Brennende Erde - Erich Mühsam - E-Book

Brennende Erde E-Book

Erich Mühsam

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Beschreibung

Neuauflage der Gedichtsammlung ›Brennende Erde – Verse eines Kämpfers‹ von Erich Mühsam. Mühsam war Anarchist, Publizist und Antimilitarist. Als politischer Aktivist war er 1919 maßgeblich an der Ausrufung der Münchner Räterepublik beteiligt, wofür er zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt wurde, aus der er nach 5 Jahren im Rahmen einer Amnestie freikam. Seine Gedichte zeichnen sich durch ästhetische Qualität, hintergründigen Witz und revolutionären Gehalt aus. Mühsams Werke zählen zur Weltliteratur.

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Brennende Erde

Verse eines Kämpfers

Erich Mühsam

Brennende Erde

Verse eines Kämpfers

© 1920 by Erich Mühsam

© Lunata Berlin 2020

Inhalt

Zum Beginn

Weckruf

Freiheit und Land

Der Mahner

Hoffnung

Tolstojs Tod

Kain

Golgatha

An die Soldaten

Testament

Kalender 1912

Kalender 1913

Dichter und Kämpfer

Vermächtnis

Betäubung

Wehe der Erde

Wiegenlied

Gefährtin

Die Schlacht am Birkenbaum

Barbaren

Entlarvung

Ghasel

Klage

Hungersnot

Spruch

Weltschändung

An die Dichter

Soldatenlied

… Der für die Menschheit starb

Ode

Kriegslied

Verständigung

Lob der Tat

Epilog

Elegische Ironie

Lied der Jungen

Vision

Das Beispiel lebt

Kriegslenz

Traunstein

Die Pfeife

Dies Irae

Versöhnung

Rebellenlied

Trutzlied

Die Stimme des Gemordeten

Räte-Marseillaise

Dem Andenken Gustav Landauers

Der Gefangene

Unversöhnlich

Ruf aus der Not

Mensch sein

Rechtfertigung

Sylvester 1919

Dem treuesten Kameraden,

dem tapfersten Kampfgenossen,

der Gefährtin in Glück und Not

meiner Zenzl

zugeeignet.

Zum Beginn

Januar 1909

(Geleitwort zu Gustav Landauers Zeitschrift „Der Sozialist")

Wollt ihr die Freiheit, so seid keine Knechte!

Wollt ihr das Glück, so schaffet das Rechte!

Wollt ihr die Früchte, so ackert die Saat!

Wollt ihr das Leben, so leistet die Tat!...

Pestluft lagert über der Welt;

um das Große drängt sich die Kleinheit;

trübe Dünste verfinstern die Reinheit,

und der Mensch ist vom Haß entstellt.

Um das Daseins armselige Brocken

sind alle Fäuste wütend geballt.

Denn die Not schleicht auf leisen Socken, –

und Not ist hungrig und krank und kalt.

Gute Menschen sind Räuber geworden,

Denn sie haben, was andere entbehren.

Gute Menschen sengen und morden,

denn sie schützen, was andre begehren.

Friedliche Menschen sind tobende Horden,

freie Menschen sind Sklaven geworden, –

und Gottes gepriesenes Ebenbild

ward zum reißenden Tier, raubgierig und wild.

Blutend am Boden wimmert der Geist.

Denn die Fäuste haben die Macht, –

und unter den Hieben der Fäuste zerreißt

das Licht des Geistes – und sinkt in die Nacht.

Und um die Stirne schlingt sich ein Netz

und schnürt dem Denken den Atem zusammen

und tötet der Seele flackernde Flammen

und fesselt das Fühlen – und heißt Gesetz.

Und die da stöhnen in tausend Wunden,

die sie einander im Hasse geschlagen,

und die einander vor Gott verklagen, –

sie werden von einer Kette gebunden...

Und doch sehnt sich der Mensch nach Glück,

und sehnt sich nach Freiheit und sehnt sich nach Leben,

und möchte als Freund zum Menschen zurück,

und möchte den Geist zur Freude erheben!

Möchtet ihr, Menschen? Wohl! Reckt eure Köpfe!

Öffnet die Augen! Dehnt eure Brust!

Fühlt euch als freie, als eigne Geschöpfe!

Wollet die Freiheit! Wollet die Lust!

Alles Geschehens Geheimnis ist Wollen.

Wollt euer Glück! Erwacht! Erwacht!

Die Wellen nur fließen, die Steine nur rollen,

die eine Kraft zur Bewegung gebracht.

Menschen! Besinnt euch auf eure Kraft!

Zur Arbeit, die Frieden und Freude schafft!

Eine Welt der Freiheit ist zu gewinnen, –

und der erste Schritt zum Glück heißt: Beginnen!

