Brigid – Café Hannah Kurzroman - Ann E. Hacker - E-Book

Brigid – Café Hannah Kurzroman E-Book

Ann E. Hacker

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Beschreibung

Die Café Hannah Kurzromane sind besondere Schmankerl für Fans der Café Hannah Reihe, die mehr über Hannahs Freundinnen erfahren wollen. Brigid O’Connor wächst in einem kleinen Ort im County Galway im Westen Irlands auf. Ihr Weg scheint vorgegeben, auch wenn sie als Büchernärrin deutlich aus der Reihe der Familie tanzt. Als sie ein Stipendium für die Universität in Dublin erhält, scheint ihr Traum, Schriftstellerin zu werden, in greifbare Nähe zu rücken. Aber zwei Kommilitoninnen machen ihr einen dicken Strich durch die Rechnung. Brigid muss schnell einen Job finden, um in Dublin bleiben zu können. Dank ihrer Freundin Corinna taucht sie ein ins literarische Leben Dublins und beginnt selbst zu schreiben. Doch erst durch die Bekanntschaft mit Hannah Jensen, einer gestandenen Bankerin, wagt sie den entscheidenden Schritt und schickt ihr Manuskript an eine Agentur.

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Ann E. Hacker

 

Brigid

Café Hannah Kurzroman

 

Brigid O’Connor wächst in einem kleinen Ort im County Galway im Westen Irlands auf. Ihr Weg scheint vorgegeben, auch wenn sie als Büchernärrin deutlich aus der Reihe der Familie tanzt. Als sie ein Stipendium für die Universität in Dublin erhält, scheint ihr Traum, Schriftstellerin zu werden, in greifbare Nähe zu rücken. Aber zwei Kommilitoninnen machen ihr einen dicken Strich durch die Rechnung. Brigid muss schnell einen Job finden, um in Dublin bleiben zu können.

Dank ihrer Freundin Corinna taucht sie ein ins literarische Leben Dublins und beginnt selbst zu schreiben. Doch erst durch die Bekanntschaft mit Hannah Jensen, einer gestandenen Bankerin, wagt sie den entscheidenden Schritt und schickt ihr Manuskript an eine Agentur.

 

 

Copyright © 2021 26|books, Auenwald

Christine Spindler

Bert-Brecht-Weg 13

71549 Auenwald

[email protected]

 

Coverfoto: © fahrwasser, Adobestock

Covergestaltung: Christine Spindler

Lektorat / Korrektorat: Christine Spindler

 

ISBN 978-3-945932-65-0

 

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form sind vorbehalten. Die Handlung und handelnden Personen, sowie deren Namen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden und/oder realen Personen ist rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Besuchen Sie uns im Internet:

http://www.26books.de

 

 

 

 

Foto: © Thomas Endl

 

Ann E. Hacker lebt seit rund 40 Jahren in München. Unter verschiedenen Pseudonymen hat sie in vielen Genres veröffentlicht: vom Münchner Sachbuch über Kinderbücher bis hin zu Romantik- und Krimi-Titeln.

Gemeinsam mit zehn anderen Autorinnen der „International Women Writing Group“ hat sie zugunsten der Deutschen Krebshilfe den Episodenroman „Lost and Found in Camden“ verfasst.

Sie liebt die Leichtigkeit der angelsächsischen Literatur und verbindet sie in „Café Hannah“ mit einer warmherzigen Lebensnähe.

Mehr Infos zu Café Hannah gibt es hier: www.cafe-hannah.de

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Brigid

Vorwort

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

XI

XII

XIII

XIV

XV

XVI

XVII

XVIII

XIX

XX

XXI

XXII

XXIII

Reihenübersicht

Lesetipp: Schuhhimmel mit Turbulenzen

Vorwort

»Café Hannah« ist eine Serie über Menschen in München (und anderswo) mit dem Café und dessen Betreiberin Hannah als Mittelpunkt. Bisher sind 4 Teile erschienen.

 

Die »Café Hannah« Kurzromane sind kleine Extra-Schmankerl, in denen einzelne Personen in den Mittelpunkt gerückt werden.

 

Es wird noch weitere Teile und Kurzromane geben.

