Broken Heart - Sarah Tritsch - E-Book

Broken Heart E-Book

Sarah Tritsch

0,0
5,49 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

In deinen Armen bis ans Ende Die sechsundzwanzigjährige Thea lebt getreu dem Motto, keine emotionalen Bindungen einzugehen. Als sie jedoch eines Tages auf den attraktiven Connor trifft, der ihr Herz durch seinen Charme unvermeidlich höherschlagen lässt, ist sie dabei, all ihre Vorsätze zu vergessen. Nur dumm, dass sie einen Rückzieher macht und sich Connor kurz darauf als ihr neuer Chef entpuppt. In seinem Stolz verletzt und nach wie vor von Thea angetan, geraten die beiden immer wieder impulsiv aneinander - und doch kann sie seinen hartnäckigen Avancen nicht widerstehen. Aber kaum lässt sie Connor in ihr Herz, schleicht sich ihre Vergangenheit wieder heimlich zurück in ihr Leben und bringt jeden in ihrem Umfeld in Gefahr.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Epilog
DANKSAGUNG
DIE AUTORIN

 

 

WELTENBAUM VERLAG

Vollständige Taschenbuchausgabe

02/2022 1. Auflage

 

Broken Heart

Schatten der Vergangenheit

 

© by Sarah Tritsch

© by Weltenbaum Verlag

Rathausstr.3

79588 Efringen-Kirchen

 

Umschlaggestaltung: © 2021 by Magicalcover

Buchsatz: Giusy Amé

Autorenfoto: Privat /Magicalcover

 

 

ISBN 978-3-949640-12-4

 

www.weltenbaumverlag.com

 

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

 

Printed in Germany

 

 

 

 

Sarah Tritsch

 

Broken Heart

Schatten der Vergangenheit

 

 

 

 

 

 

 

 

Romance-Thrill

 

 

 

 

 

 

Man sieht die Blumen welken und die Blätter fallen,

aber man sieht auch die Früchte reifen und neue Knospen keimen.

Das Leben gehört den Lebendigen an,

und wer lebt, muss auf einen Wechsel gefasst sein.

 

Johann Wolfgang von Goethe

 

Kapitel 1

Ein verhängnisvoller Abend

 

Ich wusste sofort, wieso ich ursprünglich keine Lust gehabt hatte, mit auf diese Party zu kommen – der Lärm, die vielen Leute – einfach unerträglich. Doch hier standen wir nun, aufgetakelt wie die Ladys aus Sex and the City, mitten in diesem neuen Nachtclub, in dem sich die Besucher wie willenlose Teenager aneinanderdrängten. Denn nichts anderes geschah unmittelbar vor meinen Augen auf der durch grell aufflackernde Lichter beleuchtenden Tanzfläche. Manch einer, der sich nicht wollüstig an seinem Tanzpartner rieb, vollführte eine Einlage, die den Lord of the Dance alt aussehen ließ. In der Luft lag ein wildes Gemisch aus sämtlichen Parfümsorten dieser Erde und Schweiß. Trotz der frühen Nacht glich die stickig heiße, feuchte Luft hier drin der einer Sauna. Mich würde es nicht wundern, wenn bald das Kondenswasser von der Decke auf uns herabregnen würde.

Grauenhaft. Doch was tat man nicht alles für die beste Freundin, die ein Auge auf den Besitzer des Etablissements warf. Eine Freundin, die sich immer viel zu schnell verliebte und sich dann Hals über Kopf auf ihren neuen Auserwählten stürzte. Jedes Mal aufs Neue endete das mit Liebeskummer – allerdings ohne, dass sie daraus lernte. Die meisten Typen, die sofort mit einem ins Bett steigen wollten, suchten in der Regel nicht nach einer festen Beziehung. Auch meine rügenden, wenn auch liebevoll gemeinten Worte, vermochten hier keine Einsicht zu bringen. Ihr Temperament stürzte sie immer wieder in Situationen, die sie auch stets durchziehen wollte. Als das krasse Gegenteil von ihr beneidete ich sie hin und wieder. Jedes noch so kleine Vorhaben, jede noch so kleine Entscheidung wägte ich genauestens ab. Spontanität kam in meinem Wortschatz eigentlich nicht vor. Es sei denn, Liza wandte ihre ganzen Überredungskünste an – so wie heute Abend.

Der Club The Devils feierte heute seine Neueröffnung und schien, dem Gedrängel nach zu urteilen, einen bombastischen Start hinzulegen. Bereits nach einer Stunde, so hörten wir, hatte der Türsteher keine Leute mehr in den Club gelassen.

»Ein Glück, dass wir auf der Gästeliste standen«, rief mir meine Freundin über den ohrenbetäubenden Lärm, den der DJ Musik nannte, hinweg zu.

Oder Pech, dachte ich, je nachdem, aus welcher Sichtweise man es betrachtete, ließ mir aber ihr zuliebe mein Unbehagen nicht anmerken.

Gut gelaunt grinste sie vor sich hin und sah sich suchend um.

»Hast du deinen Auserwählten noch nicht entdeckt?«

Mit geschürzten Lippen und gerecktem Hals über die Menge spähend, schüttelte sie den Kopf und strich dabei ihr platinblondes, glattes Haar hinter die Ohren. Zwar konnte ich nicht hören, aber sehen, wie sie daraufhin seufzte.

»Wenn der Kerl nur annähernd so für dich schwärmt wie du für ihn, dann wird er sicher auch nach dir Ausschau halten.« Über die Musik hinweg schrie ich ihr ins Ohr. So dicht an der Tanzfläche stehend, hörte ich meine eigenen Gedanken kaum noch. »Dann muss ich mir endlich nicht mehr tagtäglich deine viel zu detaillierten Schulmädchenschwärmereien über ihn anhören«, sagte ich eine Spur leiser, als ich mich wieder etwas von ihr abwandte.

»Hey, das hab ich gehört.« Freundschaftlich boxte sie mir gegen den Oberarm und ich grinste entschuldigend. »Gib’s zu! Du bist doch auch schon ganz aufgeregt ihn mal kennenzulernen.«

»Klar, aber nur um zu wissen, ob du nicht völlig übertrieben hast. Wie damals bei dem Typen aus dem Internet, den du mir als Zac Efron beschrieben hast, aber eigentlich aussah wie der Glöckner von Notre-Dame.«

»Erinnere mich bloß nicht daran.« Stöhnend verdrehte sie die Augen. »Das Internet ist einfach nur voller Betrüger und Blender.«

Nach dem Verschaffen eines kurzen Überblicks setzten wir uns in Richtung der Bar in Bewegung. Intuitiv nahm meine Freundin mich bei der Hand und stürmte drauf los ins Gemenge. Während ich meinen Körper so schmal wie möglich formte, um nicht einen der verschwitzten Zeitgenossen anzurempeln, drängte sie sich breitschultrig mit ausgefahrenen Ellenbogen zur Platzschaffung hindurch. Erleichtert erreichten wir die Bar im hinteren Bereich des Clubs und ich wagte, nun endlich wieder auszuatmen. Hinter dem schwarzen auf Hochglanz polierten, mehrere Meter langen Tresen reihten sich vor uns hunderte edle Flaschen an Alkoholika und teuren Spirituosen aneinander. Das Licht in einem satten, warmen Orange gedämmt, verlieh dem Barbereich eine schummrige, wenn auch einladende Atmosphäre.

»Die Getränke gehen auf mich«, rief ein großer stattlicher Mann Mitte 30, der sich durch die Meute direkt auf uns zu schlängelte.

Er trug ein schlichtes schwarzes Hemd, die Knöpfe nicht komplett bis oben geschlossen, und eine dunkelgraue maßgeschneiderte Anzughose. Dem plötzlichen, etwas schmerzhaften Stoß in meiner Rippengegend nach zu urteilen, der von Lizas spitzem Ellenbogen ausging, mutmaßte ich, dass es sich hierbei um Mr. Perfect höchstpersönlich handelte – zu meiner Erleichterung, denn so mussten wir nicht den ganzen Abend nach ihm suchen.

Aufgrund seines Aussehens verstand ich schnell, was Liza an ihm fand. Er gehörte genau zu der Sorte Mann, die meine Freundin als idealen Traummann klassifizierte. Dieses Mal hatte sie nicht übertrieben. Mit seinem dunklen zurückgelegten Haar, vereinzelt mit grauen, dünnen Strähnen durchzogen, wirkte er sehr smart, elegant und attraktiv.

Ihr ganzer Körper versteifte sich schlagartig neben mir. Nervös tapste sie von einem auf den anderen Fuß. Am liebsten hätte ich amüsiert die Augen verdreht. Typisch Liza!

Als er vor uns stand, schenkte er ihr ein strahlendes Lächeln und präsentierte seine weißen Zähne, als würde er Werbung für eine Zahnpasta machen. »Liza, schön Sie zu sehen.« Dabei küsste er sie zur Begrüßung sanft auf die Wange. »Es freut mich, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind. Und wie ich sehe, sind Sie in Begleitung gekommen?«, sagte er mit einem kurzen, aber freundlichen Seitenblick auf mich.

Liza, die so breit lächelte, dass ich befürchtete, dieses Lächeln würde in ihrem Gesicht für immer festfrieren, gab einen seltsamen Laut von sich, bevor sie sich wieder einfing. Ich hoffte, dass er das bei der lauten Musik nicht hörte. Kurzerhand entschied ich, meiner Freundin etwas unter die Arme zu greifen und mich selbst vorzustellen.

