Camping hoch³ - Gabriele Färber - E-Book

Camping hoch³ E-Book

Gabriele Färber

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Beschreibung

Ferien auf dem Campingplatz – eine Urlaubsform, die viele Anhänger hat. – Hannah und Franz gehören nicht dazu. So hält sich die Begeisterung in Grenzen, als Onkel Karl einen altertümlichen Wohnwagen als großzügiges „Geschenk am Haken“ präsentiert. Das ändert sich erst, als klar wird, dass der Wohnwagen nur über vier Schlafplätze verfügt und damit eine hervorragende Gelegenheit bietet, einmal ohne Oma im Gepäck auf Tour zu gehen. Hannah, Franz und die Sprösslinge Judith und Oliver erleben ungeahnte Herausforderungen auf dem Weg zur Côte d'Azur und am Ziel halten die Gepflogenheiten auf dem Campingplatz weitere Überraschungen bereit! Am Ende der Ferien finden alle „Camping macht Spaß“. Es wird ein moderner Gebrauchter angeschafft, und es geht erneut auf große Fahrt, dieses Mal an die Adria. – Diese Reise ist zwar komfortabler aber keineswegs alltäglicher, denn Italien birgt nicht nur für Camper seine Tücken. Die Zeit vergeht, die Kinder werden älter, und nach wie vor steht das Campen bei Familie Scherer hoch im Kurs. Der erwachsene Oliver hat mittlerweile andere Interessen, doch als die geplante Flugreise mit seiner Liebsten platzt, ist ein „Fliegender Wechsel" im nahen Österreich eine akzeptable Alternative, oder etwa nicht?

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Inhaltsverzeichnis

Das Geschenk am Haken

Camping macht Spaß

Ein fliegender Wechsel

Gabriele Färber

Camping hoch³

Urlaubsroman

Impressum

Autorin und Verlag:

Gabriele Färber, Wallbergstr. 14, 83026 Rosenheim

[email protected]

Text, Layout Gabriele Färber

alle Rechte vorbehalten

auch erhältlich als Taschenbuch

www.geschichten-fuer-alle.de

Camping hoch³

Drei Geschichten in einem Buch

Ferien auf dem Campingplatz – eine Urlaubsform, die viele Anhänger hat. – Hannah und Franz gehören nicht dazu. So hält sich die Begeisterung in Grenzen, als Onkel Karl einen altertümlichen Wohnwagen als großzügiges „Geschenk am Haken“ präsentiert. Das ändert sich erst, als klar wird, dass der Wohnwagen nur über vier Schlafplätze verfügt und damit eine hervorragende Gelegenheit bietet, einmal ohne Oma im Gepäck auf Tour zu gehen.

Hannah, Franz und die Sprösslinge Judith und Oliver erleben ungeahnte Herausforderungen auf dem Weg zur Côte d'Azur und am Ziel halten die Gepflogenheiten auf dem Campingplatz weitere Überraschungen bereit!

Am Ende der Ferien finden alle „Camping macht Spaß“. Es wird ein moderner Gebrauchter angeschafft, und es geht erneut auf große Fahrt, dieses Mal an die Adria. – Diese Reise ist zwar komfortabler aber keineswegs alltäglicher, denn Italien birgt nicht nur für Camper seine Tücken.

Die Zeit vergeht, die Kinder werden älter, und nach wie vor steht das Campen bei Familie Scherer hoch im Kurs. Der erwachsene Oliver hat mittlerweile andere Interessen, doch als die geplante Flugreise mit seiner Liebsten platzt, ist ein „Fliegender Wechsel" im nahen Österreich eine akzeptable Alternative, oder etwa nicht?

Teil I

Wie alles begann

Das Geschenk am Haken

Das gut gemeinte Geschenk des Erbonkels bringt die Urlaubspläne der Familie Scherer gehörig durcheinander.

Die Ferienwohnung, in der man den Tagesablauf fast gestalten konnte wie daheim, wird nicht gebucht und stattdessen mit nostalgischem „Anhängsel“ verreist.

Die „Neucamper“ erleben auf ihrer ersten Reise allerlei Situationen, mit denen sie nicht rechnen.

Es sind die frühen 2000er Jahre, eine Zeit, in der das Smartphone Handy hieß, kein Internet besaß und man mit Straßenkarten hantierte. Schon die Anreise gestaltet sich anders als erwartet und die Gepflogenheiten auf dem Campingplatz sind gewöhnungsbedürftig.

Camping - Leben in freier Natur, Sonnenbaden, abendliches Grillvergnügen in der untergehenden Sommersonne, grenzenlose Freiheit einmal hier und einmal dort ein paar Tage zu verbringen. Gehören auch Sie zu den Zeitgenossen, die bei diesem Wort ins Träumen geraten - und gleichzeitig Gespann samt Beladungsmöglichkeiten, zulässiger Achslast und neu erworbener Schlingerkupplung vor sich sehen? Sie schließen die Augen und geraten in Urlaubsvorfreude.

Beneidenswert! Diese phantastische Vorstellungskraft war mir bis vor kurzem völlig fremd. 35 Jahre meines Lebens sind vergangen, ohne dass der Begriff Camping eine Gefühlsregung ausgelöst hätte. Zumindest keine positive. Nicht selten sind wir bei einem unserer Sonntagsausflüge mit dem Auto durch den Rheingau oder am Ufer der Lahn von Regen überrascht worden. Meist kamen wir gerade in diesen Momenten an einem feuchten, düster wirkenden Campingplatz vorbei. Nicht besonders einladend.

