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Die hier vorliegenden Märchen, Geschichten und Gedichte, teils heiter und mit einem Augenzwinkern wie "Der Fischer ohne seine Frau", mit weihnachtlichem Hintergrund wie "Anton und Knecht Rupprecht" oder mit literarischen Vorlagen wie "Alphabetisch" wurden allesamt von Teilnehmern der Familienkreativwoche 2014 auf Schloss Buchenau verfasst. In diesem Schloss, in dessen unmittelbarer Umgebung die Gebrüder Grimm lebten und wirkten, findet sich eine ganz besondere Atmosphäre und so möchten wir die Öffentlichkeit auf diesem Weg an den literarischen Ergebnissen unseres Märchenschreibprojekts teilhaben lassen.
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Veröffentlichungsjahr: 2015
Liebe Leserinnen und Leser!
Unter dem Dach des Vereins Familienmusizieren e.V. treffen sich jeden Sommer musikbegeisterte Familien auf Schloss Buchenau / Rhön zur Familienkreativwoche, um sieben Tage lang gemeinsam und generationsübergreifend kreativ zu werden. Die etwa 80 Teilnehmer werden von neun Dozenten angeleitet und unterstützt und entwerfen, bauen, schneidern Theaterkulissen und Ausstattung, spielen (Musik-)Theater, singen im Chor, finden sich zu kleinen Kammermusikensembles oder im Salonorchester zusammen, trommeln und tanzen. Inhaltlich gibt es in jedem Jahr ein bestimmtes Thema; Im Jahr 2014 waren es Märchen.
Um den Teilnehmern die Möglichkeit zu bieten, sich selbst literarisch zu betätigen, waren im Schloss Mappen in verschiedenen Farben ausgelegt, welche neben Papier und Stiften einen Kurzleitfaden zum Märchen schreiben enthielten. Wo nichts angegeben war, habe ich die Farbe der jeweiligen Mappe als Titel genommen.
Die hier veröffentlichten Märchen sind teilweise von nur einer Person verfasst, bei manchen gab es mehrere Verfasser, manche lagen ohne Angabe des Namens in der Mappe, bei anderen legte der Autor Wert auf Namensnennung.
Bei der Zusammenstellung der Märchen für diese Veröffentlichung habe ich weder inhaltlich noch sprachlich massgeblich in die Märchen eingegriffen. Lediglich wo es nötig schien einzelne Flüchtigkeitsfehler verbessert oder Worte zum besseren Verständnis ergänzt.
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen dieser sehr unterschiedlichen Märchen und würde mich sehr freuen, Sie als Teilnehmerin oder Teilnehmer auf einer Familienkreativwoche kennenzulernen. Informationen und Anmeldemöglichkeit finden Sie hier:
www.familienmusizieren.com
Kristin Thielemann, Oberhofen (Schweiz) im April 2015
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Schon Wochen vor der Adventszeit war der knapp sechsjährige Anton aufgeregt und konnte manchmal abends gar nicht einschlafen, so sehr war er gespannt darauf, was das Christkind in diesem Jahr wohl bringen würde.
Manchmal, wenn seine Mutter im Erdgeschoss in der Küche werkelte, stöberte er heimlich in ihrem Büro oder in den dunkelsten Ecken des Dachbodens nach Geschenken, die sie dort vielleicht für ihn versteckt haben könnte. Er hatte nämlich schon mitbekommen, dass nicht nur das Christkind zu Weihnachten ein Geschenk machte, sondern auch die Eltern das eine oder andere beisteuerten.
Doch leider fand er trotz intensiver Suche nichts! Das machte ihn fast verrückt. Ob er wohl die grosse Spielzeugburg bekommen würde? Vielleicht das Drachenboot? Oder war das Christkind böse, weil er doch ziemlich oft seinen Eltern nicht gehorchte, manchmal seinen kleinen Bruder Theo schubste oder anschnauzte, wenn dieser anderthalbjährige Zwerg mal wieder an sein Spielzeug ging und dort etwas kaputt machte, oder ihm einfach mal wieder ein böses Wort heraus rutschte, was die Erwachsenen doch auch ständig benutzen, für Kinder aber absolut tabu war.
