Bruno, Chef de cuisine - Martin Walker - E-Book

Bruno, Chef de cuisine E-Book

Martin Walker

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Beschreibung

Bruno nimmt uns mit auf einen Streifzug durch Saint-Denis, schlichtet kleine Nachbarschaftszwists und großes Gezeter am Markt und kümmert sich um allerlei missliche Angelegenheiten. Nur einmal gerät er ins Schwitzen: Als sein Freund, der Chef des beliebtesten Restaurants der Stadt, kurz vor einer großen Jubiläumsfeier ins Krankenhaus muss, bittet er Bruno, für ihn einzuspringen. Bruno zögert, atmet tief durch, krempelt die Ärmel hoch – und zaubert ein Festmahl und ganz nebenbei ein großartiges Lesevergnügen.

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Seitenzahl: 370

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Martin Walker

Bruno, Chef de cuisine

und andere Geschichten aus dem Périgord

Aus dem Englischen von Michael Windgassen

Diogenes

Für Julien Montfort und Caline Sokolow,

deren Weinhandlung und Freundschaft

stets für mein Wohlbefinden sorgen.

Vorwort

Bruno, Chef de police der Ortschaft Saint-Denis, wurde erstmals 2008 verlegt. Bald erscheint der sechzehnte Band der Reihe, und es ist an der Zeit, verschiedene Kurzgeschichten, die über die Jahre in Anthologien, Kochbüchern und Zeitschriften zu lesen waren, zusammen mit neuen Geschichten in einem Band zusammenzufassen. Für alle, die Bruno, seine Freunde und Nachbarn noch nicht kennen, mag es hilfreich sein, wenn ihnen in dieser Einleitung der Mann vorgestellt wird, der von der Kritik als »Maigret der Dordogne«, als »Frankreichs Antwort auf James Bond«, als »Beschützer, Lehrer und Freund seiner Gemeinde« oder als »durch und durch liebenswerter f‌lic« beschrieben wurde.

Benoît Courrèges, den meisten bekannt als Bruno, ist als Waise aufgewachsen. Er wurde als Säugling von seiner Mutter vor einem Kirchentor ausgesetzt, kam in ein Kinderheim und wuchs später unter beengten und unglücklichen Verhältnissen bei seiner armen Tante in Bergerac auf. Mit siebzehn verpflichtete er sich zum frühestmöglichen Zeitpunkt zum Militärdienst. Bei den Gefechtspionieren stieg er zum Oberfeldwebel auf und wurde mit dem Croix de Guerre dekoriert, nachdem er als UN-Blauhelm unter Artilleriebeschuss verwundete Kameraden aus einem brennenden Panzerwagen befreit hatte. Wegen einer Verletzung an der Hüfte durch einen Heckenschützen wurde er schließlich ausgemustert.

Nach mehreren Monaten Krankenhausaufenthalt und Reha-Maßnahmen ließ er sich in der Polizeiakademie zum Gemeindepolizisten ausbilden und trat dann seinen Dienst in Saint-Denis an. Im Unterschied zu den gendarmes, die den paramilitärischen französischen Streitkräften angehören und dem Verteidigungsministerium unterstellt sind, oder der Police nationale, die dem Innenministerium untersteht, müssen sich Dorfpolizisten wie Bruno allein dem Bürgermeister oder der Bürgermeisterin und dem Gemeinderat gegenüber verantworten.

Bruno dient also dem langjährigen Bürgermeister Gérard Mangin, einem ehemaligen Senatsmitglied und Lokalhistoriker, der früher Präsident Jacques Chirac beraten hat. Er ist ein gewiefter Strippenzieher, der für Bruno eine Art Ersatzvater wurde und ihn mit der Geschichte und der Kultur des Périgord bekannt machte, das viel älter ist als Frankreich selbst. Tatsächlich stammen sehr viele der Belege, die uns Aufschluss über die Vorgeschichte und unsere Urahnen, den Neandertalern und Cro-Magnon-Menschen geben, aus dem Tal der Vézère. Diese Vorfahren, von denen etliche Skelette erhalten geblieben sind, hinterließen über hundert kunstvoll ausgestaltete Höhlen, etliche Skelette, Steinwerkzeuge und Waffen, bearbeitete Knochen und so viele andere Relikte, dass die moderne Archäologie gleichsam hier erfunden wurde.

Das Périgord ist mit seiner saftigen foie gras und den berühmten schwarzen Trüffeln außerdem das kulinarische Herz Frankreichs. Das Lammfleisch, die Entenprodukte und die Erdbeeren dieser Region sind so besonders, dass sie mit einem eigenen Siegel, vergleichbar dem der appellation contrôlée, geschützt werden. Bruno, inzwischen begeisterter Hobbykoch und Gärtner, zieht Enten und Hühner auf und produziert die meisten seiner Lebensmittel selbst. Vom Bürgermeister bekam er seinen ersten Hund, einen Basset namens Gigi, dem Jahre später ein weiterer Basset folgte, der auf den Namen Balzac hört. Er besitzt auch ein eigenes Pferd; es heißt Hector und war ein Geschenk der Bewohnerinnen und Bewohner von Saint-Denis zu seinem vierzigsten Geburtstag. Sie alle kennen Bruno gut und vertrauen ihm.

Unter der wohlwollenden Leitung des Bürgermeisters entwickelte sich Bruno zu einem ungewöhnlichen Polizisten, dem es wichtig ist, jede Familie in seinem Revier zu kennen. Das fällt ihm nicht schwer, da er in seiner Freizeit Schulkindern während der Wintermonate Rugby und im Sommer Tennis beibringt. Neben dem Rugby- und dem Tennisklub ist der Jagdverein eine der Institutionen, die die Gemeinschaft zusammenhalten, und Bruno ist ein leidenschaftlicher Jäger, der auf Rotwild, Wildschweine und vor allem bécasses Jagd macht, Waldschnepfen, das köstlichste Geflügel überhaupt. Er ist wohl auch der letzte Polizist in Frankreich, der versucht, jeden Morgen vor der maternelle, dem Kindergarten, zu sein, um Mütter und Kinder sicher über die Straße zu lotsen. Weil er den meisten dieser Mütter das Tennisspielen beigebracht, auf ihrer Hochzeit mit ihnen getanzt, der Taufe ihrer Kinder beigewohnt und bei der Beisetzung ihrer Großeltern den Sarg zu tragen geholfen hat, gehört er fast mit zur jeweiligen Familie.

Bruno steht im Mittelpunkt des kommunalen Lebens. Im Sommer organisiert er Feuerwerk und Konzert am Flussufer. Er beaufsichtigt die wichtigen Paraden zu den Jubiläen am 8. Mai, dem Jahrestag der Befreiung, am 14. Juli, dem Tag des Sturms auf die Bastille, und am 11. November zum Ende des Ersten Weltkriegs. Er geht Streife auf dem großen Markt, der, seit ihm im 14. Jahrhundert das königliche Privileg zuerkannt wurde, jeden Dienstagmorgen stattfindet, sowie auf dem jüngeren Samstagsmarkt, der sehr viel kleiner ist und mit dem Platz vor dem Rathaus auskommt.