»Hi, ich bin Thea. Vielen Dank für die Einladung. Ihr Club ist wirklich toll geworden.«

Er schüttelte mir die Hand und nickte dankend. »Ja, das kann man wohl sagen. Mein ganzer Stolz. Aber ohne ihre Freundin wäre es sicher nicht annähernd so schön geworden.« Versonnen schweifte sein Blick selbst kurz herum, bevor er anerkennend zu Liza, die bis über beide Ohren strahlte und sichtlich verlegen abwinkte, blickte. Denn Lizas Arbeitgeber und somit sie verantwortete die Ausstattung und Inneneinrichtung des Clubs.

»Ich bin froh, dass Sie zufrieden sind und alles Ihren Vorstellungen entspricht, Mr. Grant.« Den Kopf schief gelegt, ertönte ihre Stimme in ungewöhnlich hoher Tonlage. Für meine Verhältnisse etwas zu hoch.

»Ach bitte, nennt mich Tom«, forderte er uns grinsend auf, woraufhin er Lizas Hand für einen kurzen Moment in die seine nahm und die andere behutsam obendrauf legte. Wie diese strahlend nickte und neben mir erschauderte, konnte ich deutlich spüren. Dass meine Freundin auch Tom faszinierte, stand außer Frage – seine leuchtenden Augen sprachen Bände.

»Du hast wirklich tolle Arbeit geleistet und solltest den Club komplett in Aktion sehen. Darf ich den Damen eine Privatführung geben?« Mit einem ausgestreckten Arm zeigte er kurz in die Tiefen seines Clubs.

Augenblicklich warf Liza mir einen vielsagenden Blick zu. Mein Stichwort.

»Vielen Dank, Tom, aber ich gehe mir erst einmal die Nase pudern.« Meiner Freundin heimlich zuzwinkernd rückte ich den feinen Gurt meiner Handtasche auf der Schulter zurecht.

»Na schön. Wollen wir dann?«, fragte er an Liza gewandt und bot ihr seinen Arm zum Einhaken an. Sie zögerte keine Sekunde.

Bevor Tom und sie in der Menge verschwanden, drehte sie sich noch ein letztes Mal mit dankendem Blick zu mir um und zog ein Gesicht, als würde sie auf der Stelle in Ohnmacht fallen. Dieses Mal konnte ich mir ein genervtes, wenn auch zugleich amüsiertes Augenverdrehen nicht verkneifen. Sie glücklich zu sehen, machte mich glücklich.

Da ich nicht wirklich vorhatte, mir die Nase pudern zu gehen, was auch immer das heißen mochte, und schon gar nicht mich eine geschlagene halbe Stunde in die Warteschlange vor der Damentoilette einzureihen, zog ich mir einen der hohen Barhocker mit schwarzem Lederbezug heran. Ermüdet setzte ich mich an die lange Theke und stütze meine Ellenbogen ab, um mein Kinn auf den Händen abzulegen. Ein nächtlicher Clubbesuch, der sowieso nicht gerade zu meiner Lieblingsbeschäftigung zählte, und ein anstrengender Tag auf der Arbeit forderten ihren Tribut. Bislang versuchte ich stets, solche Abende, so gut es ging, auf ein Minimum zu beschränken. Die vielen Leute, die einen betrunken anrempelten oder gar ihr Getränk über einen verschütteten, ertrug ich nur ungern. Aber was tat man nicht alles für seine einzige Freundin?

Keine fünf Minuten Platz genommen, verspürte ich plötzlich einen stechenden Blick in meinem Nacken. Ich drehte mein Gesicht zu meiner Rechten und blickte direkt in die schönsten blauen Augen, die ich je zuvor gesehen hatte und deren Besitzer mich tatsächlich unverfroren anstarrte. Nicht der Hauch von Verlegenheit trat auf sein Gesicht, als er bemerkte, dass ich ihn dabei ertappte. Vielmehr quittierte er dies mit einem unverschämt anziehenden Lächeln. Mit einer Flasche Bier in der Hand lehnte er sich mit seinem Oberkörper lässig gegen die Theke und rückte ohne Aufforderung etwas näher.

»Sieht so aus, als hätte deine Freundin dich alleine gelassen«, merkte er ungeniert an und genehmigte sich einen Schluck, was mir einen guten Ausblick auf seinen ausgeprägten zuckenden Adamsapfel verschaffte.

Hatte er mich etwa schon die ganze Zeit über beobachtet?

Ganz schön unheimlich.

Unbeeindruckt und eine Spur genervt, zog ich die Brauen nach oben und wollte mich gerade ohne eine Antwort wieder von ihm abwenden, als er noch näherkam und seine linke Hand sanft auf meine nackte Schulter legte. Wie ein einschlagender Blitz durchfuhr es meinen Körper - unverhofft und ohne Vorwarnung. Ein Kribbeln arbeitete sich entlang meiner Wirbelsäule wohlig von oben nach unten hinauf und ließ mich erschaudern. Erschrocken zuckte ich zurück und er entfernte seine Hand wieder.

»Verdammt, lass gefälligst deine Hände bei dir und fingere an dir selbst herum!«, giftete ich ihn zornig an – gleichzeitig völlig irritiert von der Wirkung seiner sanften Berührung auf mich, sodass ich mich nicht weiter von der Stelle rührte.

Entschuldigend hob er die Hand. »Bitte verzeih mir! Ich wollte dich lediglich fragen, ob du etwas mit mir trinken möchtest. So wie es aussieht, wurden wir beide gerade sitzen gelassen.« Auf seine Erklärung hin schürzte ich misstrauisch die Lippen und verengte die Augen ein wenig.

»Deine Freundin, die kleine Blonde, ist gerade mit meinem Kumpel abgezogen.« Ein Finger der Hand, die den Hals der Bierflasche umschloss, winkte in die Richtung, in der die beiden verschwunden waren.

»Mit Tom?« Argwöhnisch beäugte ich ihn. Die Musik dröhnte so laut aus den Boxen, dass ich die Frage fast schreien musste.

»Ja, Thomas Grant. Ihm gehört der Club. Ich sollte ihm heute Abend bei der Eröffnung zur Seite stehen. Aber wie es aussieht, wurde ich wohl soeben ausgetauscht. Was ich ihm in Anbetracht der Tauschperson nicht verübeln kann.« Schulterzuckend und zwinkernd grinste er mich an und meine Miene hellte sich zögerlich etwas auf.

»Ich bin Connor«, stellte er sich kurzerhand vor. Sich seiner Bierflasche entledigt, reichte er mir seine Hand, die ich nach dem jüngsten Vorfall skeptisch betrachtete, jedoch versöhnlich entgegennahm.

Immerhin war er der Freund von Lizas Mr. Perfect. Sie würde mir ganz sicher die Hölle heiß machen, wenn ich mich mit dessen Kumpel sofort von Anbeginn auf Kriegsfuß begab.

»Thea.« Wortkarg erwiderte ich die Vorstellungsrunde und kam dabei nicht umhin, ihn genauer zu betrachten. Damit begann ich einen gottverdammten Fehler.

Denn nicht nur seine strahlenden Augen, die sicher aus Tausenden herausstechen würden, sondern auch sein Mund, mit den vollen, perfekt geschwungenen Lippen, die weich und einladend wirkten, machten den Mann zu einem absoluten Hingucker. Lizas Mr. Perfect sah im Vergleich zu seinem dunkelblonden, großen Kumpel hier wie Thors kleiner Bruder Loki aus.

»Und?«, riss er mich aus meiner Trance, ausgelöst von seinem engelsgleichen Erscheinungsbild, heraus.

Wie paralysiert, hatte ich kein Wort von ihm vernommen.

»Wie bitte?«

Sofort schoss mir die Schamesröte ins Gesicht. Dass ich ihn mit den Augen förmlich ausgezogen hatte, war ihm wohl nicht entgangen, so breit wie er grinste.

Was war bloß los mit mir? Hatte mich Liza etwa angesteckt?

Schnell versuchte ich mich wieder zu fangen, um mir nichts mehr anmerken zu lassen, und tat so desinteressiert wie nur möglich. Was sich als schwer herausstellte, da meine Augen, wie von einem Magnet angezogen, ihn immer wieder genauestens betrachteten. Denn als ob dieses Gesicht eines wahr gewordenen Traums nicht schon genügte, so besaß er auch noch den Körper eines Adonis. Breite Schultern, kräftige Oberarme und eine wohlgeformte Männerbrust, an die man sich am liebsten anschmiegen würde, zeichneten sich unter seinem taillierten weißen Hemd ab, das locker in seiner dunklen, engen Jeans steckte.

»Möchtest du nun etwas mit mir trinken?«, wiederholte er seine Frage nochmals laut für mich und fixierte mich eindringlich mit diesen unverschämt tiefen blauen Augen, die dem karibischen Meer gleichkamen.

Ohne zu wissen, was ich tat, nickte ich und hielt kurz darauf ein Martini in der Hand. Der Freund des Clubbesitzers zu sein, brachte wohl so seine Vorzüge mit sich. Denn Connor wurde vom Barkeeper namentlich begrüßt und sofort bedient. Andere hingegen standen dafür minutenlang an der Bar, um die Aufmerksamkeit der Barkeeper auf sich zu ziehen und ihre Bestellung abgeben zu können.

Connor nahm derweil ebenfalls auf einem der Barhocker direkt neben mir Platz und wandte mir seinen Körper zu, sodass seine Knie leicht meine Oberschenkel streiften. Eine völlig unschuldige, doch bei mir eine große Anspannung auslösende Berührung.