Abends, wenn Anton nicht einschlafen konnte und er seine Eltern im Wohnzimmer vor dem Fernseher hören konnte, kurbelte er manchmal leise die Jalousie ein kleines Stückchen hoch und schaute in den Sternenhimmel. Eigentlich war dieser aus seinem Kinderzimmer immer besonders schön zu sehen, doch in der Weihnachtszeit, wenn viele Menschen nicht nur ein paar schlichte Kerzen aufstellten, sondern manche Häuser und Gärten vor lauter Leuchtfiguren und Lichterketten nur so blinkten, konnte er die Sterne fast gar nicht mehr erkennen. Er war in grosser Sorge, dass das Christkind nun nicht in ihr Dorf kommen würde, weil es von dem grellen Lichtern abgeschreckt würde. Schliesslich wollte es doch nicht gesehen werden, wenn es die Geschenke irgendwo ablegte!
Eines Abends, seine Mama war mit ihm und Theo allein zuhause, weil Papa auf Geschäftsreise war, hörte er, wie sie sich ein Bad einliess. Er stand im Dunkeln an seinem Fenster und überlegte kurz. Dann fasste er einen Entschluss: Heute Abend würde er sich heimlich aus dem Haus schleichen und im nahegelegenen Wald nach dem Christkind suchen. Mit seinem Schnitzmesser an die Hose gebunden fühlte er sich unbesiegbar und spürte nicht das kleinste Bisschen Angst.
Schnell zog er sich die ordentlich zusammengelegten Kleidungsstücke vom Tag an, die auf einem Stuhl in seinem Kinderzimmer lagen. Unter seine Bettdecke stopfte er ein paar Kissen, so dass es danach aussah, als hätte er sich unter der Decke verkrochen. Dann lauschte er an der Zimmertür und schlüpfte heimlich hinaus auf den Flur. Er horchte kurz an der Badezimmertür, wo er immer noch das Plätschern des Wasserhahns vernahm und schlich dann schnell die Treppenstufen hinab zur Haustür. Er wusste genau, wo im Garten der Ersatzhausschlüssel zu finden war und nahm als allerersten den kleinen Stein hoch und stopfte sich den Schlüssel in die Hosentasche.
Ein Geräusch liess ihn aufschrecken und er kauerte sich schnell hinter die grosse Kirschlorbeerhecke im Garten, welche das Grundstück von der Straße abschirmte. Er musste nur kurz warten um zu erkennen, dass das Scharren nicht etwa wie er befürchtet hatte ein Fuchs, sondern der Hund der Nachbarin war, der gerade noch einmal sein Geschäft an der Strassenlaterne gegenüber verrichtete. „Hast du auch etwas rascheln gehört, Bello!?“, fragte die mollige Frau Kurz aus dem Haus gegenüber ihren Terrier. Doch dieser schien nicht an einem Gespräch mit seinem Frauchen interessiert und trat nach seinem Geschäftchen umgehend den Rückweg zum Haus an, während Frau Kurz noch die Hinterlassenschaften ihres Bello mit einer Plastiktüte einsammelte.
„Pfui Teufel!“, dachte Anton. „Ich hätte zwar gerne einen Hund, aber immer die Hundehäufchen aufzusammeln, dazu hätte ich nun gar keine Lust!“ Als Frau Kurz ausser Sichtweite war, schlich er zur Straßenecke. Dort war weit und breit kein Auto zu sehen, die Straße lag menschenleer dar, als er schnell hinüber lief, um möglichst schnell zum Wald zu kommen, wo man ihn nicht wie hier unter den hellen Straßenlaternen sofort entdecken würde.