„Schau nur, wie schrecklich!“ Meine Familie und ich waren in solchen Augenblicken stets einer Meinung. „Und dann wundern sich die Leute, wenn sie Rheuma haben.“

Wir haben unsere Urlaube in einer festen Behausung verbracht, im Hotel oder wie in den letzten Jahren mit unserem Nachwuchs, Schwiegermutter und Hund in einer Ferienwohnung.

Doch manches fügt das Schicksal, was man sich nicht erträumt. Und so nahte jene Einladung zum achtzigsten Geburtstag von Hannahs Onkel nach Düsseldorf. Familienfeiern sind uns ein Gräuel, und wir ersannen angestrengt gute Gründe für eine berechtigte Absage. Leider hatte in diesem Fall Schwiegermama Luise das letzte Wort.

„Das ist doch wohl die Höhe, dass ihr nicht zum Geburtstag meines einzigen Bruders gehen wollt.“, ereiferte sich die Oma, die seit unserem Einzug ins eigene Haus bei uns wohnt. „Ihr begleitet mich. Das wäre ja noch schöner!!“

Die Angelegenheit war somit entschieden. Unsere beiden Sprösslinge Oliver und Judith wurden von der fürsorglichen Schwiegermutter „ordentlich“ zu diesem Anlass ausstaffiert und wir sollten uns auf den Besuch freuen, wurde uns aufgetragen. Schließlich sei Onkel Karl unser Erbonkel. Was er uns vererben sollte, war mir schon damals schleierhaft.

Einige Samstage später fuhren wir also frühnachmittags Richtung Norden. Die Entfernung ist nicht sehr groß, und wir trafen, was in unserer Familie eine Seltenheit ist, pünktlich ein.

Herzlich wurden wir von Onkel und Tante begrüßt, die ich nur flüchtig von unserer Hochzeit kannte, die Ewigkeiten zurück liegt.

„Eure Zimmer für die Nacht habe ich schon hergerichtet.“ Tante Wilma wies uns den Weg durch die dunkel getäfelte Diele. „Wir hoffen, dass ihr euch bei uns wohl fühlt. Oliver und die Kleine haben wir im Nachbarzimmer untergebracht. Das ist euch doch recht, oder?“ Sie nickte uns freundlich zu, ohne eine Antwort zu erwarten und drehte sich dann zu unserem Sohn: „Du bist ja schon ein großer Bub mit deinen zehn Jahren und kannst gut auf das Schwesterchen aufpassen. Wie alt ist denn die Kleine?“

„Ich bin schon zwölf.“ Oliver zog eine beleidigte Schnute.

„Judith ist zweieinhalb. – Du hast das prima arrangiert, Tante Wilma. Wenn sie nicht durchschläft, hole ich sie zu uns ins Bett.“ Hannah, meine Frau, legte ihre Jacke auf den Stuhl in unserem Gästezimmer.

„Stellt rasch euer Gepäck ab, es wird allmählich Zeit ins Lokal zu fahren, sonst sind unsere Gäste vor dem Geburtstagskind da.“ Wilma wurde unruhig.

Als Logierbesuch bei fremden Menschen zu residieren, ist nicht mein Geschmack, aber auch hier hatte sich Luise durchgesetzt. Die eine Nacht würde ich aushalten, und so sparten wir eine teure Übernachtung im Hotel. Überraschenderweise entwickelte sich der Abend recht unterhaltsam. Das reservierte Seitenzimmer in einem gutbürgerlichen Gasthof strahlte rustikale Gemütlichkeit aus, und wir saßen in netter Gesellschaft: „Allein schon wegen des üppigen Essens hat sich die Fahrt gelohnt“, flüsterte ich Hannah zu.

„Stimmt Franz. Und für euch Herren gibt es nun zum Nachtisch noch etwas zu schauen. Des Onkels Vereinskameraden haben eine Bauchtanzgruppe engagiert.“ Meine Frau lächelte.

Nach der Tanzeinlage wurden noch von Freunden und Bekannten diverse Gedichte und Vorträge zum Besten gegeben, was viel Gelächter und Applaus nach sich zog. So waren wir rechtschaffen müde, als wir weit nach Mitternacht unter unsere Steppdecken krochen.

„Das war ein richtig netter Abend.“ Hannah räkelte sich in dem alten Holzbett, dessen Matratze bei jeder Bewegung knarrte. „Mir war völlig entfallen, dass du so gut tanzt“, schmeichelte sie. „Ich finde es schön, die Familie nach langer Zeit wieder zu sehen. Da kann man interessante Beobachtungen anstellen. Hast du gesehen, wie ausdauernd die Verwandtschaft aus Wuppertal den ganzen Abend gestritten hat? Und die Kinder die sind ja megafrech.“

„Hauptsache unsere haben sich benommen. Deine Mutter hätte sich sonst in Grund und Boden geschämt.“ Insgeheim wunderte ich mich, dass weder Judith noch Oliver ihre Sonntagsmontur mit Soßenspritzern oder Eiscreme garniert hatten und keines der Getränke umgekippt worden war.