Bruno ist unverheiratet, was er bedauert, da er sich gern mit der richtigen Frau zusammentun und eine Familie gründen würde. Sein Problem ist, dass er sich in temperamentvolle und unabhängige Frauen verliebt, die lieber ihre beruf‌liche Karriere als ein trautes Familienleben verfolgen möchten, sosehr sie es auch genießen, mit Bruno zusammen zu sein. Isabelle, eine Polizistin, die er während der Ermittlungen in einem Mordfall kennengelernt hatte und mit der ihn einen Sommer lang eine leidenschaftliche Affäre verband, ging nach Paris und startete eine steile Karriere beim französischen Sicherheitsdienst. Wenn Isabelle, was selten vorkommt, das Périgord besucht, können sie nicht widerstehen und setzen eine Beziehung fort, die keinen Bestand haben kann. Isabelle hat versucht, ihn nach Paris zu locken, doch Bruno weiß, dass er ohne seinen Hund, sein Pferd, seinen Garten und sein Périgord nicht mehr der Bruno wäre, den sie liebt.

Und dann gibt es da die »verrückte Engländerin«; so wird in Saint-Denis Pamela genannt, eine Schottin mit kastanienbraunen Haaren. Nach einer gescheiterten Ehe mit einem Banker aus London ließ sie sich in der Nähe von Saint-Denis nieder, wo sie einen Großteil ihrer Zeit im Pferdesattel zubringt. Sie vermietet gîtes an Touristen und hat einen heruntergekommenen Reiterhof erworben, zusammen mit ihrer Freundin Miranda, der Tochter des pensionierten Diplomaten Jack Crimson, der in hoher Position für den britischen Geheimdienst gearbeitet hat. Nach der gescheiterten Affäre mit Isabelle ließ sich Bruno auf eine vorsichtige Beziehung mit Pamela ein, die ihm von Anfang an – und immer noch – zu verstehen gab, dass sie zwar gern mit ihm ins Bett geht, aber kein Interesse daran hat, noch einmal zu heiraten oder gar Kinder in die Welt zu setzen.

Bruno hat einen großen Freundeskreis. Der Baron ist ein vermögender Grundbesitzer und Unternehmer im Ruhestand. Er spielt Tennis mit Jack und geht mit Bruno auf die Jagd. Fabiola ist Ärztin; Bruno lernte ihren Partner Gilles schon in Sarajevo kennen, als er dort als junger Reporter für die Libération arbeitete. Die beiden trafen sich später wieder, als Gilles für die Paris Match von einem Fall berichtete, in dem Bruno ermittelte. Gilles verliebte sich in Fabiola und blieb. Florence, eine alleinerziehende Mutter von Zwillingen, unterrichtet das Fach Umweltwissenschaften und leitet den Computerklub des örtlichen collège. Sie ist regelmäßiger Gast beim montäglichen Abendessen, das auf Pamelas Reiterhof stattfindet und nach einem gemeinsamen Ausritt abwechselnd mal von dem einen, mal der anderen zubereitet wird.

Immer wieder tritt auch Jean-Jacques Jalipeau in Erscheinung, der Chefermittler des Départements, sowie Philippe Delaron, den Bruno vor einer Haftstrafe bewahrt hatte, nachdem er straf‌fällig geworden war. Manchmal bereut Bruno das, denn er mauserte sich zum mitunter durchaus lästigen Reporter der regionalen Tageszeitung Sud Ouest. Dann ist da noch Yveline, die der hiesigen Gendarmerie vorsteht und dabei tatkräftig von dem altgedienten Sergent Jules unterstützt wird. Hinzu kommen Stéphane, der Käse herstellt und auf dem Markt verkauft; Fauquet, der das beste Café mitten im Ort führt und immer die Nase vorn hat, wenn es etwas zu tratschen gibt; und Ivan, der Wirt des hiesigen Restaurants. Es ist ein gastfreundliches Völkchen. Fühlen Sie sich also eingeladen zum Essen, dem Wein, der Geschichte der Region … und gelegentlich auch einer Straf‌tat.

 

Martin Walker

Le Bugue, Dordogne

31. Mai 2021

Bruno, Chef de cuisine

Es war Markttag in der kleinen französischen Ortschaft Saint-Denis im Périgord. Bruno Courrèges, der Stadtpolizist, schlenderte auf seiner Patrouille von seinem Basset Balzac begleitet an den Ständen entlang, die die Rue de Paris säumten. Er begrüßte Männer per Handschlag und tauschte bises mit Mädchen und Frauen zwischen zwölf und neunzig, als er seinen Freund Ivan vor einem Gemüsestand stehen sah, wie er sich gerade die Hände auf den Bauch presste.

Bruno fragte, was los sei, worauf Ivan stöhnte: »Putain de merde, ich habe schreckliche Bauchschmerzen. Es fing schon gestern Abend an, aber jetzt ist es – aaah.« Er sank auf die Knie, aus seinem Einkaufsbeutel rollten Salatköpfe und Erdbeeren.

Bruno wollte schon die pompiers anrufen – die Feuerwehr, die auch die Rettungs- und Ambulanzdienste für die Stadt übernahm –, sah aber dann, dass für einen Einsatzwagen in dem dichten Gedränge aus Händlern und Kundschaft kein Durchkommen sein würde. Er legte einen Arm um Ivan und schleppte ihn durch die enge Gasse, die zur Rue Gambetta führte, wo er Maurice’ Handkarren requirierte, Ivan hineinsetzte und zum Platz vor der mairie zog. Dort rief er Fauquet aus seinem Café, und mit der Hilfe von Balzac, der vorauslief und ihnen den Weg über den neu gebauten Bürgersteig entlang der alten steinernen Brücke frei machte, zogen sie Ivan, der vor Schmerzen stöhnte, über den Fluss und den Parkplatz bis zur Klinik.

»Bruno, kannst du mich heute Abend in der Küche vertreten?«, jammerte Ivan, als sie ihn auf einer Bank absetzten und die Dame an der Rezeption nach einem Arzt und einer Rolltrage rief.

»Mach dir darum keinen Kopf, Ivan«, antwortete Bruno automatisch. »Hauptsache, du kommst wieder auf die Beine.«

Fabiola kam, sie hatte Bereitschaft. Ohne Bruno zu beachten, beugte sie sich über Ivan und fragte, was sein Problem sei. Er zeigte auf seinen Bauch, auf eine Stelle dicht über der Leiste. Sie knöpf‌te ihm das Hemd auf und setzte ihr Stethoskop auf die Stelle, während sie mit der anderen Hand seinen Puls fühlte.

»Wir brauchen dringend einen Krankenwagen für den Transport ins Krankenhaus von Périgueux«, rief sie der Rezeptionistin zu. »Womöglich ist es sein Blinddarm.«

»Jemand muss sich um das Essen für die goldene Hochzeit von Patrice und Monique kümmern«, stieß Ivan mit schmerzverzerrtem Gesicht zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich kann die beiden nicht hängen lassen, selbst wenn ich es mir leisten könnte. Hühner, Käse und Wein sind schon eingekauft. Dreißig Gäste, Apéro-Häppchen, Suppe, Estragonhuhn mit Kartoffelpüree, Salat und Käse, Joghurt-Mousse mit Erdbeeren …«

Ivans Stimme verebbte in einem Stöhnen. Bruno sagte: »Ivan, ich koche nur für wenige Gäste. Dreißig schaffe ich nicht. Vielleicht könnte ich Sylvain, den traiteur, einspannen oder einen Partyservice.«

»Du kochst doch auch für den Tennisklub, wenn an die dreißig Leute am Tisch sitzen«, sagte Fabiola und bat Fauquet, ein Päckchen sterilisierter Instrumente von Dr. Gelletreau zu besorgen.

