hatte, würden auch Paige und Nadia sie unterstützen. Doch es würde nicht einfach werden, da ihre Schwestern Fletcher nicht ausstehen konnten.

„Wie kommt ihr überhaupt darauf, dass ich ihn nicht freiwillig heirate?“, wollte Pamela von ihren Schwestern wissen.

Natürlich beantwortete Jillian die Frage. Die siebzehnjährige Oberstufenschülerin konnte manchmal eine richtige Giftnudel sein. Aber sie war auch sehr intelligent. Jillians größter Wunsch war es, im nächsten Herbst die Highschool abzuschließen und an der Universität von Wyoming ein Studium zur Neurochirurgin zu beginnen.

Auch die fünfzehnjährige Paige und die dreizehnjährige Nadia würden bald aufs College gehen wollen. Pamela würde alles dafür tun, um es ihnen zu ermöglichen. Allerdings sollten ihre Geschwister ein Zuhause haben, wenn sie in ihre Heimatstadt Gamble zurückkehrten. Pamela war klar, dass sie sich all das nur leisten konnte, wenn sie Fletcher heiratete.

„Du opferst dein Leben für uns, Pam“, schimpfte Jillian aufgebracht. „Wir sind doch nicht blöd! Welche Frau würde freiwillig einen Mann wie Fletcher Mallard heiraten?“

„So schlimm ist er nicht“, log Pamela. „Im Gegenteil, er kann sehr nett sein.“

„Aber nur, wenn er nicht gerade unausstehlich und arrogant ist – wie die meiste Zeit“, gab Jillian angewidert zurück. „Wir kommen auch ohne ihn gut zurecht.“ Sie holte tief Luft und fuhr fort: „Wir möchten nicht, dass du diesen Idioten heiratest, nur um uns eine gute Zukunft zu ermöglichen. Du solltest auch an dich denken. Anstatt Schauspielunterricht in Gamble zu geben, solltest du in Hollywood sein. Das war doch immer dein Traum. Du hättest ihn nicht unseretwegen aufgeben dürfen!“

Pamela atmete tief durch. Das Thema hatte sie schon mehrmals mit ihren Schwestern besprochen. Das Problem war, dass sie zu viel wussten. Leider waren sie an dem Tag zu Hause gewesen, als der Anwalt ihres Vaters die schlechten Nachrichten überbracht hatte. „Warum sollte ich nach Hollywood gehen, wenn ich hier in Gamble glücklich bin? Es bereitet mir große Freude, die Schauspielschule zu leiten und anderen die gleiche Möglichkeit zu geben, die ich damals hatte.“ Sie machte eine Pause. „Hört mal, ich habe diese Entscheidung getroffen, weil ich euch liebe.“

„Wir lieben dich auch, Pammie“, meinte Nadia. „Aber wir möchten nicht, dass du eines Tages den Richtigen triffst und deine Entscheidung bereust.“

„Fletcher ist nett“, beharrte Pamela auf ihrer Aussage – und erntete dafür ungläubige Blicke.

„Das stimmt nicht“, widersprach Paige. „Kürzlich habe ich in der Bank miterlebt, wie er einen Kassierer angefahren hat, nur weil er zu lange warten musste. Fletcher glaubt, ihm müssten alle zu Füßen liegen, da er ein erfolgreicher Unternehmer ist.“

„Jeder hat einmal einen schlechten Tag“, erklärte Pamela. „Tief in seinem Innern ist er ein guter Mensch. Immerhin möchte er uns helfen, oder nicht?“

„Ja. Aber vergiss nicht, dass er auch etwas davon hat“, meinte Jillian. „Er bekommt unser Haus und die schönste Frau der ganzen Stadt.“

„Ich werde auch nicht jünger“, konterte Pamela. „Ich bin jetzt einunddreißig. Glaubst du nicht, dass es langsam Zeit für mich wird zu heiraten?“

„Ja, aber nicht ihn“, gab Jillian verzweifelt zurück.

Seufzend sah Pamela auf die Wanduhr. Fletcher war zum Abendessen eingeladen und würde jeden Moment an die Tür klopfen. Bevor er das Haus betrat, wollte Pamela unbedingt die Diskussion mit ihren Schwestern beendet haben. Sie mussten akzeptieren, dass sie Fletcher heiraten würde.

Sie wusste am besten, wie arrogant er manchmal sein konnte. Doch damit kam sie zurecht. Es war jedenfalls besser, als das Haus zu verlieren und ihren Schwestern kein Studium ermöglichen zu können.

Sie verstand nicht, warum ihr Vater eine zweite Hypothek auf das Haus aufgenommen hatte, die zudem ein Jahr nach seinem Tod in voller Höhe fällig war. Nie im Leben könnte sie eine Million Dollar zusammenbekommen. Fletcher hatte ihr ein freundschaftliches Angebot gemacht, dass sie nicht ablehnen konnte. Er wusste, dass Liebe keine Rolle in ihrer Ehe spielen würde. Aber Pamela würde wie vereinbart ihre ehelichen Pflichten erfüllen und das Beste aus der Situation machen.

„Ich möchte, dass ihr mir ein Versprechen gebt“, forderte sie von ihren Schwestern.

„Schieß los!“, meinte Jillian ungeduldig.

„Versprecht mir, dass ihr meine Ehe mit Fletcher akzeptieren werdet.“

Paige seufzte. „Aber wirst du wirklich glücklich mit ihm sein?“

Nein, natürlich nicht. Doch das erzählte sie ihren Schwestern besser nicht. Sie sollten nicht erfahren, wie groß das Opfer war, das Pamela für sie brachte. Entschlossen sah sie ihnen in die Augen und tischte ihnen eine Lüge auf, die sich am Ende bestimmt auszahlen würde: „Ja. Ich werde glücklich mit ihm sein. Und ich möchte ihn heiraten. Sagt ihr mir jetzt, dass ihr mich unterstützen werdet?“

Die drei Schwestern zögerten einen Moment lang und antworteten schließlich im Chor: „Wir versprechen es.“

„Gut.“

Nachdem Pamela sich zur Spüle gedreht hatte, sahen die Mädchen einander an und lächelten. Als sie ihrer großen Schwester ihre Unterstützung zugesichert hatten, hatten sie die Finger hinter dem Rücken gekreuzt.

Als Dillon in die Einfahrt des Hauses der Novaks bog, musste er daran denken, dass es unangebracht war, der Familie einen Besuch abzustatten, ohne vorher anzurufen.

Erst vor Kurzem war er in Gamble angekommen. Er war hier, um herauszufinden, was mit den vier Frauen passiert war, mit denen sein Urgroßvater zusammen gewesen war, bevor er Dillons Urgroßmutter Gemma geheiratet hatte. James Westmoreland hatte bei seinen Recherchen in Erfahrung gebracht, dass Raphel nach der Trennung von seiner Familie nach Gamble gezogen war. Hier hatte er mit einem Mann namens Jay Novak zusammengearbeitet.

Am liebsten hätte Dillon die Novaks vor seinem Besuch angerufen. Doch sein Handy hatte keinen Empfang gehabt. Roy Davis, dem das einzige Hotel der Stadt gehörte, hatte ihm erklärt, dass es in dieser ländlichen Gegend ein miserables Mobilfunknetz gab. Dillon fand es absurd, dass so etwas heutzutage noch möglich war.

Wenigstens hatte er vorhin ein kurzes Gespräch mit seiner Sekretärin führen können. Sie hatte ihm bestätigt, dass in seiner Immobilienfirma alles ausgezeichnet lief. Das überraschte ihn nicht. Immerhin hatte er die besten Mitarbeiter engagiert.

Nachdem er aus dem Auto gestiegen war, betrachtete er das große Anwesen im viktorianischen Stil. Seltsamerweise erinnerte es ihn sehr an sein eigenes Haus in Denver.

Er hatte gehört, dass vier Schwestern in dem Haus wohnten und die älteste Pamela Novak hieß. Man hatte ihm erzählt, dass sie beinahe in Hollywood als Schauspielerin Karriere gemacht hätte. Allerdings war sie nach dem Tod ihres Vaters nach Gamble zurückgezogen. Heute leitete sie eine Schauspielschule, die sie von ihrer ehemaligen Lehrerin geerbt hatte.

Auch Dillon hätte als Jugendlicher beinahe Karriere gemacht. Allerdings in einem ganz anderen Beruf: In jungen Jahren war er ein so talentierter Basketballspieler gewesen, dass er fast von einem Erstliga-Team verpflichtet worden wäre. Doch als seine Eltern zusammen mit seiner Tante und seinem Onkel bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen waren, hatte er sich um seine insgesamt vierzehn Geschwister und Cousins kümmern müssen.