Ein Sechsjähriger abends um neun auf der Straße würde auf jeden Fall sofort die Aufmerksamkeit der Menschen erregen und er war sich sicher, dass er, sofern man ihn entdeckte, sofort zurück zu seiner Mama gebracht werden würde. Die letzten Meter über den Feldweg bis zum Wald rannte er und als er die ersten Bäume erreicht hatte, hielt er an. Sein Atem machte kleine weisse Wölkchen beim Ausatmen.
Er wusste genau, wo er nun nach dem Christkind suchen wollte. Einige Minuten Fussweg von hier lag zwischen dichten Fichten und Kiefern eine alte Waldhütte, wo er im Sommer öfter mit seinen Eltern gewesen war. Er hatte damals schon seine Vermutung ausgesprochen, es könnte das Zuhause des Christkinds sein, doch sein Vater hatte nur gelacht, wie er es immer tat, wenn er ihn nicht ernst nahm. Dann konnte Anton rasend vor Wut werden und wollte am liebsten alles zerschlagen. Aber dass das nichts nützte und Erwachsene hin und wieder Kinder auch für noch so gute Ideen auslachten, daran hatte er sich mittlerweile gewöhnt.
Nun machte er sich auf den Weg zu der Hütte. Seine Augen gewöhnten sich erstaunlich schnell an die Dunkelheit und er konnte auf den vom Mond erleuchteten Wegen einige Eichhörnchen beobachten, die schnell das Weite suchten, als sie ihn kommen hörten. Die Stille des Waldes wurde nur durch das Knacken der Äste unter seinen Füssen gestört und er spürte plötzlich, wie Angst in ihm hochkroch. Wenn es nun wilde Tiere im Wald gab, die ihn angreifen würden!? Er spürte das Schnitzmesser an seinem Gürtel und nahm es aus der Halterung. Und wenn es nun doch Diebe waren, die sich bei der alten Waldhütte versteckten und nicht etwa das Christkind. Er konnte die Hütte schon sehen und er war kein bisschen erstaunt, als er drinnen hinter den Vorhängen einen Lichtschimmer erspähte.
Das Christkind war Zuhause! Er hatte es gewusst. Schnell steckte er sein Schnitzmesser wieder in die Halterung und schlich bis an die hölzerne Aussenwand der Hütte. Drinnen hörte er etwas rumoren und sah durch einen Spalt in den Vorhängen eine Kerze flackern. Das Fenster war aber so hoch gelegen, dass er nicht so ohne weiteres hindurchsehen konnte.
Gleich würde er dem Christkind gegenüberstehen und ihm persönlich sagen, was er sich in diesem Jahr zu Weihnachten wünschte. Dann würden seine Wünsche bestimmt in Erfüllung gehen. Das Christkind würde sich sicher riesig freuen, wenn er sich nochmal für die Überraschung vom letzten Jahr, eine grosses Spielzeugschiff, bei ihm bedanken würde. Er trat auf die Stufen zur Tür und klopfte. „Christkind, ich bin es. Anton!“
Es dauerte einen kurzen Moment, bis die Tür geöffnet wurde, doch dort stand nicht etwa das Christkind, sondern ein älterer Mann mit weissen Haaren und abgerissener Kleidung. Kannte er nicht diesen Mann aus der Fussgängerzone in der Stadt!? War es nicht der, der immer wieder auf seiner Gitarre einige Lieder spielte und dem die Menschen Geld in den Hut warfen?!
„Wer bist du denn? Und was machst du hier!?“, fragte der ältere Mann mit tiefer Stimme. „Komm mal rein. Du bist ja völlig durchgefroren.“
Drinnen brannte ein Feuer in einem Schwedenofen und Tee köchelte vor sich hin. Der Mann stellte sich Anton als Martin der Musiker vor und wusste zu berichten, dass das Christkind hier sicher nicht wohnte. „Weißt du, Anton, ich habe sonst kein Dach über dem Kopf und deshalb schlafe ich im Winter manchmal in dieser Hütte!“
„Und du bist ganz sicher, dass du so nicht das Christkind vertrieben hast?“
„Ganz sicher nicht! Aber sag mal, bist du von Zuhause ausgerissen, so spät am Abend hast du wohl kaum noch etwas draussen verloren?“
Anton wurde unsicher. Er spürte seine Enttäuschung, nicht das Christkind gefunden zu haben und bekam nun Angst vor dem Heimweg durch den dunklen Wald.