»Mit viel Hilfe kann ich ein einfaches Gericht zusammenstellen«, entgegnete Bruno. »Aber hier geht’s doch um einen besonderen Anlass. Patrice war im Stadtrat, als ich eingestellt wurde, und er hat die Klempnerarbeiten in meinem Haus übernommen. Und Monique hat mir beigebracht, wie man conf‌it de canard und Wildpasteten macht.«

»Dann bist du den beiden ja was schuldig«, erwiderte Fabiola. Der Krankenwagen traf ein und ließ kurz die Sirene aufheulen. Sie schnappte sich ihre Arzttasche, als die pompiers mit einer Trage kamen. Dr. Gelletreau reichte ihr eine versiegelte Tüte, die Ivan sichtlich alarmierte.

»Ich fahre im Krankenwagen mit für den Fall, dass das verflixte Ding unterwegs platzt«, erklärte sie. »Und du, Bruno, stell dich nicht so an. Willst du etwa, dass sich Ivan um sein Geschäft Sorgen machen muss, während wir ihn in den OP-Saal bringen? Du hast doch Freunde. Lasst euch was einfallen.«

Ivan drückte Bruno einen Schlüssel in die Hand und stieß dann keuchend hervor: »Ich wollte eine Tomatensuppe nach dem Rezept von Pamela machen und zum Dessert irgendwas mit Erdbeeren. Der Wein ist in der Vorratskammer, und Stéphane liefert den Käse.« Er schloss die Augen und drückte Brunos Hand. »Danke, wusste ich doch, dass ich auf dich zählen kann.«

Kaum hatte sich Fabiola zu Ivan in den Krankenwagen gesetzt, fuhr dieser los. »Sie hat recht«, sagte Fauquet. »Ich könnte einen Apfelkuchen beisteuern, falls nötig. Ach, wie schade, dass ausgerechnet jetzt die Japanerin nicht mehr da ist.«

Bruno schüttelte bedrückt den Kopf. Seit Jahren verwöhnte Ivan dank seines Liebeslebens die Gaumen der Bewohner von Saint-Denis mit den Herrlichkeiten der Küche aus aller Welt. Er hatte in Spanien Urlaub gemacht und war mit einer jungen Belgierin zurückgekehrt, die seine Speisekarte unter anderem um Muscheln mit Sauce Normande und Austern à la Rockefeller bereichert hatte. Von ihr kam der Vorschlag, einen waterzooi genannten Eintopf anzubieten, der die Frage offenließ, ob man ihn löffeln oder mit der Gabel essen sollte, davon abgesehen aber an einem kalten Winterabend ausgesprochen lecker und wärmend war. Von irgendeinem italienischen Strand brachte er eine Österreicherin mit, vielleicht war es auch eine Deutsche, und plötzlich verstand Saint-Denis, wie köstlich ein dünn geklopf‌tes Wiener Schnitzel sein konnte, wenn es richtig zubereitet und von einem Glas Grünem Veltliner begleitet war. In der Türkei hatte er sich eine Spanierin angelacht, und Brunos Magen frohlockte noch immer instinktiv, wenn er an ihre gambas al ajillo und die dulce de leche dachte.

Als Ivan verkündete, er wolle demnächst nach Thailand fliegen, wuchsen den gastronomischen Fantasien der Stadt Flügel. Entsprechend groß war die Enttäuschung, als er mit einer jungen Australierin auf‌tauchte, die er auf der Insel Ko Samui kennengelernt hatte. Doch die Enttäuschung war schnell verflogen, als sich zeigte, was Mandy mit ihrer Verbindung der malaiischen, vietnamesischen und thailändischen Küche auf den Tisch brachte. Trauer herrschte in Saint-Denis, als Mandy nach Bordeaux auf die Weinschule ging. Aber bald folgte eine wunderbare Überraschung. Miko war eine japanische Französischlehrerin mit einem Eif‌fel-Stipendium auf Studienreise. Sie tauchte eines Tages in Ivans Restaurant auf, blieb einen ganzen Sommer lang und verzauberte die Gäste mit Yakitori-Spießen und Shrimp Tempura.

Sosehr die Einheimischen Ivans traditionelle Périgord-Küche, den gastronomischen Stolz Frankreichs, auch zu schätzen wussten, konnten sie doch seinen nächsten Urlaub kaum erwarten. Tatsächlich diskutierte man lebhaft darüber, ob er lieber nach Indien, in die Toskana, nach Persien oder Hongkong reisen sollte. Es gab sogar die Idee, für seinen Flug zu sammeln. Mikos Abreise hatte den sonst meist fröhlichen Ivan in eine Stimmung versetzt, die man in der Stadt auf eine Art Selbstprüfung zurückführte aus Angst, es könnte eine echte Depression dahinterstecken, und was wäre dann? Jedenfalls hatte Ivan in diesem Frühjahr auf Urlaub verzichtet und sich damit getröstet, seinen Gästen hin und wieder moules à la crème,paella à la mode de Consuela oder einmal sogar pad kra pao moo sap zu servieren, ein Thaigericht aus frittiertem Basilikum und Schweinehack.

Bruno fragte sich, ob Ivans Bauchschmerzen schon vorher aufgetreten waren und seine kulinarische Abenteuerlust womöglich darunter gelitten hatte oder ob seine Trauer über den Verlust von Miko und Mandy und all den anderen großartigen Frauen, von denen sich seine Kundschaft die Geschmacksknospen hatte kitzeln lassen, nun ihren Tribut forderte. Bruno machte halt bei der mairie, um dem Bürgermeister, seinem Chef, mitzuteilen, dass er an diesem Tag anderweitig beschäftigt war, was der Bürgermeister nur mit einem Kopfnicken quittierte. Fauquet hatte ihn schon angerufen.

»Da auch ich zum Diner heute Abend eingeladen bin, freue ich mich, dass Sie einspringen«, sagte Mangin. »Lassen Sie mich wissen, ob ich irgendwie helfen kann, Kartoffeln schälen, Tische wischen und decken oder mit anderen Kleinigkeiten, die kein großes Können erfordern.«

Bruno dankte ihm, ließ Uniform und képi in seinem Büro zurück und ging auf den Markt, um Ivans zurückgelassene Einkäufe zu bergen. Dann öffnete er mit Ivans Schlüssel das Restaurant und ging geradewegs in die Vorratskammer, um nachzusehen, was dort an brauchbaren Zutaten zu finden war. Auf der Anrichte neben dem Herd fand er einen Zettel in Ivans verschnörkelter Handschrift mit dem Menü.