 

Hintergründe zu den Hauptpersonen finden Sie auf www.cafe-hannah.de

 

I

Natürlich hatte ich mir schon vor Silvester 1999 Gedanken gemacht, was das neue Jahr, vor allem aber das neue Jahrtausend bringen würde. Die meisten Menschen spekulierten, dass das Internet zusammenbrechen würde, weil irgendwelche Hacker es sabotiert hätten.

Ich persönlich hatte keine großen Pläne oder Wünsche. Gesundheit natürlich, die wünschen wir uns doch alle. Aber ansonsten ging es mir gut. Irland boomte seit Jahren und ich hatte ohnehin einen krisensicheren Job in einer Bank. Ein Haus nannte ich zwar immer noch nicht mein Eigen, aber ich verstand mich hervorragend mit Corinna und Aislyn, den beiden Frauen, mit denen ich mir ein Haus teilte. Jede von uns bewohnte eine Etage, wir konnten uns also zurückziehen, wenn uns danach war. Aber die meiste Zeit verbrachten wir in Corinnas Küche, wo wir gemeinsam kochten und aßen. Und viel lachten.

Aislyn war Tänzerin in einer kleinen Tanztruppe. Als Kind hatte sie davon geträumt, Primaballerina zu werden. Sie war tatsächlich kurz davor, eine große, internationale Karriere zu starten, doch dann brach sie sich vor einer äußerst wichtigen Vorstellung den Knöchel und musste den Traum begraben. Nach einigen Monaten des Haderns, in denen sie zeitweise sogar an Selbstmord dachte, lernte sie zufällig eine Frau kennen. Zumindest dachte sie, es sei Zufall gewesen; in Wahrheit hatte ihre Mutter ein Treffen arrangiert.

Die Frau hieß Deirdre, war Mitte vierzig und veränderte Aislyns Sicht auf ihr Leben. Tatsächlich war Deirdre Psychotherapeutin, aber sie versuchte nie, Aislyn zu therapieren, zeigte ihr nur vorsichtig einen anderen Weg als den des Selbstmitleids und der Selbstausbeutung.

Aislyn schaffte es tatsächlich, sich aus dem Teufelskreis aus täglichem, stundenlangem Training, Diäten, Fressattacken und Bulimie zu befreien. Als der Knöchel verheilt war, begann sie wieder mit dem Training und finanzierte ihr Leben als Lehrerin an einer Ballettschule für Kinder. Das war auch der Zeitpunkt, zu dem sie in unser Haus zog.

Corinna hatte da schon einige Jahre darin gewohnt. Das Haus gehörte ihren Eltern; sie hatten es für ihre Tochter umgebaut, damit sie bequem mit dem Rollstuhl ein- und ausfahren konnte.

Corinna litt an einem fortschreitenden Muskelschwäche-Leiden, das dank neuer Therapien zwar nicht geheilt, aber zumindest zum vorläufigen Stillstand gebracht worden war.

Aufgrund der Erkrankung hatte sie kaum eine Schulbildung genossen, sich ihr ganzes Wissen im Laufe der Jahre angelesen. Ich selbst bin in meiner Familie als Bücherwurm verschrien. Im Vergleich zu Corinna bin ich allerdings eine Anfängerin.

Ihre Eltern hätten sie am liebsten in Watte gepackt und nicht aus dem Haus gelassen. Aber Corinna hatte den eisernen Willen, auf eigenen Füßen zu stehen – sinnbildlich gesprochen, versteht sich. Mit Mitte zwanzig holte sie das Leave Certificate nach, schrieb sich danach in ein Fernstudium in England ein und schloss mit exzellenten Noten ab.

Bis dahin hatte sie immer noch im Haus ihrer Eltern gelebt, doch als diese erkannten, dass Corinna durchaus ein selbstständiges Leben führen konnte, kauften sie ein Haus in der Nachbarschaft und passten es ihren Bedürfnissen an.

Aber nicht mehr von den Eltern umsorgt zu werden, war Corinna nicht genug. Sie hatte einen Traum, den sie mit großer Hartnäckigkeit in die Tat umzusetzen begann: Sie eröffnete eine Buchhandlung.

Ich war eingezogen, kurz nachdem sie einen passenden Laden gefunden hatte, und bekam deshalb hautnah mit, welche Hindernisse sie überwinden musste: Der Ladenbesitzer weigerte sich, eine Rampe einbauen zu lassen; als er endlich zustimmte, weigerten sich die Behörden, den Umbau zu genehmigen. Erst als Corinna damit drohte, an die Presse zu gehen, lenkten sie ein. Negative Schlagzeilen wollte niemand.