Weckruf

1909

Die Augen auf! Erwachen

aus Druck und Zwang und Staat!

Ihr Armen und ihr Schwachen,

besinnt euch auf die Tat!

Die ihr dem Herrn den Spaten führt,

die Häuser baut, das Feuer schürt, –

sehnt ihr euch nicht nach Brot und Land?

Den eignen Spaten in die Hand!

Fort mit der Fessel, die euch band!

In Reihen, Kameraden!

Die ihr die Arbeit haßt,

mit der man euch beladen, –

werft von euch eure Last!

Werft sie, wohin sie fallen mag!

Schafft selbst euch euern Arbeitstag!

Pfeift auf des Herren Dienstgebot!

Nicht ihm – euch selbst backt euer Brot!

Nicht ihn – euch selbst helft aus der Not!

Ans Werk! Die Kinder schreien

nach Brot und Bett und Kleid!

Ans Werk, sie zu befreien

Aus ihrem Weh und Leid!

Ans Werk ihr Männer und ihr Frauen!

Den Kindern gilt’s die Welt zu bauen!

Mensch, fühl dich Mensch und sei kein Hund!

Freiheit auf freiem Ackergrund!

Dem Volk den Boden! Schließt den Bund!

Freiheit und Land

1910

Es schwillt die Kraft. Der Arm greift aus.

Die Sense schwingt sich übers Feld.

Der Schweiß quillt aus der Stirn heraus.

Doch nicht erlahmt die die starke Hand

des Arbeitsmanns. Es denkt der Held:

Freiheit und Land!

In Schwaden liegt das Korn gemäht.

Der es geackert, fährt es heim.

Noch einmal schweift sein Auge, späht,

wo hoch und stolz die Ähre stand.

Noch einmal formt sein Mund den Reim:

Freiheit und Land!

Die Sonne überstrahlt die Flur,

die sich nach neuem Samen sehnt.

zumMenschen flüstert die Natur,

zum Menschen, der die Garben band,

dem Sehnsucht alle Muskeln dehnt:

Freiheit und Land!

Der Mahner

1910

Wo bleibt ihr nur, Genossen meiner Zeit?

Ich schau zurück und kann euch kaum noch sehn.

Ein wirres Stimmentosen hör ich weit,

weit hinter mir und kann es nicht verstehn.

Ich ruf euch zu, doch euer Echo fehlt

den Laut, der rein aus meiner Stimme klingt.

Ich wink euch her. Doch ihr, wie unbeseelt,

horcht tauben Ohrs, ob euch ein Stummer singt.

Vergebne Zeichen! Aus den Zähnen pfeift

mißtönig euer ärgerlicher Spott.

Kommt nie die Zeit, da ihr die Zeit begreift?

Tritt nie aus finstern Kirchen euer Gott?

Hoffnung

1910

Von meiner Hoffnung laß ich nicht,

ich ließe denn mein Leben,

daß einmal noch das Weltgericht

ein Lächeln muß umschweben.

Und kann es nicht durch Gott geschehn,

daß sich die Menschheit liebe,

so muß es mit dem Teufel gehn,

dem sich die Welt verschriebe.

Der Teufel hol Gesetz und Zwang

samt allen toten Lettern!

Er leih dem Geiste Mut und Drang,

die Tafeln zu zerschmettern!

Am Anfang trennte Gottes Rat

die Guten von den Bösen.

Am Ende steht die Menschentat,

den Gottesbann zu lösen.

Stumm starrt der Weltengeist und friert,

wo wild Begriffe toben.

Wenn einst das Wort die Tat gebiert,

wird er uns lächelnd loben.

Tolstojs Tod

(am 20. November 1910)

Die Liebe ist verwaist. Ihr stärkster Hort,

ihr Schützer, ihr Prophet, ihr Held, ihr Sohn,

die menschgewordne Liebe selbst ging fort.

Das Herz der Welt erbebt in seinen Festen,

erschüttert von des Worts Posaunenton,

vom Testament des Weisesten und Besten.

Er ging, wie nie ein Mensch noch sterben ging,

nicht müde flüchtend, nicht mit Todesbeben;

er sprengte seines Daseins goldnen Ring,

zu einen seines Herzens mächtigen Schlag

mit dem der Welt. – An seinem Sterbetag

grüßt ihn der Sieg des langen Kampfs: das Leben...

Noch schläft die Sonne hinter Reif und Frost;

vereiste Wege, nur vom Schnee erhellt,

durchkreuzen bleich und lang erfrorne Gründe.

Durch den Novembermorgen pfeift und gellt,

wie Atemstöße roher Menschensünde,

von Schmerz und Wollust heulend der Nordost.

Da trappeln Pferde. Eine Wagenspur

spult flimmernd sich im schneeigen Boden ab.