„Stimmt, jetzt müssen wir nur noch den morgigen Vormittag überstehen.“ Sie lachte. „Andernfalls wird vielleicht doch nichts aus dem Geschenk. Wilma hat eine Andeutung gemacht, aber ich bin nicht klug daraus geworden. Ich bin gespannt, was es sein wird.“

Ich dämmerte sanft dem ersten Schlaf entgegen. Der Onkel hatte kurz zuvor als perfekter Gastgeber noch drei bis vier hausgemachte Obstbrände als Betthupferl hervorgekramt. Müde und vom Alkohol beseelt waren mir zu dieser Stunde alle Geschenke der Welt egal. Erst der Morgen brachte mir Hannahs Äußerung vage ins Gedächtnis zurück. Wir saßen gemeinsam am Frühstückstisch. Luise hielt uns eine Standpauke darüber, dass es verantwortungslos gewesen sei, die Kinder bis Mitternacht im Lokal mitfeiern zu lassen. Mir dröhnte der Kopf und jeder Widerspruch überforderte meine Kräfte. So schwieg ich still. Bevor Hannah zu einer passenden Entgegnung ansetzen konnte, ergriff der Onkel unsere Partei.

„Luischen, sei doch nicht ein solcher Griesgram. Wie ich sehe, haben es beide überlebt. Bei meinem neunzigsten, sind sie alt genug, die Nacht durchzumachen.“ Er grinste vergnügt. „Weißt du eigentlich schon, welche Überraschung wir für Hannah und ihre Familie ausgeheckt haben?“ Schelmisch blinzelte er seiner Frau zu. „Ursprünglich war unser Plan, das gute Stück zu vererben, aber bei meiner Kondition wird es hoffentlich bis zum Sankt-Nimmerleinstag noch eine Ewigkeit dauern, und das ist uns nur recht, gelt Wilma! Aber, so lange wollen wir euch nicht warten lassen.“

Beim besten Willen und bei aller Phantasie und kritischer Betrachtung des wackeligen Hauses konnte ich mir nicht vorstellen, was die alten Leutchen entbehren wollten. Abgesehen von einem massiven, mit Schnitzereien versehenen Dielenschrank und einer wertvollen altdeutschen Truhe, in der allerhand unterzubringen war, fiel mir nichts ein. Aber immerhin, das wären praktische Geschenke, die man dankbar akzeptieren konnte. Der Transport würde vielleicht etwas schwierig zu bewerkstelligen sein, doch die Lösung dieses Problems traute ich mir zu.

Sie ahnen längst, was jetzt kommt, doch mich traf völlig unvermittelt, was der Onkel offenbarte, nachdem er eine Riesenportion Rührei verspeist hatte. Zielstrebig führte er uns gemeinsam mit der Tante in den hintersten Winkel des Gartens zu einem morschen Holzschuppen, an dessen verwittertem Tor er sich umständlich zu schaffen machte. Lautstark zwitscherten die Vögel in den Bäumen, und Gustav unser Hund legte neben meinen Füßen erwartungsvoll den Kopf auf die Vorderpfoten, um des Onkels Tun interessiert zu beobachten. Was verstaut man denn in einem solch geräumigen Verschlag?

Bevor ich weiter darüber sinnieren konnte, wandte Tante Wilma sich an mich: „Franz, jetzt musst du Karl helfen.“ Resolut führte sie das Kommando: „Alleine schafft er ihn nicht heraus.“

Das Tor schwang mir entgegen, noch hatte ich nicht die geringste Idee, was mich dahinter erwartete. Vielleicht einer jener blinkenden Oldtimer, für die ich seit Kindertagen schwärme! Ein alter Bentley, ein Ford oder eine Isetta, mindestens ein Motorradgespann. Auf mein Gesicht schlich sich ein Lächeln. Und wenn wir das Prachtstück selbst nicht nutzen würden, könnte ich es gewinnbringend verkaufen.

„Ist schon alles vorbereitet.“ Karl war sichtlich aufgeregt. „Wir brauchen ihn nur nach draußen zu schieben.“

Mein Traumgefährt!

Ich arretierte die Hälfte des Torflügels auf meiner Seite unter einem Holzkeil und lugte gespannt um die Ecke. Die Ernüchterung folgte auf den Fuß. Was uns da entgegenlachte, sah zwar nicht gerade super neu aus, aber von einem wertvollen Oldtimer mit Sammlerwert war es weit entfernt. Leicht verstaubt und in vergilbtem weiß schien er mich hämisch anzugrinsen - ein Wohnwagen, oh Schreck!

Mir blieb kaum Zeit rasch zu Hannah hinüber zu spähen, da der Onkel mich in Trab hielt, das Monstrum ins Freie zu manövrieren, was uns schließlich nach dem Kampf mit einer verrosteten Feststellbremse gelang. Tante und Onkel schauten erwartungsfroh in die Runde. Schwiegermama Luise stöhnte entsetzt, Hannah bemühte sich krampfhaft um ein frohes Gesicht, und ich versuchte eine möglichst neutrale Miene aufzusetzen. Gustav knurrte das Vehikel drohend an. Allein Oliver ließ sich zu Begeisterungsstürmen hinreißen.