Kir royal de Ch Lestevenie et canapés de pâté de chevreuil

La soupe froide de tomates à la mousse aux herbes

Poulet à l’estragon avec purée de pommes de terre et haricots verts

Salade verte et fromages du coin

Gratin de fraises au Monbazillac

Café

Vins:

Brut, Ch de Lestevenie

Bergerac Sec de Ch des Eyssards, 2020

Ch La Vieille Bergerie, Cuvée Quercus, blanc, 2018

Ch Bélingard, réserve rouge, 2016

Ch de Monbazillac, 2015

Marie Duf‌fau Armagnac hors d’âge

Bruno hielt es für angebracht, ein paar Kopien zu machen, und wollte sich gerade an die Arbeit machen, als sein Handy im Etui am Gürtel vibrierte. Es war Pamela, die Schottin, der man in der Stadt anfangs den Spitznamen »Die verrückte Engländerin« gegeben hatte, weil sie morgens immer zu Pferd bei Fauquets Café aufkreuzte, ein Croissant zum Frühstück bestellte und das Kreuzworträtsel in der Times löste, während Fauquet versuchte, das Pferd von seinen Rosen fernzuhalten. Sie war inzwischen Miteigentümerin der hiesigen Reitschule und ein angesehenes Mitglied der chambre de commerce, was mehr zu ihrer Integration in das Leben von Saint-Denis beigetragen hatte als die vorsichtige und verhalten diskrete Affäre mit Bruno, die sie ab und an wieder auf‌leben ließ.

»Bruno, mein Lieber, ich bin schon im Bilde«, sagte sie. »Fabiola hat mich vom Krankenwagen aus angerufen. Ivan wollte ja meine Suppe nachkochen, wie ich weiß. Er hatte mich um das Rezept gebeten. Ich könnte sie machen und dir ein bisschen Arbeit abnehmen. Ich gehe jetzt los, kaufe Tomaten, und dann sehen wir uns gleich. Bist du im Restaurant?«

Bruno versicherte ihr, dass er auf sie warten würde, und warf einen Blick in den riesigen Kühlschrank. Darin waren dreißig Hähnchenbrüste, acht Ein-Liter-Töpfe griechischer Joghurt und vier mit Crème fraîche, außerdem vier Gläser mit der Aufschrift Hühnerfond, vier Kilo ungesalzene Butter, zwei demi-sel und zwei Dutzend Eier von Brunos Hühnern, die er ihm selbst am Vortag gebracht hatte. Außerdem sechs kühl gestellte Flaschen Monbazillac.

In der Vorratskammer lagerten zehn Kilo Kartoffeln vom Vorjahr und in etwa ebenso viele neue, außerdem fünf Kilo grüne Bohnen, zwei Kilo Schalotten, fünf Kilo gelbe Zwiebeln und zwei Kilo rote, außerdem hing ein langer Zopf mit etwa einem Dutzend Knoblauchknollen von einem Deckenbalken. Bruno fühlte sich wie in der Vorratskammer einer Großküche. An Getränken fand er eine Flasche Armagnac, sechs von dem Schaumwein, sechs Flaschen Weißwein vom Château des Eyssards, ebenfalls sechs Quercus-Weine und zwölf Flaschen Rotwein. Bruno überschlug auf die Schnelle, dass Ivan bereits über dreihundert Euro allein für Getränke vorgeschossen hatte. Kein Wunder, dass er dieses Diner nicht hatte ausfallen lassen wollen.

Balzac lief schnüffelnd im Restaurant herum, blieb dann vor der Tür zum Innenhof stehen und kläffte kurz. Bruno öffnete sie, worauf Balzac nach draußen lief und sich auf einem Grasfleck hinter der gepflasterten Terrasse erleichterte. Bisher hatte Ivan die Terrasse, wie sonst immer im Sommer, für seine Gäste noch nicht geöffnet. Bruno schaute sich um. Das Quadrat war sehr viel größer als der kleine Gastraum. Vielleicht, so befand er, bot es sich an, Tische entlang der Ränder zu platzieren, was alles sehr viel leichter für die Bedienung machen würde, und jeder könnte jeden sehen, insbesondere das goldene Hochzeitspaar in der Mitte.

Er fand einen Besen und fegte das Pflaster. Am Spalier rankte Blauregen in dicken Flechten umeinander, und vor der alten Steinmauer, die den Hof nach hinten begrenzte, blühten Rosen. Im Kräutergarten davor wuchsen große Mengen Basilikum, Petersilie, Schnittlauch und Estragon. Probehalber pflückte Bruno ein Estragonblatt, roch daran und genoss den leicht betäubenden Anisgeschmack, als er es zerkaute. Sehr gut, es war die echte französische Sorte, die sativa-Variante.

Über dem Gartenbrunnen verliefen horizontal in gut zwei Metern Höhe drei Eisenstangen, an die Ivan manchmal Lampions hängte, wie sich Bruno erinnerte. Bevor er sich auf die Suche danach machen konnte, hörte er die Tür zur Straße aufgehen und Pamela nach ihm rufen.

»Ich bin im Garten«, rief er zurück. Sie kam ihm entgegen, begleitet von Gilles, Fabiolas Partner, und setzte einen Korb voller Tomaten ab – es mochten an die fünf Kilo sein –, bevor sie ihn umarmte.

»Fabiola hat mich angerufen, weil sie meint, dass du vielleicht Hilfe brauchst«, sagte Gilles.

»Willst du die Gäste hier draußen bewirten?«, fragte Pamela. »Gute Idee, es ist doch um diese Jahreszeit viel schöner als drinnen. Das Wetter soll super werden, und wer rauchen will, muss nicht dauernd vor die Tür. Also, was wird’s denn zu essen geben? Und brauchen wir noch etwas vom Markt?«, fragte sie und warf einen Blick auf Ivans Menükarte. »Ich koche die Suppe, entstiele die Erdbeeren und mache die Monbazillac-Zabaglione. Um das Hauptgericht kümmerst du dich.« Nach einem kurzen Erkundungsgang durch die Vorratskammer sagte sie: »Ich finde keine Wildpastete.«

»Ich glaube, Ivan hat damit gerechnet, dass ich was von meiner mitbringe«, antwortete Bruno. »Ich hole ein paar Gläser von zu Hause.«

»Gut«, sagte Pamela, die bereits auf halbem Weg zur Tür war. »Ich kopiere das Menü, während ihr beide die Tische und Stühle nach draußen bringt.«

»Typisch, dass Pamela gleich die Führung übernehmen muss«, grinste Gilles, als die Tür hinter Pamela zugefallen war. »Muss wohl an ihrem Job auf dem Reiterhof liegen. Allerdings ist Fabiola ganz ähnlich. Ob die beiden von Natur aus so sind?«

»Wohl kaum«, antwortete Bruno. »Ich vermute, es hat was mit den Erfahrungen der beiden mit Männern wie uns zu tun. Komm, schaffen wir die Tische raus.«

Sie waren damit gerade fertig, als Pamela zurückkehrte und wissen wollte, wo Ivan seine Tischtücher aufbewahrte. Bruno sagte, dass er so etwas noch nie bei ihm gesehen habe.

»Aber man kann doch keine goldene Hochzeit ohne Tischtücher feiern«, erwiderte Pamela und beschloss kurzerhand, loszufahren und welche aus ihrem eigenen Bestand zu holen. Gilles erhielt den Auf‌trag, die Weingläser zu polieren und sicherzustellen, dass das Besteck sauber war. Derweil sollte Bruno die haricots verts zubereiten.

»Und schmor sie dann in Butter an, façon conserve«, sagte sie im Hinausgehen. »Dann sind sie so viel besser.«

Zuerst ließ Bruno den Joghurt in einem mit Küchenpapier ausgelegten Sieb, das er über die Spüle hängte, abtropfen. Anschließend putzte er drei Kilo Bohnen, suchte dann aus dem Tomatenkorb vier der größten roten und vier gelbe Früchte heraus und heizte den Backofen auf zweihundert Grad vor. Er kannte Pamelas Rezept gut, und viertelte den Rest der Tomaten, entkernte sie und legte sie mit den Schnittstellen nach oben auf zwei Backbleche, beträufelte sie mit Olivenöl, schob sie in den Ofen und stellte den Timer auf vierzig Minuten.