Ich unterstützte sie, so gut ich konnte, aber Corinna hat einen starken Willen und unendlich viel Geduld. 1995 eröffnete sie schließlich ihre Buchhandlung. Die war von Anfang an ein voller Erfolg, denn die Presse berichtete ausführlich darüber. Eine Frau im Rollstuhl macht sich mit einem Laden selbstständig? Das war eine Sensation.

Zunächst kamen die Menschen aus Neugier, aber viele erkannten, welches Schatzkästlein Corinna geschaffen hatte, und wurden Stammkunden. Mund-zu-Mund-Propaganda tat ihr Übriges.

Ich lernte Corinna auf einer Veranstaltung kennen. Ich lebte damals noch im Haus meines ältesten Bruders, war aber schon lange auf der Suche nach einer anderen Bleibe. Finn ist zehn Jahre älter als ich. Wir verstehen uns im Prinzip ganz gut, aber ich muss nicht ständig mit ihm zusammen sein. Hinzu kam, dass Maeve, seine Frau, zum vierten Mal schwanger war und das Haus allmählich zu klein wurde.

 

 

II

Wir sind eine typisch irische Familie, soll heißen, wir waren acht Kinder. Leider muss ich waren sagen, denn meine älteste Schwester kam 1996 bei einem Verkehrsunfall ums Leben.

Wir wuchsen in einem kleinen Ort im County Galway auf. Obwohl unsere Eltern sehr jung waren, bemühten sie sich sehr um uns Kinder. Dennoch – weiterführende Schule oder gar Studium war nicht vorgesehen. Jeder von uns sollte ein ordentliches Handwerk.

Finn, der älteste, kam Anfang der Neunziger Jahre durch einen Zufall nach Dublin. Er hatte Zimmermann gelernt und arbeitete auf dem Bau. Einer der Auftraggeber war sehr zufrieden mit seiner Arbeit und bot ihm einen Job in Dublin.

Niemand von uns war jemals in Dublin gewesen. Schon ein Ausflug nach Galway war etwas ganz Besonderes, und Erinnerungen daran wurden sorgsam gehütet. Dublin war für uns unvorstellbar weit weg, ähnlich wie London, New York oder Rio.

Dabei war unser Vater Anfang der sechziger Jahre für drei Jahre in Amerika gewesen. Leider gehörte er zu den schweigsamen Typen, sodass wir kaum etwas aus dieser Zeit erfuhren. Aber in unserem Ort war er einer der wenigen gewesen, die den Schritt in die Ferne gewagt hatten; entsprechend respektvoll wurde er behandelt.

Wie gesagt, meine Eltern reden nicht darüber, aber von Finn weiß ich, dass mein Vater die ganze Familie nach Amerika holen wollte. Warum es nicht geklappt hat, wusste auch mein Bruder nicht. Seither waren Experimente solcher Art verpönt.

Finn setzte sich letztendlich durch und ging nach Dublin. Zunächst wohnte er in einem Heim für Arbeiter und kam jedes Wochenende nach Hause. Als er ein Mädchen kennenlernte, blieb er ein erstes Wochenende in Dublin, später immer häufiger.

Da er fleißig war, verdiente er gutes Geld und konnte sich bald eine Mietwohnung leisten. Die Beziehung zu dem Mädchen ging nach einem halben Jahr in die Brüche, kurz darauf traf er Maeve. Zwei Monate später waren sie verheiratet.

Natürlich dachte jeder, dass Maeve schwanger war, tatsächlich aber kam Tomas erst eineinhalb Jahre später auf die Welt. Obwohl Finn bei ihrer Hochzeit gerade mal zwanzig, Maeve achtzehn Jahre alt war, führten sie eine gute und moderne Ehe. Da sie alle zwei Jahre ein Kind bekamen – zu Finns Leidwesen waren alle Jungs, er hätte gerne auch eine Tochter gehabt –, blieb Maeve zunächst zu Hause. Aber mein Bruder unterstützte seine Frau nach Kräften und ermöglichte ihr, sich weiterzubilden. Nach Brendans Geburt absolvierte sie erfolgreich die Prüfung zur Buchhalterin.