»So, Thea, was verschlägt dich in diesen Club?« Er griff wieder nach seinem Getränk. Dabei ließ er mich keine Sekunde aus den Augen, woraufhin ich unaufhörlich an dem runden Anhänger meiner silbernen Halskette herumspielte.

»Meine Freundin Liza hat für ihren Freund gearbeitet. Soweit ich weiß, half sie mitunter bei der Ausstattung des Clubs. Er hat sie zur Eröffnung eingeladen, und sie hat mich gezwungen mitzukommen.«

»Gezwungen?« Er lachte. Ein raues, herbes Lachen, dessen basshaltige Nuance meinen Körper vibrieren ließ. »Scheint fast so, als würdest du nicht allzu gerne in Clubs gehen?«

Entschuldigend zuckte ich mit den Schultern. »Um ehrlich zu sein - ja. Das ist nicht so ganz meine Welt.«

»Und was ist so deine Welt?« Er setzte ein ernsthaft interessiertes Gesicht auf, was mich sehr verwunderte.

Tatsächlich wollte er sich wohl unterhalten und nicht nur oberflächlichen Smalltalk führen. Dennoch kam die persönliche Frage sehr überraschend und ich überlegte einen Moment mit geschürzten Lippen – den Blick auf die durchsichtige Flüssigkeit in meinem Glas gerichtet.

»Um ehrlich zu sein, verbringe ich lieber die Abende zu Hause mit einem guten Buch oder mit meiner Freundin Liza irgendwo, wo man sich nicht durch hunderte von schwitzenden Körpern durchzwängen muss und sich auch in einer normalen Lautstärke unterhalten kann«, erklärte ich laut, um gegen den Geräuschpegel anzukommen.

»Waaas?« rief er und hielt sich gespielt die Hand ans Ohr, was mich ungewollt zum Lachen brachte. »Ich verstehe, was du meinst.« Grinsend stützte er seinen Unterarm auf dem Tresen ab. »Die basshaltige Lautstärke in solchen Clubs ist echt heftig und noch zu Hause im Bett dröhnen dir die Ohren. Als mir Tom von seiner Idee, einen Nachtclub zu eröffnen, erzählt hatte, konnte ich das überhaupt nicht nachvollziehen. Fast jede Nacht durchmachen, dann dieser Lärm, die vielen Betrunkenen.« Verständnislos schüttelte er den Kopf und trank noch einen Schluck aus der grünen Flasche. Dabei beobachte ich ihn in seiner Bewegung und nutzte die kurze Zeit, nochmals ungeniert sein Gesicht in Augenschein zu nehmen. Sein ausgeprägtes Kinn, seine markanten Wangenknochen und seine hohe Stirn machten ihn ungemein ansehnlich. Der leichte Bartschatten, der seine weiche, braungebrannte Haut zierte, verliehen ihm eine herbe Männlichkeit. Hastig wandte ich meinen Blick wieder ab und betrachtete verunsichert meine Finger, die den rutschigen Stiel meines Martini-Glases auf und ab fuhren.

Wieso musste er bloß so verdammt gut aussehen?

Unruhig huschten meine Augen über das helle Ziffernblatt meiner Armbanduhr. Liza ließ schon eine ganze Weile auf sich warten. Ich konnte nur hoffen, dass sie schleunigst wieder auftauchte und mich aus dieser prekären Lage befreite.

»Die beiden haben es wohl nicht sonderlich eilig, uns wieder mit ihrer Gesellschaft zu beglücken, was?«, raunte er dicht an meinem Ohr, als wäre ihm mein versucht unauffälliger Blick auf die Uhr nicht entgangen. So nah zu mir herübergebeugt, atmete ich seinen betörenden Duft nach intensiv-aromatischem Aftershave, den ein Hauch Bergamotte perfekt unterstrich, ein.

Ich schluckte schwer und brachte nur ein »Mhm« heraus, um danach sofort wieder auf meine Finger zu blicken, als gäbe es in diesem Moment nichts Interessanteres als die Farbe meines Nagellacks.

»Wieso habe ich das Gefühl, dass du dich in meiner Gegenwart unbehaglich fühlst?« Während er sich wieder etwas zurücklehnte, streifte seine Hand für einen ganz kurzen Moment unschuldig meinen Oberschenkel und hinterließ eine Gänsehaut, gefolgt von einer Hitze, die meinen ganzen Körper durchfuhr.

»Wa- Was?«, stotterte ich, überrascht von seiner doch sehr direkten Art. Ich zwang mich, ihm wieder in die Augen zu sehen. Machte er mich so offensichtlich nervös? Und wieso überhaupt tat er eben genau das?

Nicht zum ersten Mal unterhielt ich mich mit einem gutaussehenden Mann, wenngleich ich mir eingestehen musste, dass keiner jemals solch eine Welle des Prickelns in mir ausgelöst hatte. Was war bloß los mit mir?

Meine eindeutige Reaktion zeigte Wirkung auf ihn. Verwegen grinsend, sodass sich mein Bauch zusammenzog, stützte er seinen Kopf schräg auf der Hand ab. Herrje, er sah so verdammt gut aus und …

Ohne den Satz zu Ende zu denken, schüttelte ich den Gedanken eilig von mir ab und sprang vom Barhocker auf. »Ich sollte wohl besser nach meiner Freundin sehen.« Meine Worte, nach denen ich ihn ohne Vorwarnung an Ort und Stelle zurückließ, überschlugen sich.

Seinem verdutzten Gesicht nach zu urteilen, hatte er mit meiner plötzlichen Flucht nicht gerechnet. Kaum die ersten Meter in Richtung, keine Ahnung in welche Richtung, ich kannte mich ja hier nicht aus, zurückgelegt, spürte ich eine bekannte raue, doch zugleich weiche Hand, die sachte mein Handgelenk umschloss und mich zwang, ihn anzuschauen.

»Ich werde dir bei der Suche helfen. Lass uns in der VIP-Lounge nachsehen.«

Ohne Abwarten meines Protests ergriff er meine Hand, verschränkte wie selbstverständlich seine Finger mit meinen und zog mich durch die Menge hinter sich her. Dabei achtete er genau darauf, mir den Weg frei zu räumen, damit keiner der stark alkoholisierten Gäste mich anrempelte. Er musste sich meine Worte von eben wohl gemerkt haben. Sehr aufmerksam.

Am anderen Ende des Clubs angelangt, führte er mich ein paar Stufen nach oben in einen abgeschiedenen, etwas ruhigeren Raum, in dem die Musik von der Tanzfläche nur leise durch ein paar an der Decke befestigten Boxen drang. Mehrere schwarze Ledersessel und eine langgezogene Ledercouch luden hier gemütlich zum Ausspannen ein. Das Licht, das über der Tanzfläche unruhig in grelles Blau – und Rottönen aufleuchtete, rundete hier die gemütliche Atmosphäre in gedimmtem warmem Gelb ab. Nach einem leuchtturmartigen Rundblick stellten wir schnell fest, dass unsere Freunde sich hier nicht aufhielten. Nur vereinzelt saßen ein paar Männer und Frauen in Grüppchen um die Tische herum, vertieft in angeregte Unterhaltungen.

»Hier sind sie wohl nicht«, sprach er das Offensichtliche aus und blickte mich einen Moment nachdenklich an, wobei seine strahlenden Augen über mein Gesicht huschten und auf meinen wieder einmal aus Unsicherheit geschürzten Lippen hängen blieben.

»Sollen wir ihnen vielleicht noch etwas Zeit geben?« Hoffnungsvoll blickte er mir wieder fest entschlossen in die Augen. »Sie werden bestimmt bald zu uns stoßen.«

Verdattert sah ich ihn an. War mein sprunghafter Fluchtversuch gerade nicht deutlich genug gewesen?

»Ich weiß nicht so recht. Liza wird mich an der Bar suchen, wenn sie zurückkommt«, versuchte ich mich herauszureden und biss mir auf die Unterlippe. »Ich sollte wieder zurück.«

Bevor ich mich aus seinem Handgriff lösen konnte, verfestigte er seinen Druck um meine Hand ein wenig.

»Du machst es mir ganz schön schwer, dich besser kennenzulernen.« Er seufzte und lächelte mich galant an, um danach einen Schritt näher zu kommen und mir eine Hand behutsam auf die Schulter zu legen.

»Du hast doch sicher ein Handy dabei, oder?«

Ohne zu wissen, was ich tat, bejahte ich die Frage. Ein Fehler.

»Na siehst du. Wenn sie zurückkommt und dich sucht, dann kann sie dich auf dem Handy erreichen. Und glaub mir, so wie die beiden sich eben angestrahlt haben, wird sie so schnell sicher nicht zurückkommen.«

»Was soll das heißen?«, fragte ich stirnrunzelnd und als er vielsagend eine Augenbraue hochzog und unverschämt grinste, formte ich meinen Mund zu einem verstehenden und langgezogenen »Oh«.

Für Liza konnte ich nur hoffen, dass meine neue Bekanntschaft sich irrte. Denn zuvor noch hoch und heilig versprochen, sich nicht sofort bei erster Gelegenheit, auf ihren neu Auserkorenen zu stürzen und schon gar nicht mich eine Ewigkeit meinem alleingelassenen Schicksal zu überlassen, konnte ich ihr nicht raten, das Versprechen zu brechen. Dem Schicksal in Gesellschaft mit

Mr. So-verdammt-gut-kann-man-doch-gar-nicht-aussehen, dem ich am liebsten entrinnen würde, doch mich ihm seufzend beugte. Wieso, konnte ich mir selbst nicht erklären.