Entgegen Pamelas Anordnung entschied er, dass die Bohnen bis zum Abend warten konnten. Stattdessen suchte er nach Ivans Lampions. Ganz oben auf einem Lagerregal, das mit Geschirr gefüllt war, fand er drei Lichterketten mit bunten Glühbirnen und mehrere chinesische Papierlaternen in unterschiedlichen Farben, alle ordentlich verpackt. Er holte sie herunter, schnappte sich eine Trittleiter und ging in den Garten, wo er die Lichterketten und Laternen an die Eisenstangen hängte. Sie waren gerade dabei, ein paar defekte Glühbirnen auszuwechseln, als Pamela mit den Tischtüchern zurückkehrte.

Unter ihrer Anleitung breiteten sie die Decken auf den Tischen aus und überließen es ihr, das Besteck für das erste Gedeck auszulegen – den Suppenlöffel rechts außen. Nach diesem Muster sollte nun Gilles die anderen neunundzwanzig Bestecke aufdecken. Sie ging in die Küche, um die Erdbeeren zu waschen, zu entstielen und in Hälften zu schneiden, und war gerade fertig damit, als der Timer klingelte. Sie nahm die Tomaten aus dem Ofen, ließ sie auf den Blechen abkühlen und blanchierte vier große gelbe und vier noch größere rote Tomaten, häutete und entkernte sie, würfelte das Fruchtfleisch und stellte es in den Kühlschrank.

»Wann soll es mit dem Essen losgehen?«, fragte sie. »Vergiss nicht, dass ich mich noch um die Pferde kümmern muss.«

»Um sieben werden Drinks gereicht, dazu Toasthäppchen mit Wildpastete, und gegen halb acht setzen sich dann alle an die Tische und bekommen die Suppe. Damit komme ich eigentlich allein klar, nur mit der Bedienung nicht«, antwortete Bruno. »Ich bin um fünf wieder hier, um Kartoffeln zu schälen, das Hühnerfleisch und die Salate zuzubereiten.«

»Ich wäre um sieben wieder zur Stelle und mache die Suppe fertig und dann die Joghurt-Kräuter-Mousse«, sagte sie. »Das Erdbeer-Gratin kann ich zubereiten, während der Hauptgang aufgetischt wird. Wie hat sich Ivan eigentlich das Servieren vorgestellt? Für dreißig Gäste brauchen wir mindestens drei Leute, besser vier. Wir sind zu zweit, und könntest du uns noch helfen, Gilles?«

»Na klar«, antwortete er. »Ich komme um sechs. Kochen kann ich zwar nicht, aber Kartoffeln schälen, den Salat waschen und die Flaschen öffnen.«

»Der Bürgermeister und der Baron sind heute Abend auch eingeladen und könnten beim Servieren helfen. Wenn ihr, du und Gilles, uns zur Hand geht, schaffen wir das gut«, sagte Bruno. »Der Bürgermeister hat sich übrigens ohnehin schon angeboten. Inzwischen werden alle erfahren haben, dass Ivan krank ist, und springen sicher gern ein und helfen. Danke euch für alles bisher. Wir sehen uns heute Abend.«

Als Pamela und Gilles gegangen waren, rief Bruno Patrice zu Hause an und erklärte, dass Ivan krank geworden sei, das Diner aber stattfinden würde. Mit Balzac auf den Fersen drehte er eine letzte Runde über den Markt, der sich allmählich auf‌löste. Alle, die er noch antraf, erkundigten sich nach Ivan. Es gebe noch nichts Neues aus dem Krankenhaus, berichtete er, aber er werde, sobald er etwas höre, eine Notiz an das Anschlagbrett heften. Als er sich auf den Weg zurück in die mairie machte, winkte ihn Stéphane zu seinem Käsestand.

»Wie ich höre, kochst du heute für Ivan«, sagte er. »Wann soll ich den Käse vorbeibringen? Ich habe einen ganzen Tomme d’Audrix und dreißig Ziegen-Crottins.«

»Ruf mich an, wenn du losfährst, ich nehme sie dann entgegen«, antwortete Bruno. »Übrigens springe nicht nur ich ein, sondern auch Gilles und Pamela, und der Bürgermeister und der Baron werden beim Servieren helfen.«

»Wirklich?«, meldete sich eine vertraute Stimme hinter Bruno. »Also macht sich die ganze Stadt dafür stark, dass die goldene Hochzeit gebührend gefeiert werden kann. Großartig, eine hübsche, herzerfrischende Homestory an einem ansonsten ereignislosen Nachrichtentag«, meinte Philippe Delaron, der Lokalreporter für die Sud Ouest. Er hatte die Kamera im Anschlag und einen Notizblock in der Hand.

»Wie ich hörte, waren Sie dabei, als Ivan zusammengebrochen ist, und haben ihn über die Brücke zur Klinik getragen«, fuhr er fort.

»Nein, Fauquet und ich haben ihn mit der Handkarre von Maurice hingefahren«, entgegnete Bruno ungeduldig. »Ich muss weiter.«

»Wir sehen uns bei Tisch«, sagte Philippe mit einem Grinsen. »Patrice und Monique haben mich gebeten, ein paar Fotos fürs Familienalbum zu knipsen. Was steht denn auf der Speisekarte?«

»Das, was Ivan geplant hat«, antwortete Bruno, bevor er auf die mairie zusteuerte, um seine allmorgendlich anfallende Büroarbeit zu erledigen, die von Woche zu Woche mehr zu werden schien. Er seufzte, setzte sich an den Schreibtisch und nahm sich vor, die Briefpost zu sichten und einen Blick auf die eingegangenen E-Mails zu werfen. Stattdessen aber legte er sich einen Notizblock zurecht und skizzierte einen Zeitplan für seine Aufgaben in Ivans Küche. Für die Menge an Kartoffeln setzte er mindestens vierzig Minuten an, das Pürieren mit Milch und Butter noch nicht eingerechnet; dreißig bis vierzig Minuten für das Hühnerfleisch plus weitere fünf oder zehn Minuten für die Soße und dreißig Minuten für die Bohnen.

Drinks und Canapés sollten um sieben serviert werden, die Suppe um sieben Uhr vierzig, das Hauptgericht um Viertel nach acht, das Dessert um neun, dann Kaffee und Armagnac um zehn. Aber es würden natürlich auch Reden gehalten werden, zumindest vom Bürgermeister und dem ältesten Sohn, vielleicht auch von einem der Enkel, und zweifellos würden auch Grußkarten von Freunden und Verwandten aus der Ferne laut vorgelesen werden. Das Festessen würde sich also eher bis elf hinziehen. Das einzige warme Gericht war das Estragon-Hühnchen, und wenn das um Viertel nach acht aufgetischt wurde, würde sich alles andere zeitlich daran orientieren müssen. Plötzlich erschien ihm diese Herausforderung gar nicht mehr allzu beängstigend.

