Broken Wings: Sehnsüchtiges Verlangen - Monica Bellini - E-Book

Broken Wings: Sehnsüchtiges Verlangen E-Book

Monica Bellini

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Beschreibung

Sein Name ist Marcel Sancerre. Seine Uni-Zeiten als SAE, Sexiest Ass Ever, liegen ein paar Jahre zurück, aber sein Wert hat sich vervielfacht. Sündhaft attraktiv war er schon. Jetzt ist er auch noch unermesslich reich und der Marquis de Sancerre. Er kann (fast) jede haben, aber der »weiße Hai« der Pariser Geschäftswelt hat mit den Frauen abgeschlossen – für den Rest seines Lebens. Wenn er in eine Frau investiert, dann nur in einen One-Night-Stand – mit Vorab-Garantie auf ein Nimmerwiedersehen. Romantische Gefühle interessieren ihn nicht. Sein Herz ist kälter als seine gletscherblauen Augen. Tiefgefroren – bis er im Bois de Boulogne auf Sarah trifft. Sarah, die jung, verletzt und kaputt ist. Deren Vergangenheit Tausende Narben hinterlassen hat. Die bei jedem Geräusch zusammenschreckt, bei jeder Berührung panisch wird. Und die in ihm absurde, totgeglaubte Gefühle erweckt. Wie zwei Planeten, die um die Sonne kreisen, bewegen sie sich parallel. Nur ist da diese magnetische Anziehungskraft, die sie beide aus der Bahn zu werfen droht … Anmerkung der Autorin: Leider ist das Leben nicht nur schön. Wir alle kennen die Höhen und Tiefen, die es für uns bereithält. Doch manche Menschen erleben – in wenigen Stunden oder sogar über Jahre hinweg – Schreckliches. Dieser Roman beginnt mit einem gewalttätigen Akt, auf dem die Entwicklung der Geschichte beruht. Das Ereignis nimmt im Buch nur wenige Seiten ein, im Dasein mancher Frau hat ein solches jedoch wesentlich mehr Gewicht und Nachklang, als in einem fiktiven Liebesroman. Abgeschlossener Liebesroman mit prickelnden Szenen und Suspense bis zum Happy End.

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Sein Name ist Marcel Sancerre. Seine Uni-Zeiten als SAE, Sexiest Ass Ever, liegen ein paar Jahre zurück, aber sein Wert hat sich vervielfacht. Sündhaft attraktiv war er schon. Jetzt ist er auch noch unermesslich reich und der Marquis de Sancerre. Er kann (fast) jede haben, aber der »weiße Hai« der Pariser Geschäftswelt hat mit den Frauen abgeschlossen – für den Rest seines Lebens. Wenn er in eine Frau investiert, dann nur in einen One-Night-Stand – mit Vorab-Garantie auf ein Nimmerwiedersehen.

Romantische Gefühle interessieren ihn nicht. Sein Herz ist kälter als seine gletscherblauen Augen. Tiefgefroren – bis er im Bois de Boulogne auf Sarah trifft.

Sarah, die jung, verletzt und kaputt ist. Deren Vergangenheit Tausende Narben hinterlassen hat. Die bei jedem Geräusch zusammenschreckt, bei jeder Berührung panisch wird. Und die in ihm absurde, totgeglaubte Gefühle erweckt.

Wie zwei Planeten, die um die Sonne kreisen, bewegen sie sich parallel. Nur ist da diese magnetische Anziehungskraft, die sie beide aus der Bahn zu werfen droht …

 

Anmerkung der Autorin:

Leider ist das Leben nicht nur schön. Wir alle die kennen Höhen und Tiefen, die es für uns bereithält. Doch manche Menschen erleben – in wenigen Stunden oder sogar über Jahre hinweg – Schreckliches. Dieser Roman beginnt mit einem gewalttätigen Akt, auf dem die Entwicklung der Geschichte beruht. Das Ereignis nimmt im Buch nur wenige Seiten ein, im Dasein mancher Frau hat ein solches jedoch wesentlich mehr Gewicht und Nachklang, als in einem fiktiven Liebesroman.87

 

Inhaltsverzeichnis

BROKEN WINGS: Sehnsüchtiges Verlangen

Flash Forward

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

Flashback

The Choice: Mut zur Liebe

Love Vibes

Die Autorin

Impressum

Ich widme dieses Buch all den Frauen, die physische Gewalt am eigenen Leib erfahren haben – egal ob im eigenen Hause oder durch Fremde … und die trotzdem an die Liebe glauben.

Denn es gibt sie!

 

 

Lisa Torberg (aka Monica Bellini)

Flash Forward

Der Schwall heißer, schwüler Luft trifft mich wie eine Mauer, als die Türen des Terminals 3 des Ben Gurion Airports vor mir zur Seite gleiten. Von der sanften Brise, die in meinen Erinnerungen immer weht, ist nichts zu spüren. Dabei werde ich niemals vergessen, wie sich der laue Wind auf meiner nackten Haut anfühlte, damals, am Strand von Even Yehuda, in den schrecklichsten Stunden meines Lebens. Ich schwanke leicht und umklammere den Handgriff meines Rollkoffers wie einen Rettungsanker. Jemand stößt mich an, eine dicke Frau mit einem lila Hut kreischt, dass ich im Weg bin, und rammt ihr Beautycase in meine Seite. Das Chaos um mich herum hat nichts Vertrautes an sich. Ich sollte nicht hier sein. Mit fahrigen Fingern zerre ich den Riemen meiner Schultertasche höher auf die Schulter, kippe den Koffer und drehe mich um meine eigene Achse. Jetzt bin ich es, die andere rücksichtslos anrempelt, als ich in das Flughafengebäude hineinstürme. Meine Augen bewegen sich hektisch hin und her, suchen nach dem Schalter der El Al. Ich will einfach nur weg. Tel Aviv ist nicht mehr meine Heimatstadt. Schon lang nicht mehr. Seit der Nacht, in der all meine überschäumenden Hoffnungen auf eine wundervolle Zukunft zerbrochen sind. Die rosa gefärbten Träume einer jungen, selbstsicheren Frau, die es nicht mehr gibt.

1

»Lasst uns noch an den Strand gehen, es ist so ein schöner Abend!« Judith, die vor uns die Stufen des Lokals nach unten steigt, bleibt unter einem Lampion stehen. Sie legt den Kopf schräg und lächelt uns erwartungsvoll an. Ihre blauen Augen strahlen und ihre flachsblonden Haare, die sie so sehr von uns unterscheidet, leuchten mit ihren schneeweißen Zähnen um die Wette. Sie ist wunderschön.

»Das ist keine gute Idee, und du weißt es!« Miranda ist bereits achtzehn, und obwohl uns altersmäßig nur einige Monate von ihr trennen, lebt sie ihren Beschützerinstinkt als die Älteste uns gegenüber aus. Das ist schon seit dem ersten Schultag so.