Diese Situation war nicht einfach für ihn gewesen. Als seine Frau Tammi ihn dann nach sechsmonatiger Ehe verlassen hatte, weil sie das Leben mit ihm und den vielen Kindern auf der Ranch nicht mehr ertragen hatte, war alles nur noch schlimmer geworden.

Tammi hatte damals von ihm verlangt, einige der Kinder zu Pflegefamilien zu geben, weil sie verhaltensauffällig gewesen waren. Das hatte besonders für seinen jüngsten Bruder Bane gegolten, der ständig in Schwierigkeiten gewesen war. Doch Tammi hatte nicht verstanden, dass die Kinder nicht mit dem Tod ihrer Eltern zurechtgekommen waren und Aufmerksamkeit gebraucht hatten.

Immerhin wusste Dillon jetzt, dass er dazu bestimmt war, Single zu sein. Zudem hatte sich das Verhalten der Problemkinder nach der Scheidung gebessert, da ihnen nicht entgangen war, dass Tammi sich ihretwegen von der Familie getrennt hatte. Nur einer hatte sich nicht geändert: Bane war immer noch Bane.

„Haben Sie sich verfahren, Mister?“

Rasch drehte Dillon sich um und sah zwei Teenager vor sich. Zuerst glaubte er, dass es sich um Zwillinge handelte. Aber dann bemerkte er, dass eines der Mädchen einen Kopf kleiner war. „Nein. Oder ist das nicht das Haus der Novaks?“

„Doch“, antwortete das größere Mädchen. „Wir heißen beide Novak.“

Dillon lächelte. „Dann muss ich hier richtig sein.“

„Wen wollen Sie besuchen?“

„Pamela Novak“, erwiderte er.

Das kleinere Mädchen nickte. „Das ist unsere Schwester. Sie ist im Haus und unterhält sich mit ihm.“ Beim letzten Wort verzog die Kleine angewidert den Mund.

Verwundert sah Dillon die beiden an. Er hatte keine Ahnung, wer mit „ihm“ gemeint war. Aber die Mädchen schienen „ihn“ nicht zu mögen. „Wenn sie beschäftigt ist, kann ich auch später noch einmal wiederkommen.“

„Ja, das ist vielleicht besser“, meinte die Ältere. „Wenn er herausfindet, dass Sie wegen Pammie hier sind, könnte er wütend werden.“

Die Teenager lächelten einander verschmitzt an. Dann riefen sie plötzlich laut: „Pammie, hier ist ein Mann, der dich sehen möchte!“

Seufzend lehnte Dillon sich an sein Auto. Ihm war klar, dass sich die beiden Teenager auf seine Kosten amüsierten. Als sich die Tür öffnete und eine unglaublich attraktive Frau aus dem Haus trat, stockte ihm der Atem. Sie war groß, schlank und trug ihr schwarzes Haar schulterlang. Ihre Hautfarbe war mittelbraun, und ihre Augen waren genauso dunkelbraun wie die der beiden Mädchen. Die Schönheit dieser Frau machte ihn sprachlos. Und das kam bei ihm nicht häufig vor.

„Hey, das ist ein Privatgrundstück!“, rief eine männliche Stimme. „Was haben Sie hier verloren?“

Erst jetzt bemerkte Dillon, dass jemand hinter der Frau stand. Der breitschultrige Mann schien gar nicht erfreut über Dillons Besuch zu sein.

Sofort begriff Dillon, dass dies der Mann sein musste, über den die Mädchen gesprochen hatten.

„Er ist nicht deinetwegen hier, Fletcher“, meinte das ältere Mädchen. „Er möchte mit Pammie reden.“

Als der Mann vor Entrüstung schnaubte, lächelten die Teenager zufrieden. Anscheinend wollten sie ihn provozieren.

„Paige und Nadia, solltet ihr nicht oben sein und eure Hausaufgaben machen?“, fragte die Frau und wandte sich anschließend zu Dillon um. Im Gegensatz zu ihrem Freund lächelte sie höflich.

„Sind Sie Pamela Novak?“, erkundigte sich Dillon. Nie zuvor hatte er sich bei der ersten Begegnung so zu einer Frau hingezogen gefühlt. Allein ihr Anblick brachte ihn vollkommen durcheinander.

„Ja“, erwiderte sie und stieg die Verandastufen hinunter.

„Warte mal, Pamela“, schaltete sich der Mann ein. „Du kennst ihn doch gar nicht. Warum bist du so nett zu ihm?“

Ein weiteres Mädchen trat aus dem Haus. „Vielleicht solltest du ihrem Beispiel folgen, Fletcher.“

Dillon erkannte sofort, dass sie die vierte Schwester war. Die Ähnlichkeit war nicht zu übersehen.

Pamela setzte ihren Weg fort. Als sie vor Dillon stand, reichte sie ihm die Hand. „Mein Name ist Pamela Novak. Und Sie sind …?“

Als er ihr die Hand schüttelte, durchfuhr ein Schauer seinen ganzen Körper. Diese Frau faszinierte Dillon so sehr, dass ihn nicht einmal ihr Verlobungsring beeindruckte. „Ich bin Dillon Westmoreland.“

Es war ihr anzusehen, dass sie sich daran zu erinnern versuchte, wo und wann sie den Namen schon einmal gehört hatte.

Dillon beschloss, ihr auf die Sprünge zu helfen. „Ich habe in Erfahrung gebracht, dass mein Urgroßvater Raphel Westmoreland einst ein Geschäftspartner Ihres Urgroßvaters Jay Winston Novak war.“

Sie lächelte. „Oh, jetzt erinnere ich mich. Raphel Westmoreland, der Frauenheld.“

Dillon musste ebenfalls lächeln. „Ja, er scheint viele Affären gehabt zu haben. Und genau deswegen bin ich hier. Ich …“

„Was will er, Pamela?“, rief der Mann ungeduldig.

Seufzend schüttelte sie den Kopf.

„Ihr Verlobter?“, fragte Dillon.

Sie blickte ihm in die Augen und zögerte. „Ja.“ Anschließend rief sie ihrem Verlobten zu: „Das ist Dillon Westmoreland. Unsere Urgroßväter waren einst Geschäftspartner. Deshalb sehe ich ihn als einen Freund der Familie an.“ Rasch wandte sie sich wieder Dillon zu und flüsterte lächelnd: „Ich hoffe, Sie nehmen das nicht zu wörtlich. Immerhin hat Ihr Urgroßvater einen gewissen Ruf gehabt.“

Dillon lächelte. „Hören Sie, ich bin hier, um herauszufinden, wer mein Urgroßvater war. Erst vor Kurzem habe ich erfahren …“

„Was will der Kerl, Pamela?“, hakte ihr Verlobter nach.

Bevor sie antworten konnte, ergriff ihre jüngste Schwester das Wort: „Das haben wir dir doch schon gesagt. Er will Pammie.“

Der Mann starrte Dillon jetzt noch wütender an. Dillon wusste, dass die Kleine es nicht so gemeint hatte. Aber letztendlich hatte sie die Wahrheit gesprochen. Er fühlte sich zu Pamela hingezogen. Und obwohl er sich normalerweise nicht für die Frau eines anderen interessierte, hatte er kein schlechtes Gewissen – vor allem, weil sie mit einem Idioten verlobt zu sein schien. Doch das war ihre Angelegenheit.

Der Mann stieg die Verandastufen hinunter und kam zu ihnen. Seinem teuren Anzug nach zu urteilen war er bestimmt ein Geschäftsmann.

Als er vor ihnen stehen blieb, reichte Dillon ihm die Hand. „Ich heiße Dillon Westmoreland und bin – wie Miss Novak schon sagte – ein Freund der Familie. Ich bin hier, um Recherchen über meine Vorfahren anzustellen.“

Der Mann schüttelte ihm die Hand und sah ihn skeptisch an. „Mein Name ist Fletcher Mallard. Ich bin Pamelas Verlobter. Was genau möchten Sie herausfinden?“

Pamelas Lächeln erstarb. Missmutig sah sie ihren Verlobten an. „Musst du ihn so mit deinen Fragen löchern? Mr. Westmoreland ist ein Freund der Familie. Das ist alles, was im Moment zählt.“ Lächelnd wandte sie sich wieder Dillon zu. „Leisten Sie uns doch beim Abendessen Gesellschaft. Dann können Sie uns erzählen, wie wir Ihnen bei Ihren Recherchen behilflich sein können.“

Dillon wusste, dass es klüger gewesen wäre, ins Hotel zurückzufahren. Doch da er herausfinden wollte, was mit Pamelas Verlobten nicht stimmte, nahm er die Einladung an. „Vielen Dank, Miss Novak. Ich würde gern mit Ihnen zu Abend essen.“

Erst als Dillon sich an den Tisch setzte, begriff Pamela, dass es ein Fehler gewesen war, ihn zum Abendessen einzuladen. Sofort warf Fletcher ihm einen warnenden Blick zu, der so viel bedeutete wie: Ich bin hier der Mann im Haus. Am liebsten hätte sie sich eingeredet, dass Fletcher heute in einer komischen Stimmung sei. Doch er war nicht zum ersten Mal eifersüchtig.