Balzac hatte gerade seinen Lieblingsplatz unter dem Schreibtisch eingenommen und wollte sich schlafen legen, als das Telefon läutete. Stéphane teilte ihm mit, dass er jetzt den Käse bringen werde. Bruno schnappte sich sein képi und ging in den Flur hinaus, wo Claire, die Sekretärin des Bürgermeisters, das Radio lauter drehte und sagte: »Hören Sie, da ist von Ihnen die Rede.«

Was Philippe den Zuhörerinnen und Zuhörern von France Bleu im Mittagsmagazin vortrug, war in der Tat eine herzerfrischende Homestory. Er feierte eine kleine Stadt, deren Bewohner sich zusammengetan hatten, um das Festmahl anlässlich einer goldenen Hochzeit zu retten, das auszufallen drohte, weil der Restaurantbetreiber ernstlich erkrankt war. Der Stadtpolizist, so Philippe live, werde kochen, und der Bürgermeister werde zusammen mit dem Baron, einem hiesigen Großgrundbesitzer, die Gäste bedienen. Dann las Philippe das Menü vor, sodass allen vor den Radios das Wasser im Mund zusammenlaufen musste, und beendete seinen Beitrag mit einer Stellungnahme des Bürgermeisters, in der dieser den vorbildlichen Gemeinschaftsgeist von Saint-Denis würdigte. »Und, Ivan, falls Sie schon aus dem OP-Saal sind und diesen Beitrag hören, darf ich Ihnen hiermit ganz aktuell die Genesungswünsche unserer Stadt übermitteln«, fügte der Bürgermeister mit Pathos hinzu.

Ein ereignisloser Nachrichtentag, dachte Bruno, als er den Käse entgegennahm und ins Restaurant brachte, wo er auch den Schaumwein und die Weißweine in den Kühlschrank stellte. Im Etui an seinem Gürtel vibrierte plötzlich wieder sein Handy. Es war Fabiola, die berichtete, dass Ivan der Blinddarm zum Glück rechtzeitig entfernt werden konnte und er wohl schnell wieder auf den Beinen sein werde. Bruno entwarf eine kurze Bekanntmachung, die er, in die mairie zurückgekehrt, von Claire abtippen ließ und schließlich ans Schwarze Brett heftete. Dann steckte er den Kopf zur Tür des Cafés hinein, um Fauquet die gute Nachricht mitzuteilen, was wahrscheinlich für die schnellste Verbreitung sorgte.

Um kurz nach fünf fuhr er nach Hause, duschte, zog sich um und fütterte die Hühner, bevor er zum Restaurant zurückkehrte – mit vier großen Gläsern selbst gemachter Wildpastete. Unterwegs kauf‌te er bei der Bäckerei Moulin sechs frische Baguettes. Juliette, die Bäckerin, sagte, dass sie im Radio die Sache mit Ivan gehört habe, und reichte ihm eine große Kuchenschachtel mit roter Schleife als Beitrag der Moulin zum Festessen.

»Das ist ein Schokoladenkuchen, der müsste wunderbar zu dem Erdbeerdessert passen, das Sie machen wollen«, erklärte sie.

In Ivans Küche wusch Bruno sich die Hände und fing zu kochen an. Er begann damit, jede der Hähnchenbrüste in vier Stücke zu schneiden, worauf er zweihundert Gramm Butter und zwei Gläser Olivenöl in einem Topf auf dem Herd verschmelzen ließ. Dann erhitzte er zwei große Bratpfannen, goss das geschmolzene Öl über die Hühnerbrüste und rührte um, sodass alle Seiten gut mit Fett benetzt waren.

Das Fleisch verteilte er nun auf die heiß gewordenen Pfannen. Als es ein wenig Farbe angenommen hatte, gab er frische Zweige Estragon dazu und nahm die Pfannen vom Feuer, bis es an der Zeit war, die Soße zu machen. Das Fleisch würde dann für dreißig Minuten in den Backofen kommen. Während er noch mit den Bohnen beschäftigt war, kam Gilles und fragte, wie viele Kartoffeln zu schälen seien. »Fünf Kilo, und noch eine besonders große obendrauf«, antwortete Bruno, der wusste, dass die Leute von Saint-Denis einen guten Appetit hatten. Als er mit den Bohnen fertig war, schälte und hackte er ein Dutzend Schalotten und eine Knolle Knoblauch. Dabei plauderte er mit Gilles über dies und das, nicht zuletzt, um sich ein wenig zu beruhigen, denn für dreißig zahlende Gäste zu kochen, machte ihn, der bislang immer nur sechs oder acht Freunde und Freundinnen bewirtet hatte, zunehmend nervös.

Pamela tauchte um zehn vor sieben auf und ging sofort in den Garten, um Schnittlauch und Basilikum zu ernten. Dann schlug sie Eiweiß steif, hob es unter den Joghurt und bereitete daraus die Kräuter-Mousse für ihre gekühlte Suppe zu. Derweil schnitt Bruno die Baguettes in Scheiben und bestrich sie dick mit Wildpastete, Gilles arrangierte die fertigen Canapés auf mehreren Serviertellern. Patrice und Monique trafen um Punkt sieben ein. Bruno führte sie auf die Terrasse hinaus, wo der Schaumwein in Eiskübeln auf sie wartete. Er öffnete die Flaschen und mixte Kir, während die Gäste eintrudelten. Gilles tischte die Canapés auf, und bald war alles voller Leben. Die beiden Urenkel der Jubilare liefen Slalom um Krückstöcke, und eine Enkelin im Teenageralter spielte auf einem riesigen Rekorder Kassetten mit Musik aus den Sechzigern ab. Bruno hatte schon seit Jahren keine Kassetten mehr gesehen.

Er half Pamela, die Tabletts mit den Suppenschalen nach draußen zu tragen, die sie dann auf den Gedecken verteilte. Dann ging er wieder in die Küche, um die Soße zuzubereiten, und heizte den Backofen auf hundertachtzig Grad. Er stellte zwei solide Kasserolen mit Butter, Olivenöl und zwei Handvoll gehackter Schalotten aufs Feuer und erhitzte einen Liter Hühnerfond in einem Topf. Als die Schalotten glasig waren, fügte er fünf Esslöffel Dijon-Senf hinzu, sechs Teelöffel Weinessig, einen großzügigen Schuss Cognac und ein ganzes Sträußchen Estragon, einen Liter Crème fraîche sowie Salz und Pfeffer. Schließlich gab er die Fleischstücke dazu und schob beide Kasserolen mit Deckeln für vierzig Minuten in den Ofen.

In zwei großen Töpfen erhitzte er daraufhin Wasser für die Kartoffeln, die er klein schnitt, damit sie schneller gar wurden. Was an Wasser übrig blieb, salzte er und kochte darin die Bohnen so, dass sie noch etwas Biss hatten. Einen halben Liter der Flüssigkeit bewahrte er auf. In einer weiteren Pfanne ließ er ein gutes Stück Butter schmelzen und schwitzte darin die gehackten Schalotten und Knoblauch an, die er mit Salz und Pfeffer würzte. Als sie glasig waren, gab er die Bohnen dazu, rührte gründlich um und übergoss sie mit dem Hühnerfond. Das Ganze ließ er auf hoher Flamme aufkochen, um die Flüssigkeit zu reduzieren, bis sie auf eine dickflüssige Masse eingedampft war.