Martin spürte seine Angst und schenkte ihm eine Tasse Tee ein. „Hier, trink, mein Junge. Und da kannst du dir gerne noch ein paar Kekse nehmen.“ Er stellte eine kleine Schale mit Gebäck vor ihm auf den Tisch.
Plötzlich leuchtete das schlecht rasierte Gesicht des alten Martin auf. „Weißt du was, Anton, jetzt wo du mich gefunden hast, kann ich dir ja auch die Wahrheit erzählen.“ Anton setzte sich kerzengerade auf seinen Stuhl. „Diese Hütte gehört dem Weihnachtsmann. Dem echten! Und ich bin sein Geselle. Knecht Ruprecht sozusagen. Kennst doch bestimmt das Gedicht Von drauß vom Walde komme ich her, ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!“
Anton nahm einen Keks und biss hinein. Ziemlich trocken und alt schmeckte dieser. „Tunk ihn in den Tee, dann geht es.“, sagte Martin, als habe er seine Gedanken erraten und dann fuhr er fort: „Anton, den Weihnachtsmann, den darf man nicht einfach suchen gehen. Das hat er nicht gerne. Wie wäre es, wenn du mir von deinen Wünschen berichtest und ich sie an ihn weiterleite. Exklusiv sozusagen. Und dann bringe ich dich jetzt nach Hause.“
Anton gähnte. Seine anfängliche Euphorie war verflogen. Das Christkind würde er heute nicht mehr treffen und den echten Weihnachtsmann auch nicht. Stattdessen Martin, den Knecht Ruprecht des Weihnachtsmannes. Komische Geschichte. Martin holte einen Zettel und fing an mit einem Bleistift auf das Papier zu schreiben: Wunschzettel von Anton. „Wie heißt du noch mit Nachnamen, Anton!?“ „Sonnenschein!“, sagte er und Martin schrieb es auf.
„Also dann schiess mal los, junger Herr Sonnenschein, was es in diesem Jahr für dich sein soll!“
Da begann Anton: „Also ich wünsche mir eine grosse Spielzeugburg und ein Drachenboot, das in der Badewanne fahren kann…“, er stockte. Was wünschte er sich denn noch?
„Ja!?“, machte Martin und sah ihn erwartungsvoll an.
Anton zögerte „Und eigentlich wünsche ich mir auch, dass die Strassenlaternen nachts nicht mehr so hell sind und alle Menschen Lichterketten aufhängen, weil ich sonst nämlich gar nicht mehr den Sternenhimmel sehen kann.“
Martin lächelte. „Ein weiser Wunsch von dir, kleiner Freund! Ich denke dass ich beim Weihnachtsmann ein gutes Wort für dich einlegen kann! Aber nun zieh‘ dir deine Jacke wieder an. Ich werde dich zurück ins Dorf begleiten, denn vielleicht wirst du schon vermisst!“
Schweigend gingen sie durch den Wald. Martin hatte eine Fackel entzündet und leuchtete ihnen den Weg. An der Hauptstrasse angekommen, blieb Martin plötzlich stehen und trat die Fackel aus. „Anton, es wäre nicht gut, wenn man uns zusammen sehen würde. Als Knecht Ruprecht kann ich nicht einfach mit Kindern nachts durchs Dorf schleichen. Die Menschen wären dann böse auf mich.“
Anton blickte zu ihm auf. „Nun geh‘ schon, Junge. Das letzte Stück schaffst du auch ohne mich, oder hast du jetzt etwa Angst!?“, Martin lachte. „Im Dunkeln bis zu mir an die Waldhütte schleichen, aber nun, wo dein Elternhaus in Sichtweite ist, bekommst du Schiss?“. Anton nickte, obwohl es ihm peinlich war.