Dabei hatte Dillon nicht einmal Interesse an ihr gezeigt. Deshalb verstand sie nicht, warum ihr Verlobter überhaupt ein Problem mit ihm hatte. Es sei denn, er hatte bemerkt, dass sie sich zu Dillon hingezogen fühlte.

Schnell verdrängte sie den Gedanken. Sie war doch gar nicht an Dillon interessiert. Er machte sie bloß neugierig. Und welche Frau würde nicht bei einem Mann wie ihm ins Schwärmen geraten? Er war groß, hatte eine kaffeebraune Hautfarbe, ein markantes Gesicht und wunderschöne dunkle Augen. Sie war zwar verlobt, aber nicht blind. Und als sie sich an den Tisch setzte, bemerkte sie, dass auch ihre Schwestern von ihm bezaubert waren.

„Woher stammen Sie, Mr. Westmoreland?“, wollte Fletcher wissen.

Seine ständige Fragerei ging Pamela auf die Nerven. Das hier war ein Abendessen und kein Verhör! Sie wusste, dass Fletcher erst Ruhe geben würde, wenn alle seine Fragen beantwortet waren.

„Aus Denver“, antwortete Dillon. „Und Sie?“

Mit dieser Frage schien Fletcher nicht gerechnet zu haben. Dillon Westmoreland ließ sich nicht von ihrem Verlobten einschüchtern. Und das war neu für Fletcher.

„Ich stamme aus Laramie“, entgegnete dieser schroff. „Vor etwa fünf Jahren bin ich in die Stadt gezogen und habe einen Supermarkt eröffnet. Das Geschäft lief so gut, dass ich immer mehr Läden aufkaufte. Heute besitze ich in Wyoming und Montana mehr als zwanzig Supermärkte“, referierte Fletcher weiter. „Mein Ziel ist, in den nächsten fünf Jahren in jedem Nachbarstaat einen ‚Mallard Super Store‘ zu eröffnen.“

Pamela musste sich ein Lächeln verkneifen, da Dillon kein bisschen beeindruckt wirkte.

„Wo übernachten Sie, während Sie sich in der Stadt aufhalten?“, fragte Fletcher.

„Im River Edge Hotel“, antwortete Dillon.

„Wenn man ohne Kabelfernsehen auskommt, ist es keine schlechte Bleibe“, meinte Jillian lächelnd.

Dillon lächelte ebenfalls. „Ich schaue nicht viel fern.“

„Und was tun Sie dann?“, erkundigte sich Fletcher ungeduldig.

„Ich bin im Immobiliengeschäft tätig“, erwiderte Dillon höflich.

Fletcher sah ihn abschätzig an. „Sie verkaufen also Häuser.“

„Nicht ganz“, widersprach Dillon. „Ich besitze eine Immobilienfirma. Vielleicht haben Sie schon einmal etwas von Blue Ridge Land Management gehört.“

Überrascht zog Fletcher die Brauen hoch. „Kann sein.“

Erneut musste Pamela ein Lächeln unterdrücken. Natürlich hatte ihr Verlobter von der Immobilienfirma gehört. Schließlich zählte sie zu einer der erfolgreichsten im ganzen Land. „Mr. Westmoreland, Sie haben gesagt …“

„Bitte nennen Sie mich Dillon“, unterbrach er sie.

Als er ihr eindringlich in die Augen sah, schlug ihr Herz schneller. „Gern. Mich nennen alle Pam.“ Sie trank einen Schluck Tee und fuhr fort: „Dillon, Sie haben gesagt, dass Sie hier sind, um Nachforschungen über Ihre Vorfahren anzustellen.“

„Ja“, erwiderte er. „Meine Eltern und Großeltern waren immer der Meinung, dass wir außerhalb von Denver keine Verwandten haben. Sie haben angenommen, dass mein Urgroßvater Raphel Westmoreland keine Geschwister hatte. Sie können sich also vorstellen, wie überrascht ich war, als eines Tages ein alter Mann mit seinen zwei Söhnen und drei Neffen bei uns auftauchte und behauptete, sie seien mit uns verwandt.“

„Wie haben Ihre Verwandten Sie gefunden?“, fragte Pamela neugierig.

„Durch Stammbaumforschung“, erwiderte er. „Der alte Mann wusste, dass sein Urgroßvater Reginald Westmoreland einen Zwillingsbruder hatte. Schon bald stellte sich heraus, dass dieser Zwillingsbruder mein Urgroßvater Raphel gewesen ist. Er hat seine Heimat im Alter von zweiundzwanzig Jahren verlassen und wurde nie wieder von der Familie gesehen. Alle dachten, dass er ermordet worden sei. Doch niemand wusste, dass er nach Denver gezogen war und dort eine neue Familie gegründet hatte. Heute sind wir fünfzehn Geschwister und Cousins. Ich bin der Älteste.“

„Das muss echt ein Schock für Sie gewesen sein“, schaltete sich Jillian ein, die förmlich an seinen Lippen klebte. „So etwas erfährt man ja nicht jeden Tag. Was sagt Ihre Frau dazu?“

Pamela wusste genau, weshalb Jillian diese Frage gestellt hatte. Ihre Schwester wollte in Erfahrung bringen, ob Dillon verheiratet war. Und wenn Pamela ehrlich sein sollte, interessierte es sie ebenfalls. Dass er keinen Ring trug, musste nichts bedeuten.

„Ich bin nicht verheiratet“, entgegnete Dillon. „Jedenfalls nicht mehr. Meine Scheidung liegt jetzt schon fast zehn Jahre zurück.“

Pamela hoffte, dass ihre Schwester den Anstand besaß und nicht fragte, wie es zu der Scheidung gekommen war.

„Hört sich ziemlich verrückt an“, meinte Fletcher, dem es zu missfallen schien, dass er nicht im Mittelpunkt stand. „An Ihrer Stelle wäre ich vorsichtig, Mr. Westmoreland. Woher wissen Sie, dass Sie diesen Menschen vertrauen können? Und warum wollen Sie überhaupt Nachforschungen über Ihre Vorfahren anstellen? Sie sollten in der Gegenwart und nicht in der Vergangenheit leben.“

Es war Dillon anzusehen, dass es ihm Mühe bereitete, sich zu beherrschen. Trotzdem blieb sein Ton ruhig. „Haben Sie eine Familie, Mr. Mallard?“

„Nein, ich bin Einzelkind“, erwiderte Fletcher genervt. „Meine Eltern sind tot. Auch sie hatten keine Geschwister.“ Lächelnd wandte er sich an Pamela. „Aber bald wird meine Familie größer werden.“

Dillon nickte zögernd. „Wenn es so weit ist, werden Sie mich bestimmt verstehen. Ich finde es schade, dass ich meine Verwandten nicht schon früher kennengelernt habe.“ Als er Pamela ansah, trafen sich einen Moment lang ihre Blicke.

Die Luft zwischen ihnen schien zu vibrieren.

Rasch sah sie auf ihren Teller und aß weiter.

Als Nadia ihm eine Frage über seine Geschwister stellte, erzählte er ihr ausführlich, was sie wissen wollte. Zweifelsohne faszinierte er alle am Tisch – außer Fletcher natürlich.

„Wie lange wollen Sie in der Stadt bleiben?“, unterbrach Fletcher ihn.

„Bis die Recherchen über meinen Urgroßvater abgeschlossen sind.“

„Das könnte eine Weile dauern“, folgerte Fletcher.

Dillon lächelte schief. „Ich habe Zeit.“

„Vielleicht kann ich Ihnen behilflich sein“, schaltete sich Pamela ein. „Die alten Geschäftsbücher meines Urgroßvaters und seine anderen persönlichen Dinge lagern auf dem Dachboden. Wenn Sie möchten, können Sie morgen vorbeikommen und sich dort umsehen.“

„Danke“, erwiderte Dillon. „Das Angebot nehme ich wirklich sehr gern an.“

2. KAPITEL

„Ich möchte nicht, dass du dich allein mit dem Kerl triffst“, sagte Fletcher, als Pamela ihn zur Tür brachte. „Es war keine gute Idee, ihn einzuladen, wenn deine Schwestern in der Schule sind. Ich werde auch nicht da sein. Du weißt doch, dass ich morgen zu meinen Märkten nach Laramie fahre.“

Pamela wusste, dass er verärgert war. Keinem war das beim Abendessen entgangen.