„Ein Dethleffs Pirat, Baujahr 1978.“, erklärte Onkel Karl stolz. „Toll in Schuss. Kein Vergleich zum Campieren mit Zelt, Gaskocher und Schlafgelegenheit auf dem Boden. Solide deutsche Wertarbeit.“ Kräftig schlug er mir auf die Schulter. „Das richtige Gefährt für die junge Familie. Da braucht ihr euch zukünftig nicht mehr um eine teure Ferienwohnung zu kümmern.“

Die Tante nickte inbrünstig. „Und es ist alles vorhanden, was man braucht: Einbauherd, Kühlschrank, Waschgelegenheit und eine mobile Toilette! Ein bisschen Seifenwasser, und er sieht aus wie neu.“, erläuterte sie eindringlich, als sie Hannahs traurigen Blick auf die trüben Fenster und auf die schmutzige Außenhaut bemerkte.

„Los, wir kuppeln ihn gleich an. Sonst geratet ihr in den Sonntagsstau.“ Onkel Karl zog die Arbeitshandschuhe aus und eilte voran, um mich mit meinem Kombi in den Garten zu lotsen.

„Der Wohnwagen ist prima. Du siehst ja, er ist noch zugelassen, aber seit zwei Jahren streikt Wilma und will von Campingurlaub nichts mehr wissen. Mittlerweile habe ich die Hoffnung aufgegeben, sie rumzukriegen. Und als mir gestern Vormittag bei eurer Ankunft, die Anhängerkupplung an deinem Auto ins Auge gestochen ist, Mensch Junge, da habe ich mich ganz schnell entschlossen.“

Seit letztem Sommer nach Kauf meines sechs Jahre alten Gebrauchten, hatte ich die Anhängerkupplung mehrfach verflucht, weil sie mich am sorglosen Einparken hinderte. Jetzt hätte ich sie am liebsten zum Teufel gewünscht. Mein Gesichtsausdruck muss einzigartig gewesen sein. Onkel Karls und Tante Wilmas Verabschiedung fiel dementsprechend nüchtern aus. Die Enttäuschung konnten sie kaum verbergen.

Das Gefährt war schneller angehängt, als mir lieb war, und mit ein paar mürrisch gemurmelten Tipps für die Fahrt wurden wir auf den Nachhauseweg geschickt. Zu allem Übel mussten wir den Vorort in voller Länge durchqueren, um zur Ausfallstraße Richtung Autobahn zu gelangen. Gut, ich hatte schon mal mit einem kleinen, vom Nachbarn ausgeliehenen Anhänger, Gartenabfälle zum Kompostplatz gefahren, doch dieses Riesenteil zu ziehen, war ein gewaltiger Unterschied.

„Wie viele Personen können denn in einem Wohnwagen schlafen?“, erkundigte sich zaghaft die Schwiegermutter.

„Ich glaube vier!“ Oliver wandte sich der Oma zu. Die Eltern seines Freundes Justus besaßen ein derartiges Wunderwerk.

„Ach, das ist ja unpraktisch.“ Luise fiel in tiefes Grübeln. „Eigentlich eine Unverschämtheit von Karl und Wilma euch solch ein verkommenes Ding zu schenken!“

Ich lächelte still. So betrachtet, erschien die Angelegenheit in einem völlig anderen Licht. Sollte das der erste Urlaub seit fünf Jahren ohne Luises Begleitung werden?

„Sag mal, ist es normal, dass du auf die Gegenfahrbahn steuerst, wenn du um eine Kurve fährst?“ Hannah meldete sich als aufmerksamer Co-Pilot.

„Ja, ja, das ist in Ordnung. Immer weit ausholen hat Karl gesagt.“ Ich rührte am Lenker wie am Steuerrad eines Hochseedampfers und versuchte krampfhaft, das empörte Hupen des Gegenverkehrs zu ignorieren.

„Caravanfahrer sind immer unbeliebt. Das braucht einen nicht zu stören“, verkündigte ich selbstbewusst, war aber trotzdem heilfroh, als ich endlich die Auffahrt der Autobahn erreichte.

„Papa, heimfah’n! Judi spielen!“ Das Töchterchen wurde quengelig.

„Wir sausen mit fünfzig Stundenkilometern dahin, da wird es wohl noch ein paar Stunden dauern.“ Oliver beugte sich über die Lehne des Fahrersitzes. „So eine lahme Krücke. Justus‘ Vater hat einen BMW mit 250 PS, da spürst du den Anhänger nicht mal bei 120.“

„Ach, sei still, Oliver. Papa muss erst mal üben mit dem Wohnwagen zurechtzukommen, oder willst du im Straßengraben landen?“ Hannah wurde energisch und ich begriff, dass meine fünfzehnjährige Fahrpraxis bei meiner Ehehälfte keinen hohen Stellenwert besaß.

„Also, dass Wilma das zugelassen hat, dass Karl euch so ein Geschenk macht.“ Schwiegermama schüttelte besorgt den Kopf. „Wie weit ist es denn noch?“

Die Strecke von 230 Kilometern, die wir tags zuvor spielend bewältigt hatten, zog sich endlos in die Länge. Irgendwann gelangten wir dann doch zuhause an. Nach kurzem Familienrat wurde beschlossen, den Wohnwagen fürs erste auf der schmalen Rasenfläche in der linken Hälfte des Vorgartens unseres Reihenhauses in Wiesbaden-Bierstadt unterzubringen. Natürlich war unsere Ankunft nicht unbemerkt geblieben, und unsere direkten Nachbarn, Ehepaar Jansen, hielt es schließlich nicht mehr hinter den Gardinen. Mit vereinten Kräften, gespickt mit ersten Kommentaren und unter Luises ängstlichen Lotsenrufen, rangierte man ihn schließlich an seine vorläufige Endposition. Erschöpft bat ich die Helfer ins Haus und spendierte eine Runde Kirschwasser.