Als ich 1987 nach Dublin kam und zu ihnen zog, hatten sie die drei Jungs – Tomas, Brendan und Sean – und Maeve bereitete sich auf ihren ersten Job vor. Sie würde zwar nur ein kleines Rad in einer großen Firma sein, aber sie würde ihr eigenes Geld verdienen.

So sehr ich manchmal mit Finn streite, in dieser Hinsicht muss ich ihn bewundern. Er war ein modern eingestellter Mann in Zeiten, in denen viele irische Männer das Geld, das sie verdienten, verspielten oder versoffen, und ihren Frauen ein Kind nach dem anderen machten.

Es stand außer Frage, dass ich bei Finn wohnen würde. Nur unter dieser Voraussetzung durfte ich überhaupt nach Dublin gehen. Ich war schon immer der Sonderling der Familie gewesen: Nicht nur las ich viel, ich hatte auch die Empfehlung meiner Schule für ein Studium. Gegen den Willen meiner Eltern hatte ich mich um ein Stipendium beworben; als ich es tatsächlich erhielt, waren sie stolz und konnten natürlich nichts mehr dagegen einwenden.

Finn hatte inzwischen ein eigenes Haus gebaut und nach seinen und Maeves Vorstellungen aufgeteilt: Im Erdgeschoss gab es einen offenen Wohnbereich, an den eine schöne große, lichtdurchflutete Küche grenzte. Im ersten Stock lagen die Kinderzimmer sowie ein Gästezimmer, das ich bewohnte; unterm Dach schließlich hatten sie sich ein kleines Liebesnest eingerichtet. Zum Glück gab es ausreichend Toiletten und Badezimmer.

Da die Jungs noch klein waren, hatte ich weitestgehend meine Ruhe und konnte mich auf mein Studium konzentrieren. Meine Eltern hatten mir geraten, etwas Brauchbares zu studieren, etwas, womit sich später auch Geld verdienen ließe. Meine Lehrerin hingegen hatte mich gewarnt: Immerhin würde ich vermutlich mein ganzes Berufsleben damit verbringen müssen. Ich sollte also etwas wählen, was mir Freude bereitete.

Die Wahl fiel mir nicht schwer. Als Büchernärrin schrieb ich mich in englische und amerikanische Literatur ein. Die Berufsaussichten waren längst nicht so rosig wie bei Betriebswirtschaft oder Jura, aber ich war der festen Überzeugung, nach dem Studium einen Job zu finden. Am liebsten in einem Verlag, als Lektorin zum Beispiel. Bücher waren nun einmal meine Welt. Wie konnte ich ahnen, dass mir eine böse Intrige einen dicken Strich durch die Rechnung machen würde?

Aber ich greife vor. Ich war achtzehn Jahre jung, kam mir ungemein erwachsen vor und hatte doch große Angst vor dem Abenteuer Dublin und Universität. Deshalb war ich zunächst dankbar, dass Finn und Maeve mich unter ihre Fittiche nahmen. Nach einigen Monaten ging mir das jedoch auf die Nerven. Ständig musste ich sagen, wo ich hinging, mit wem und warum. Abends durfte ich das Haus nicht mehr verlassen, selbst wenn sich meine Arbeitsgruppe traf. Wenn es um seine kleine Schwester ging, war Finn leider sehr rückständig.

Es war ein unhaltbarer Zustand. Als Maeve erneut schwanger wurde und klar war, dass sie das Gästezimmer als viertes Kinderzimmer benötigen würden, machte ich mich auf die Suche nach einer anderen Bleibe.

 

 

 

 

III

Das war leichter gesagt als getan, denn für ein Zimmer in einem fremden Haus benötigte ich Geld. Geld, das ich nicht hatte. Bei Finn musste ich nichts zahlen, dafür half ich Maeve im Haushalt und mit den Kindern. Kurz überlegte ich, ob ich gezielt nach einer Familie suchen sollte, die mir kostenloses Wohnen gegen Hilfe anbieten würde, doch ich entschied mich dagegen. Ich wollte mich endlich in aller Ruhe auf mein Studium konzentrieren.