„Deshalb wirst du ihn morgen anrufen und ihm sagen, dass du die Einladung zurückziehst“, fuhr er fort.

Augenblicklich blieb Pamela stehen und starrte ihn fassungslos an. „Wie bitte?“

„Da wir uns einig sind, dass du ihn nicht allein treffen solltest, wirst du ihn darum bitten, ein anderes Mal herzukommen.“

Sie runzelte die Stirn. „Das werde ich bestimmt nicht tun. Ich weiß, dass du auf ihn eifersüchtig bist. Aber glaub mir, dafür gibt es keinen Grund.“

In seinen Augen blitzte Wut auf. „Du bist eine attraktive Frau – und er ist nicht blind. Mir ist keineswegs entgangen, wie er dich angesehen hat.“

„Was soll das denn bedeuten? Ich habe zugestimmt, dich zu heiraten. Doch das heißt nicht, dass ich dir gehöre. Falls du Zweifel an unseren Hochzeitsplänen hast …“

„Blödsinn! Ich möchte dich nur beschützen. Manchmal bist du im Umgang mit Fremden zu vertrauensvoll.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich glaube, du bist diejenige, die Bedenken hat.“

„Natürlich mache ich mir Gedanken. Schließlich geht es um die Zukunft meiner Familie. Ich habe einer Ehe mit dir zugestimmt, um meine Ranch zu retten. Für deine Hilfe bin ich dir sehr dankbar, aber ich weiß auch, dass du eine Frau verdienst, die dich wirklich liebt. Deshalb werde ich in der kommenden Woche Lester Garding einen Besuch abstatten. Ich möchte, dass er die Dokumente meines Vaters erneut prüft. Es fällt mir schwer zu glauben, dass Dad keine Versicherung abgeschlossen hat, die die Hypothek im Falle seines Todes begleicht.“

Fletcher zögerte. „Wenn du wirklich daran zweifelst, solltest du noch einmal mit dem Anwalt deines Vaters reden. Aber mach dir keine Sorgen um mich. Wenn du meine Frau wirst, werde ich der glücklichste Mann der Welt sein.“

Pamela seufzte innerlich. Er wusste doch, dass sie ihn nicht liebte.

Einen Moment lang musste sie an die Vergangenheit denken. Pamela hatte nach dem Highschool-Abschluss ihre Heimatstadt verlassen, um an der Universität von Südkalifornien Schauspiel zu studieren. In ihrem zweiten Studienjahr war ihre Stiefmutter Alma gestorben. Alma hatte sich nach dem Tod von Pamelas Mutter rührend um sie gekümmert.

Pamela hatte darüber nachgedacht, das Studium abzubrechen und nach Hause zurückzukehren. Doch ihr Vater hatte darauf bestanden, dass sie weiter aufs College ging und ihren Abschluss machte.

„Pamela?“

Verwirrt blickte sie zu Fletcher auf. „Tut mir leid. Ich habe mich gerade an bessere Zeiten erinnert – als Dad und Alma noch am Leben waren.“

„Wenn wir erst einmal verheiratet sind, wirst du so glücklich sein wie nie zuvor.“ Lächelnd ergriff er ihre Hand. „Ich weiß, dass du mich nicht liebst. Doch das wird sich mit der Zeit ändern. Denk an all die schönen Dinge, die wir zusammen unternehmen können.“

„Das interessiert mich nicht“, erwiderte sie entschieden. „Mir ist nur wichtig, dass meine Schwestern ein Zuhause haben und aufs College gehen können.“

„Das habe ich dir ja versprochen. Aber wenn du es zulässt, können wir auch eine schöne Zeit miteinander verbringen.“

Pamela seufzte. „So haben wir das nicht abgemacht.“

Sie hatte Fletcher vor vier Jahren kennengelernt, als sie bei ihrer Familie zu Besuch gewesen war. Danach hatte er sie jedes Mal, wenn sie in der Stadt gewesen war, gefragt, ob sie mit ihm ausgehen wollte.

Nachdem ihr Vater gestorben und sie wieder zu Hause eingezogen war, hatte Fletcher sie regelmäßig angerufen – obwohl sie ihm klargemacht hatte, dass sie nie mehr als Freunde sein würden. Zu diesem Zeitpunkt schien es ihm nichts ausgemacht zu haben.

Dann war eines Tages Lester Garding zu ihr gekommen und hatte ihr von der Hypothek für die Ranch erzählt. Dieser Besuch hatte ihr Leben für immer verändert. Als Fletcher an diesem Abend zu Besuch gewesen war, hatte sie ihm aus lauter Verzweiflung von den schlechten Neuigkeiten erzählt. Er hatte ihr aufmerksam zugehört und ihr schließlich den seiner Meinung nach einzigen vernünftigen Vorschlag gemacht: Sie könnte ihn heiraten und damit alle ihre finanziellen Probleme lösen.

Zuerst war sie der Ansicht gewesen, dass er den Verstand verloren hatte. Doch als sie in Ruhe darüber nachgedacht hatte, war ihr klar geworden, dass es ihre einzige Chance war. Sie musste nichts anderes tun, als ihn zu heiraten. Dann würden sich alle ihre Probleme in Luft auflösen. Die Ranch wäre gerettet, und die Mädchen könnten aufs College gehen.

Trotzdem hatte sie sein Angebot zuerst abgelehnt. Sie war davon überzeugt gewesen, dass sie es selbst schaffen konnte. Aber nachdem sie bei keiner einzigen Bank einen Kredit bekommen hatte, war sie schließlich doch darauf eingegangen.

Seufzend sah sie auf ihre Uhr. „Es ist spät.“

„Versprich mir, dass du vorsichtig bist. Irgendetwas gefällt mir an Westmoreland nicht.“

„Mach dir keine Sorgen. Ich komme schon zurecht.“

Er nickte und gab ihr einen flüchtigen Kuss. Wie immer wartete sie darauf, dass sie etwas fühlte. Irgendetwas. Aber da war weder ein Kribbeln in ihrem Bauch noch ein Klopfen in ihrer Brust zu spüren.

In den vergangenen Monaten hatte sie ignoriert, dass sie sich nicht zu ihrem Verlobten hingezogen fühlte. Bis heute hatte es sie nicht gestört. Doch jetzt hatte sie plötzlich gemerkt, welche Gefühle ein Mann in ihr wecken konnte. Und dieser Mann hieß Dillon Westmoreland.

Zufrieden seufzend legte sich Dillon in eine mit angenehm duftendem Wasser gefüllte Badewanne. Auch wenn das Hotel nicht besonders luxuriös war, genoss er die Ruhe, die er hier hatte. Ausnahmsweise musste er sich nicht ständig um seine Geschwister und Cousins kümmern. Trotzdem vermisste er seine Familie. Sorgen machte er sich allerdings keine, da er Ramsey die Verantwortung übertragen hatte. Sein sieben Monate jüngerer Cousin war schon seit vielen Jahren sein bester Freund. Und das würde sich nie ändern.

Dillon konnte es kaum erwarten, endlich mit der Recherche über seinen Urgroßvater zu beginnen. Natürlich hätte er auch eine Detektei beauftragen können. Aber als Ältester von Raphels fünfzehn Nachkommen fühlte er sich dazu verpflichtet, es selbst zu tun.

Dummerweise fiel es ihm äußerst schwer, sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Heute Abend hatte er eine wunderschöne Frau kennengelernt. Sie passte gar nicht zu dieser öden Kleinstadt. Mit ihrem Aussehen verdrehte Pamela jedem Mann garantiert den Kopf.

Leider war sie bereits vergeben. Dillon musste sich eingestehen, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte. Sie war tabu für ihn – weshalb dachte er also ständig an sie? Und warum konnte er es kaum erwarten, sie morgen wiederzusehen? Er atmete tief durch und fragte sich, weshalb sie einen Idioten wie Fletcher Mallard heiraten wollte.

Doch eigentlich ging ihn das nichts an. Er war nur aus einem einzigen Grund hier: Er wollte herausfinden, warum sein Urgroßvater so viele Affären gehabt hatte. Das durfte er nicht vergessen.

Pamela blickte aus dem Fenster und sah, wie Dillons Auto in die Einfahrt einbog. Als er ausstieg und einen Moment lang das Haus betrachtete, nutzte sie die Gelegenheit, um sich Dillon genauer anzuschauen.

Schon gestern waren ihr seine breiten Schultern und seine muskulösen Oberarme aufgefallen. Sie mochte gut gebaute Männer. In den engen Jeans und dem blauen Holzfällerhemd sah er unglaublich attraktiv aus.