 

Damals, als wir zehn waren, hatten sowohl Mirandas als auch Judiths Eltern die gleiche Entscheidung getroffen wie meine. Die oberflächliche Ruhe der verschiedenen Bevölkerungsgruppen war trügerisch. Tel Aviv wurde immer wieder von terroristischen Anschlägen erschüttert. Im Internat der International School in Even Yehuda, eine halbe Stunde nördlich der Großstadt, waren wir besser aufgehoben und aus der Schusslinie. So schrecklich es jeder von uns im ersten Moment vorkam, den Großteil des Jahres nicht daheim verbringen zu können, so wundervoll wurde es, als wir aufeinandertrafen. Veni, vidi, vici. Wie schon Julius Cäsar sagte, so fühlten wir uns. Nicht Besiegte, sondern Sieger. Wir sahen uns und wurden ab sofort unzertrennlich. Wie die drei Musketiere unternahmen wir alles gemeinsam, zwangen unsere Eltern zu Treffen mit denen unserer Freundinnen und belegten dieselben Kurse. Sport und Theatergruppe, Literaturwettbewerbe und Wahlfächer – wo sich eine einschrieb, taten es auch die anderen. Unsere Mitschüler und Professoren nennen uns seither die Troika, das Dreigespann.

 

Judith spitzt die Lippen zum Schmollmund, und ich kann mir das Lachen nicht verbeißen, weil sie so süß und unschuldig aussieht – und das bei einer Körpergröße von eins achtzig.

»Sei kein Spielverderber, Miranda«, säuselt sie jetzt. »Es ist doch erst kurz nach zehn. Da drinnen«, sie deutet mit der Hand auf das Lokal, das wir soeben verlassen haben, »war es so stickig, dass meine Lunge verklebt ist. Einfach nur runter zum Meer, ein paar Minuten frische Luft schnappen, und dann nehmen wir ein Taxi zurück ins Internat.«

Zugleich wenden sich meine Freundinnen mir zu und schauen mich abwartend an. Wie immer bin ich das Zünglein an der Waage. »Ich weiß nicht ...« Ich drehe den Kopf nach links, dann nach rechts. Es ist ein lauer Mittwochabend im Mai, doch trotz der frühen Stunde ist die verkehrsbefreite Straße so gut wie menschenleer. Keine zwanzig Meter von uns entfernt ist der Taxistandplatz. In die andere Richtung liegt die Bucht mit dem weißen Sandstrand, wo wir bald wieder baden werden. Sobald das Wasser des Mittelmeers eine akzeptable Temperatur angenommen hat und tagsüber, wenn die Sonne scheint. Nicht nachts im Mai.

»Der Vortrag von diesem Amerikaner war stinklangweilig und die Cola warm.« Judith mault und verdreht die Augen. »Wenn ich nicht ein paar Minuten frische Meeresluft atmen und meine Zehen im Sand vergraben kann, werde ich ungenießbar.«

»Das bist du jetzt schon.« Mit einem Grinsen gehe ich auf sie zu, lege den Arm um ihre Schultern und ziehe sie an mich. Obwohl sie einen halben Kopf größer ist als ich und aussieht wie ein Supermodel aus einem der weltweit bekannten Hochglanzjournale, ist sie irgendwie die Kleine. Auch für Miranda, die einen Seufzer ausstößt und Judith über den Kopf streift, während sie mir einen resignierten Blick zuwirft. »Also gut«, sagt sie seufzend und hebt mahnend den Zeigefinger hoch. »Wir gehen hinunter, aber du musst versprechen, dass du nicht vorläufst.«

»Hoch und heilig!« Judith hebt die Hand zum Schwur, packt uns beide an den Händen und zieht uns mit sich.

 

Nebeneinander gehen wir das Straßenstück entlang, das uns aus dem dichter besiedelten Gebiet hinausführt. Wir laufen auf dem roten Bürgersteig, der den Israel National Trail beiderseits säumt. Ein Auto fährt an uns vorbei, ein zweites kommt uns entgegen. Beide Male tausche ich mit Miranda einen flüchtigen Blick, und wir atmen befreit auf, sobald die Wagen aus unserer Sicht verschwinden. Wir sind nicht ängstlich, aber wenn man in Israel geboren wird und aufwächst, dann verlässt einen in gewissen Situationen das mulmige Gefühl nie, auch wenn kein konkreter Grund vorliegt, Angst zu haben.

»Könnt ihr es riechen? Ist das nicht herrlich?« Judith breitet die Arme aus, als ob sie die Brise salziger Luft einfangen wollte. Die langen Halme des steppenähnlichen Grasgürtels, das die Straße hier vom Sand trennt, biegen sich im Wind. Judith läuft hindurch und versinkt sofort im Sand. Sie bleibt stehen, hebt ein Bein, dann das andere und zieht die Sneakers von ihren Füßen. Sie lässt Schuhe und Tasche fallen und rennt los. Ihr silbrig helles Lachen weht mit dem Wind durch die Dunkelheit. Nur die Schaumkronen der sanften Wellen, die vor uns am Uferstreifen übereinanderschlagen, glitzern hell im Mondlicht. Und Judiths langes Haar.

»Man kann sie einfach nur lieben.« Miranda drückt mit warmem Tonfall aus, was wir beide fühlen. Der Kloß in meinem Hals raubt mir die Stimme. Daher nicke ich und greife nach ihrer Hand. Sie erwidert den Druck und wir heben den Blick zum sternenklaren Himmel. Egal, was geschehen ist, wir drei waren immer füreinander da. Als Judiths Mutter vom Krebs dahingerafft wurde, und nur wenige Monate später, als Mirandas Vater bei einem Verkehrsunfall starb. Auch, als sich meine Eltern scheiden ließen, was nicht unerwartet kam und mich doch schmerzlich traf.

»Jetzt kommt schon! Das Wasser ist herrlich!« Judiths drängelnde Rufe unterbrechen meine Gedanken.

Miranda drückt meine Hand, bevor sie sie loslässt. »Wir ziehen wohl besser die Schuhe ...« Ihr Satz wird von einem schrillen Schrei unterbrochen.

Ein Schauer jagt über meine Wirbelsäule, die Härchen auf meinen Armen stellen sich senkrecht auf. Judith! Ich weiß nicht, ob ich ihren Namen denke oder laut ausrufe, nur, dass ich losrenne – und nicht weit komme.

Mein Körper wird zurückgerissen. Jemand packt mich an den Schultern. Harte Muskeln pressen sich an meinen Rücken. Ein Arm umschlingt meine Taille, und eine Hand legt sich auf meine Brust, umklammert sie, quetscht sie zusammen. Alles geschieht im gleichen Moment. Ich will mich wehren, höre Miranda aufschreien und Judith wimmern, als aus dem Nichts eine dunkle Gestalt vor mir erscheint und ihr Knie zwischen meine Beine rammt, es nach oben gegen mein Schambein stößt. Der Schmerz rast wie ein Messer durch meinen Körper, und doch reagiere ich instinktiv und hebe beide Arme, um den Mann von mir zu stoßen.

Ich habe keine Chance.