Mein Glück war, dass in diesen Jahren Irlands Wirtschaft zu blühen begann und viele Betriebe händeringend Mitarbeiter suchten. Ich bewarb mich bei verschiedenen Firmen und fand eine Tätigkeit bei einer kleinen Steuerkanzlei. Meine Aufgabe war es, Schriftstücke und Geschäftsbriefe auf Fehler hin zu überprüfen, diese außerdem zu kopieren beziehungsweise abzulegen. Der Job war langweilig, aber er wurde nicht schlecht bezahlt.

Die Suche nach einer geeigneten Bleibe gestaltete sich sehr viel schwieriger. Durch den Aufschwung kamen mehr Menschen nach Dublin, wodurch die Mieten stiegen. An manchen Abenden saß ich verzweifelt in meinem Zimmer, umgeben vom Geschrei der drei Jungs, und sah mich noch mit achtzig bei meinem Bruder wohnen.

Und wieder hatte ich Glück. Eigentlich hatte ich keine Lust, zu der Veranstaltung zu gehen, auf der junge irische Autoren vorgestellt werden sollten. Schließlich hegte ich seit Jahren den geheimen Wunsch, selbst Autorin zu werden. Ich hatte schon als Kind begonnen, mir Geschichten auszudenken oder Büchern, deren Ende mir nicht gefiel, einen anderen Schluss zu verpassen. Später schrieb ich alles in ein Heft, das ich sehr gut vor meinen Geschwistern verstecken musste. Nicht auszudenken, wenn das jemand gefunden hätte!

Da die drei Jungs an diesem Abend besonders unausstehlich waren, raffte ich mich schließlich auf und fuhr die kurze Strecke mit dem Bus zu dem Laden, in dem die Vorstellung stattfinden sollte. Ich ergatterte den letzten Stuhl in der hintersten Reihe und langweilte mich beinahe zu Tode bei dem, was die drei hochgelobten Jungstars vortrugen. Anstatt einen eigenen Stil zu entwickeln, versteiften sich alle drei darauf, unserem großen Nationaldichter James Joyce nachzueifern. Natürlich war die Mehrheit der Anwesenden begeistert – ich hegte den Verdacht, dass es sich vor allem um Verwandte und Freunde der Jungautoren handelte –, ich persönlich konnte jedoch nichts mit den seltsam steifen und verschwurbelten Texten anfangen. Habe ich erwähnt, dass es sich um drei Männer handelte? Als ob schreibende Frauen in Irland nicht existierten!

An die Vorträge schloss die obligatorische Frage- und Antwort-Runde an, die wie üblich mit Fragen wie »Ist das Werk autobiografisch?«, »Warum schreiben Sie?« oder »Woher nehmen Sie Ihre Ideen?« startete und in pseudophilosophischen Ergüssen endete, in denen die Worte Metapher und Metamorphose vorkamen und natürlich Yeats und Joyce erwähnt wurden.

Ich wäre gerne gegangen, aber ich war gefangen inmitten der Reihe, es hätte zu viel Unruhe verursacht. Ich wollte unter keinen Umständen auffallen, schon gar nicht unangenehm. Der Stuhl war hart und unbequem, meine Nachbarin zur Linken roch aufdringlich nach Parfüm, während der Typ an meiner rechten Seite ungeniert in der Nase bohrte. Am liebsten wäre ich aufgestanden und hätte laut geschrien.

Endlich war auch die letzte Frage beantwortet und man ging zum gemütlichen Teil über. Ich wollte nur noch nach Hause, auf pseudo-intellektuellen Small Talk hatte ich keine Lust. Während ich wartete, bis sich die Reihe lichtete, hörte ich neben mir eine Frauenstimme, die sagte: »Wenn das Irlands schriftstellerische Zukunft ist – na dann, gute Nacht!«

Ich war so überrascht, dass jemand denselben Gedanken hatte wie ich, dass ich mich grinsend umdrehte – und einen Mann erblickte. Irritiert blickte ich mich um und entdeckte etwas tiefer das lachende Gesicht einer jungen Frau, die im Rollstuhl saß.

»Sind Sie anderer Meinung?«, fragte sie provozierend.