»Alle wirken sehr glücklich. Man hat sich viel zu erzählen, und ein Trinkspruch folgt auf den anderen«, sagte Pamela, die zurück in die Küche gekommen war und berichtete, dass Gilles den Sommelier gab und Wein ausschenkte. Unaufgefordert sah sie nach den Kartoffeln, die inzwischen gar waren, und fing an, sie unter Beigabe von Milch und Butter zu stampfen. Die Bohnen verbreiteten inzwischen den herrlich nussigen Duft, den Bruno so liebte. Er nahm sie vom Feuer und ließ sie ein wenig ruhen, bis der Timer klingelte und die Kasserolen aus dem Ofen mussten. Über das Fleisch streute er noch ein paar letzte Estragonblätter.

Pamela hatte die Essteller auf der Anrichte aufgereiht, und während er das Fleisch und die Bohnen darauf verteilte, gab sie das Kartoffelpüree dazu und trug die ersten beiden Teller nach draußen zu den Jubilaren. Sie kehrte mit Gilles zurück und belud das Tablett mit servierfertigen Tellern. Bruno richtete weiter an, und schon kamen Gilles und Pamela, um die nächsten vier Teller abzuholen, gefolgt vom Baron und dem Bürgermeister, die je zwei Teller trugen. Nach gut fünf Minuten waren alle dreißig Gäste versorgt, genauer gesagt, neunundzwanzig, da sich Bruno noch nicht mit an den Tisch setzen konnte; er musste noch den Käse für den nächsten Gang aufschneiden.

»Lass sein«, sagte Pamela. »Ich mache das. Geh nach draußen und amüsier dich. Du bist eingeladen, und die Gastgeber wollen, dass du mit ihnen isst.«

Bruno nickte. Er trat auf die Terrasse hinaus und setzte sich auf seinen Platz am Kopfende eines der Tische. Zu seiner Verblüffung erhoben sich alle und applaudierten. Sofort rief er Pamela und Gilles zu sich. Pamela hatte noch ein Messer in der Hand, das sie aber wie auch die Schürze sofort ablegte, und als man auch sie laut beklatschte, bedankte sie sich mit einem angedeuteten Knicks.

»Gut gemacht, Bruno, Pamela und Gilles«, rief Patrice, und Monique kam herbei, um Gilles und Pamela Küsse auf die Wangen zu geben und sich flüsternd bei ihnen zu bedanken. Bruno küsste sie fest auf den Mund, was die Gästerunde mit Pfiffen und Jubelrufen quittierte.

»Bruno rettet den Tag«, rief der Bürgermeister.

»Ah, mais non«, widersprach Monique. Sie machte einen Schmollmund und ließ die Augen blitzen, was Bruno plötzlich daran denken ließ, wie sie wohl vor fünfzig Jahren ausgesehen haben mochte. »Bruno rettet die Nacht.«

Es war ein Erfolg. Das sagten selbst die Urenkel, bevor sie sich mit Balzac auf einer Daunendecke ausstreckten, die Pamela aus Ivans Wohnung im Obergeschoss geholt hatte. Es war schon fast Mitternacht, als die Erwachsenen schließlich den Heimweg antraten, manche leicht schwankend, nach Pamelas Erdbeer-Gratin, dem Schokoladenkuchen von der Moulin und dem einen oder anderen Glas Armagnac zum Abschluss.

Ich bin fix und fertig, dachte Bruno, als er Ivans Spülmaschine befüllte, die, obwohl sie riesig war, nur die Hälfte des Geschirrs fasste. Nur gut, dass ich mit dieser Arbeit nicht meinen Lebensunterhalt verdienen muss. Statt nach Hause zu fahren, ging er nach oben, legte sich mit Balzac in Ivans Bett und versuchte zu schlafen. Doch irgendetwas störte ihn unter dem Kopfkissen. Er schaute nach und zog einen Stoß schreibmaschinenbeschriftetes Papier hervor. Als er es zur Seite legen wollte, fächerten die Blätter auf und sah er, dass ein Teil mit Miko, ein anderer mit Gudrun überschrieben war. Auf den einzelnen Seiten standen Listen mit Zutaten. Bei dem Manuskript schien es sich um ein Kochbuch zu handeln, gefüllt mit Rezepten.

Bruno warf einen Blick auf die Titelseite: Das Kochbuch von Saint-Denis. Auf der Rückseite las er ein Inhaltsverzeichnis, und hinter jedem Kapitel stand ein Name – Birgit, Consuela, Gudrun, Mandy, Miko und Maman. Darunter die Widmung: Für meine Mutter Natalya, die Tolstoi, Tschaikowski, Čechov, Lenin und Michail Gorbatschow liebte, die Politik aber dann satthatte und anfing zu kochen und seitdem nur noch die Grünen wählte.

Bruno döste ein und dachte noch, dass dies ein wunderschöner Anfang für jedes Buch wäre. Kurz vor neun weckten ihn die Türglocke und der Ruf einer Frau. Er schickte Balzac in den Garten und öffnete dann die Haustür, vor der zwei attraktive junge Frauen standen. Eine war groß und blond, die andere kleiner und dunkelhaarig. Bruno brauchte eine Weile, bevor er sie wiedererkannte. Balzac war schneller. Er rannte herbei, um Mandy und Miko zu begrüßen.

»Gestern Abend kam im Radio, dass Ivan plötzlich krank geworden ist und Sie für ihn eingesprungen sind. Wir sind eben aus Bordeaux eingetroffen und wollen das Restaurant weiterführen, bis Ivan wieder gesund ist und wieder nach Hause kann«, erklärte Mandy, umarmte ihn und ging in die Knie, um auf Balzacs stürmische Begrüßung zu reagieren.

»Mir scheint, eine Miso-Suppe würde Ihnen guttun, Bruno«, sagte Miko. Sie zog seinen Kopf zu sich herab und pflanzte ihm einen Kuss auf beide Wangen. »Wie schön, wieder in Saint-Denis zu sein, auch wenn wir wohl direkt mit dem Abwasch loslegen müssen.«

Fünfzig Millionen Bläschen

Bruno kauf‌te selten Champagner, obwohl er das Getränk mochte. Guter Champagner war zu teuer für sein Salär als Polizist und billiger schmeckte ihm nicht. Er zog die preisgünstigen regionalen Schaumweine vor, insbesondere Crémants aus dem Burgund und dem Elsass. Vor allem aber schätzte er die Blanquette de Limoux, jenen Schaumwein aus dem Languedoc, dessen Herstellungsverfahren der Mönch Dom Pérignon im 17. Jahrhundert studiert hatte, bevor er nach Norden in die Region um Reims mit ihren Kalkböden zog, in die Champagne, nach der die dort produzierten Schaumweine benannt wurden.

Bruno musterte begeistert die zahllosen Blasen, die in seinem Glas aufstiegen, ehe er es erhob, um mit seinen Freunden und Vorstandskollegen der Winzergenossenschaft von Saint-Denis anzustoßen. Die Idee, einen eigenen Crémant für das Tal der Vézère herzustellen, ging auf ihn zurück, und er war sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Im Unterschied zu den aus dunklen Pinot-noir-Trauben hergestellten Champagnersorten, bei denen die Trauben vorsichtig und schnell gepresst wurden, damit die rote Haut den Wein nicht färbte, wurde der Crémant de Vézère aus den auf den städtischen Weinbergen angebauten Weißweintrauben Sémillon, Chardonnay und Muscadelle gekeltert. Das Verfahren war traditionell: In die mit Wein gefüllten Flaschen gab man ein wenig Hefe und Zucker und versiegelte sie, worauf der zweite Gärprozess in den folgenden achtzehn Monaten seinen Zauber bewirken konnte. Wie beim Champagner entwickelte die Kohlensäure einen Druck auf die Flasche, der doppelt so hoch war wie der Reifendruck eines Pkws.