Der zweite Angreifer umklammert mich von hinten, presst seine Lenden gegen meinen Po. Der vor mir lacht auf. »Vergiss es!« Seine Zahnreihen sind das einzig Helle, was ich vor mir sehe. Der Rest seines Gesichts ist von einer dunklen Haube mit schmalen Sehschlitzen bedeckt. Ich winde mich, trete mit den Füßen – durch die Luft. Der hinter mir muss riesengroß sein – und er ist kräftig. Er hat mich hochgehoben, als ob ich nichts wiegen würde, und leckt mit seiner Zunge über meinen Hals. Sein Atem riecht nach Knoblauch und Bier. Ich will den Kopf herumreißen, doch der Mann vor mir lässt es nicht zu. Er quetscht meine Kieferknochen mit den Fingern seiner großen Hand zusammen, so fest, dass sich meine Lippen öffnen. Ich schaudere vor Ekel, als er seinen Mund hart auf meinen presst und seine glitschige Zunge wie eine Schlange hineinbohrt. Verzweifelt spanne ich alle Muskeln an, sammle all meine Kraft, um mich gegen die doppelte Umklammerung zu wehren.

Es ist sinnlos.

Der mit dem Mundgeruch beißt in meinen Hals, der andere zieht meine Zunge wie ein Staubsauger in seinen Mund. Meine ausweglose Gegenwehr und die wimmernden Laute, die sich aus meinem Innersten einen Weg nach oben suchen, stachelt die Geilheit der beiden Männer an. Ich kann die harte Erektion spüren, die sich an meinen Jeans in die Pospalte presst, das Knie, das vor mir immer fester gegen meine Schamlippen drückt. Die dicke Naht der Jeans zwischen meinen Beinen erhöht die Reibung.

Bitte nicht! Ob ich es denke, flüstere oder schreie, als der Typ vor mir meinen Mund freigibt – ich weiß es nicht. Aber ich spüre die heftige Ohrfeige, die meinen Kopf vom Hals zu reißen scheint. »Halt den Mund, du Schlampe!« Knall. Die Hand schlägt zum zweiten Mal zu. Grell blitzt es vor meinen Augen auf, meine Zähne bohren sich in die Unterlippe. Ich spüre Blut. Meine linke Wange ist heiß, das Augenlid wird schwer und dick, schwillt an. Ein harter Schlag kommt von links – und zugleich lockert sich die Umklammerung um meinen Körper.

Ich falle. Meine Knie berühren den sandigen Grund, dann meine Hände. Halt suchend vergrabe ich sie im nachgiebigen Boden, als mich ein Tritt am Steißbein trifft. Ich schreie. Speichel rinnt aus meinem halb geöffneten Mund, vermischt sich mit dem Sand, als jemand meinen Hinterkopf packt und fest nach unten drückt.

Ein lautes Geräusch, wie das Klatschen einer Peitsche, ertönt unweit von mir. Ein weinerliches Stöhnen antwortet. Miranda. Ich will den Kopf heben, was den Druck der Hand dagegen nur noch erhöht. Meinen Mund habe ich geschlossen, doch die feinen Quarzkristalle dringen durch die Nase ein. Hilflos versuche ich, mich mit den Armen aufzustützen, als jemand meine Handgelenke umfasst, um eines etwas Metallisches legt und sie dann miteinander hinter meinem Rücken fesselt. Es klickt zum zweiten Mal. Handschellen!

Eine Hand packt mich zwischen den Beinen an der Scham, legt sich auf meinen Venushügel und zieht mich so weit hoch, dass eine andere den Knopf meiner Jeans am Bauch zu fassen bekommt. Zuerst ist der Knopf dran, dann der Reißverschluss, schließlich die Hose. Hände zerren an dem Stoff, schieben ihn über die Hüften, meine Oberschenkel und die Knie bis zu den Knöcheln.

Die Angst durchfährt mich wie ein Blitz, lässt mich den Sand zwischen meinen Zähnen und das geschwollene Auge vergessen. O Gott! Sie werden doch nicht ... Ich habe doch noch nie ...

»Sarah!« Mein Name. Judiths herzzerreißender Schrei dringt zu mir durch, lässt mich meine eigene Situation vergessen. Ich will ihr irgendetwas zurufen, ihr klarmachen, dass sie nicht allein ist, aber einer der Angreifer drückt mein Gesicht fest in den Sand. Dass es derjenige ist, der vorhin seine Zunge in meinem Mund versenkt hat, merke ich daran, dass er nicht nach Knoblauch riecht, als er meinen Kopf an den Haaren ein wenig hochzieht und seinen nähert.

»Sarah also?« Er spuckt aus. »Halt einfach nur die Klappe, du jüdische Schlampe. Es hört dich ohnehin keiner.« Ein wölfisches Grinsen umspielt seinen Mund, als er die andere Hand hebt. Die silbrige doppelt geschliffene Klinge eines Messers mit schwarzem Knauf erscheint vor meinem nicht zugeschwollenen Auge. Ich halte die Luft an.

Ein unterdrücktes Lachen erklingt an meinem Rücken. »Na endlich! Ich dachte schon, du hast deine weichen Eier heute daheimgelassen.«

»Die sind voll und hart.« Der neben mir Hockende lockert den Griff an meinen Haaren und greift sich zur Bestätigung zwischen die Beine. »Aber nicht mehr lang!« Obwohl ich unter der Sturmmaske nur seinen Mund sehen kann, weiß ich, dass sein hämisches Grinsen mir gilt.

Er hebt die Hand mit dem Messer und gleitet mit der Klinge an meinem Shirt die Wirbelsäule entlang, bis zu dem Punkt oberhalb meines Steißbeins, wo meine gefesselten Handgelenke liegen. Ein unkontrolliertes Zittern durchfährt mich von oben bis unten, beginnt an der Halswurzel und breitet sich bis zu den Zehenspitzen aus. Meine Oberschenkel beben haltlos, und die Knie driften auseinander. Ich will mich flach hinlegen und die Beine zusammenpressen, diesem Albtraum entfliehen.

Mein Hirn schaltet sich ab, als ob jemand einen Schalter umlegen würde. Es ist, als ob ich aus meinem Körper heraustreten und mich von oben betrachten würde.

Einer der beiden Männer, es muss der Hüne sein, packt mich unsanft beiderseits an meinen Hüftknochen und rückt mich in Position. An den Fußknöcheln von meiner Jeans blockiert und die Arme hinter dem Rücken gefesselt, kniend, mit dem Po nach oben gestreckt und dem Gesicht im Sand, bin ich diesen beiden Verbrechern schutzlos ausgeliefert.

Der Typ mit dem Messer fährt mit der Klinge seitlich über meinen rechten Oberschenkel aufwärts und schiebt den kalten Stahl unter meinen Slip. Einen Moment hält er inne und ein Funken Hoffnung keimt in mir auf. Vergeblich. Der Mann gibt ein Grunzen von sich – und zerschneidet das Letzte, was meine Nacktheit von ihm trennt. Er greift danach, zerrt daran, setzt einen zweiten Schnitt auf der anderen Seite und zieht den Stoff weg. Dann atmet er lautstark ein. »Geil, so geil!« Die Klinge des Messers zeichnet eine Linie quer über meine Pobacke, über den Anus, weiter zur anderen Seite. Die Waffe landet mit einem dumpfen Geräusch im Sand – und ein Finger streicht durch meine Spalte. Ein zweiter presst unsanft gegen meine Klitoris.