„Eigentlich würde ich gerne mal hineinschauen in das gute Stück.“ Frau Jansen war immer daran interessiert ihren Horizont zu erweitern.

Hannah lächelte gequält: „Wir waren selbst noch nicht drinnen.“

„Na, denn mal los!“ Die Nachbarin stand bereits an der Küchentür.

„Ich weiß überhaupt nicht, wo wir den Schlüssel haben.“ Hannah unternahm einen letzten Versuch, hatte aber die Rechnung ohne Oliver gemacht, der besagten Schlüssel eilfertig herbeibrachte und wedelnd in die Höhe hielt. Bevor ich reagieren konnte, stand er am Wohnwagen und machte sich am Schloss zu schaffen. Natürlich waren ihm alle neugierig gefolgt, und die Besichtigung musste beginnen.

„Hier stinkt's.“ Unser Sohn schnupperte in den Innenraum und gelangte mit einem großen Schritt als erster in den Wagen. Frau Jansen rümpfte die Nase und schaute sich kritisch um. Ich wusste genau, dass als nächstes ihr Zeigefinger über die Eckkommode streichen und eine tiefe Staubspur hinterlassen würde. Hannah betrachtete sich das Schauspiel beleidigt.

„Da ist erst mal Großreinemachen angesagt.“ Der Finger war schwarz. „Bis zum Sommerurlaub werden Sie das schon schaffen.“ Sie nickte meiner Liebsten aufmunternd zu.

Diese fühlte sich getröstet, und die Schwiegermutter warf ein, dass es gar nicht sicher sei, ob man wegen der engen Raumverhältnisse mit dem Wohnwagen verreisen würde. Der Platz im Inneren war in der Tat mittlerweile recht begrenzt, nachdem alle fünf Erwachsenen und die zwei Kinder sich hineingezwängt hatten. Irgendwie schien es dem Caravan an Standfestigkeit zu mangeln.

„Oh Gott, oh Gott, ich glaube, wir kippen um!“ Vorsorglich griff Luise nach Frau Jansens Arm, worauf die beiden etwas weiter Richtung Heck taumelten, und der Wohnwagen auf dieser Seite endgültig am Boden aufsetzte. Klein Judith unternahm eine Rutschpartie zwischen ihre Beine und begann erwartungsgemäß lauthals zu brüllen.

Ich spürte, wie mir die Farbe ins Gesicht schoss. Irgendetwas war mir entfallen. Im Geiste sah ich den Wohnwagen bereits zerbeult, umgekippt im Garten liegen. „Alles aussteigen, los, los!“ Da fiel es mir ein. Ich hatte vergessen, die Stützen herunter zu drehen.

Als ich mich später müde in meinen Fernsehsessel fallen ließ, hegte ich zum ersten Mal Zweifel, ob Onkel Karls Geschenk wirklich reiner Nächstenliebe entsprungen war.In den folgenden Wochen schlug ich einen großen Bogen um den Wohnwagen und versuchte ihn möglichst zu übersehen, was an ein Kunststück grenzte. Schließlich prangte er bis zur Mitte des kleinen Vorgartens und trug nicht unbedingt zur Schönheit des Gesamtbildes bei. Auch Hannah hatte sich noch nicht zu einer Innenreinigung aufraffen können, zumal ihre Mutter kein gutes Haar an des Onkels gütiger Gabe ließ und ständig darauf drängte, doch endlich die Ferienwohnung für den Sommer zu buchen.

Der alte Wohnwagen sah wirklich erbarmungswürdig aus und verdreckte, ungeschützt drei Wochen Dauerregen ausgesetzt, mehr und mehr. Eine höhere Macht sorgte schließlich dafür, dass ihm am ersten Sonnentag die gebührende Beachtung geschenkt wurde. Die Familie war beim Sonntagsfrühstück in der Küche versammelt, als Oliver mit vollem Mund aus dem Fenster starrte und runde Augen bekam.

„Der Wohnwagen versinkt“, nuschelte er zwischen den Zähnen hervor.

„Versinkt, uj.“ Judith hatte soeben ein neues Wort gelernt.

„Rede doch keinen Unsinn!“ Ich wollte mich nicht bei meiner Sonntagslektüre stören lassen und hob nicht mal den Blick.

„Aber die Räder sind schon zur Hälfte verschwunden.“ Der Mund war leer und die Aussage deutlich.

Mir blieb nichts übrig, als den Realitäten ins Auge zu sehen. Mit fliegenden Hausschuhen sauste ich hinaus in den Garten.

„Das kann doch nicht wahr sein!“ Hannah und Oliver folgten mir zügig. „Wieso versinkt der einfach?“ Irritiert schüttelte meine Frau den Kopf.

Ich zuckte die Schultern. „Es hat halt lange und viel geregnet.“

„Mein schöner Rasen.“ Die Schwiegermutter komplettierte mit Judith an der Hand unser Beisammensein. „Wie wollt ihr den bloß da herausbekommen?“, jammerte sie und hielt fröstelnd ihre Strickjacke über der Bluse geschlossen.