»Also schön«, murmelte ich nachgebend und ließ mich von ihm, wenn auch protestierend, zu einem weiteren Martini in weitaus angenehmerer Umgebung und Atmosphäre breitschlagen.

Der Nachteil unseres Sitzplatzes auf dem kühlen Ledersofa ging allerdings damit einher, dass ich mich kaum von ihm abwenden konnte. Wir saßen nebeneinander, er mir direkt zugewandt und mich wieder mit seinen strahlenden Adleraugen fixierend, was mich zum wiederholten Male an diesem Abend zunehmend nervös machte und ich noch immer nicht verstehen konnte. Wieso wollte er sich unbedingt mit mir unterhalten? Aus purer Langeweile? In diesem Club liefen gefühlt dreihundert wunderschöne Frauen mit kurzen Röcken und überaus offenherzigen Oberteilen herum, die sicher nichts lieber täten, als sich in eine Unterhaltung mit diesem gutaussehenden Mann verwickeln zu lassen. Wieso dann ausgerechnet mit mir?

»Erzähl mir etwas von dir, Thea«, forderte er mich bittend auf, kam mit dem Oberkörper etwas näher, als würde er nur allzu gebannt auf meine Antwort warten.

Verwundert und unsicher kaute ich auf meiner Unterlippe herum und malträtierte wieder den Stil meines Glases, das ich vorsichtshalber auf dem kleinen Glastisch, auf dem große, rustikale Kerzen in mit frischen Blüten dekorierten eckigen Ziergläsern standen. »Was möchtest du denn wissen?«

»Einfach alles. Wer bist du? Was arbeitest du? Für was brennst du?«

Für was ich brenne? Noch nie hatte jemand solch ein Interesse an mir gezeigt und schon gar nicht beim ersten Zusammentreffen. Warum solche persönlichen Fragen? Fragen, auf die niemals jemand von mir eine ehrliche Antwort bekommen würde. Niemand würde je erfahren, wer ich wirklich war und zu was für einer verkorksten Person mich meine Vergangenheit machte. Beim bloßen Gedanken daran wurde mir schlecht.

Daher rasselte ich wie immer meine Standardantwort herunter, die ich bereits auswendig konnte. »Nun ja, ich denke, du wirst enttäuscht sein.« Wortesuchend seufzte ich auf, die Finger wieder an meiner Halskette herumspielend. »Es gibt nicht sonderlich viel über mich zu erzählen. Die meiste Zeit verbringe ich auf der Arbeit. Ich arbeite seit einem Jahr als Assistenz in einer Firma hier in Richmond und muss mich noch unter Beweis stellen. Meine Freizeit verbringe ich im ansässigen Boxclub oder mit Freunden. Wie du siehst, nichts Besonderes.«

Wobei sich Freunde auf Liza und eine Arbeitskollegin bezog, die ich ab und an in der Mittagspause traf.

Mit gerunzelter Stirn blickte er mich an. »Wow, du machst dich wirklich selbst kleiner, als du bist, was?«

»Wie bitte?«

»Du erzählst das so, als würdest du über irgendeine Fremde sprechen. Dabei denke ich, dass viel mehr hinter diesem hübschen Gesicht steckt.«

Entgeistert, beinahe panisch, starrte ich ihn an. Mein ganzer Körper verkrampfte sich. Was meinte er damit, dass mehr dahintersteckte? Wie konnte er auf den ersten Blick erkennen, dass ich etwas zu verbergen versuchte?

Bei meinem ernsten Gesichtsausdruck lachte er auf - ein wunderbar sanftes Lachen, das sich samtig in meine Ohren fügte. Wieder lehnte er sich etwas zu mir herüber und strich mir ohne Vorwarnung eine verirrte Haarsträhne zurecht.

»Keine Sorge! Ich erwarte nicht von dir, dass du dich mir sofort offenbarst.« Er hielt einen Moment in seiner Bewegung inne und raunte dann etwas leiser, »aber ich hoffe, dass du das eines Tages tun wirst und ich sehe, was hinter diesen wunderschönen braunen Augen steckt.«

Mit einer Intensität, die mir die Luft zum Atmen nahm, sah er mir tief in die Augen. Benommen von seiner Aura konnte ich nichts weiter tun, als seinen Blick Stand zu halten und ihn in mich hineinblicken lassen.

»Du vertraust Menschen nicht allzu schnell. Das sehe ich in deinen Augen. Diese Mauer …«

Bei diesen Worten hämmerte mein Herz heftig und laut gegen meinen Brustkorb. Bevor er weitersprechen konnte, entzog ich ihm meinen Blick und atmete so unauffällig wie möglich schwer aus. Ich konnte nicht zulassen, dass ein Wildfremder solch eine Wirkung auf mich ausübte. Ich konnte es nicht zulassen, dass jemand hinter meine Fassade blickte. Ich musste eisern sein und durfte die Kontrolle niemals verlieren. Schon gar nicht bei einem Mann, der in mir solch eine gefährliche Unruhe auslöste.

»Es tut mir leid, ich wollte dir nicht zu nahetreten.« Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er sich die in Falten gelegte Stirn rieb.

Um so schnell wie möglich von mir abzulenken, warf ich ihm ebenfalls eine Frage an seinen wunderschönen Kopf.

»Und was ist mit dir? Woher kennst du Tom? Seid ihr schon lange befreundet?«

Meinen fadenscheinigen Ablenkungsversuch enttarnte er sofort, antwortete aber dennoch freundlich. »Tom und ich kennen uns schon aus Jugendjahren. Wir kommen beide aus Richmond und haben uns auf der High School kennen gelernt. Zu Beginn erlitten wir ein paar kleine Startschwierigkeiten, als sich herausstellte, dass wir beide auf dasselbe Mädchen abfuhren. Aber nach einer kleinen Prügelei schafften wir die Sache aus der Welt und waren daraufhin unzertrennlich. Wie Harry Potter und Ron Weasley.«

Bei seinem Vergleich mit den beiden Romanhelden musste ich unweigerlich kichern, was ihn sehr zu freuen schien.

»Kurz nach dem College bin ich nach New York gezogen und arbeite nun dort. Das hat unserer Freundschaft aber keinen Abbruch getan. Wir sehen uns zwar nicht mehr so häufig wie früher, aber können uns dennoch jederzeit aufeinander verlassen.«

»Du bist wohl ein sehr guter Freund, wenn du extra wegen Toms Cluberöffnung den weiten Weg von New York nach Richmond auf dich genommen hast«, folgerte ich daraus.

»Nun ja, ich werde Anfang kommender Woche sowieso geschäftlich für einige Wochen hier zu tun haben und daher fügte sich das ganz gut. So habe ich auch noch die Gelegenheit, meine Familie zu besuchen.« Dabei begannen seine Augen sofort zu glänzen.

Seine Familie schien ihm wohl sehr am Herzen zu liegen und irgendetwas sagte mir, dass er sie wohl auf Grund der Distanz nicht so oft zu Gesicht bekam, wie er sich das wünschte.

»Deine Familie lebt also noch hier?«, fragte ich dann nur, woraufhin Connor nickte und sich noch einen Schluck aus seiner Flasche genehmigte.

»Ist sicher schwer, die Familie nur so selten zu sehen.«

Das stand außer Frage, jeder normale Mensch würde diese mit ja beantworten.

»Was ist mir dir?« Interessiert neigte er den Kopf zur Seite. »Bist du hier aufgewachsen? Wo lebt deine Familie? Steht ihr euch auch nahe?«

Augenblicklich weiteten sich meine Augen und ich spürte, wie sich meine Luftröhre schmerzlich zusammenzog.

»Nein, ich komme nicht von hier«, quittierte ich seine Antwort knapp und nippte hastig an meinem Martini, um ihm zu signalisieren, dass es keine weitere Antwort mehr von mir zu erwarten gab.

Sollte ihn meine abweisende Reaktion überraschen, so ließ er sich das nur für eine Millisekunde anmerken. Denn kurz darauf zauberte er wieder ein Lächeln auf sein Gesicht und fragte indessen ganz unerwartet: »Hast du einen Freund?«

»Wieso interessiert dich das alles? Und wieso überhaupt bist du so nett zu mir? Du musst nicht freundlich zu mir sein, nur weil dein Kumpel meiner Freundin an die Wäsche will und dir langweilig ist. Du hättest dir auch eine Andere zum Quatschen oder Angraben suchen können. Wieso kommst du da ausgerechnet zu mir?« Abrupt setzte ich mich kerzengerade auf und fixierte ihn misstrauisch.

Die Frage in Bezug auf meine Eltern, die böse Erinnerungen in mir hervorrief, ließ meine Stimmung etwas kippen.

»Du hast meine Frage nicht beantwortet. Aber hier deine Erklärung: Weil du die mit Abstand schönste Frau hier bist.« Diese Absurdität sprach er mit solch einer Ernsthaftigkeit und völliger Selbstverständlichkeit aus, dass ich ihm tatsächlich beinahe hätte auf den Leim gehen können.

Aber eben nur fast.

Verächtlich schnaubte ich und überkreuzte die Arme vor der Brust. »Hat dieser Spruch etwa schon jemals funktioniert?«

Das beleidigte mich beinahe. Was glaubte dieser Schönling, wie einfach man mich rumkriegte?