Ich zucke zusammen. Er lacht und lässt von mir ab, nur um sich seitlich vorzubeugen und meine Brust zu umklammern. Trotz des Stoffs meines Shirts und des baumwollenen BHs fühlt es sich an, als ob ich nackt wäre. Er knetet meinen Busen, drückt den Nippel fest zwischen seinen Fingern, weidet sich an meinem angstvollen Wimmern.

Eine flache Hand klatscht auf meinen Hintern. Der andere Typ! Er schlägt ein zweites Mal zu, dann streift er zwischen meinen Pobacken hindurch bis zu den Schamlippen. Er lacht auf. »Das gefällt dir, du geiles Miststück.« Plötzlich ist er neben mir, umklammert mein Kinn und rammt mir seinen von meinem Sekret benetzten Finger zwischen die Lippen. Sein warmer Knoblauchatem vermengt sich mit meinem Geruch. Ich schmecke mich auf meiner Zunge! Hitze steigt in meine Wangen, ich senke die Lider.

»Jetzt mach schon, du geiles Flittchen!« Der Mann, unter dessen Sturmmaske eine fleischige Nasenspitze hervorlugt, schiebt nun auch noch seinen Mittelfinger in meinen Mund. »Saug dran, damit du dich daran gewöhnst, bevor ...« Er spricht nicht weiter, sondern schlingt meinen langen Zopf um sein Handgelenk und blockiert meinen Kopf, während seine Bewegungen zwischen meinen Lippen immer rascher werden. Scham und Ekel halten mich gefangen, sodass ich kaum bemerke, dass der andere Mann meine Brust losgelassen hat und nun mit seinen Fingerkuppen zwischen meinen Schamlippen entlanggleitet – bis er mit einem Finger in mich eindringt. Meine Muskeln ziehen sich zusammen. Der Schrei, der aus meinem Innersten den Weg nach oben sucht, wird zu einem gurgelnden Geräusch.

»Verfickt eng, wie ein Handschuh!« Auf den zufriedenen Ausruf hinter mir antwortet der andere genüsslich brummend: »Und sie leckt wie ein Kätzchen.«

Ich wünsche mir, die Besinnung zu verlieren, um nichts von all dem mitzubekommen. Stattdessen nimmt die Schärfe meiner Wahrnehmungen zu. Nur dass mein Körper sich anfühlt, als ob er von meinem Geist getrennt worden wäre. Als ob mich all das nichts anginge, beobachte ich die Szene, über der ich körperlos zu schweben scheine, und frage mich, warum ich mich aufgespart habe.

 

Meine Freundinnen haben längst nachgegeben und ihre Neugierde nach Sex gestillt. Miranda im letzten Jahr während des Sommercamps in Frankreich, Judith schon im Jahr zuvor in Spanien. Ich habe noch nicht einmal mit irgendeinem der Studenten der Oberschule, die aus jüdischen Familien aus der ganzen Welt gemeinsam die Ferien verbringen, Händchen gehalten.

Mein Herz schlägt für keinen dieser unfertigen Jüngelchen in meinem Alter. In meinen Träumen höre ich eine tiefe Stimme, die mir erregende Fantasien zuraunt ... keine sich im Stimmbruch überschlagende. Ich sehne mich nach breiten Schultern und starken Armen, die mir Sicherheit geben, nach Händen, die jeden Winkel meines Körpers erforschen, wie nur ich es mit meinen kann, wenn ich mich selbst befriedige. Allein die Vorstellung, plump betatscht zu werden und mir eine weiche, glitschige Zunge in den Mund stecken zu lassen, lässt mich vor Ekel erschauern. Ich will keinen pubertierenden Jungen, der seine feuchten Träume an einem lebenden Objekt ausleben will – sondern einen Mann! So einen wie Joshua Mendel, den Adjutanten meines Vaters. Ich habe ihn nur drei Mal gesehen. Einmal, als er irgendwelche wichtigen Dokumente bei uns zu Hause vorbeibrachte, kurze Zeit bevor meine Eltern sich scheiden ließen. Damals war ich vierzehn und mein sonst so vorlauter Mund klappte auf und zu, ohne einen Laut von sich zu geben, als er mir einen kurzen Blick und einen militärisch knappen Gruß zuwarf.

Dann zum letzten Jahreswechsel, während der Ferien. Meine Mutter war wieder einmal im Ausland oder bei Freunden in Haifa oder Jerusalem oder sonst irgendwo weit weg von mir – wie stets in all den Jahren seit der Scheidung. Mein Vater konnte daher nicht umhin, mich auf einen steifen Empfang von Diplomaten und Militärs mitzunehmen. Wahrscheinlich hatte er ein schlechtes Gewissen, da er – wie so oft – sein Versprechen auf ein paar rein private Vater-Tochter-Stunden nicht halten konnte. Was mir allerdings ziemlich egal war, denn er kaufte mir ein langes, todschickes Kleid und meine Haare wurden in einem Schönheitssalon, wo man mich auch schminkte, kunstvoll aufgesteckt. Joshuas Adamsapfel, der sich in etwa auf meiner Augenhöhe befand, glitt auf und nieder, als sein Blick auf mich fiel. Er sprach keinen Ton, fasste nach meiner Hand, und diese sanfte Berührung, vereint mit dem tiefen Blick aus seinen dunklen Augen, wühlte mich auf. Meine Knie wurden schwach, sodass ich mich auf den nächstbesten Stuhl setzte und mich innerlich dem Kribbeln in meinem Magen und der Hitze zwischen meinen Schenkeln widmete. Äußerlich griff ich dankend nach dem Glas mit Wasser, das Vaters Adjutant aus dem Nichts für mich organisiert hatte und mir reichte. Sobald sich unsere Hände dabei erneut berührten, fühlte es sich wie ein elektrischer Schlag an. In dem Moment dachte ich, Funken zu sehen. Ich weiß, dass ich es mir nicht nur eingebildet habe, denn Joshua verschwand noch während des Dinners mit einer fadenscheinigen Ausrede und vermied jeden weiteren Blick in meine Richtung, als er den Saal verließ.

Das konnte er bei unserem letzten Treffen jedoch nicht tun. Anlässlich des Pessach-Festes verbrachte ich ein paar Tage mit meinem Vater. Meine Mutter war – wie so oft – im Ausland, ich hatte keine Ahnung wo. Diesmal hatte sie nicht einmal die Zeit für einen Anruf gefunden, mir am letzten Schultag nur eine kurze Textnachricht geschickt, dass sie leider unentbehrlich war – was auch immer sie damit meinte.