„Da gibt es sicher einen Trick.“ Hannah verliert selten ihren Optimismus. „Das passiert jedem Camper, der einen verregneten Urlaub verbringt.“

„Justus hat noch nie erzählt, dass seine Eltern den Wohnwagen ausgegraben haben.“ Oliver klang belehrend. „Soll ich ihn mal fragen?“

Zu allem Überfluss schlenderte besagter Justus gerade frohgelaunt des Weges. Ich kann den Buben nicht ausstehen. Jetzt noch weniger als damals. Ein notorischer Besserwisser wie sein Vater. Der hatte mir gerade noch gefehlt.

„Hey, Olli, habt ihr Familienrat? Gehst du mit Fußball spielen?“

Natürlich, ich hätte darauf wetten können, wanderte der Blick des Bengels zum Wohnwagen.

„Hä, hä, was is' denn das? Hi, hi!“ Er klatschte sich auf die Oberschenkel und drohte vor Lachen zu ersticken. „Das ist toll!“

Ich muss sagen, ich wurde wütend. Das passiert selten. Früher habe ich in solchen Momenten wilde Flüche ausgestoßen, was aber meine Mitmenschen sehr verschreckt hat, zumal das niemand von mir erwartet. Ich biss mir also auf die Lippen und ballte die rechte Hand zur Faust, wobei ich auf der Stelle wippte. Hannah kennt die Symptome und packte mich beruhigend am Arm.

„Was ist denn hier so lustig?? Vielleicht kannst du uns aufklären!“ Meine Stimme klang ungehalten.

„Tschuldigung, Herr Scherer.“ Etwas kleinlauter schielte der Junge in meine Richtung. „Es ist nur, weil man doch Bretter unter die Stützen legen muss. Das weiß doch jeder!“

Am liebsten hätte ich es in diesem Moment meinem Wohnwagen gleichgetan und wäre im Erdboden versunken. Dazu waren also die Dinger im Deichselkasten gut. Aber es half nichts. Nun musste der sprichwörtliche Karren erst einmal aus dem Dreck gezogen werden.

„Mein Vater hat den BMW verkauft. Wir fahren jetzt einen Jeep, einen amerikanischen mit 8-Zylindern und Mordszugkraft.“ Justus gewann wieder Oberwasser. „Vielleicht hat er Zeit, Ihnen behilflich zu sein.“

Ich war begeistert von diesem Großmut. Leider fiel mir keine bessere Lösung ein, zumal ich in unserem Neubaugebiet am Stadtrand keinen kenne, der einen Traktor besitzt. Da Justus‘ Vater sich wahrscheinlich weigern würde, die Aktion im Schutz der Dunkelheit und damit unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchzuführen, schlug ich notgedrungen den nächsten Samstagvormittag als Termin vor.

Wie ich befürchtet hatte, fand die Bergung unter reger Anteilnahme der gesamten Umgebung statt. Und wie erwartet, sparte Justus‘ Vater nicht mit gut gemeinten Ratschlägen unter dem Motto: Wir Camper müssen zusammenhalten.

„Also, ich will ihnen ja nicht zu nahetreten, Herr Scherer, aber Ihr Wohnwagen ist nicht mehr das neueste Modell“, erklärte er mir überflüssigerweise. „Der wird aber noch gute Dienste für Ihre Zwecke leisten.“

Anscheinend galten wir in der Nachbarschaft als anspruchslos.

„Aber die Reifen, die sollten sie schleunigst erneuern. Da können Sie von Glück sagen, dass Sie von Düsseldorf heil heruntergekommen sind. Sie...“

Der Motor des Geländewagens heulte gequält auf und ersparte mir den restlichen Kommentar. Trotz der viel gepriesenen Mordszugkraft tat sich das Fahrzeug schwer, den Wohnwagen aus dem Lehm zu befreien. Es ging ein großes Aufatmen durch die Familie, als das Gefährt endlich auf festem Untergrund, nämlich auf dem Asphalt der Straße vor unserem Haus, stand und sich die Versammlung allmählich auflöste. Der Rasen glich einem umgepflügten Acker und musste komplett neu eingesät werden. Das würde ich in der folgenden Woche in Angriff nehmen, um die Jammertiraden der Schwiegermutter schnellstmöglich zu beenden. Da der Tag sowieso verdorben war, entschied sich Hannah, sogleich mit der Intensivreinigung des Innenraums zu beginnen, und ich schleppte eine Leiter herbei um meinen Teil an der Säuberungsaktion im Außenbereich beizutragen.

Außerdem musste ich wohl oder übel Justus’ Vater recht geben: Die Lauffläche der Reifen sah wirklich nicht sehr vertrauenerweckend aus. Ich machte mich also ans Abmontieren, was problemlos klappte. Von drinnen vernahm ich alle paar Minuten die entnervten Stoßseufzer meiner Frau. Zuerst flogen die Polster heraus, die draußen in der freien Natur auch nicht weniger stanken und deren Bezüge schon weitaus bessere Zeiten erlebt hatten. Dann kamen die gelbstichigen Gardinen an die Reihe und schließlich erklang Hannahs verzweifelter Ruf: „Der Teppichboden ist ganz und gar eklig. Den schmeißen wir raus. - Und sieh mal, was ich hier habe: des Onkels ollen Campingklo, die so genannte mobile Toilette! Igitt!!“

Ich richtete mich auf: „Der gehört doch unter das Waschbecken in unserem Sanitärbereich, den wir mit Vorhang und Schranktür abtrennen können.“

„Ja, ganz toll. Du sitzt auf dem Klo, und wir beim Essen. Wie appetitlich, wenn dann die Düfte an uns vorbeiziehen. Nee, also das Ding wird entsorgt!“

Mir war zwar nicht klar, wieso gerade ich als abschreckendes Beispiel herhalten musste, aber die herannahende Luise nahm mir jede Möglichkeit zur Gegenargumentation.