„Weisst du, ich schleiche dir einfach ganz leise nach und wenn du sicher an eurer Haustür angekommen bist, drehst du dich einfach kurz zur Strasse um und winkst mir. Einverstanden?“
„Abgemacht, Martin. Und danke dass du mich hergebracht hast. Tschüss!“, er streckte dem Alten seine Hand entgegen und lief dann schnurstracks zu seinem Elternhaus.
Stand etwa die Haustür offen? Das Licht aus dem Flur fiel bis in den Garten. Hatte seine Mutter sein Fehlen bemerkt? Er verlangsamte seine Schritte und war unsicher, ob er nicht schnell zu Martin zurücklaufen sollte. Bestimmt würde er großen Ärger bekommen, wenn seine Mama ihn jetzt erwischte. Doch als er noch überlegte, trat seine Mama plötzlich in die Haustür, den Mantel an, ihre Schuhe noch in der einen Hand, in der anderen ihr Handy. Ihr Gesicht sah verweint aus. „Anton! Da bist du ja! Oh, ich habe mir solche Sorgen gemacht!“ Sie hielt ihr Handy ans Ohr. „Ja, mein Schatz, er ist wieder da. Er muss draußen gewesen sein. Oh Gott, wie bin ich froh dass er wieder da ist… ja… ist gut! Bis später!“. Dann steckte sie das Handy in die Hosentasche und trat auf ihn zu.
„Wo bist du gewesen, mein Kleiner?“, sie kniete sich vor ihn hin und nahm ihn in den Arm. Er schmiegte sich an sie. War sie doch nicht sauer auf ihn? „Ich habe Knecht Ruprecht besucht und ihm meine Weihnachtswünsche gesagt.“ Sie blickte ihn lächelnd an und wischte sich Tränen aus ihrem Gesicht. „Knecht Ruprecht!? Den Weihnachtsmann!? Ach Anton, die gibt es doch gar nicht!“, sagte sie lächelnd.
Doch als sie ins Haus gingen drehte sich Anton nochmal zur Straße und winkte in die Richtung, wo er Martin, seinen Knecht Ruprecht, in der Dunkelheit vermutete. In diesem Moment geschah etwas Komisches: Die wild rot und grün blinkende Lichterkette am Nachbarshaus erlosch und auch die hell leuchtende Rentierkutsche von Frau Kurz ging aus.
„Es gibt ihn doch, den Knecht Ruprecht und den Weihnachtsmann erst recht!“, dachte Anton. Er hat sein Versprechen wahr gemacht. Als er eine halbe Stunde später aus seinem Zimmerfenster in den Nachthimmel zu Mond und Sternen blickte, lagen alle Häuser in der Dunkelheit. Keine einzige Lichterkette brannte mehr, nichts blinkte und die leuchtenden Kutschen waren erloschen. Als eine Nachbarin eine Kerze in einem Windlicht vor die Tür stellte, erspähte er gerade noch einen Schatten, der um die Hausecke bog: Martin! Sein Knecht Ruprecht!
Es war einmal ein Spielmann, der zog mit seiner Fiedel über das Land. Wann immer er in ein Städtchen kam oder in ein Wirtshaus am Wegesrand, spielte er auf und bekam für seine Musik gutes Geld. Von dem Geld aß und trank er und stets reichte es für ein gutes Nachtquartier. Man kann sagen, dass er es besser traf als manch einer der Spielleute und dass er mit seinem Leben hätte zufrieden sein können. Allein ihn plagte ein geheimer Wunsch, nämlich den, das Herz eines Mädchens zu gewinnen und es zur Frau zu nehmen. Doch wie er es auch anstellte, keine schien in ihm etwas anderes zu sehen als einen Spielmann, der gute Musik machte.