Bei uns daheim war Religion nie großgeschrieben worden, und im militärischen Umfeld sind es die Rund-um-die-Uhr-Einsätze, die das Befolgen von Sabbat und Feiertagen unmöglich machen. Mein Vater war mittlerweile Oberst beim Mossad und Unabkömmlichkeit vom Dienst normal. Doch zum Fest der Freiheit, das den Exodus und somit das Ende der Sklaverei der Israeliten feiert, mahlen sogar die Mühlen im Hauptquartier des Mossad in Tel Aviv, dessen Standort geheim gehalten wird, langsamer.

Einige Offiziere der verschiedenen Streitkräfte – denn offiziell arbeitete natürlich niemand von ihnen für den Geheimdienst – trafen sich in einem Lokal zu einem gemeinsamen Abendessen. Die Frau an der Seite von Oberst Ephraim Shifrin war ich – seine Tochter. Da konnte sich sein Adjutant, Oberleutnant Joshua Mendel, dem obligatorischen Gruß nicht entziehen. Diesmal hielt ich bei der Begrüßung seine Hand eine Spur zu lang fest, genoss die Hitze, die sich von ihm auf mich übertrug und von meinem Körper mit einem andauernden Prickeln Besitz nahm. Wir saßen voneinander durch mehrere Personen getrennt, doch immer wieder konnte ich seine Blicke in meine Richtung spüren und beobachtete ihn, wenn er nicht zu mir sah.

Bis zu dem Moment, an dem wir zugleich die Augen auf den anderen richteten und mich sein glühender Blick traf. Er drang in mich ein, kehrte mein Innerstes nach außen und hinterließ eine heiß brennende Spur, die sich zwischen meinen Schenkeln zu einem Feuerball zusammenrollte. Zum Glück waren alle rundum mit sich beschäftigt, sodass niemand sah, dass mir das Wasserglas aus der Hand fiel und sich der Inhalt auf dem Tischtuch ausbreitete. Mit gesenktem Blick malträtierte ich meine im Schoß ineinander verschlungenen Hände, bis die ersten Stühle rückten. Ohne aufzusehen, stand ich auf und griff nach meiner Tasche. Ich setzte ein Lächeln auf, erwiderte Grußformeln mit höflichen Floskeln, drückte unzählige Male Hände. Flüchtig, nahezu unspürbar, wie alle anderen auch, die nun offenbar Eile hatten, heimzukehren. Wieder ergriff ich eine hingestreckte Hand – und zuckte zusammen. Ich musste nicht aufsehen, um zu wissen, dass er es war. Er strich mit seinem Daumen sanft über meine Handfläche. Ich zog die Lippe zwischen die Zähne und biss fest zu, um nicht aufzustöhnen. Er beugte sich vor und ich versank in der dunklen Tiefe seiner Augen.

»Bald, Sarah. Sobald du achtzehn bist, werde ich vergessen, dass dein Vater mein Vorgesetzter ist«, raunte er mir zu.

Jedes Härchen auf meinem Körper stellte sich auf und meine Hand wurde schweißnass in seiner. Halt suchend schloss ich die Finger fester um die seinen, als er mich plötzlich losließ und die Hacken zusammenschlug. Mein Vater, der bis dahin mit dem General und dessen Frau ins Gespräch vertieft gewesen war, tauchte neben mir auf, legte mir beschützend den Arm um die Schulter, nickte seinem Adjutanten zu und führte mich aus dem Restaurant.

 

Seither sind fünf Wochen vergangen und genau so viele trennen mich noch von meiner Volljährigkeit. In der Zwischenzeit sollte ich mich nur auf das Bagrut, die Reifeprüfung, konzentrieren. Doch es gibt keine Nacht, in der ich mir nicht ausmale, auf welche Art und Weise Joshua Mendel vergessen will, dass er der Adjutant meines Vaters ist. In meiner Fantasie kann ich unseren ersten Kuss spüren, seinen Mund auf meinen Lippen, seine Hände auf meiner Haut und ihn, den Ersten, der einfühlsam in mich eindringt und mich zur Frau macht. Ein Wunschtraum, der soeben in einer alles zerstörenden Explosion zerbirst.

 

Der Schmerz zwischen meinen Beinen droht mich zu zerreißen, aber der Mann hinter mir verhindert jede Bewegung meines Beckens mit festem Griff. Also beiße ich zu. Mit einem Aufschrei zieht er die Finger aus meinem Mund und reißt meinen Kopf an den Haaren zur Seite. Währenddessen rammt der Mann hinter mir erneut seinen stocksteifen, prallen Penis in mich hinein. Fester, tiefer, immer wieder.

Ich schreie, schreie und schreie. Nicht einmal der Schlag auf die Lippen, die sofort aufplatzen, bringt mich zum Schweigen.

»Stopf diesem verfickten Luder endlich das Maul.« Ohne einzuhalten, herrscht mein Vergewaltiger, der sich an meinen Hüften festklammert, den anderen an. Und der tut, was der erste ihm befiehlt. Er öffnet seine Hose, holt sein hartes Stück hervor und schiebt es mir zwischen die Lippen. Mit der einen Hand reißt er an meinem Zopf, den er immer noch um sein Handgelenk geschlungen hat, mit der anderen presst er gegen meine Kieferknochen, damit ich den Mund nicht schließen kann. Sein Geruch ist penetrant. Das Blut meiner Lippen vermischt sich mit seinem ekelerregenden Geschmack. Ich würge. Als seine Erektion den Eingang meiner Kehle erreicht und er vehement weiter in meine Mundhöhle eindringt, überkommt mich der Drang, mich zu übergeben. Aber es geschieht nicht. Dieses riesige fleischige Teil füllt mich so sehr aus, dass meine Schluckmuskulatur gelähmt ist. Die beiden Männer rammen ihre Penisse in mich, als ob es kein Morgen gäbe.

Ich habe den Zenit des Entsetzens erreicht. Denke ich, sofern ich in diesem Zustand überhaupt noch dazu in der Lage bin. Bis sich etwas ohne Vorwarnung in meinen Anus rammt ... Hitze und Schmerz kämpfen zuerst gegeneinander an, dann vereinen sie sich – und zerfetzen mich. Ich löse mich auf. Körper und Geist entfernen sich endgültig voneinander. Meine Sinne schwinden ... und endlich, endlich versinke ich im schwärzesten Schwarz.

»Sarah, Sarah, wach auf. Biiiitte!« Das inbrünstige Flehen geht in ein leises Schluchzen über. Miranda! Es kostet mich übermenschliche Kräfte, aus den Tiefen des komatösen Zustandes herauszufinden. Ich verstehe nicht, warum sie mich nicht weiterschlafen lässt. Es muss doch mitten in der Nacht sein! Miranda krallt sich an meiner Schulter fest. Ich kann ihren Atem auf meiner Wange spüren, als sie sich zu mir beugt. »Sie sind weg, Sarah. Alles wird gut. Aber Judith ...«

Judith! Als ob sie mit diesem einen Wort eine magische Formel ausgesprochen hätte, ist mit einem Schlag alles wieder da. Der Vortrag des Amerikaners über erneuerbare Energien. Das Lokal, in dem die Luft zum Schneiden war. Judiths Vorschlag, an den Strand zu gehen, um noch ein wenig frische Meeresluft einzuatmen, bevor wir uns ein Taxi zurück ins Internat nehmen wollten. Miranda, die ständig Besorgte, die dagegen war. Und ich, die ich wie immer eine Entscheidung für uns alle treffen musste – und die falsche getroffen habe! Miranda ist hier, neben mir. Aber wo ist Judith?

