Briefe aus dem Gefängnis - Rosa Luxemburg - E-Book

Briefe aus dem Gefängnis E-Book

Rosa Luxemburg

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Beschreibung

Rosa Luxemburg schrieb während ihrer Haft zwischen 1916-1918 mehrfach an Sophie Liebknecht. Hin- und hergerissen von ihrer inneren Radikalität und der äußeren Realität vertraut sich die Jüdin und Kommunistin ihrer Freundin an. Entstanden sind revolutionäre Zeitdokumente von hohem Seltenheitswert. Ein mutiges Projekt zwischen Politik und Poesie. Mit Illustrationen.

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Briefe aus dem Gefängnis

TitelseiteROSA LUXEMBURGBriefe aus dem GefängnisZur EinführungFaksimile. Auszug aus dem Brief vom 20. Juli 1917.Aus Leipzig.Aus Berlin.Aus Wronke.Leseprobe aus dem Debüt-Roman »Das Leben des Max Schmidt: Neuanfang« von MaxImpressum

ROSA LUXEMBURG

Briefe aus dem Gefängnis

Zur Einführung

Drei Jahre und vier Monate hat Rosa Luxemburg während des Krieges im Gefängnis verbracht, ein Jahr — vom Februar 1915 bis Februar 1916 — im Berliner Weibergefängnis (Barnimstraße) für eine in Frankfurt a. M. gehaltene Rede über die Soldatenmisshandlungen, dann zwei Jahre und vier Monate (vom 10. Juli 1916 bis zum 10. November 1918) in »Schutzhaft« in Berlin, Wronke und Breslau. Sie war ganz von der Außenwelt abgeschnitten, nur Bücher und Briefe, die strenge Zensur passiert hatten, durften sie erreichen. Einmal im Monat war Besuch unter strenger Aufsicht gestattet.

Die Kraft der mutigsten Vorkämpferin des Proletariats sollte gebrochen und ihre weckende, die Lüge geißelnde, die Wahrheit wissende Stimme sollte zum Schweigen gebracht werden. Beides misslang. Dieser stählerne Wille erschlaffte nicht. Rosa Luxemburg hat in diesen Gefängnisjahren unermüdlich gearbeitet. — Die unsagbare Einsamkeit endloser Tage und Nächte sammelte alle Kräfte ihres Geistes und ihrer Seele. Die Leidenschaft der Erkenntnis ließ ihre Stimme zu Fanfarentonen anschwellen: die berühmte »Junius-Broschüre«, die hinter Gittern entstand, war nicht der einzige Weckruf, der den Weg aus dem Gefängnis fand. Flugblätter, Aufrufe und wesentliche Beiträge zu den »Spartakus Briefen« wusste Rosa Luxemburg ihren politischen Freunden zu übermitteln. Durch aufreibende illegale Korrespondenz und Arbeit suchte sie von ihrer Zelle aus die revolutionäre Entwicklung der deutschen Arbeiter tu lenken.

Doch weder ihre wissenschaftliche noch ihre agitatorische Arbeit aus diesen furchtbaren Jahren soll hier gewürdigt werden. Hier gilt es, der Jugend, den Arbeitern, all denen, für deren Wohl und Freiheit sie kämpfte, litt und starb — durch feige Verbrecherhände starb — die ganze Seele der Vielverleumdeten zu zeigen. Hier schwindet die Scheu vor Preisgabe persönlichen Lebens. Diese privaten Briefe sind keine Privatbriefe mehr. Wer die Wissenschaftlerin und Kämpferin Rosa Luxemburg kennt, kennt noch nicht alle Seiten ihres Wesens. Die Briefe aus dem Gefängnis runden das Bild. Die Anhänger und Mitkämpfer Rosa Luxemburgs haben ein Recht darauf, den Reichtum ihres unermüdlich quellenden Herzens zu kennen. Sie sollen sehen, wie diese Frau, über ihren eigenen Leiden stehend, alle Wesen der Schöpfung mit verstehender Liebe und dichterischer Kraft umfängt, wie ihr Herz in Vogelrufen erzittert, wie Verse beschwingter Sprache in ihr wiederklingen, wie Schicksal und tägliches Tun der Freunde in ihr geborgen sind. So stellen wir das Denkmal auf, das die Tote sich selbst errichtet hat.

Die Herausgeber.

Berlin, August 1920.

Überbleibsel eines Revolutions-Plakates 100 Jahre nach dem Tod von Rosa Luxemburg

am Tor des Friedhofes Friedrichsfelde in Berlin-Lichtenberg, wo sie begraben liegt.

Foto: Caroline Stern.

Faksimile. Auszug aus dem Brief vom 20. Juli 1917. 

Die in dieser Sammlung enthaltenen Briefe sind an Frau Sophie Liebknecht gerichtet.

Aus Leipzig.

Postkarte.1

Leipzig, 07. 07. 1916.

Meine liebe kleine Sonja!