Seufzend musterte sie ihren Verlobungsring. Vielleicht hatte Fletcher recht gehabt. Möglicherweise war es doch keine so gute Idee gewesen, Dillon einzuladen.

In Ordnung, sie war verlobt und würde in wenigen Monaten heiraten. Das bedeutete allerdings nicht, dass sie keinen anderen Mann anschauen durfte.

Als Dillon sie durch das Fenster anblickte, zuckte sie vor Schreck zusammen. Sie hatte angenommen, dass man sie von draußen nicht sehen konnte.

Rasch ging sie zur Tür und öffnete sie. Dillon war kurz von einer Schar von Gänsen abgelenkt. So erhielt sie erneut die Möglichkeit, ihn zu betrachten. Sie hätte ihn stundenlang einfach nur anschauen können.

Während der fünf Jahre in Los Angeles war sie ständig von gut aussehenden Männern umgeben gewesen. Aber keiner von ihnen konnte Dillon das Wasser reichen. Nie zuvor hatte sie ein Mann so in den Bann gezogen.

Als er in ihre Richtung schaute, nahmen seine dunklen geheimnisvollen Augen sie sofort gefangen. Sie konnte nichts anderes tun, als ihn anzustarren. Er brachte sie vollkommen durcheinander. Obwohl sie wusste, dass es nicht richtig war, konnte sie sich nicht dagegen wehren.

Ein hupendes Auto in der Ferne riss sie aus ihren Gedanken. Schnell wich sie Dillons Blick aus und atmete tief durch. „Guten Morgen“, begrüßte sie ihn. Sie wusste genau, dass gerade Funken zwischen ihnen gesprüht hatten. Auch gestern Abend hatte sie dieses Gefühl gehabt. Sie konnte es nicht ignorieren. „Heute ist ein schöner Tag, nicht wahr?“

„Ja“, erwiderte er lächelnd und ging zu ihr.

Seine leuchtenden Augen ließen ihr Herz schneller schlagen.

„Aber es kann sein, dass es später regnet“, fügte er hinzu.

Sie nickte. „Das ist gut möglich.“ Der Smalltalk half ihr, bei klarem Verstand zu bleiben.

„Ich hoffe, ich bin nicht zu früh dran“, sagte er mit heiserer Stimme.

„Nein, nein. Ich habe gerade Kaffee gekocht. Möchten Sie auch einen?“

Er zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Irgendwie habe ich das Gefühl, als würde ich schon zu viel von Ihrer Zeit stehlen.“

„Das stimmt nicht. Außerdem wollen Sie doch etwas über Ihren Urgroßvater erfahren, oder?“

„Ja. Bis jetzt weiß ich nur, dass er der Geschäftspartner Ihres Urgroßvaters war und mit Ihrer Urgroßmutter Portia Novak durchgebrannt ist.“

Pamela musste lächeln, als sie Dillon in die Küche führte. „Portia war nicht meine Urgroßmutter“, korrigierte sie. „Als ich geboren wurde, hatte sie meinen Urgroßvater längst verlassen.“

Verwundert setzte er sich an den Küchentisch. „Das ist mir neu.“

Sie schenkte ihm einen Becher Kaffee ein. „Bestimmt haben Sie viele Geschichten über Raphel und Portia gehört.“

„Nein, eigentlich nicht. Ich bin anfangs davon ausgegangen, dass Gemma die einzige Frau meines Urgroßvaters gewesen ist. Erst als unsere Verwandten aus Atlanta zu Besuch gekommen sind und uns von ihren Recherchen berichtet haben, habe ich von Portia Novak und den anderen Frauen erfahren.“

Pamela zog die Brauen hoch. „Welche anderen Frauen?“

Er seufzte. „Gemma war Raphels fünfte Frau.“ Dillon interessierte vor allem, was mit Lila Elms passiert war. Als Raphel eine Affäre mit ihr begonnen hatte, war Lila mit einem Priester verheiratet gewesen. Dillon fragte sich, ob sein Urgroßvater sie allen Ernstes zur Frau genommen hatte, nur um sie kurze Zeit später wegen Portia Novak zu verlassen.

Und was war mit Raphels dritter Frau Clarice passiert? Oder mit seiner vierten, Isabelle? Alle Namen schienen auf irgendeine Weise mit Raphel verbunden zu sein. Wenn die Recherche-Ergebnisse stimmten, war Dillons Urgroßvater bereits vor seinem zweiunddreißigsten Geburtstag viermal verheiratet gewesen. Das würde ihn wirklich zu einem Frauenhelden machen.

Dillon nippte an seinem Kaffee und beschloss, Pamela erst einmal nicht zu erzählen, dass auch Raphels andere Frauen vergeben gewesen waren, als er mit ihnen zusammengekommen war. „Mein Ziel ist, herauszufinden, was mit Lila Elms geschehen ist.“

„War das die Frau des Priesters?“

Also hatte Pamela von ihr gehört. „Ja. Woher wissen Sie etwas über sie?“

Lächelnd setzte sie sich an den Tisch. „Von meiner Großmutter. Als ich ein kleines Mädchen war, habe ich stundenlang mit ihr auf der Veranda gesessen und mir ihre Familiengeschichten angehört. Nur über Portia hat sie nicht gern geredet. Irgendwie schien dieses Thema tabu für sie zu sein.“

Dillon nickte und versuchte, sich auf ihre Worte zu konzentrieren. Allerdings fiel es ihm schwer, da ihn ihre sinnlichen Lippen von allem anderen ablenkten. Als er vorhin draußen gestanden und ihr in die Augen geblickt hatte, war es ihm ähnlich gegangen. Er hätte schwören können, dass in diesem Moment etwas zwischen ihnen passiert war.

Irgendetwas an Pamela zog ihn magisch an. Nie zuvor hatte eine Frau ihn so in den Bann gezogen. Ihn hatte sowieso schon länger keine Frau mehr richtig interessiert. Seit seiner Scheidung hatte er nur kurze Affären gehabt. Er hatte sich geschworen, keine feste Beziehung mehr einzugehen. Die Enttäuschung mit seiner Exfrau war zu groß gewesen.

„Möchten Sie gleich auf den Dachboden gehen?“, fragte Pamela zögernd.

Als er sie ansah, jagten ihm heiße Schauer über den Rücken. Er musste sich eingestehen, dass er Pamela begehrte. Doch er fühlte sich nicht allein körperlich zu ihr hingezogen. Da war mehr! Nie zuvor hatte er so starke Gefühle für eine Frau empfunden. Dabei kannte er sie kaum …

Er war sich sicher, dass sie ihn ebenfalls anziehend fand. Allerdings war ihm auch klar, dass sie ihre Gefühle unterdrücken musste. Schließlich war sie verlobt. Und sie wirkte nicht wie eine Frau, die ihren Verlobten betrügen würde.

„Ja, ich würde mich gern dort umsehen“, antwortete er. „Aber zuerst möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen.“

Verwundert sah sie ihn an. „Wofür?“

In diesem Augenblick wollte er ihr am liebsten mit seinen Fingern über die Lippen streichen. Es fiel ihm zunehmend schwerer, sich zu beherrschen. Er räusperte sich und starrte seine Tasse an. „Für gestern Abend. Ich hätte Sie anrufen sollen, bevor ich auf die Ranch gekommen bin. Es tut mir leid, dass ich Ihren Verlobten verärgert habe. Ich wollte nicht, dass meinetwegen Probleme entstehen.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Machen Sie sich keine Gedanken deswegen.“ Abrupt stand sie auf. „Wir sollten jetzt auf den Dachboden gehen und sehen, was wir dort finden können.“

Dillon nickte und erhob sich ebenfalls von seinem Stuhl. Ihre Reaktion interpretierte er als Hinweis, dass sie nicht über ihre Beziehung mit Fletcher reden wollte.

„Folgen Sie mir“, meinte sie und stieg die Treppe im Flur hinauf.

Als er Pamela hinterherging, blickte er wie ferngesteuert auf ihren wohlgeformten Po.

Dank seinen langen Beinen brauchte Dillon nicht lange, bis er Pamela eingeholt hatte. Nicht, dass sie ihn abhängen wollte. Doch sie musste sich einen Moment lang sammeln, da er sie vollkommen durcheinanderbrachte.

Als sie bemerkte, dass er direkt hinter ihr war, schlug ihr Herz schneller. Jedes Mal, wenn er in ihre Nähe kam, geriet ihr Blut in Wallung.

Als sie oben waren, überholte er sie und ging geradewegs zur Treppe, die zum Dachboden führte. Woher kannte Dillon bloß den Weg?