Ich lege die Handflächen neben meinen Körper, stütze mich auf und hebe den Kopf an. Angeekelt spucke ich nassen, klebrigen Sand aus und versuche das linke Auge zu öffnen. Es klebt zusammen. Leise stöhne ich auf, während ich mich hochstemme – und wieder nach vorn falle. Auf meine schmerzenden Brüste, die sich anfühlen, als ob sie in eine Presse geraten wären. Leuchtend hell, wie ein Blitz, flammt ein Bild in meinem Kopf auf. Der Mann hinter mir, der, während er mich von hinten fickt, seine Hand unter mein Shirt schiebt, den BH zur Seite zerrt und meinen Nippel zusammenpresst ... Hektisch klappere ich mit dem nicht lädierten Lid, blinzele den Flashback weg und sammle meine Kräfte. Endlich knie ich auf allen vieren, wankend, aber doch. Ich will aufstehen, aber meine Beine sind an den Knöcheln von meiner Jeans gefesselt.

»Soll ich dir helfen?« Mirandas Flüstern ähnelt dem des Windes, der vom Meer kommend über mich hinweg streicht. Suchend wende ich den Kopf, erkenne die Form ihres Kopfes, das Oval ihres Gesichts. Ihre Augen sind geschwollen, die Oberlippe aufgesprungen. Ich schlucke schwer, während sie ihre Hand vor den Mund schlägt und mich entsetzt anstarrt. Wortlos. Sie kauert neben mir, regungslos wie eine Puppe auf einem Regal. Anzunehmen, dass ihr Aussehen das Spiegelbild des meinen ist, ist hinfällig. Ich weiß genau, was diese ... diese Bestien ... mir angetan haben, und so absurd es sein mag, ich bin froh, dass es mir passiert ist – und nicht ihr. Zumindest nicht an ihrem Gesicht ... Ich schüttele mit dem Kopf und lasse mich seitlich auf den Po fallen. Ein unbeschreiblicher Schmerz jagt durch meinen Körper. Fest beiße ich die Zähne zusammen und verziehe meine Mundwinkel, so, als ob ich lächeln wollte. Ich strecke die Arme vor, bekomme den Bund meiner Jeans zu fassen und ziehe daran. Irgendwie schaffe ich es, meinen Po anzuheben und mich mit dem schweren Stoff zu bedecken und aufzukrabbeln. Mirandas Augen begleiten jede meiner Bewegungen. Sie sind das Einzige an ihr, was nicht erstarrt ist. Wie versteinert steht sie da. Der Sand in der engen Hose reibt wie Schmirgelpapier, und die Naht an der Pospalte und zwischen den Beinen presst gegen meine geschwollenen Körperteile. Am liebsten würde ich mich ausziehen, die wenigen Meter zum Meer laufen und mir in dem eiskalten Nass alles abspülen ...

»Wo ist sie?« Ich beuge mich vor, packe Miranda an beiden Händen, ziehe sie hoch. So schwungvoll, dass ihr Oberkörper gegen meinen gepresst wird und sie endlich eine Reaktion zeigt. Sie streckt die Hand aus. Ihr Zeigefinger deutet zu dem Streifen, an dem Wasser und Strand aufeinandertreffen, in die Richtung, in die Judith lief, bevor ...

Ich schiebe Miranda von mir und renne los.

Sie ist wunderschön! Wieder ist es dieser Gedanke, der mich erfüllt, als ich Judith sehe. Dem Meer zugewandt sitzt sie einige Meter von mir entfernt im Sand, die Beine angezogen und die Arme um die Knie geschlungen. Die sanften Wellen brechen unmittelbar vor ihr, bilden kleine Schaumkronen und ziehen sich zurück. Ihr flachsblondes Haar leuchtet im Mondlicht. Es fällt glatt über ihren Rücken und berührt den Rand ihrer Jeans. Das blaue Shirt mit den weißen Blümchen steckt immer noch im Bund. Ein Anflug von Erleichterung macht sich in mir breit. Sie haben sich an mir vergangen, auch an Miranda ... Ich mache einen Schritt auf sie zu, dann noch einen. Der Funken Hoffnung, dass sie ihr nichts getan haben, erlischt in dem Moment, in dem ich sie anspreche. Sie reagiert nicht. Fast unmerklich wippt ihr Oberkörper vor und zurück, als ob sie mit ihrer Bewegung die der Wellen nachahmen wollte. Ihr Blick ist starr nach vorn gerichtet. Ich knie mich neben ihr in den Sand, streiche über ihre Haare, spiele mit einer Strähne. »Judith, es ist spät. Wir sollten nach Hause gehen.« Es ist, als ob ich mit einer Wachsfigur sprechen würde. Einer Statue aus warmem Material, die lebendig erscheint und es doch nicht ist. Minutenlang sitze ich da, berühre sie, sehe sie an – und beneide sie ein wenig. Es ist, als ob sie sich an nichts erinnern würde – was auch immer ihr passiert ist. Mir würde es reichen, auch noch das zweite Auge zu schließen, um jede Sekunde noch einmal zu erleben.

»Wie geht es ihr?« Mirandas Stimme unterbricht die lauten Gedanken in meinem Kopf. Ich sehe auf. In ihren Armen hält sie unsere Schuhe und Taschen. Ich zucke mit den Schultern.

»Wir müssen die Polizei rufen.« Miranda lässt alles in den Sand fallen, bis auf ihre Tasche, aus der sie das Handy zieht. Ich springe auf, reiße es ihr aus der Hand.

»Nein!«

Sie zuckt zusammen, ihre Lippen beben. »Wa-warum?«

»Keine Polizei, Miranda!« Meine Stimme ist schneidend.

»Aber ... aber wir brauchen Hilfe, Sarah.«

»Nein!« Diesmal unterstreiche ich das Wort mit einer kategorischen Geste.

»Judith braucht Hilfe! Lass uns im Internat anrufen, damit sie uns abholen.« Sie streckt den Arm aus, um nach ihrem Handy zu greifen. Ich halte es hoch über meinen Kopf. »Sarah, sei nicht kindisch. Wir können doch nicht einfach so tun, als ob nichts passiert wäre«, ruft sie mit schriller Stimme.

Ich presse die Lippen zusammen. Als ob nichts passiert wäre? Im Gegenteil! Diejenigen, die uns das angetan haben, sollen büßen. Und sie werden büßen, selbst wenn ich mein ganzes Leben darauf verwenden muss, sie ausfindig zu machen.