Es ist heute eine drückende feuchte Hitze, wie meist in Leipzigs, — ich vertrage so schlecht die Luft hier. Ich saß vormittags 2 Stunden in den Anlagen am Teich und las im »Reichen Mann«.2 Die Sache ist brillant. Ein altes Mütterchen setzte sich neben mich, tat einen Blick auf das Titelblatt und lächelte: »Das muss ein feines Buch sein. Ich lese auch gern Bücher«. Bevor ich mich zum Lesen hinsetzte, prüfte ich natürlich die Anlagen auf Bäume und Sträucher hin, — alles bekannte Gestalten, was ich mit Befriedigung feststellte. Die Berührung mit Menschen befriedigt mich dagegen immer weniger; ich glaube, ich werde mich doch bald ins Anachoretentum zurückziehen, wie der hl. Antonius, aber — Sans tentations mehr. Seien Sie heiter und ruhig.Herzliche Grüße

Rosa.

Den Kindern viele Grüße.

Diese Karte ist die einzige Karte aus der Freiheit. Am 10. 7. 1916 folgte R. L.s Verhaftung.

 »Der reiche Mann«, von Galsworthy.

Aus Berlin.

Postkarte.

Gefängnis in der Barnimstraße, Berlin, den 05. 08. 1916.

Meine liebe kleine Sonja!

Heute, am 5. August, erhalte ich soeben Ihre beiden Briefe zusammen: den vom 11. Juli (!!) und den vom 23. Juli. Sie sehen, die Post zu mir geht länger als nach New York. Inzwischen habe ich auch die Bücher gekriegt, die Sie mir geschickt hatten und ich danke Ihnen für alles aufs herzlichste. Es tut mir sehr weh, dass ich Sie in Ihrer Lage verlassen musste; wie gern möchte ich mit Ihnen im Feld wieder ein wenig schlendern oder im Erker in der Küche auf den Sonnenuntergang blicken … Von Helmi hatte ich eine ausführliche Karte mit der Reisebeschreibung. Vielen, vielen Dank auch für Hölderlin. Aber sie müssen nicht so mit dem Gelde für mich schmeißen, das ist mir eine Pein. Auch für alle guten Sachen und die Wicken herzlichen Dank. Schreiben Sie bald, dann kriege ich es vielleicht noch in diesem Monat. Ich drücke Ihnen fest und warm die Hand. Bleiben Sie tapfer und lassen Sie sich nicht niederdrücken. Ich bin in Gedanken bei Ihnen. Grüßen Sie vielmals Karl und die Kinder. Ihre Rosa. Pierre Loti ist wunderbar, die anderen habe ich noch nicht gelesen.

Ihre Rosa.

Pierre Loti ist wunderbar, die anderen habe ich noch nicht gelesen.

Aus Wronke.

Postkarte.1

Wronke, 24. 08. 1916.

Liebe Sonitschka, dass ich jetzt nicht bei Ihnen sein kann! Die Sache trifft mich schwer. Aber, bitte, behalten Sie den Kopf oben, manches wird schon anders, als es jetzt aussieht. Jetzt müssen Sie aber fort — irgendwo aufs Land, ins Grüne, wo es schön ist und wo Sie Pflege finden. Es hat keinen Sinn und Zweck, dass Sie jetzt weiter hier sitzen und immer mehr herunterkommen. Bis zur letzten Instanz können wieder Wochen vergehen. Bitte, gehen Sie sobald wie irgend möglich Für Karl wird es sicher auch eine Erleichterung sein, wenn er Sie auf Erholung weiß. Tausend Dank für Ihre lieben Zeilen vom 10. und für die guten Gaben. Sicher werden wir nächstes Frühjahr zusammen im Feld und im Botanischen herumstreifen, ich freue mich jetzt schon darauf. Aber jetzt gehen Sie fort von hier, Sonitschka! Können Sie nicht zum Bodensee, damit Sie ein bisschen den Süden spüren!? Bevor Sie gehen, möchte ich Sie unbedingt sehen, machen Sie eine Eingabe in der Kommandantur. Schreiben Sie bald wieder eine Zeile. Bleiben Sie ruhig und heiter trotz alledem! Ich umarme Sie.R.

Für Karl tausend herzliche Grüße. Die beiden Karten von Helmi und Bobbi habe ich erhalten and mich sehr gefreut

Wronke, den 21. 11. 1916.

Meine geliebte kleine Sonitschka, ich erfuhr von Mathilde, dass Ihr Bruder gefallen ist, und bin ganz erschüttert von diesem Schlag, der Sie wieder traf. Was müssen Sie alles in der letzten Zeit ertragen! Und ich kann nicht einmal bei Ihnen sein, um Sie ein wenig zu erwärmen und aufzuheitern! … Auch bin ich unruhig um Ihre Mutter, wie sie dieses neue Leid ertragen wird. Das sind böse Zeiten, und wir haben alle eine lange Verlustliste im Leben zu verzeichnen. Jeder Monat kann jetzt wahrhaftig wie bei Sebastopol für ein Jahr zählen. Hoffentlich kann ich Sie recht bald sehen, ich sehne mich danach von ganzem Herzen. Wie haben Sie die Nachricht von Ihrem Bruder erhalten, durch die Mutter oder direkt? Und was hören Sie von dem anderen Bruder? Ich wollte Ihnen so gern durch die Mathilde etwas schicken, habe aber hier leider gar nichts, als das kleine bunte Tüchlein; lachen Sie's nicht aus; es sollte Ihnen nur sagen, dass ich Sie sehr liebe. Schreiben Sie bald eine Zeile, damit ich sehe, in welcher Verfassung Sie sind. Grüßen Sie tausendmal Karl. Ich umarme Sie herzlichst

Ihre Rosa.

Den Kindern viele Grüße!

Wronke, den 15. 01. 1917