„Scheußlich das alte Zeug. Dass Wilma und Karl euch das angetan haben.“ Sie stand inmitten der Bescherung und schüttelte wieder einmal den Kopf. „Jetzt sind auch noch die Reifen kaputt! Was das kostet! Lohnt sich das denn Franz, wenn wir die Ferienwohnung buchen? Ihr wollt dieses Monstrum doch sowieso verkaufen!“ Ein strenger Blick traf Hannah: „Gibt’s heute nichts zu essen? Es ist schon halb eins und die Kinder brauchen etwas in den Magen.“

„Mach halt eine Büchse Eintopf auf und nimm bitte die Gardinen mit zur Waschmaschine.“ Klang die Stimme meiner Frau etwa unwirsch?? „Oliver isst heute bei Justus, Judith bekommt Zwieback, weil sie Bauchweh hat, und ich habe keinen Hunger.“ Gereizt bebte ihre Stimme.

Jetzt war Solidarität angesagt. „Ich will auch nichts essen.“ Mein Magen hing zwar in den Kniekehlen, aber solch günstige Gelegenheiten gegen die Schwiegermama aufzutrumpfen, ergibt sich selten.

„Na gut, esse ich eben alleine eine Suppe. Geregelte Mahlzeiten sind das A und O für eine gesunde Lebensführung. Aber das ist ja heute alles nicht mehr so wichtig“, ärgerlich stapfte sie davon.

„Ha, das habe ich mir gedacht.“ Hannahs Gestalt erschien im Türrahmen. „Die Gardinen sind liegen geblieben. Natürlich!!“

„Warum bist du denn so böse, mein Liebling?“ Ich beugte mich von der Leiter herunter, auf die ich mittlerweile geklettert war. Das Dach hatte eine Reinigung bitter nötig.

„Ich kann es nicht mehr hören. Ständig dieses Genörgel wegen des Wohnwagens. Sonst habe ich keine Minute Ruhe vor ihr. Jetzt bräuchte ich mal ihre Hilfe, und da lässt sie sich nicht blicken. Kommt her und bestellt ein Mittagessen, und ich ersticke hier in Arbeit. Dieses Jahr wird Camping gemacht, ich schwöre es dir, und wenn ich bis in die Nacht putzen muss!“

Da Hannah unmissverständlich darauf beharrte, den Urlaub im Wohnwagen zu verbringen, gab es keine weiteren Debatten im Haus. Luise wusste, wenn ihre Tochter, was selten genug vorkam, Starrsinn an den Tag legte, konnte auch das beste Argument sie nicht bekehren. Und ehe man sich recht versah, standen die Ferien vor der Tür.

Unser „Geschenk am Haken“ hatte ich auf der Straße vor unserem Eingang geparkt. Frisch geputzt brauchte es weder Außeninspektion noch Innenbesichtigung zu scheuen. Ausgestattet mit neuen Polsterbezügen und Gardinen wirkte der Wohnwagen sogar fast modern. Sein altmodisches Outfit war dem aktuellen Zeitgeist gewichen. Nur das Mobiliar und die Lampen spendeten eine nostalgische Atmosphäre.

Endlich nahte der Moment des Packens und Beladens. „Ist er nicht adrett, unser Wohnwagen?“ Meine Frau rieb sich stolz die Hände. „Ich glaube, wir werden uns wohl fühlen.“ Sie hakte sich bei mir unter. „Einmal ohne Mutter reisen, das ist doch auch schön.“

Die ganze Familie fand es toll, was in einem Wohnwagen untergebracht werden kann. Nur der Kleiderschrank erschien uns zu eng bemessen.

„Hannah, wohin trägt Oliver unser Porzellangeschirr?“ Luise beäugte die Aktion missgelaunt.

„Ach, Mama. Es werden noch genügend Teller und Tassen für dich übrigbleiben. Sollen wir vom Boden essen?“

„Der Besteckkasten ist schon fast leer! Wenn mich jemand besucht, kann ich nicht mal anständig den Tisch decken. Man muss sich ja schämen.“ Murrend kehrte sie ins Haus zurück.

„Du Hannah, brauchen wir wirklich all diese Töpfe?“ Ich schleppte schwer an einem zerfledderten Pappkarton. „Deine Mutter beschwert sich übrigens, dass wir ihr den Haushalt leerräumen.“ Ich überreichte meiner leicht zerzaust im Türrahmen des Wohnwagens erscheinenden Liebsten meine Fracht.

„Oh Mann! Sonst hat sie keine Sorgen. Der Wohnzimmerschrank quillt über von dem so genannten guten Porzellan. Zur Abwechslung kann sie das doch mal benutzen.“ Sie raufte sich die Haare. „Du Franz, ich habe ganz vergessen, dass wir auch noch das Bettzeug mitnehmen müssen. Alle Fächer sind schon voll, und die Badetücher sind ebenfalls noch nicht verstaut.“

„Das deponieren wir alles im Kofferraum. Wir haben doch Platz. Gustav kann bei den Kindern auf der Rückbank sitzen.“

Ich war bester Laune und brannte darauf, dass meine Frau ihre Arbeit im Caravan endlich beenden würde. Schließlich hatte ich auch noch allerhand einzuräumen.