»Schau sie dir an.« Miranda deutet mit einer hilflosen Geste auf Judith. »Wie willst du ihren Zustand erklären?«

»Unseren Professoren gegenüber? Gar nicht.« Ich verschränke die Arme vor der Brust.

Sie rollt mit den Augen. »Und wie willst du unsere Abwesenheit an einem ganz normalen Donnerstag erklären? Bald geht die Sonne auf, und wenn es bis dahin noch niemandem aufgefallen ist, werden sie spätestens beim Frühstück merken, dass wir nicht da sind.«

»Wie spät ist es?«

»Schau aufs Handy.«

Ich tue, was sie sagt. Zwei Uhr siebenundvierzig. Wir haben das Lokal kurz nach zehn verlassen ... und haben noch mehr als drei Stunden – wenn alles gut geht, auch vier –, bevor man unser Verschwinden bemerkt.

»Natürlich braucht Judith Hilfe.« Wir auch, denke ich, spreche es jedoch nicht aus. »Aber wir werden diese Sache nicht breittreten. Je weniger Menschen davon wissen, umso besser. Für uns, aber vor allem für unsere Familien. Oder willst du deinen Namen in der Zeitung lesen?«

Miranda zieht die Unterlippe zwischen die Zähne und runzelt die Augenbrauen, sodass die tiefe Falte an ihrer Nasenwurzel erscheint. Ich weiß, dass sie an ihre Mutter denkt, die früher lebensfroh und stark war, aber seit dem Tod von Mirandas Vater nicht mehr belastbar ist. Die Vergewaltigung ihrer Tochter, die von der Presse breitgetreten würde, sobald sie davon erfahren, würde sie umbringen. Ebenso wie Judiths Vater, der seine Frau viel zu früh an den Krebs verloren hat und sein einziges Kind seither noch mehr vergöttert als zuvor. Meine Mutter hingegen wäre zuerst schockiert, aber nur einen kurzen Moment lang. Dann würde sie den Vorfall mit einem »Die Zeit heilt alle Wunden«, gefolgt von einem »Was uns nicht umbringt, macht uns nur härter« abwinken und zur Tagesordnung übergehen. Genauer gesagt dazu, die Apanage, die ihr mein Vater seit der Scheidung jeden Monat großzügig zahlt, in eine Reise zum Formel-1-Grand-Prix in Monte Carlo oder der Modewoche in Mailand zu investieren. Solange ich keine sichtbaren körperlichen Schäden aufwies, machte sie sich nie Sorgen um mich. Und meine Zukunft interessiert sie schon lang nicht mehr. Meinen Wunsch, etwas so absolut Idiotisches studieren zu wollen wie Literaturwissenschaften und Kunstgeschichte, tat sie im letzten Sommer mit einem Naserümpfen ab, weshalb unsere ohnehin seltenen und immer kürzeren Gespräche, die wir fast ausschließlich telefonisch führen, nur noch aus essenziellen Höflichkeitsfloskeln bestehen. Der einzige Mensch, der in dieser Situation nicht nur den Kopf behalten, sondern auch sofort handeln wird, ist mein Vater.

Ich gehe in die Knie und ziehe meine Tasche aus dem Haufen zu Mirandas Füßen hervor. In dieser Position reibt die Jeans an meinem geschwollenen Geschlecht, und ich habe Mühe, die Tränen zurückzuhalten. Kopfschüttelnd krame ich die Geldbörse hervor, finde das Handy, stehe auf.

»Was ist los, Sarah? Wen rufst du an?«

Ich ignoriere Miranda bewusst, drücke die Kurzwahl und entferne mich ein paar Schritte von Judith und ihr.

 

Vierzig Minuten später werden wir von meinem Vater und einem Einsatzteam der israelischen Armee abgeholt und nach Tel Aviv gebracht. Eine Vielzahl von zivilen und militärischen Fahrzeugen und ihre Insassen bleiben in der Sandbucht von Even Yehuda zurück.

Mein Vater, Oberst Ephraim Shifrin des Mossad (für nicht Eingeweihte ist er einfach nur ein hohes Tier bei der Luftwaffe), lässt uns erst einmal verschwinden. Man bringt uns in eine Klinik, von deren Existenz kein normaler Bürger Israels etwas weiß. Dass es sich um eine militärische Einrichtung handelt, ist offensichtlich. Die Ärzte tragen unter ihren Kitteln Uniformen ihrer Truppeneinheit. Artillerie und Luftwaffe sind ebenso vertreten wie die Marine. Man trennt uns voneinander. Die erste Prozedur, der ich unterzogen werde, ist die unangenehmste. Jeder Zentimeter Haut wird nach Spuren abgesucht. Hautzellen und sonstige mit freiem Auge nicht erkennbare Partikel werden auf kleine Glasplättchen übertragen, die mit einem zweiten bedeckt werden. Schließlich, nach einer geduldigen und mit sanfter, leiser Stimme vorgetragenen Erklärung, nimmt eine Ärztin vaginale und anale Abstriche und Speichelproben. Nach der Dusche, bei der eine Schwester zugegen ist, die mir liebevoll den Rücken wäscht, werde ich fotografiert. Danach verabreicht man mir zwei Injektionen. Eine ist die Pille danach, die andere die erste Dosis eines potenten Breitbandantibiotikums. Zum Glück habe ich nur Prellungen und keine Knochenbrüche. Die quer aufgerissene Augenbraue wird mit einem Stich genäht. Ein Auge ist komplett zugeschwollen, das Hämatom riesig und die Lippe aufgeplatzt. Mein Anus brennt wie Feuer und meine Schamlippen sind enorm angeschwollen, doch die wahren Schmerzen fühle ich innerlich. »Davon wird in absehbarer Zeit nichts mehr zu sehen sein, Sarah.« Die Ärztin deutet auf mein Gesicht, umrundet den Schreibtisch, setzt sich auf den Stuhl neben mir und nimmt meine Hände in ihre. »Der Körper heilt von selbst, es ist der Geist, der Hilfe braucht.«

Offiziell haben Judith, Miranda und ich einen Virus, der sich mit Erbrechen und hohem Fieber während des Abends in dem Lokal geäußert hat. Wir haben unsere Eltern angerufen, die uns sofort abholten. So weit die Version für die Schule – und meine Mutter. Die ist stundenlang nicht erreichbar, woraufhin ich ihr in einer Textnachricht von hoher Ansteckungsgefahr berichte. Sie antwortet Stunden später lakonisch, dass sie mich ohnehin nicht besuchen könne, da sie nicht in der Stadt ist, und wünscht mir beiläufig baldige Besserung. Wenn ich nicht wüsste, dass sie mich geboren hat, würde ich annehmen, ein Findelkind zu sein, das sie widerwillig aufgenommen hat. Als ob sie jemand dazu gezwungen hätte.

 

Judiths Vater und Mirandas Mutter besucht mein Vater persönlich. Allein. Was genau er den beiden sagt, erfahren wir nicht. Sie wissen von einem Überfall, auch von physischer Gewalt, doch nicht vom tatsächlichen Ausmaß des Verbrechens und werden gebeten, ihre Töchter nicht darauf anzusprechen.