An einem heißen Tag kam der Spielmann an einen See und er beschloss, ein Bad zu
nehmen. Er legte seine Kleider ab und trat ans Ufer. Da sah er im Wasser sein Spiegelbild. „Ach“, seufzte der Spielmann, „mich wird wohl nie ein Mädchen liebgewinnen. Ich habe dürre Beine, von denen das Haar wie wilde Borsten absteht. Darüber kommt ein Bauch recht kugelig und bleich und von den hageren Schultern hängen Ärmchen mit viel zu großen Händen herab. Und schließlich der Eierkopf, aus dem spitz die Nase sticht und wildes Haar, das sich schon lichtet. Nein, dergestalt kann ich nie darauf hoffen, dass mir ein Mädchen ihr Herz schenkt!“ Darüber sank der Spielmann auf die Knie und fing ganz fürchterlich an zu weinen.
Da sprang ein Frosch aus dem See und quakte: „Was flennst du?“
Der Spielmann klagte dem Frosch sein Leid und dass er ob seines Aussehens wohl nie ein Mädchen zur Frau haben könne. Der Frosch aber meinte: „Die Mädchen lieben einen doch nicht des Aussehens wegen, sondern für die schöne Stimme. Wann immer ich im Mondschein quake, gesellt sich bald eine Fröschin zu mir und wir verbringen traute Stunden miteinander.“
„Das ist ein guter Einfall!“, rief der Spielmann, las seine Kleider auf und übte zu seinem Fiedelspiel zu singen. Am Abend kehrte er ein in einer Wirtshaus, wo ihm die Tochter des Wirts nicht schlecht gefiel. So spielte er auf und sang ihr vor in schönen Weisen. Sie freute sich darüber, doch anstatt ihm ihr Herz zu schenken, gab sie ihm nur einen Krug Bier aus als Anerkennung für sein schönes Spiel. Darüber wurde der Spielmann sehr betrübt und saß stumm über seinem Krug.
Da kam ein Bote des Königs des Weges. Er war den ganzen Tag geritten und kehrte nun im Wirtshaus ein, um Quartier zu beziehen. Als er zu Abend aß geriet er an den Tisch des Spielmanns und fragte ihn nach dem Woher und Wohin und was für ein grausliches Gesicht er zöge. Da klagte der Spielmann dem Boten sein Leid und dass er ob seines Aussehens und trotz seiner Stimme nie ein Mädchen zur Frau haben könne. Der Bote aber meinte: „Die Mädchen lieben einen nicht des Aussehens oder der Stimme wegen, sondern für das Hab und Gut. Nehmt meinen Herrn. Er wird in Kürze eine junge und schöne Prinzessin heiraten, obwohl er mehr als dreißig Jahre älter ist. Seines Reichtums wegen ist er aber eine gute Partie.“
„Das ist ein guter Einfall!“, rief der Spielmann. Er fing von Stund an so viel zu singen und spielen an, wie es vor ihm keiner konnte und nahm auch viel ein. Doch er lebte karg, sparte sich das Essen vom Munde ab und gab von seinem Geld nur das Nötigste aus. Als er einen hübschen Vorrat von Münzen gesammelt hatte, ging er auf einen Jahrmarkt. Dort sah er ein Mädchen, das ihm gut gefiel und er lud sie ein zu Speis und Trank. Er warf mit ihr nach Büchsen, tanzte mit ihr, gab den Schaustellern ein gutes Trinkgeld und versuchte sich im Spiel mit Tatermalen. Nächtens dankte das Mädchen dem Spielmann jedoch nur für den schönen Tag und entschwand.