„Kann es sein, dass Sie nicht zum ersten Mal hier sind?“, fragte sie verwundert.

„Sie werden mich wahrscheinlich für verrückt halten, aber das Haus hier ähnelt meinem in Denver sehr. Hat Ihr Urgroßvater es gebaut?“

„Ja.“

„Das erklärt alles. Mein Haus wurde nämlich von Raphel entworfen. Wahrscheinlich hat ihm das Ihres Urgroßvaters so gut gefallen, dass er sich ein ähnliches bauen ließ.“

Als sie die engen Stufen der Dachbodentreppe erreichten, ließ er Pamela vorgehen. „Beim Abendessen haben Sie erwähnt, dass Sie der Älteste der Familie sind“, meinte sie nervös. Sie spürte, dass er ihren Po anstarrte.

„Ja. Mehrere Jahre lang war ich sogar der gesetzliche Vormund meiner minderjährigen Geschwister und Cousins.“

Überrascht blieb sie stehen und drehte sie sich zu ihm um. „Wirklich? Wie ist es dazu gekommen?“

Auch er hielt inne und atmete tief durch. „Meine Eltern sind mit meiner Tante und meinem Onkel verreist. Sie besuchten in Louisiana eine Freundin meiner Mutter. Auf dem Rückweg hatte ihr Flugzeug einen Motorschaden. Den Absturz haben sie nicht überlebt.“

„Wie schrecklich!“

„Ja. Meine Eltern hatten sieben Kinder. Mein Onkel und meine Tante sogar acht. Plötzlich war ich mit einundzwanzig der Älteste der Familie. Deshalb habe ich mich um meine Brüder und Cousins gekümmert.“

„Hat das Jugendamt keine Einwände gehabt, dass Sie sich um so viele Kinder kümmern?“

„Nein. Alle wussten, dass die Westmorelands zusammenbleiben möchten.“ Er lächelte. „Außerdem wollte keiner die Verantwortung für Bane übernehmen.“

„Warum nicht?“

„Er ist mein jüngster Bruder und steckt ständig in Schwierigkeiten. Als unsere Eltern starben, war er erst acht. Er hat es nie verkraftet.“

„Wie alt ist er jetzt?“

„Zweiundzwanzig. Leider gerät er immer noch oft auf die schiefe Bahn. Ich wünschte, er würde endlich einmal eine Frau kennenlernen, die ihm den Kopf wäscht.“

Pamela nickte. Erneut fragte sie sich, ob Dillon eine Frau in Denver hatte. „Leben Sie alle nah beieinander?“

„Ja. Mein Urgroßvater hat in den Dreißigerjahren große Ländereien gekauft. Jedes Familienmitglied erhält an seinem fünfundzwanzigsten Geburtstag einen Teil davon. Deshalb leben wir alle in derselben Gegend. Als Ältester habe ich natürlich den Familiensitz geerbt, wo sich alle die meiste Zeit über aufhalten. Wie alt waren Sie, als Ihr Urgroßvater gestorben ist?“

„Da war ich noch nicht einmal geboren. Aber ich habe viele Geschichten über ihn gehört. Wie alt waren Sie, als Raphel starb?“

„Er ist vor meiner Geburt gestorben. An meine Urgroßmutter erinnere ich mich kaum. Sie ist einem Herzinfarkt erlegen, als ich zwei Jahre alt war. Dafür habe ich meine Großeltern gut in Erinnerung. Mein Grandpa Stern hat mir oft Geschichten über Raphel erzählt. Allerdings hat er nie Raphels andere Frauen oder seine Geschwister erwähnt. Im Gegenteil – er hat behauptet, dass Raphel ein Einzelkind gewesen sei.“

„Jede Familie hat ihre Geheimnisse.“

„Ja. Wer wäre schon stolz darauf, dass der eigene Vater mit der Frau eines Priesters durchgebrannt ist?“

„Glauben Sie, dass Ihr Urgroßvater Lila geheiratet hat?“

„Ich bin mir nicht sicher. Damals war es bestimmt unmöglich, sich als Frau eines Geistlichen scheiden zu lassen. Mich interessiert brennend, was nach ihrer Flucht aus Georgia geschehen ist.“

„Aber haben Sie nicht Unterlagen erwähnt, die beweisen, dass Raphel mit Lila und später mit Portia verheiratet war?“, fragte Pamela.

„Zwei meiner Cousins aus Atlanta haben eine Sicherheitsfirma. Sie haben Dokumente gefunden, die teilweise aus dem neunzehnten Jahrhundert stammen und beweisen, dass Raphel vier Frauen geehelicht hat. Zwei von ihnen waren bereits verheiratet, als er sie kennengelernt hat. Deshalb nehmen wir an, dass er nur vorgegeben hat, mit ihnen verheiratet zu sein.“ Er machte eine Pause. „Kommen Sie oft hier hoch?“

Erst jetzt begriff sie, wie lange sie schon auf der Treppe standen … und wie nahe sie einander waren. Rasch stieg Pamela eine Stufe hinauf. „Nicht so häufig wie früher. Erst im vergangenen Jahr bin ich nach Gamble zurückgezogen. Wie Sie bin ich die Älteste in der Familie und kümmere mich seit dem Tod meines Vaters um meine Geschwister. Ich bin ihr gesetzlicher Vormund.“

Dillon nickte. Beim gestrigen Abendessen war ihm aufgefallen, wie nahe sich Pamela und ihre Schwestern standen.

Nachdem sie den Dachboden betreten hatten, deutete Pamela auf eine alte Truhe. „Darin liegen einige Sachen meiner Groß- und Urgroßeltern, Kleinigkeiten von eher sentimentalem Wert. Soweit ich weiß, haben unsere Urgroßväter damals mit ihren Molkereien recht gut verdient, aber leider haben sie keine Schätze auf dem Speicher versteckt. In der Truhe befinden sich auch einige persönliche Dinge von Raphel. Er ist wohl sehr überstürzt abgereist und hat sie hiergelassen.“

Verwundert sah Dillon sie an. „Sie besitzen Sachen von Raphel?“

„Ja“, erwiderte sie und ging zur Truhe. „Das habe ich wohl gestern Abend nicht erwähnt.“

Und er wusste auch, warum sie es nicht angesprochen hatte. Wahrscheinlich hätte sich ihr Verlobter eingemischt. Fletcher schien immer das letzte Wort haben zu wollen.

Anstatt ihr zu folgen, betrachtete Dillon sie einen Augenblick lang. Es war aufregend, kurz vor der Entdeckung eines persönlichen Schatzes zu stehen. Doch Pamela war noch aufregender.

In den engen Jeans und dem knappen Oberteil sah sie unglaublich sexy aus. Hoffentlich merkte sie nicht, wie sehr er sie begehrte.

Als sie feststellte, dass er ihr nicht folgte, drehte sie sich verwundert zu ihm um. „Alles in Ordnung?“

Nein, ganz sicher war nicht alles in Ordnung mit ihm. Sonst hätte er nicht den Drang verspürt, zu ihr zu gehen und sie in seine Arme zu nehmen. Doch er wusste, dass er seinen Gefühlen nicht nachgeben durfte. Pamela war verlobt. Unter keinen Umständen wollte er seinem Urgroßvater nacheifern! Trotzdem war die Versuchung groß …

Als sie ihn fragend ansah, begriff er, dass sie auf eine Antwort wartete. „Natürlich“, erwiderte er schnell. „Ich bin nur etwas überwältigt.“ Von dir …

„Das ist verständlich. Ich kann nachvollziehen, was Sie gestern Abend gesagt haben. Auch für mich ist meine Familie am wichtigsten. Obwohl sie Ihren Urgroßvater nicht gekannt haben, möchten Sie wissen, wer er war. Das finde ich sehr lobenswert. Aber erwarten Sie nicht, dass Sie in dieser Truhe die Antworten auf alle Ihre Fragen finden werden. Wahrscheinlich wird ihr Inhalt noch mehr Rätsel produzieren.“

„Werden Sie mir denn helfen, diese Rätsel zu lösen?“ Er wusste, dass sie ahnte, worauf er mit dieser Frage hinauswollte.

„Sie können jederzeit auf die Ranch kommen.“

„Wird Fletcher nichts dagegen haben? Ich möchte nicht, dass Sie sich meinetwegen mit ihm streiten.“

„Lassen Sie das meine Sorge sein. Möchten Sie nicht die Truhe öffnen? Seit meiner Kindheit wollte ich das tun, aber es ist mir immer verboten worden.“ Sie lächelte verschmitzt. „Doch ich muss zugeben, dass ich die Truhe ab und zu geöffnet habe. Damals fand ich die Dinge darin allerdings nicht sehr interessant.“

Dillon lächelte, als er zu Pamela ging. Der Dachboden war wie in seinem eigenen Haus sehr groß. In seiner Kindheit hatte er sich manchmal an diesem Ort versteckt, wenn er allein sein wollte. Nur war der Dachboden bei ihm zu Hause viel unordentlicher.