»Unser großartiger Winzer Julien hat zehntausend Flaschen produziert«, erklärte Hubert, der Eigentümer der legendären Weinhandlung des Ortes und Vorstandsvorsitzende der Winzergenossenschaft. »Ich schlage vor, wir halten probehalber ein paar Hundert Flaschen für weitere fünf Jahre auf Lager zurück. So wird der Vintage-Champagner hergestellt, und ich bin gespannt, wie unser Crémant altert.«

»Wir haben über zwölf‌tausend Euro in Flaschen und Korken investiert und noch keine einzige verkauft«, gab Jacques Touvier, der neue Manager der örtlichen Filiale von Crédit Agricole und ehrenamtliche Direktor des Weinbergs, zu bedenken. Sein Vorgänger stammte aus Saint-Denis und kannte alle seine Kunden. Er war ein engagierter Förderer des Weinbergs gewesen und hatte eigenes Geld investiert sowie einen staatlichen Kredit zur Finanzierung der Bewirtschaftung eingesetzt. Touvier gehörte zu einer anderen Generation, elegant gekleidet, mit einer Vorliebe für betriebswirtschaftliche Floskeln und ehrerbietig gegenüber Personen in Spitzenämtern. Und er kam aus dem fernen Norden, einem Ort in der Nähe der belgischen Grenze, wo man Bier trank, keinen Wein.

»Ich hätte da eine Idee, wie wir Werbung machen könnten«, sagte Bürgermeister Mangin. »Ich habe mich neulich mit einem Freund unterhalten, der die Maison des Vins an der Uferstraße von Bergerac leitet. Das Haus ist von Grund auf modernisiert worden, hat jetzt eine hervorragende kleine Weinbar, die auch Snacks anbietet, einen Verkostungsraum und so weiter. Erinnert ihr euch, dass Bruno in der Jury saß, die über den jahresbesten Monbazillac zu entscheiden hatte? Vielleicht wäre das Gremium einverstanden, auch einmal zu einer Blindverkostung von Schaumweinen einzuladen.«

»Julien und ich sind jedenfalls sehr stolz auf unseren Crémant«, erklärte Hubert und warf einen Blick auf Mangin, den Bruno so deutete, dass die beiden diesen Dialog womöglich einstudiert hatten. »Ich glaube, wir schneiden recht gut ab. Wir finden, dass er anderen Schaumweinen, aus dem Elsass etwa, dem Burgund, aus dem Loiretal oder aus Bergerac in nichts nachsteht. Ja, wir könnten einen richtigen Wettbewerb daraus machen.«

»Wenn wir gut abschneiden – es muss ja nicht der erste Platz sein –, würde uns das eine Menge Publicity bringen«, meinte Bruno. »Unsere Flaschen wären im Handumdrehen verkauft.«

»Und wenn wir Schaumweinproduzenten aus anderen europäischen Ländern am Wettbewerb teilnehmen lassen, wird uns vielleicht die EU helfen, die Veranstaltung zu finanzieren«, sagte der Bürgermeister.

»Aber wer säße in der Jury?«, warf Touvier mit kritischer Miene ein. »Das ist die Frage – und ein großes Risiko, es sei denn, wir entscheiden selbst über die Zusammensetzung der Jury.« Als er sah, dass die anderen von seinem Vorschlag befremdet zu sein schienen und die Köpfe schüttelten, blickte er noch mürrischer drein.

Sechs Wochen später war von der Maison des Vins das Jurorenteam benannt. Es bestand aus dem Weinkritiker der regionalen Tageszeitung Sud Ouest, dem Herausgeber eines deutschen Weinmagazins, der gerade auf einer Verkostungstour war und in Bergerac Station machte, dem Sommelier eines Drei-Sterne-Restaurants aus Paris, einem amerikanischen Weinberater, dem Einkäufer eines großen Weinimporteurs aus Hongkong und einer ausgewanderten Engländerin, die Gastrokolumnen für englischsprachige Magazine in Frankreich schrieb. Bruno kannte sie flüchtig als alte Bekannte seiner guten Freundin und Gelegenheitsgeliebten Pamela.

Die Jury versammelte sich im großen Salon der Maison des Vins, einem mit Parkett ausgelegten Raum im Obergeschoss eines Gebäudes, in dem auch das Fremdenverkehrsamt von Bergerac untergebracht war. An den Wänden reihten sich Vitrinen, in denen Dutzende regionaler Weine ausgestellt waren. Eine Glastür öffnete sich auf eine Terrasse mit prächtigem Blick auf die Dordogne. Hinter dem langen Bartresen führte ein Durchgang in die Küche und zu den Büros und Labors im Stockwerk darüber. Durch eine weitere Tür gelangte man in einen spätmittelalterlichen Kreuzgang und auf steinernen Stufen hinunter in einen tiefen Gewölbekeller.

Die Aufgabe der Jury bestand darin, zwanzig Schaumweine blind zu verkosten, jeweils zwei von unterschiedlichen Winzereien aus ausgewählten Regionen. Keiner dieser Weine kostete mehr als zwölf Euro die Flasche, was Champagner ausschloss. Die zum Vergleich anstehenden Weine waren ein Prosecco aus Italien, ein deutscher Sekt, ein Cava aus Spanien, eine Blanquette de Limoux aus dem Languedoc sowie Crémants aus dem Elsass, von der Loire, aus Bordeaux und dem Burgund. Schließlich standen noch zwei weitere Weine aus dem Bergerac zur Wahl, einer von Saussignac, der andere von der städtischen Winzergenossenschaft aus Saint-Denis.

Der große Raum bot genügend Platz für alle Anwesenden, aus Saint-Denis waren gekommen: Bruno und Pamela, Hubert, Julien, Bürgermeister Mangin und Touvier. Dazu noch die Besuchergruppen aus den anderen teilnehmenden Regionen. Freiwillige Helfer – zwei junge Männer und zwei junge Frauen in weißen Hemden und schwarzen Hosen – stellten zwanzig von schwarzen, nummerierten Hülsen ummantelte Flaschen auf den Tresen. Von der Jury wurde erwartet, dass sie das Aussehen und die Perlage der Weine im Glas, das Mundgefühl und den Abgang begutachteten. Insbesondere sollte auch die gaieté benotet werden, da es bei solchen Weinen vor allem darauf ankam, dass sie die Stimmung aufhellten.

Die Verkoster hatten es mit einem breiten Spektrum von Texturen und Nuancen zu tun. Die Weine aus Deutschland und dem Elsass waren meist aus Rieslingtrauben gewonnen, während das Burgund und das Loiretal Chardonnaytrauben bevorzugten. Die kaum bekannte Rebsorte Mauzac fand Verwendung in der Blanquette de Limoux, der Prosecco wurde aus der Sorte Glera und der spanische Cava aus Macabeo, Parellada und Xarel.lo gekeltert. Die Bordeaux- und Bergerac-Weine bevorzugten die Sorten