Da setzte sich der Spielmann wo er gerade stand in den Staub und weinte. Ein Schneider kam des Wegs und fragte, was er habe. Der Spielmann klagte dem Schneider sein Leid und dass ob seines Aussehens, trotz der schönen Stimme und trotz des Geldes wohl nie ein Mädchen zur Frau haben könne. Der Schneider aber meinte: „Die Mädchen lieben einen nicht des Aussehens, der Stimme oder des Geldes wegen, sondern für die Kleider, die er trägt. Ein weißes Hemd mit Kragen, eine Pluderhose und ein schicker Gehrock hat noch jedem Mädchen gefallen.“
„Das ist ein guter Einfall!“, rief der Spielmann und ließ sich vom Schneider neu einkleiden. Der Putzmacher fertigte ihm einen stattlichen Krempenhut und der Schuster edle Schnallenschuhe. Und tatsächlich gewann er das Interesse einer Dame, die ihn auf eine Gesellschaft in ihrem Hause einlud. Sie freute sich, so klug mit dem erfahrenen Mann reden zu können, umgarnte ihn mit Schmeicheleien und verführte ihn mit edlen Speisen. Als der Nachtwächter die Glocke schlug, die Sperrstunde zu künden, löste sich die Gesellschaft auf. Die Dame hielt den Spielmann jedoch zurück, nahm ihn bei der Hand und trat in das Schlafgemach. Sie sah ihm tief in die Augen, nahm sein Gesicht in ihre Hände und küsste ihn auf den Mund. Der Spielmann wusste nicht, wie ihm geschah, doch ließ er es zu und fand Gefallen daran. Dann jedoch legte die Dame ihre Haube ab und immer weitere Kleider.
Da tat es an der Eingangstüre einen Knall und erschreckt drängte die Dame den Spielmann, in den Schrank zu steigen. Der Hausherr war heimgekehrt und ging, nach seiner Frau zu sehen. „Was machst du so schreckgeweitete Augen?“, sprach er, als er in das Schlafgemach trat.
„Es ist Nacht und mit weiten Augen blicke ich besser“, antwortete die Dame.
„Und was zitterst du?“, fragte der Hausherr weiter.
„Mich friert. Ich habe ja fast nichts am Leibe.“
„Wenn du fast nichts am Leibe trägst, was stehst du dann neben dem Bette?“
„Ich warte, meinen Mann zu empfangen!“
„So ist's recht!“, sprach der Hausherr und zog sich aus, sich zu seiner Frau zu legen. Der Spielmann indessen harrte lange im Schranke aus. Endlich stahl sich die Dame aus dem Bett, schlich an den Schrank und hieß den Spielmann aussteigen. Sie beteuerte, ihn gern ein andermal wiederzusehen, doch nun müsse er gehen.
Verstört lief der Spielmann nach der Eingangstüre. Plötzlich gewahrte er im Flur ein Schluchzen. Ein Lichtschein fiel aus einer Tür, da ging er hin. Ein Mädchen saß im Schein einer Kerze auf einem Stuhl und weinte.
„Warum weinst du?“, fragte der Spielmann.
Das Mädchen war erst sehr erschrocken ob des plötzlichen Auftauchens des Fremden, doch als sie der Spielmann mitfühlend mit hellen Augen ansah, schöpfte sie wieder Mut:
„Bei der Küchenarbeit habe ich der Dame liebste Schale zerschlagen. Nun fürchte ich ihre Schelte, denn im Zorn kann sie gar tyrannisch sein!“
Der Spielmann aber sprach: „Eine Schale lässt sich ersetzen. Eine gute Magd jedoch nicht. Ich werde mit der Dame sprechen und sie zu besänftigen suchen. Und dann wollen wir über den Markt gehen und eine ähnliche Schale kaufen.“ Dann sang er ihr lustige Weisen vor und brachte sie auf andere Gedanken. Und wie er ihr helles Lachen hörte und in ihre Augen schaute, die ihn mit einem Leuchten blickten, da verliebte er sich in sie.