Seine Augen weiteten sich. Heftig schüttelte er den Kopf und legte mir beschwichtigend eine Hand an den Oberarm. »Nein, bitte, Thea. Das ist mein Ernst. Du hast etwas an dir …« Er schien kurz nach den richtigen Worten zu suchen. »Es ist etwas in deinem Blick, das mich so fesselt und fasziniert. Ich konnte nicht anders, als die Gelegenheit beim Schopf zu packen, als die beiden dich alleine gelassen haben. Ich musste dich einfach ansprechen und dich kennenlernen. Und diese Spannung … Du musst sie doch auch spüren?«

Mir blieb die Spucke weg. Ja, ich konnte die Spannung zwischen uns ganz deutlich spüren, die von seinen immer mal wieder kurzen, scheinbar unschuldigen Berührungen ausgingen und mir jedes Mal einen extrem angenehmen Schauer über den Rücken laufen ließen. Ich spürte sie mit jeder Faser meines Körpers, so als fühlte sich mein Körper zum ersten Mal lebendig an.

Aber dass es ihm ebenso erging? War dies vielleicht nur eine dämliche Masche, um mich ins Bett zu kriegen?

Leise schlich sich mir ein unanständiger Gedanke ein. Wäre es etwa so schlimm, die Nacht mit diesem real gewordenen Halbgott in Fleisch und Blut zu verbringen? Noch nie hatte mein Körper so extrem auf die Berührung, wenn auch nur unschuldig und beiläufig, eines Mannes reagiert. Wie es wäre, wenn seine Hände über meinen nackten Körper gleiten würden, wagte ich mir gar nicht erst auszumalen.

Halt!

Was dachte ich da bloß? Ich sollte sofort auf die Toilette und mir kaltes Wasser ins Gesicht spritzen, um wieder zu klarem Verstand zu kommen. Das, diese abtrünnigen Gedanken, passten so rein gar nicht zu mir, die sonst so Beherrschte und Kontrollierte. Doch nun, ohne es unter Kontrolle zu haben, erhitzten meine Wangen bei der bloßen Vorstellung - eine offensichtliche und eindeutige Antwort auf seine Frage bezüglich der Spannung zwischen uns.

Zufrieden grinste er mich an und zeichnete mit dem Finger sanfte Kreise auf meinem Handrücken. Seine Berührungen brannten auf meiner Haut und verursachten ein Verlangen. Ein Verlangen, das ich so nicht von mir kannte.

»Ich werde nicht mit dir schlafen!«, platzte es so urplötzlich aus mir heraus, dass ich mich selbst erschrak.

Sein schelmisches Grinsen wurde daraufhin nur noch breiter. Doch dann sagte er mit vollem Ernst, »Nicht heute Nacht und vermutlich auch nicht morgen. Aber irgendwann wirst du das.«

Entsetzt starrte ich ihn mit offenem Mund an.

»Ich habe es ernst gemeint, dass ich dich kennenlernen will, Thea. Ich will mit dir ausgehen, dir zeigen, dass du mir vertrauen kannst, und dann irgendwann …« Für einen Moment blickte er vielversprechend über meinen Körper, sodass ich förmlich überall eine Gänsehaut bekam - »… werden wir uns die ganze Nacht lieben.«

Unweigerlich blieb mir erneut der Mund weit offenstehen. Ich wusste nicht, ob ich laut lachen oder vor Verzückung staunen sollte. Die Art und Weise, wie er seine Worte wählte; ich kannte keinen Mann, der jemals so etwas sagen würde. So etwas passierte lediglich in kitschigen, frei erfundenen Filmen, dessen Drehbuch von verträumten Frauen, wie zum Beispiel meiner Freundin Liza, geschrieben wurden. Wie erstarrt saß ich da – die Sprache regelrecht verschlagen. Ein Fehler, den Connor sofort zu seinem Vorteil nutzte und mich überrumpelte, indem er sich schnell vorbeugte und sein Mund plötzlich dem Meinen so nah war, dass ich seinen heißen Atem angenehm auf meinen Lippen spürte. Dabei blickte er mir so tief in die Augen, dass ich in dem ozeanblau der Seinen beinahe ertrank. Sein Duft, der mich wie ein warmer Nebel einhüllte, machte mich ganz benommen, sodass meine Lider flatterten und ich mich meinem Schicksal ergab.

Connor senkte seine Lippen, die sich noch weicher anfühlten als angenommen, auf meine und tastete sich mit zarten kleinen Küssen vor, bis ich seinen Kuss unweigerlich erwiderte. Ein wahrhaft berauschendes Gefühl. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Jeglicher Gedanke verflüchtigte sich aus meinem Kopf. Er küsste mich so sanft und gleichzeitig so leidenschaftlich, dass alles um uns herum in Vergessenheit geriet. Ich wollte nur noch seine Lippen auf den Meinen spüren. Als sich langsam und vorsichtig seine Zunge in meinen Mund vorwagte, nahm ich diese nur allzu gern in Empfang. Ein wohliger Seufzer entwich mir, als unsere Zungen miteinander tanzten. Jegliches Gefühl für Zeit verpuffte. In diesem Moment befanden sich nur noch Connor, sein Duft, seine weichen Lippen, sein Geschmack und diese Hände, die mein Gesicht fast schon liebevoll umgriffen, in meinen Gedanken. Mein ganzer Körper durchfuhr eine Hitzewelle und ein Verlangen nach mehr, weshalb ich beinahe Enttäuschung verspürte, als Connor sich von mir löste. Ebenso wie meiner ging sein Atem schwer. Er lehnte seine Stirn an meine und blickte mir erneut tief in die Augen.

Was für ein unbeschreiblicher Kuss.

»Da bist du ja«, rief plötzlich eine hohe, gedanklich sehr weit entfernte Stimme und holte mich knallhart aus meiner Trance in die Realität zurück.

Hastig distanzierte ich mich gänzlich von Connor und blickte erschrocken auf. Liza schritt uns, mit geröteten Wangen und einer Frisur, die nicht mehr ganz so ordentlich saß wie zuvor, freudestrahlend entgegen. Hand in Hand mit Tom. In ihrer eigenen verliebten Welt hatte sie wohl nicht mitbekommen, was wenige Sekunden zuvor zwischen Connor und mir gelaufen war. Bis über beide Ohren grinsend plumpste sie neben mich, nahm meine Hand und drückte sie verschwörerisch, als würde das schon alles sagen.

»Wo in Gottes Namen bist du bloß so lange gewesen?«, zischte ich ihr so leise es ging zu, damit die beiden Männer, die sich nun auch unterhielten, mich nicht hören konnten.

Als Antwort erntete ich jedoch nur einen verträumten Seufzer von Liza, was wohl alles beantwortete.

Ich verdrehte die Augen. Wieso eigentlich? Immerhin konnte ich sie nur schlecht für etwas verurteilen, das ich gerade eben nicht anders gemacht hatte.

»Oh Thea, er ist noch wundervoller, als ich es gedacht habe. Er sagt, er hätte sich schon während der Zusammenarbeit mit mir die ganze Zeit für mich interessiert. Ist das nicht ein unglaublich toller Zufall?«

Dass sie auf die Frage nicht wirklich eine Antwort von mir erwartete, wusste ich.

»Was du nicht sagst«, gab ich dennoch sarkastisch zurück, was ihren Höhenflug glücklicherweise nicht im Geringsten störte.

Wieder seufzte sie wie ein liebeskranker Teenager auf, ehe ihr Blick zu mir und anschließend auf Connor fiel und ihre Augen plötzlich wieder etwas klarer wurden.

»Wie ich sehe, warst du doch in überaus netter Gesellschaft.« Verschwörerisch zwinkerte sie mir zu und drückte erneut meine Hand. »Hast du dich gut mit Toms Kumpel amüsiert?« Dabei betonte sie das letzte Wort meines Erachtens etwas zu sehr.

Woher wusste sie überhaupt, dass er Toms Kumpel war?

Ich gab ihr darauf keine Antwort und fragte nur: »Was ist nun, können wir es für heute gut sein lassen und nach Hause gehen?«

Bereits an dem wechselnden Ausdruck in ihren Augen wusste ich, dass sie nichts dergleichen vorhatte.

»Oh, du willst schon gehen? Wärst du mir sehr böse, wenn ich noch etwas hierbleibe? Tom möchte mir noch etwas zeigen und wird mich anschließend nach Hause bringen.«

Zeigen? Dass ich nicht lachte. Meine Vorstellungskraft ging weit genug, um zu wissen, was Tom ihr zeigen wollte. Doch ich wusste, Liza würde sich keine Sekunde länger mehr von ihrem Mr. Perfect lösen. Somit musste ich wohl alleine den Heimweg antreten und das am besten sofort.

»Na gut, aber pass auf dich auf!« Sie mit liebevoller Fürsorge und einem warnenden Blick mahnend erhob ich mich von dem Ledermöbel.

»Thea, du verlässt uns doch nicht etwa schon?«, schaltete Lizas Angebeteter sich sogleich ein und unterbrach sein Gespräch mit Connor.

Meine Hoffnung, mich unbemerkt aus der VIP-Lounge schleichen zu können und vor eben diesem und seinem Charme zu fliehen, erlosch somit. Ich lächelte freundlich, nickte aber bestimmt. »Ja, für mich wird es Zeit. Vielen Dank nochmals für die Einladung, Tom.«

Per Handschlag bedankte ich mich bei ihm, der mich aber kurzerhand umarmte, was ich trotz Unbehagens erwiderte.