Er kniete sich vor die Truhe, öffnete sie vorsichtig und betrachtete neugierig den Inhalt. Im Innern fanden sich jede Menge Dokumente, Geschäftsbücher, alte Hemden, eine Flasche Wein, ein Kompass und ein zerfleddertes Tagebuch, das ihm besonders ins Auge stach. „Kann ich mir das näher ansehen?“, fragte er.

„Natürlich. Es liegt sogar ein Brief darin.“

Als er gespannt das Tagebuch aufschlug, entdeckte er tatsächlich ein vergilbtes, mit der Hand beschriebenes Blatt. Der Name darauf war noch immer deutlich zu lesen: Westmoreland. Sein Herz schlug hefitg vor Aufregung.

Als Dillon den versiegelten Umschlag mit leicht zitternden Fingern öffnete, konnte er seine Freude nicht verbergen. Er las laut vor: „Wer immer Raphels Besitztümer findet, soll wissen, dass er ein anständiger Mann war. Ich trage ihm nicht nach, dass er mit Portia weggegangen ist.“

Der Brief war von Pamelas Urgroßvater Jay unterschrieben worden.

Dillon legte ihn in die Truhe zurück und wandte sich an Pamela: „Das ist alles sehr verwirrend. Haben Sie eine Erklärung dafür?“

Pamela schüttelte den Kopf. „Ich finde es seltsam, dass mein Urgroßvater keinen Groll gegen Raphel gehegt hat. Immerhin ist Ihr Urgroßvater mit seiner Frau durchgebrannt. Vielleicht hat Raphel ihm ja sogar einen Gefallen damit getan. Es könnte doch sein, dass Jay gar nicht mehr mit Portia verheiratet sein wollte. Aber das ist sehr weit hergeholt.“

„Und was ist mit Lila Elms?“

Pamela zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nur, dass sie nicht mehr mit Raphel zusammen war, als er nach Gamble kam.“ Sie sah auf ihre Uhr. „Ich muss noch ein paar Telefonate führen. Deshalb muss ich Sie jetzt leider allein lassen. Nehmen Sie sich so viel Zeit, wie Sie wollen. Falls Sie etwas brauchen, finden Sie mich in der Küche.“

„Gut.“

Zögernd ging sie zur Treppe.

„Pamela?“

Sie drehte sich zu ihm um. „Ja?“

„Danke“, sagte er lächelnd.

Sie lächelte ebenfalls. „Keine Ursache.“

3. KAPITEL

Als Pamela den Dachboden verlassen hatte, atmete Dillon tief durch. Diese Frau war eine einzige Versuchung! Am besten blieb er auf Abstand. Während sie mit ihm auf dem Dachboden gewesen war, hatte sich Dillon die ganze Zeit beherrschen müssen. Am liebsten hätte er sie in seine Arme gezogen und leidenschaftlich geküsst.

Warum brachte sie ihn bloß so durcheinander? Nie zuvor war es ihm in Anwesenheit einer Frau so schwergefallen, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten.

Vielleicht fühlte er sich zu ihr hingezogen, weil sie Verständnis für seine Nachforschungen zeigte. Selbst einige seiner Geschwister und Cousins verstanden nicht, warum ihm so viel daran lag.

Doch Pamela interessierte sich nicht nur für seine Recherchen, sie tat auch alles, um ihm dabei zu helfen – selbst wenn sie dadurch ihren Verlobten verärgerte.

Entschlossen stellte Dillon einen Stuhl vor die Truhe und setzte sich. Anschließend begann er, in Jay Novaks Tagebuch zu lesen.

Neugierig sah Pamela auf die Wanduhr. Dillon war jetzt schon seit über einer Stunde auf dem Dachboden. Sie fragte sich, was er herausgefunden hatte. Mehrmals wäre sie beinahe nach oben gegangen, doch jedes Mal hatte sie sich anders entschieden. Stattdessen hatte sie Drehbücher von ihren Schülern gelesen. Vielleicht war es besser, nicht in seiner Nähe zu sein.

Das Klingeln des Telefons riss sie aus ihren Gedanken. Bevor sie die Nummer auf dem Display sah, wusste sie bereits, wer anrief. „Hallo?“

„Hier ist Fletcher. Wie geht es dir?“

„Gut. Wie läuft es in Laramie?“

„Bestens. Allerdings habe ich einen Anruf aus Montana erhalten. Dort gibt es Probleme in einem der Läden. Ein starker Schneesturm hat die Stromversorgung unterbrochen. Deshalb sind viele Tiefkühlwaren verdorben.“

„Tut mir leid, das zu hören.“

„Ich muss nach Montana fliegen, um einen Vertreter meiner Versicherung zu treffen. Das könnte ein paar Tage dauern. Wahrscheinlich komme ich erst Ende der Woche zurück.“

Das wiederum war eine gute Nachricht. Schon seit Langem war Pamela der Meinung, dass sie eine Pause brauchten. Seit sie miteinander verlobt waren, bestand Fletcher darauf, sie täglich zu sehen. Und das war ihr in letzter Zeit ein wenig lästig geworden.

„Du würdest mich sehr glücklich machen, wenn du ein paar Tage in Montana mit mir verbringen würdest“, meinte er.

Auch das noch! „Danke für die Einladung, aber ich habe derzeit so viel zu tun.“ Sie befürchtete, dass er sie dazu drängen würde, mit ihm zu schlafen. Das hatte er schon mehrere Male angesprochen, aber sie war ihm bisher immer erfolgreich ausgewichen. „Außerdem muss ich mich um meine Schwestern kümmern.“

Er schwieg eine Weile und wechselte plötzlich das Thema. „Was ist mit Westmoreland? Ist er heute vorbeigekommen?“

Sie hatte keinen Grund, Fletcher zu belügen. „Ja. Er ist sogar noch hier. Seit über einer Stunde schaut er sich auf dem Dachboden Sachen von meinem Urgroßvater an.“

„Warum hat er sie nicht ins Hotel mitgenommen?“

Fletchers Ton gefiel ihr gar nicht. „Warum hätte er das tun sollen?“, fragte sie. „Und was passt dir daran nicht, dass er noch immer hier ist?“

„Ich mache mir bloß Sorgen um dich“, erwiderte er nach einer kurzen Pause. „Meiner Meinung nach kennst du den Mann nicht gut genug. Ich möchte nicht, dass dir etwas passiert.“

„Ich kann wirklich auf mich selbst aufpassen. Bis dann, Fletcher.“ Damit beendete sie das Gespräch. Sie wusste, dass er einige Stunden lang wütend sein und später anrufen würde, um sich für sein Verhalten zu entschuldigen.

Seufzend setzte sie sich an den Tisch und fuhr mit ihrer Arbeit fort. Sie versuchte, nicht mehr an Fletcher zu denken. Obwohl die Ehe mit ihm nicht einfach werden würde, war sie Pamelas einzige Möglichkeit, ihrer Familie eine gute Zukunft zu bieten. Deshalb würde sie die Zähne zusammenbeißen und versuchen, das Beste aus ihrer Situation zu machen – auch wenn Fletcher manchmal unerträglich war.

Grübelnd legte Dillon das Tagebuch in die Truhe zurück und stand auf. Er musste kurz an seine Firma denken. Doch eigentlich brauchte er sich keine Sorgen zu machen, da er heute Morgen seine Sekretärin angerufen und sich vergewissert hatte, dass es keine Schwierigkeiten gab. Sein Geschäftsführer Ted Boston hatte alles unter Kontrolle. Mit harter Arbeit und einer hervorragenden Personalauswahl hatte Ted seine Firma zu einer wahren Goldgrube gemacht.

Als Dillon auf die Uhr sah, war er überrascht, dass er sich bereits seit zwei Stunden auf dem Dachboden aufhielt. Aber nun kannte er die Geschichte von Raphel und Lila.

Jays Aufzeichnungen zufolge hatte der Priester seine junge Frau geschlagen. Die Gemeindemitglieder hatten weggeschaut. Sie wollten sich offenbar nicht in das Privatleben des Priesters einmischen.

Doch Raphel hatte nicht einfach untätig bleiben können. Er hatte einen Plan ausgearbeitet, mit dem er Lila vor ihrem aggressiven Mann retten wollte. Allerdings hatte Raphels Familie ihn nicht dabei unterstützt. Deshalb hatte er seinen Plan allein ausführen müssen. Nachdem er Lila nach Copperhead in Texas gebracht hatte, war er kurze Zeit mit ihr dortgeblieben. Ihr Liebhaber war er nie gewesen. Er hatte sie nur beschützen wollen. Nachdem er ihr ein kleines Stück Land für einen Neubeginn gekauft hatte, war er schließlich weitergezogen.