Als Markttag war und das Mädchen und der Spielmann eine neue Schale gekauft hatten, sagte das Mädchen: „Ich danke Euch so sehr, dass Ihr als der Dame Liebster den Zorn zu mindern und mich als Magd zu halten verstanden habt!“
„Nein“, sprach da der Spielmann, „ich möchte nicht der Liebhaber einer Dame sein und immer ihren Mann fürchten müssen. Ich möchte das Herz eines Mädchens gewinnen und es zum Weibe nehmen und ich frage dich: Möchtest du dies Mädchen sein?“
„Ja!“, sprach da das Mädchen. „Ihr bringt mich zum Lachen, Ihr seid intelligent und ein herzensguter Mensch. Ja, ich möchte Euer Mädchen sein und Eure Frau werden!“
Und so geschah es. Der Spielmann und das Mädchen verlobten sich und schickten sich an zu heiraten. Wie aber die Dame erfuhr, dass ihr Liebster sich verlobt hatte, wähnte sie, ihre Magd hätte ihr den Spielmann ausgespannt.
Da rief sie: „Nicht genug damit, dass du meine liebste Schale zerschlägst! Jetzt nimmst du mir den Liebsten selber! Geh! Ich dulde dich nicht mehr in meinem Hause!“
Da lief das arme Mädchen zum Spielmann und klagte: „Nun ist es doch geschehen. Die Schale ist ersetzt und die Magd dazu! Wo soll ich denn jetzt Stellung finden?“
Der Spielmann aber sprach: „Ich gehöre seit Jahr und Tag zu den Fahrenden. Von meinem Fiedelspiel hab ich immer gutes Geld verdient. Wenn Ihr im Gesang mich begleitet oder gar ein Instrument erlernt, sollen wir ein genügend Auskommen haben!“
Da lernte das Mädchen die Laute und zweistimmig begleiteten sie ihr Spiel. Sie zogen über das Land und wann immer sie in ein Städtchen kamen oder in ein Wirtshaus am Wegesrand, spielten sie auf und bekamen für die Musik gutes Geld. Von dem Geld aßen und tranken sie und stets reichte es für ein gutes Nachtquartier.
Einmal kamen sie an einen Wirt, der schon sehr alt war und weder Frau noch Kinder hatte. Bei ihm blieben sie und gingen ihm bei der Arbeit zur Hand, die ihm im Alter immer schwerer wurde. Am Abend spielten sie zum Tanze auf und das Wirtshaus ward weit bekannt für die gute Unterhaltung. Und als der Wirt eines Tages verstarb, übernahmen sie das Wirtshaus. Sie wurden gute Wirtsleute, führten eine glückliche Ehe und bekamen viele Kinder. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
Schneeweißchen und Rosenrot,
die beiden sind schon lange tot.
Das Rumpelstilzchen ist vergreist
und weiß nicht mehr, wie es wohl heißt.
Schneewittchen lebt hinterm Berg;
ihr blieb nur noch ein letzter Zwerg.
Rapunzel mit dem langen Haar,
sie leidet heut am grauen Star.
Der Fischer trinkt sich oft blau
da ihn verließ jüngst seine Frau.
Der Hase und der Igel sind
auf Krücken nicht mehr so geschwind.
Rotkäppchen kippt sehr viel Wein,
sie singt und hüpft auf einem Bein.
Frau Holle tut das Kreuz so weh,
drum fällt jetzt nur noch selten Schnee.
Dornröschen liegt stets im Bett;
zum sitzen ist sie viel zu fett
und Hans im Glück lebt von Harz IV,
er isst gern Chips und trinkt viel Bier.
Der Froschkönig will zurück;
im Brunnen liegt sein wahres Glück.
Der Teufel hat nun graues Haar
und färbt es gold, wie's früher war.
Sterntaler lässt's Sammeln sein;
nimmt Creditcard und Euroschein.
Das Aschenputtel lebt verarmt
bis sich wer der Schuhbons erbarmt.
Alleinerziehende
bittet:
„Cherie,
da,
etwas
für
Großmutter!
Hinbring
ihr
jenes
Körbchen!“
Lief's
Mädchen
nach
Oma.
Plötzlich
Querschläger:
Raubtier.
Schluckt's
Töchterchen
und
verschlingt
Waldoma.
Xaverförster
ybernimmt
Zweifrauenrettung.