Ich schüttelte den Kopf. Ich fühlte mich überrumpelt, obwohl die Frau einen sympathischen Eindruck machte. Aber ich hatte bisher so gut wie keine Erfahrung mit Behinderten gemacht. In meinem Dorf gab es einen alten Mann, der an den Rollstuhl gefesselt war. Für ihn bedeutete es, das Haus nicht mehr verlassen zu können, denn bei seinem Modell handelte es sich um eines, das nur hinten über Räder verfügte. Die Frau vor mir machte den Eindruck, als störe sie das Gefährt nicht im Geringsten.

»Äh, Entschuldigung«, stotterte ich. »Ich …«

Sie lachte. »Machen Sie sich keinen Kopf, ich kenne das. Jeder, der mich zum ersten Mal sieht, kommt ins Stolpern.« Sie legte den Kopf schräg und musterte mich. »Haben Sie Lust auf einen Schlummertrunk? Nicht hier, versteht sich. Übrigens, ich bin Corinna.« Sie reichte mir ihre Hand.

»Brigid«, sagte ich. »Freut mich.«

Ihren Begleiter stellte Corinna als Kevin, einen guten Freund vor.

Wir verließen den Veranstaltungsort, was plötzlich sehr viel schneller ging, weil alle ehrfürchtig Platz machten.

»Einer der Vorteile«, sagte Corinna lachend und zeigte auf den Rollstuhl. Ich war verblüfft, dass sie ihre Situation so leicht zu nehmen schien.

Wir verbrachten einen wunderbaren Abend zusammen und verabredeten uns sofort für den nächsten Tag. Eine Woche später unterschrieb ich den Mietvertrag für die dritte Wohnung in Corinnas Haus und zog ein.

Uns verbindet vor allem die Liebe zur Literatur und die Tatsache, dass Bücher in unserem Leben oftmals wichtiger waren als Menschen.

 

 

IV

Corinna und Aislyn standen mir in einer meiner schwersten Lebensphasen bei: Durch eine Intrige zweier Kommilitoninnen verlor ich mein Stipendium.

Ich weiß bis heute nicht, was genau mir vorgeworfen wurde. Fakt ist, dass man mir trotz aller Beteuerungen meinerseits den weiteren Erlass der Studiengebühren verweigerte. Jahre später erfuhr ich, dass eine der Studentinnen offensichtlich eifersüchtig war auf mein Verhältnis zu unserem Creative Writing-Professor, Michael McCormack. Das war absolut lächerlich, denn ich hatte kein Interesse an dem Mann, sondern nur an dem Inhalt seiner Vorlesungen und Tutorials.

Durch ihn entdeckte ich das Schreiben neu, wagte mich an erste ernsthafte Stücke und konnte sogar zwei kurze Werke in einer Literaturzeitung veröffentlichen. Ohne Honorar, versteht sich. Dennoch – der Traum vom Leben als Schriftstellerin blieb ein Traum. Dass ausgerechnet eine gestandene Bankerin mich davon überzeugen würde, den Traum in die Wirklichkeit umzusetzen, ist eine der Überraschungen, die das Leben manchmal bereithält. Aber bis dahin war es noch ein langer Weg.

Nachdem klar war, dass ich keine Unterstützung mehr erhalten würde, überlegten Corinna, Aislyn und ich, welche anderen Möglichkeiten ich hätte. Einen Kredit wollte ich nicht aufnehmen – davon abgesehen, dass mir keine Bank der Welt einen gegeben hätte. Corinna bot mir an, mir Geld zu leihen, aber sie nahm schon seit über einem Jahr Rücksicht auf mich, indem sie eine sehr niedrige Miete von mir verlangte. Ich wollte ihre Hilfsbereitschaft nicht noch mehr ausnutzen; außerdem hatten meine Eltern uns eingebläut, dass Freundschaft und Gelddinge nicht zusammenpassten.

Ich fragte in der Steuerkanzlei nach, ob sie mich eventuell in einem größeren Umfang beschäftigen könnten, aber sie lehnten ab, legten mir sogar nahe, mich nach einer Tätigkeit umzuschauen. Ich war so geschockt von dieser vollkommen unerwarteten Entwicklung, dass ich in Tränen ausbrach.

Mrs. Green, die für das Personal zuständig war, brachte mir Tee und versuchte, mich zu beruhigen. Es stellte sich heraus, dass der Sohn des Firmengründers meine Stelle einnehmen sollte. Dagegen hatte ich natürlich keine Chance.