 

Mein Vater verbringt viele Stunden mit Miranda und mir. Gemeinsam beschließen wir, neben den individuellen Gesprächen eine Gruppentherapie zu machen, bei der auch Judith anwesend sein soll. Das Team der psychologischen Betreuer, das sich aus Frauen und Männern zusammensetzt, geht einfühlsam auf uns ein, was uns klarmacht, wie oft sie mit den Folgen brutaler Gewalt und schwerer Verletzungen konfrontiert werden. Kein Wunder, wenn man an die vielen Attentate und Gewaltverbrechen denkt, die in Israel auf der Tagesordnung stehen. Wir sprechen über das, was geschehen ist, und erinnern uns bei jedem Gespräch an neue Details. Nur Judith sagt kein Wort und reagiert nicht. Sie starrt einfach nur apathisch vor sich hin, ohne ihren Blick auf irgendwas oder irgendjemanden zu fokussieren.

Am fünften Tag lächelt sie mich plötzlich an der Tür zum Therapieraum an, hebt die Hand und wickelt sich eine meiner Locken um den Zeigefinger. »Du bist wunderschön, Sarah.« Die intime Geste und die Worte aus ihrem Mund, die sonst ich zu ihr sage, lösen eine Sintflut aus. Endlich liegen wir uns alle drei in den Armen und heulen uns die Seele aus dem Leib. Dass Judith keine Ahnung hat, warum wir es tun, merken wir, nachdem die Tränen versiegt sind. Die beiden Therapeuten, ein Mann und eine Frau, bringen Kuchen und Milchkaffee, setzen sich zu uns. Als sie Judith mittels Fragen ins Gespräch miteinbeziehen, stellt sich heraus, dass sie keine Erinnerung an das Geschehen hat. Man diagnostiziert eine retrograde Amnesie.

 

»Ich beneide sie.« Miranda liegt am Abend an mich gekuschelt auf dem Bett in meinem Krankenzimmer. »Judith hat keine Albträume und muss nicht damit fertig werden, dass sie von zwei Männern missbraucht wurde.«

Ich nicke nachdenklich. Man konnte in jeder von uns Spermaspuren von zwei verschiedenen Männern feststellen, und keine der insgesamt sechs stimmt mit einer anderen überein. Sechs Männer! Wir hätten keine Chance gehabt, selbst wenn sie uns nicht im Dunkel überfallen hätten.

»Hoffentlich wird sie sich nie wieder erinnern, Miranda.« Ich ziehe sie näher an mich heran und küsse sie sanft auf den Kopf. »Sollte das geschehen, dann gnade uns Gott.«

Es reicht, dass ich jede Nacht mehrmals schweißgebadet von Albträumen geplagt aufwache. Aber das sage ich ihr nicht und schicke sie, wie jeden Abend, wenig später in ihr Zimmer. Sie umarmt mich und verschwindet wortlos – wie immer. Wenn wir allein sind, verhalten wir uns beide, als ob sich unser Leben nicht geändert hätte, sprechen nie über unsere Gedanken oder Gefühle. So wie ich nicht mehr mit Vorfreude an meinen achtzehnten Geburtstag denke. Männer generell – von meinem Vater abgesehen – und mein Mädchentraum Joshua Mendel sind Vergangenheit. Noch vor einer Woche wurde mir warm, wenn ich an ihn dachte. Jetzt ist mir kalt. Eiskalt. Ich bin schmutzig. Von dem Mädchen ist nichts mehr übrig. Man hat mich benutzt. Ich bin nicht mehr die, die ich vorher war. Kein Mann will so eine wie mich. Aber vor allem will ich nie wieder einen Mann so nahe an mich herankommen lassen, dass er mir Schmerzen zufügen kann. Nie wieder.

Am Mittwochabend, eine Woche nach dem Übergriff, sitze ich meinem Vater in einem Büro der Klinik gegenüber. Sein Blick ist ... undeutbar. Nicht besorgt, denn es geht mir jeden Tag besser, und ich lasse mir ohnehin nicht anmerken, wie es mir geht. Ich habe gelernt, meine Mimik zu kontrollieren, wenn ich mich niedersetze und der Schmerz wie ein Messer von unten durch meinen Körper fährt. Diese Selbstkontrolle hat er mir mit seiner DNA vererbt – ich weiß es. Deshalb kann ich auch jetzt seinen Blick nicht deuten. Er trägt eine dunkelblaue Hose und ein weißes Hemd mit Krawatte. Die Jacke hängt hinter ihm über der Lehne. Jetzt öffnet er die Manschettenknöpfe und rollt sie über seinen sehnigen Unterarmen auf. Sie sind braun gebrannt. Ich starre darauf. Wann hat er Zeit, sich zu sonnen? Habe ich meinen Vater überhaupt schon einmal in der Sonne liegen gesehen? Was weiß ich überhaupt von ihm? Er legt die Arme auf den Tisch, die Hände ineinander verschlungen, und unterbricht meine Gedanken. Ich hebe den Blick.

»Ich will dich auf den Stand der Ermittlungen bringen, Sarah.«

 

Seit dem Moment meines Anrufs hat er dafür gesorgt, dass nichts über den Vorfall bekannt wurde. Die Anwesenheit der Militärfahrzeuge und Soldaten an dem Ort, an dem man uns überfallen hat, wurde mit routinemäßigen Kontrollen erklärt. Ein Umstand, der in unserem Land Normalität bedeutet und die Bevölkerung beruhigt. Nur wenn über lange Strecken oder an bestimmten Orten keine Streitkräfte zu sehen sind, werden die Menschen unruhig. Verkehrte Welt!

»Habt ihr sie ...« Meine Kehle ist plötzlich trocken wie die Sahara.

»Gefunden?« Er vollendet den Satz. »Nein, es ist, als ob wir eine Nadel im Heuhaufen finden wollten. Aber«, er sieht mir fest in die Augen, »wir werden sie finden. Die Aufzeichnungen eurer Therapiegespräche, die gesicherten Spuren und die Tatsache, dass sie euch nichts gestohlen haben, weisen in eine Richtung, die ...« Er presst die Fingerkuppen seiner verschränkten Hände fest in die Handoberflächen. Die Knöchel treten weiß hervor. Meinem selbstsicheren, redegewandten Vater fehlen die Worte.

»Du meinst, wir sind weiterhin in Gefahr?«

Ich sehe auf, erkenne in seinen Augen das Spiegelbild der meinen. Nicht nur die Farbe ist dieselbe. Auch die Intensität des Blicks ist es.

»Tatele ...« Zum ersten Mal seit langer Zeit verwende ich den Namen, mit dem ich ihn als Kind nannte. Väterchen. »In einem Monat werde ich achtzehn. Ich bin kein Kind mehr – und ich bin deine Tochter. In dem Moment, in dem ich am Strand von Even Yehuda in meiner Tasche nach dem Handy suchte und meine Geldbörse fand, begriff ich den Ernst der Sache.

---ENDE DER LESEPROBE---