Dillon war froh, dass sich sein Urgroßvater wenigstens in diesem Fall als Retter erwiesen hatte – und nicht als Frauenheld. Wahrscheinlich hätte Dillon das Gleiche getan, wenn er in so einer Situation gewesen wäre. Anscheinend hatte er die Gene seines Urgroßvaters geerbt, denn auch Dillon besaß einen stark ausgeprägten Beschützerinstinkt. Er bedauerte nur, dass Raphel durch diesen Vorfall den Kontakt zu seiner Familie verloren hatte.

In diesem Moment knurrte Dillons Magen. Seit dem Frühstück hatte er nichts gegessen. Und jetzt war es schon nachmittags. Es war Zeit, ins Hotel zurückzukehren.

Pamela las gerade ein Drehbuch von einem ihrer Schüler, als ihre Haut plötzlich zu kribbeln begann.

Sie blickte auf und sah Dillon, der die Küche betrat. Unglaublich! Sie hatte gespürt, dass er in der Nähe war. Zwischen ihnen musste eine besondere Verbindung bestehen. Und das gab Pamela zu denken.

„Wie ist es gelaufen?“, erkundigte sie sich und hoffte, dass er ihre Nervosität nicht bemerkte. „Haben Sie etwas Neues über Ihren Urgroßvater erfahren?“

Sein Lächeln ließ ihr Herz schneller schlagen. „Ja“, erwiderte er. „Das Tagebuch hat mir geholfen, das Geheimnis von Raphels erster Frau Lila zu lüften.“

„Haben sie schließlich geheiratet?“, fragte Pamela neugierig.

„Nein. Im Tagebuch steht, dass der Priester Lila geschlagen hat und Raphel der Frau zu Hilfe gekommen ist. Mein Urgroßvater hat sie schließlich nach Texas gebracht und ihr geholfen, dort ein neues Leben aufzubauen. Danach ist er weitergezogen.“

Pamela nickte. „Jetzt wissen wir, warum er nicht verheiratet war, als er in Gamble angekommen ist.“

„Ja, aber es erklärt nicht, warum er mit der Frau Ihres Urgroßvaters durchgebrannt ist. Das ist mir nach wie vor ein großes Rätsel. Allerdings habe ich noch nicht das ganze Tagebuch gelesen. Zumindest weiß ich jetzt, dass unsere Urgroßväter Freunde waren. Deshalb fällt es mir schwer zu glauben, was Raphel Ihrem Urgroßvater angetan hat.“

Einen Moment lang dachte Pamela nach. „Möchten Sie ihre Recherchen kurz unterbrechen und etwas essen?“

„Nein, es ist schon spät. Ich sollte besser ins Hotel zurückfahren, bevor Ihr Verlobter kommt. Ich habe heute mehr als genug Ihrer Zeit beansprucht. Vielen Dank, dass ich im Tagebuch Ihres Urgroßvaters lesen durfte.“

„Keine Ursache. Bleiben Sie doch zum Abendessen da. Meine Schwestern würden bestimmt gern hören, was Sie herausgefunden haben. Ich glaube, Sie haben gestern ihr Interesse geweckt. Für die Mädchen ist das alles aufregend. Immerhin hört man nicht jeden Tag geheimnisvolle Familiengeschichten.“

„Es wundert mich, dass bisher niemand aus Ihrer Familie recherchiert hat, was damals wirklich passiert ist.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Meiner Urgroßmutter war es egal, warum Portia ihren Mann verlassen hatte. Grandma wollte nicht, dass darüber gesprochen wird. Deshalb ist diese Geschichte schnell in Vergessenheit geraten.“ Sie machte eine Pause. „Bleiben Sie zum Abendessen?“

Langsam wanderte sein Blick zu ihrem Dekolleté. Dann sah Dillon ihr in die Augen. „Was wird Fletcher davon halten?“

Nervös kaute sie auf der Unterlippe herum. „Es ist meine Sache, wenn ich einen Freund der Familie zum Abendessen einlade. Außerdem ist Fletcher für einige Tage verreist.“

Dillon nickte. Es war schon komisch, dass sie ihn erneut einlud. Er beschloss, sich nichts darauf einzubilden. Es war nur ein Abendessen. Solange er nicht vergaß, dass Pamela verlobt war, konnte schließlich nichts passieren. Das Problem war bloß: Je mehr Zeit er mit ihr verbrachte, desto stärker fühlte er sich zu ihr hingezogen. Er begehrte sie – obwohl er wusste, dass es falsch war.

Er schluckte. Wenn er ihr weiter in diese schönen dunklen Augen sah, würde er noch einen Fehler machen. Beschämt blickte er aus dem Fenster. Am besten beendete er seine Recherchen über Raphel so schnell wie möglich und verließ die Stadt.

Als er Pamela wieder anschaute, spürte er sofort das Kribbeln in seinem Körper. Bestimmt würde sie es nie zugeben – aber er wusste, dass sie sich ebenfalls zu ihm hingezogen fühlte. Eigentlich sollte er sie fragen, ob er das Tagebuch ins Hotel mitnehmen durfte. So könnte er Abstand zu ihr gewinnen.

Doch die Vorstellung, mit ihr und ihren Schwestern zu Abend zu essen, gefiel ihm viel besser. „Wenn Sie meinen, dass keine Probleme dadurch entstehen, nehme ich Ihre Einladung gern an.“

„Bist du sicher, dass er zum Abendessen kommt, Pammie?“, fragte Nadia aufgeregt, als sie den Tisch deckten.

Verwundert zog Pamela die Brauen hoch. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sich Nadia und Page zuletzt so über Besuch gefreut hatten. Als Fletcher zum ersten Mal bei ihnen eingeladen gewesen war, hatten ihre Schwestern beinahe das Abendessen boykottiert. Erst nachdem Pamela auf sie eingeredet hatte, waren sie bereit gewesen, sich zusammen mit Fletcher an den Tisch zu setzen.

„Ja“, erwiderte Pamela. „Er hat gesagt, dass er ins Hotel fährt, um sich umzuziehen, und dann zum Abendessen zurückkommt.“

„Hast du etwa Gefallen an ihm gefunden?“, fragte Paige lächelnd.

Verunsichert wandte sich Pamela den Mädchen zu. Obwohl sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, konnte sie ihren Schwestern wohl nichts vormachen. Sie schienen bemerkt zu haben, dass Dillon ihr gefiel. Allerdings sollten sie nicht denken, dass es etwas an ihren Hochzeitsplänen mit Fletcher änderte. „Ich muss zugeben, dass er gut aussieht. Fletcher aber auch. Allerdings heirate ich ihn nicht deswegen. So oberflächlich bin ich nicht. Ich hoffe, ihr seid es genauso wenig.“ Sie seufzte. „Ich weiß, was ihr denkt. Aber glaubt mir, ihr könnt es vergessen. Ich sage es euch ein für alle Mal: Fletcher und ich werden heiraten!“

Jillian trat an den Tisch und sagte lächelnd: „Das werden wir noch sehen.“

Genervt verdrehte Pamela die Augen. Bevor sie etwas entgegnen konnte, klingelte es an der Tür. „Das ist unser Gast. Bitte benehmt euch und vergesst nicht, dass ich mit Fletcher verlobt bin.“

Jillian verzog das Gesicht. „Bitte erinnere mich nicht daran.“

„Wir freuen uns, dass Sie heute etwas über Ihren Urgroßvater herausfinden konnten“, meinte Nadia lächelnd.

Dillon lächelte ebenfalls. Das Mädchen erinnerte ihn an seine Cousine Bailey, als sie in Nadias Alter gewesen war. Sie wirkte so unschuldig. Doch manchmal zeigte sie wie ihre Schwester Paige eine andere Seite – vor allem, wenn es darum ging, ihn mit Pamela zu verkuppeln.

Und genau das schien auch Jillians Ziel zu sein. Allerdings legte diese dabei eine größere Ernsthaftigkeit an den Tag als ihre Schwestern. Anscheinend hatte sie es sich zum Ziel gemacht, Pamela von einer Hochzeit mit Fletcher abzubringen. Und dafür schien ihr jedes Mittel recht zu sein. Bereits gestern Abend war Dillon das aufgefallen. Aus irgendeinem Grund waren die Schwestern mit Pamelas Verlobten unzufrieden.

„Möchten Sie einen Nachschlag, Dillon?“, fragte Pamela.