Anschließend wandte ich mich an Connor, der mich wieder mal mit seinen quellwasser-tiefblauen Augen taxierte. Am liebsten wäre ich ohne ein Wort des Abschieds gegangen, doch keine zwölf Jahre mehr alt musste ich mich erwachsen verhalten und auch ihn verabschieden. Allein schon der Anstand verlangte das.

Mit seinem Blick auf mir spürte ich sofort, wie ich errötete. »Ähm, nun Connor …«

Bevor ich weiterstammeln konnte, fiel er mir ins Wort. »Wie kommst du nach Hause?«

»Ich werde mir ein Taxi nehmen,«, antwortete ich blitzschnell, bevor er auf dumme Gedanken kam.

»Ein Taxi?« Tom, einen Arm um meine Freundin gelegt, schüttelte missbilligend den Kopf. »Das kommt überhaupt nicht in Frage. Connor wird dich nach Hause bringen.« Mit seiner freien Hand klopfte er diesem auf die Schulter.

Vehement schüttelte ich nun den Kopf aus Protest. Auf gar keinen Fall. Wieso mischte der sich da jetzt noch ein?

»Nein, danke, das ist wirklich nicht nötig.« Mit erhobenen Händen wehrte ich seinen Vorschlag ab.

»Doch, ich möchte es aber. Es wäre mir eine Ehre«, stimmte Connor sichtlich erfreut mit ein.

»Nein, wirklich. Außerdem hast du doch auch getrunken.« Hoffnungsvoll deutete ich auf das Bier in seiner Hand, welches er mir dann breit grinsend vor die Nase hielt.

»Alkoholfrei«, bemerkte er schulterzuckend und stellte die Flasche auf den kleinen Beistelltisch vor dem Sitzpolster ab.

Schwer schluckend, wollte ich mich jedoch nicht kindischer und zickiger benehmen als ohnehin schon. Somit atmete ich kurz tief ein, bevor ich geschlagen nachgab und nickte. Ich verabschiedete mich noch von Liza, die Tom bereits wieder um den Hals hing, als hätten Connor und ich den Raum schon längst verlassen. Unverbesserlich impulsiv, scheute sie nie ein Risiko und ging immer aufs Ganze. Diese Art liebte ich an ihr, wenngleich ich sie auch manchmal nicht verstand.

Ohne ein Wort folgte ich also Connor aus dem Club, der noch kurz seine Lederjacke an der Garderobe abholte und dann mit mir in die kühle Frühsommernacht hinaustrat. Reflexartig schlang ich meine Hände um meine Oberarme.

»Ist dir kalt?«

Bevor ich überhaupt Luft zum Antworten holen konnte, legte er schon seine Jacke über meine Schultern und der bekannte, intensive Geruch stieg manipulierend meine Nase empor. Diese Jacke roch so verlockend nach ihm, dass ich meine Nase am liebsten in dem weichen Stoff vergraben hätte. Nur mit viel Mühe verhinderte ich, diesem Drang nachzugehen.

Selbstbeherrschung, wo bist du?

»Hier entlang!« Er legte eine Hand auf meinen unteren Rücken, um mir den Weg anzudeuten. Wieder durchfuhr mich dieses Prickeln und ich versuchte galant, seinem kräftigen, perfekt geformten Arm zu entkommen.

Bis wir vor einer, großen schwarzen Mercedes S-Klasse stehen blieben, sprach glücklicherweise keiner von uns ein Wort. Nach diesem … nennen wir es kleinen Unfall, verursacht durch den akuten Verlust meiner einstigen Selbstbeherrschung, wusste ich sowieso nicht, was ich hätte sagen sollen. Gleichzeitig fragte ich mich, was Connor wohl für einen Beruf ausübte, dass er sich solch einen Luxusschlitten leisten konnte. Doch das spielte eigentlich keine Rolle.

Unbeeindruckt stand ich also da, während er mir ganz zuvorkommend und aufmerksam die Beifahrertür zum Einsteigen öffnete. Ein Gentleman der alten Schule, das musste man ihm lassen. Sekunden später nahm er neben mir auf dem Fahrersitz Platz. Er führte seine Hand zum Startknopf des Wagens, doch ehe er ihn erreichte, ließ er seine Hand zögerlich wieder sinken.

Fragend betrachtete ich ihn, wie er nachdenklich und ziellos aus der Frontscheibe hinausstarrte.

»Dieser Kuss«, durchbrach er sodann die Stille, »sag mir nicht, du hast es nicht auch gespürt?«

Mein Mund wurde ganz trocken, als er mich plötzlich noch intensiver und feuriger als je zuvor an diesem Abend anblickte.

Wieso um alles in der Welt konnte er diese Sache nicht einfach auf sich beruhen lassen?

»Was … was meinst du damit?«, stellte ich mich absichtlich dumm und stotterte nahezu benommen.

Mit ihm in einem Auto auf engem Raum, befangen von seinem Duft, verkörperte die Hölle und gleichzeitig den Himmel auf Erden. Was dachte ich da bloß für einen Unfug?

»Das mache ich normalerweise nicht. Eine Frau, die ich gerade mal erst fünf Minuten kenne, zu küssen. Ich weiß nicht, was gerade in mich gefahren ist, aber du«, kurz stockte er, bevor er weitersprach, »du hast es mir angetan. Gehst mir unter die Haut!« Er nahm einen tiefen Atemzug und lachte kurz auf, als könnte er seine Aussage selbst nicht glauben.

Erneut streckte er seine Hand nach mir aus und streichelte zart über meine linke, ihm zugewandte Wange. Meine Haut reagierte sofort auf ihn und ich verlor die Kontrolle, schloss die Augen und fügte mich seiner zarten, feurigen Berührung. Bevor ich die Augen wieder aufmachen konnte, zog er mich, eine Hand um meinen Nacken gelegt, an sich und presste seine Lippen mit zischendem Atem ein zweites Mal an diesem Abend auf meine, die ihn einladend empfingen. Mein Körper, dieser Verräter, trickste meinen Verstand aus.

Connor saugte an meiner Unterlippe und biss leicht hinein, was mir ein plötzlich ungewohntes Ziehen im Unterleib bescherte. Scharf sog ich elektrisch aufgeladene Luft ein und keuchte, was seinen Kuss noch gieriger werden ließ. Unsere Zungen fanden sich und spielten neckisch miteinander. Ohne es zu merken, ohne es zu wollen, glitten meine Hände durch seine weichen Haare und ich presste meinen Körper dichter an ihn, sodass ich seine muskulöse Brust an mir fühlen konnte. In mir brannte sogleich nur noch ein Feuer aus wildem Verlangen. Wieso, verstand ich selbst nicht.

Ein Verlangen nach genau diesem fremden Mann, der sich so unheimlich gut und richtig anfühlte.

Ehe ich mich versah, ließ ich mich von ihm auf seinen Schoß ziehen und saß nun mit geöffneten Beinen rittlings auf ihm. Dabei spürte ich eine harte Ausbeulung unter seiner engen Jeans, gegen die ich mich willig presste und die mein Verlangen noch steigerte. Er löste sich von meinen Lippen und verwöhnte meinen Hals mit seinen heißen Küssen, die er immer weiter nach oben wandern ließ, bis hin zu der Stelle hinter meinem Ohr. Eine Stelle, die plötzlich so empfindsam zuckte, dass ich eine Gänsehaut am ganzen Körper bekam und genüsslich seufzte. Als ich durch meine flatternden Lider zu ihm blickte, funkelten seine Augen wie ein schwarzer Diamant - dunkel voller Verlangen. Wieder fanden sich unsere gierigen Lippen in einem Kuss, als hinge unser Leben davon ab. Meine Hände, bisher noch züchtig auf seinen Schultern, wanderten nun unkontrolliert über seinen muskulösen Oberkörper. Zu gerne würde ich sehen, welche Pracht sich unter diesem weichen Stoff seines Hemdes befand. Er tat es mir gleich und streichelte den Umriss meiner Brüste, die heftig auf ihn reagierten, und ließ dann langsam seine Hände sanft aber bestimmend weiter nach unten wandern. Er war überall. Er berauschte mich.

Connor streichelte über meinen festen Po und gleich darauf über die nackte Haut meiner Oberschenkel, die sich ihm durch das sowieso schon sehr kurze Kleid darbot. Unser beider Atem ging zunehmend schwerer und keuchender. Besonders, als er diese wundervollen Hände unter den Saum meines Kleides schob und noch mehr meiner nackten Haut zu spüren bekam. Jede Stelle, die er berührte, entbrannte vor Begierde nach ihm. Und dann plötzlich traf es mich, als hätte man unverhofft einen Eimer eiskalten Wassers über meinem Kopf entleert.

Die Realität schlug über mir wie eine Bombe ein.

Ruckartig löste ich mich mit weit aufgerissenen Augen von ihm und schaute ihn zutiefst erschüttert an. Sein vor Lust verhangener Blick zeigte seine Verblüffung hinsichtlich meiner abrupten Reaktion.

Was in Gottes Namen war bloß in mich gefahren? Wer war ich? Ich erkannte mich selbst kaum wieder!

»Baby, was ist los?«

Ohne ihm zu antworten, öffnete ich wie vom Blitz getroffen die Fahrertür und schob mich ebenso schnell von seinem Schoß herunter, sodass er überhaupt nicht darauf reagieren konnte. Mit dem dunklen Asphalt der Straße unter meinen Beinen schlug ich flink die Fahrertür zu. Zu meinem Glück fuhr gerade in diesem Moment ein Taxi vorbei, vor das ich mich beinahe warf, um so schnell wie möglich von hier wegzukommen. Das Taxi legte eine Vollbremsung hin und ich stieg ein.

»Fahren Sie los, fahren Sie. Schnell!«, rief ich dem wütenden Taxifahrer zu, der meiner Bitte kopfschüttelnd nachkam.

Erst als wir in die nächste Straße einbogen, konnte ich das erste Mal wieder aufatmen und mich mit rasendem Puls und einem seltsamen Gefühl in der Magengrube in den Rücksitz sinken lassen. Den Kopf in den Nacken gelegt starrte ich mit leerem Blick apathisch gegen die graue, etwas ramponierte Decke des Taxis, nur um mich nochmals zu fragen, was da gerade vor sich gegangen war?

Es fühlte sich so an, als hätte jemand von meinem Körper Besitz ergriffen. Eine Fremde meiner Selbst, der ich bei alledem vom Rande aus beim Verlust ihrer sonst so zwanghaften Kontrolle zusah. Eine Kontrolle, die ich niemals verlieren durfte. Eine Kontrolle, die ich von nun an nie wieder verlieren würde. Das schwor ich mir hier und jetzt.

Egal wer dieser Connor gewesen war, ich konnte mich glücklich schätzen, rechtzeitig die Flucht vor ihm ergriffen zu haben und ihn niemals wieder sehen zu müssen.

 

Kapitel 2

Böse Überraschung

 

Verdammt!

Seit ich bei Morris Global arbeitete, hatte ich nicht ein einziges Mal verschlafen. Normalerweise überprüfte ich, vor dem zu Bett gehen, die Einstellungen meines Weckers an die drei- bis viermal. Wieso also musste mir das ausgerechnet heute passieren? Ich wusste nicht, was mich mehr schockierte. Das Versagen meiner Gewissenhaftigkeit, meinen Wecker am vorherigen Abend nochmals zu überprüfen, oder der Gedanke an ein vermutliches Zuspätkommen.

Zu spät - ausgerechnet an dem Tag, an dem der Chef der Firma unsere Geschäftsstelle in Richmond das erste Mal, seit ich hier arbeitete, besuchte.

Mir gerade erst ein neues, richtiges Leben aufgebaut und die Kontrolle darüber wieder zurückerlangt, wollte ich dieses Gefühl nicht wieder aufgeben müssen, indem ich es mir nicht mehr leisten konnte. Also sprang ich aufgedreht aus dem Bett, wobei ich mir schmerzhaft das Schienbein an der Nachtkommode anstieß. Ein kurzer Fluch entfuhr mir, doch mangels Zeit biss ich die Zähne zusammen und widmete dem geschundenen Bein keine Aufmerksamkeit mehr. Ich sprintete nahezu ins Badezimmer und band mein Haar schnell zu einem einfachen Zopf nach hinten. Für mehr fehlte mir heute definitiv die Zeit. Hastig putzte ich mir die Zähne und suchte währenddessen meine Kleidung zusammen. Zügig entschied ich mich für einen grauen, engen Rock, der mir bis über die Hüfte reichte und dazu ein weites ärmelloses, weiß-glänzendes Top aus Satin, das ich kurzerhand in den Bund meines Rocks stopfte. Zum Schluss streifte ich mir noch meine schwarzen Pumps über und legte etwas Wimperntusche und Puder auf. Nicht jeder sollte sofort erkennen können, dass ich noch vor fünf Minuten im Bett gelegen hatte.

In Rekordzeit für die Arbeit zurechtgemacht, schnappte ich Handtasche und Autoschlüssel und sprintete, so schnell dies eben auf hohen Absätzen ging, aus meiner Wohnung, die Treppen hinunter, raus auf die Straße, wo mein alter, blauer Chevrolet Matiz bereits auf mich wartete. Ein weiterer Vorteil, bei MorrisGlobal zu arbeiten. Sie bezahlten überdurchschnittlich gut und so musste ich nicht mehr wie die Jahre zuvor jeden Penny zweimal umdrehen. Nein, ich konnte mir sogar dieses alte Auto leisten. Luxus in meinen Augen. Ein Grund mehr, mich zu beeilen.

In der Regel nahm ich für den Weg zur Arbeit mit dem Bus vorlieb, doch dieser befand sich schon einige Stationen weiter. Also platzierte ich mich auf der Fahrerseite und fuhr mit beinahe quietschenden Reifen los.

Vier Minuten vor Empfang raste ich auf den Parkplatz unseres Firmengeländes. Den Motor kaum abgestellt, hechtete ich auch schon auf das große Gebäude zu. Da sich Pech nun mal mit noch mehr Pech gern zusammentat, wartete ich vergebens vor dem Aufzug, der einfach nicht erscheinen wollte. Nervös blickte ich auf die Uhr, die an der Wand über mir hing, und entschied mich kurzerhand für das Treppenhaus. Bis ich in der vierten Etage angelangte, brannten meine Oberschenkel und Schweißperlen sammelten sich auf meiner Stirn, die ich mir mit dem Handrücken wegwischte. Das würde mir morgen sicher einen fiesen Muskelkater bescheren. Mein Atem ging schnell, doch der quälende Aufstieg lohnte sich. In letzte Sekunde huschte ich eine Minute vor neun Uhr in den großen Seminarraum, in dem sich bereits alle Mitarbeiter der Richmonder Geschäftsstelle von Morris Global in Reih und Glied versammelten und gespannt auf den Auftritt des ehrfürchtigen Chefs, vor dem schon alle das Genick einzogen, warteten.

»Thea«, drang das Zischen meines Namens von rechts in mein Ohr.

Als ich mich dem Geräusch zuwandte, winkte meine Kollegin Meryl, die ich dank ihrer feuerroten Haare sofort erkannte, mir hektisch zu. Dankbar nahm ich den Stuhl zu ihrer Linken, auf den sie deutete, an.

Seit Beginn meiner Arbeit hier sympathisierte ich mit ihr. Sie hatte mich damals sofort unter ihre Fittiche genommen und mir den Einstieg enorm erleichtert. Ohne sie hätte ich sicher nicht so schnell Anschluss gefunden.

»Ich dachte schon, du kommst nicht mehr. Du bist doch sonst immer so überpünktlich. Du wirst Augen machen. Er sieht so verdammt heiß aus. Ich habe den neuen Boss heute Morgen schon gesehen«, grinste sie jetzt verschwörerisch und legte sich gespielt dramatisch eine Hand aufs Herz.

Bevor ich jedoch antworten konnte, veränderte sich die Stimmung im Raum und das Gemurmel der Kollegen verstummte schlagartig. Showtime. Neugierig lugte ich an meinem großen, breit gebauten Vordermann, der mich mit seiner kreisrunden, kahlen Platte an seinem Hinterkopf an den seltsamen Typen aus der IT-Abteilung erinnerte, vorbei.

Bestürzt schnappte ich nach Luft.

Mr. Verdammt-gutaussehend war kein anderer als Connor alias ein schlimmer Fehler alias Wie-hatte-ich-nur-so-die-Kontrolle-verlieren-können.

Da vorne stand er nun in Fleisch und Blut - zu meinem Leidwesen keine Einbildung, kein fieser Streich, den mir mein zurzeit scheinbar schwer verwirrter Verstand spielte. Das nannte man wohl ganz mieses Karma.

In einem schwarzen, maßgeschneiderten, perfekt sitzenden Anzug mit anthrazitfarbener Krawatte und perlweißem Hemd darunter begrüßte er Jeffrey, den Leiter dieser Geschäftsstelle per Handschlag und ließ nur erahnen, welch muskulöse Männlichkeit sich darunter verbarg. Sein dunkelblondes Haar lag, streng nach hinten gestylt, bei weitem nicht so locker und leger wie zuvor im Club.

Sein Gesichtsausdruck wirkte fremd. So distanziert und unterkühlt - beinahe wie der verhängnisvolle Eisberg der Titanic. Mit seiner ganzen Art strahlte er eine überdimensionale Form von Autorität und Erhabenheit aus, sodass ich sofort verstehen konnte, wieso die Mitarbeiter sich vor ihm in Acht nahmen oder ihn gar fürchteten. Ihn trübte kein Wässerchen und er strahlte Unnahbarkeit aus. Nicht eine Gesichtsregung erinnerte an den charmanten, warmherzigen, feurigen Mann, den ich vor wenigen Tagen im Club kennen gelernt hatte. Einzig seine umwerfende Attraktivität, die in meiner Erinnerung nicht mehr annähernd so atemberaubend erstrahlte, ähnelte diesem Mann hier vor mir.

Ich schickte ein stilles Stoßgebet in den Himmel. Bitte lass ihn einen Zwilling haben!

Im Club hatte er zwar erwähnt, dass er für kurze Zeit auch aus beruflichen Gründen Richmond besuchte und ursprünglich in New York arbeitete, ich wäre aber niemals auf die Idee gekommen, dass es sich bei meinem ungewöhnlichen Flirt um Connor Morris höchstpersönlich handelte.

Diese böse Fügung des Schicksals durfte einfach nicht wahr sein. Wieso um alles in der Welt, hatte ich ausgerechnet bei meinem Chef einen totalen, für mich untypischen Kontrollverlust erleiden müssen?

Mein Puls raste und ich konnte förmlich spüren, wie jegliche Farbe meinem Gesicht entwich. Die Scham und Peinlichkeit, die mich seither verfolgte, stiegen ins Unermessliche. Wo befand sich dieses Loch im Boden, wenn man es doch so dringend brauchte?

Automatisch glitt ich befangen meinen Stuhl hinunter und machte mich hinter dem IT-Typen, plötzlich ungemein dankbar für dessen breite Schultern, so klein es nur ging. Ich konnte nur hoffen, dass Connor, oder eher Mr. Morris, wie er sich gerade der Runde vorstellte und uns begrüßte, mich nicht in der Menge entdeckte.

Seine Stimme klang ebenso angenehm tief und rau, wie in meiner Erinnerung, doch heute schwang etwas in ihr mit, dass mir beinahe das Blut in den Adern gefrieren ließ. Unterkühlte, gar eisige Distanz. Ganz offensichtlich verkörperte er Janus, den Gott mit den zwei Gesichtern, und ich bezweifelte stark, dass wir hier jemals sein freundliches und warmherziges Gesicht, das ich von neulich kannte, zu sehen bekommen würden.

Nichtsdestotrotz kam ich nicht umhin, zu bemerken, wie manch eine der weiblichen Angestellten sehnsüchtig an seinen Lippen hingen, während er vor versammelter Mannschaft eine Rede über die geplante, innovative Entwicklung von Morris Global und der unweigerlich damit einhergehenden Wichtigkeit der Mitarbeiter, deren Teamgeist und volle Einsatzkraft für die Firma referierte. Hingegen ich nur da saß, eine Hand gegen die Stirn gepresst, im Versuch, meine Nervosität zu überspielen. Immer wieder blickte ich unauffällig auf den Boden, wenn sein Blick durch den Raum schweifte.

Erst als das Raunen im Seminarraum wieder zunahm und sich die ersten Köpfe reckten, entspannte ich mich etwas. Endlich! Die erste Folter galt als überstanden.

Zusammen mit der ersten Meute stahl ich mich vorsichtig aus dem Versammlungsraum, in der Hoffnung in der Masse unterzugehen. Dabei warf ich keinen Blick zurück; nicht einmal als Meryl mir noch irgendetwas hinterherrief.

Schnurstracks verließ ich die Etage wieder über das Treppenhaus und stürmte, im dritten Stock, auf meinen noch von vergangenem Freitag mit Arbeit überhäuften Schreibtisch zu.

Seit etwa über einem Jahr arbeitete ich nun schon in der Marketingagentur Morris Global als eine von Jeffreys Assistentinnen. Jeffrey, ein sehr gutmütiger, netter Mann mittleren Alters, leitete diese Geschäftsstelle.

Dank meiner Vergangenheit konnte ich keine Ausbildung vorweisen, aber trotzdem hatte er mir die Chance gegeben, mich unter Beweis zu stellen, was er bis heute noch nicht bereute. Ich konnte nur hoffen, dass dieser Umstand sich auch nicht ändern würde.

Mit drei weiteren Kolleginnen teilte ich mir ein großes Büro; eine Art Vorraum zu Jeffreys Büro.

Doch noch lieber als ihn mochte ich seine Ehefrau Linda, die uns jeden Montag frisch gebackenen Kuchen oder andere Leckereien zur Einstimmung in die Woche vorbeibrachte. Die stämmige, kleine Frau, versprühte ihre gute Laune jedes Mal im kompletten Büro. Bevor sie wieder ging, küsste sie ihren Mann zum Abschied, der dabei jedes Mal rot anlief, wenn sie das vor seinen Assistentinnen tat, und verschwand dann wieder. In Anbetracht dieses Szenarios erwärmte es mir jedes Mal das Herz aufs Neue. Sie führten schon sehr lange eine glückliche Ehe. So glücklich, wie meine Eltern es einst getan hatten. Doch daran wollte ich jetzt besser nicht denken. Dieses Thema sollte besser für immer in den Tiefen meiner Seele verborgen bleiben. Also schob ich den melancholischen Gedanken schnell wieder in die hinterste Ecke meines Gehirns und warf meine Handtasche unsanft auf meinen Schreibtisch.

Wie paralysiert plumpste ich auf meinen Schreibtischstuhl und vergrub, noch immer fassungslos, mein Gesicht in den Händen.

»Thea!« Schon am Geräusch ihrer stampfenden Schritte identifizierte ich Meryl. »Was ist heute bloß los mit dir? Du bist eben davongerannt, als hättest du einen Geist gesehen«, sagte sie und lachte bester Laune, woraufhin ich ein gespieltes Lächeln aufsetzte. Etwas, dass ich mittlerweile wie mechanisch zur Täuschung meines Gegenübers beherrschte.

»Ich habe heute einfach noch eine ganze Menge zu tun.« Galant umschiffte ich die Wahrheit und deutete auf meinen beladenen Schreibtisch.

Meryl lehnte sich gegen meine Tischplatte und grinste verträumt. »Wow, dieser Morris sieht wirklich wahnsinnig gut aus, was? Wenn er nur nicht so ein verdammter Eisklotz wäre.« Glucksend amüsierte sie sich, wohingegen ich nur abwesend nicken konnte.

Wenn sie nur wüsste!

»Was glaubst du, was er mit uns bereden möchte?«

»Was?« Erschrocken riss ich meine Augen auf.

Wieder lachte sie. Ein hohes, freundliches Lachen. »Hast du ihm eben etwa nicht zugehört? Hast ihn wohl auch bloß bewundernd angestarrt, wie die anderen Kolleginnen hier, was?«

Ich wusste nicht, was ich antworten sollte, also zuckte ich nur mit den Schultern, damit sie weitersprach.

»Er ist nicht nur für die persönliche Betreuung des Auftrags unseres neuen Großkunden hier. Er will auch mit jedem Mitarbeiter unserer Geschäftsstelle ein persönliches Gespräch führen und die Struktur und die Abläufe unserer Geschäftsstelle genauestens unter die Lupe nehmen.« Mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis bildend, hob sie sich diesen kurz vors Auge und rümpfte die Nase. »Flora hat mir erzählt, dass er wohl einige Umstrukturierungen vornehmen möchte, um die Ertragslage von Morris Global auch für die Zukunft zu stärken.«

Umstrukturierung? Ertragslage? Das verhieß nichts Gutes, wenn der Chef sich persönlich dieser Sache annahm. Doch vielmehr beunruhigte mich dieses anstehende persönliche Gespräch. Mein Herz rutschte unweigerlich in meine Unterhose. Das war’s wohl jetzt. Ich würde mich nun nicht länger vor ihm verstecken können. Erschreckend wie mich nur ein leichtsinniger Fehler, eigens von mir verursacht, direkt in die Vorhölle katapultiert hatte. Schwer schluckend versuchte ich mich mit meinem neuen Schicksal abzufinden.

»Und wann finden diese Gespräche statt?«, fragte ich matt, um den Ablauf meiner Galgenfrist zu erfahren, und mied bewusst ihren Blick. Ganz plötzlich lag ein großer, schwerer Stein in meinem Magen.

»In den nächsten Tagen. Er wird die Einladungen per E-Mail versenden«, antwortete Meryl immer noch gut gelaunt. »Du liebes bisschen.« Vorsichtig klopfte sie mir auf die Schulter. »Du hast wirklich nicht ein Wort von dem gehört, was er gesagt hat.« Erneut ertönte ihr helles Lachen, bevor sie sich wieder vor mir aufrichtete. «Ich muss dann mal an die Arbeit. Jetzt, da Big Brother überall seine Augen hat, sollten wir uns besser nicht beim Tratschen erwischen lassen.«

»Da hast du wohl Recht!« Missgelaunt griff ich nach der obersten Akte, die auf meinem Schreibtisch lag.

»Wir sehen uns in der Mittagspause.« Mit diesen Worten stolzierte sie aus dem Büro und überließ mich wieder meinen Gedanken, die ich kaum noch zu sortieren wagte.

Was stimmte bloß nicht mit mir? Eine Frage, die mich schon seit drei Tagen plagte. Gewöhnlich zählte ich nicht zu der Sorte naiver Frauen, die sofort jedem Kerl, der ihr schöne Auge machte, um den Hals fiel. So verhielt ich mich sonst nicht.

Meine einzige intime Begegnung entsprang der kurzen Freundschaft mit einem süßen Typen aus meiner Zeit in der Nervenheilanstalt. Darüber hinaus beschränkte sich mein Liebesleben auf ein paar Dates und einige züchtige Küsse, was für mich bis dato auch ausreichte, so dachte ich zumindest.

Dass solch ein Verlangen und eine solche Begierde in mir schlummerten, entzog sich meiner bisherigen Kenntnis über mich. Gefühle, die mir die Kontrolle gänzlich entrissen, was ich nicht zulassen durfte. Es stand zu viel für mich auf dem Spiel. Aber da ich die Person, der Auslöser dieser widerstrebenden Gefühle, jetzt auch noch täglich sehen musste, gestaltete sich das Verdrängen meines kleinen Ausrutschers als schwierig. Connor Morris würde mich jeden Tag daran erinnern, wie schnell es gehen konnte, meine lang aufgebaute Diktatur über mich selbst zu schwächen. Noch dazu musste ich mir jetzt auch noch Sorgen um meinen Arbeitsplatz machen. Die Reorganisation einer großen Firma wie Morris Global ging meistens mit der Reduzierung von Personal einher. Und wen genau diese Maßnahme treffen würde, entschied kein geringerer als Connor Morris persönlich, bei dem ich wohl bereits einen mehr als miserablen Eindruck hinterlassen hatte.