„Papa, wohin sollen denn die zwei Kasten mit Bier und Limo? Nehmen wir das Schlauchboot nicht mit?“ Oliver wollte sich nützlich machen.

„Saft mitnehmen.“ Unsere kleine Tochter mit ihren zweieinhalb Jahren stellte scheinbar ebenfalls schon gewisse Ansprüche an den Urlaub. Sie schleifte ihr Bobbycar hinter sich her. „Auto geht mit.“

„Keine Panik wir kriegen alles unter“, vergnügt summte ich eine Phantasiemelodie.

Ich bekam wirklich alles unter. Das Auto war randvoll, und der Wohnwagen bis in den kleinsten Winkel ausgenutzt. Frankreich ist ein teures Reiseziel und war für uns bisher unerschwinglich. Jetzt als Selbstversorger konnte sich der Traum erfüllen.

„Wo geht's denn hin, meine Liebe?“ Frau Jansen nutzte unsere letzten Vorbereitungen am Abend, um ihre Neugier zu stillen.

„An die Côte d`Azur.“ Hannah lächelte.

„Na, Sie haben Mut!“ Frau Jansen ließ es an der erwarteten Bewunderung mangeln. „Jetzt, in den großen Ferien der Franzosen. Das ist kein Vergnügen. Naja, jedem wie es ihm gefällt. Ein Glück, dass der Wohnwagen mal eine Weile vor Ihrem Haus verschwindet. Ihre Frau Mutter belastet der Zustand sehr, und auch die Nachbarschaft hat sich bereits darüber mokiert. Gute Reise, meine Liebe!“

„Wiedersehen.“ Hannahs frohgelaunte Miene war verschwunden. Geistesabwesend blickte sie der Frau hinterher.

„Mach dir nichts draus.“ Ich schubste sie sanft an. „Ist nur Neid! Das würde fehlen, dass die uns unseren Urlaub vermiest.“

Am nächsten Morgen kurz vor vier Uhr starteten wir mit verschlafenen Mienen, großen Erwartungen und dem Versprechen, die daheimgebliebene Oma recht oft anzurufen.

„Das Abenteuer kann beginnen.“ Ich tätschelte das Lenkrad vollkommen ahnungslos, welches Abenteuer uns tatsächlich bevorstand. Die gut 300 Kilometer Richtung Mühlhausen auf der Baseler Autobahn zogen sich endlos. Nachdem ich mich an mein Gefährt gewöhnt hatte, schien mir, als würde jede Schnecke schneller ihr Urlaubsziel erreichen als wir. Die erlaubten 80 Stundenkilometer stellten sich als ziemlich einschläfernd heraus, zumal meinem Fahrzeug mit seinen 90 PS an mancher Steigung die Ausdauer fehlte. Entsetzt beobachtete ich, dass wir uns dann nur noch mit 60 Stundenkilometern voran bewegten. Ein Glück, dass meine Mitreisenden allesamt fest schliefen, und ich vier Stunden Fahren am Stück, ohne die üblichen Unterbrechungen, in himmlischer Ruhe genießen konnte. Doch irgendwann war es damit vorbei. Die Nadel des Tankanzeigers neigte sich eben in den roten Bereich, als Judith sich reckte.

„Papa, ausdeigen! Aah! Paaapa! Judi stinkt!“

„Was ist? Wo sind wir denn?“ Meine Angetraute erwachte aus ihrem bewundernswerten Tiefschlaf. „Sind wir an der Grenze?“

„Klar, Mami, wenn wir Rückenwind haben, kriechen wir noch heute Vormittag nach Frankreich hinein.“ Oliver war offensichtlich schon länger munter.

Gustav gähnte heftig und lautstark.

„Ich glaube, er muss raus.“ Hannah streckte sich ausgiebig, soweit der Innenraum des Fahrzeuges das zuließ. „Du musst doch sowieso gleich tanken. Da legen wir auf dem Rastplatz, der eben ausgeschildert war, ein gemütliches Frühstück ein.“ Sie rieb sich die Hände. „Ist doch klasse, wenn man die Küche dabeihat.“

Vielleicht hätte ich hier schon einen Kommentar abgeben müssen. Stattdessen konzentrierte ich mich darauf, die Autobahn zu verlassen und mich in die Warteschlange an der Tankstelle einzureihen.

„Ein Wunder, dass wir noch nicht in einen Stau geraten sind, bei dem Betrieb!“ Ich ließ das Fenster herunter und atmete tief durch.

„Wie es aussieht, dauert es ewig, bis wir dran sind. Inzwischen könnten wir schon aussteigen“, schlug Oliver vor.

„Nix da, es wird gewartet, bis wir auf dem Rastplatz sind. Das hätte noch gefehlt, dass einer von euch überfahren wird“, gebot ich energisch. Damit rief ich beinahe eine Revolte im Innenraum des Fahrzeuges hervor, erst recht als noch eine gute Viertelstunde verstrich, bis ich die Zapfstelle erreichte. Ich quälte mich aus dem Sitz.

„Wohin soll denn die Reise führen?“ Ein Gespann-Fahrer an der Nachbarsäule inspizierte kritisch unseren Anhänger. „Prima Fabrikat. Hab' ich vor Jahren auch mal gefahren. Baujahr …“ Er rieb sich das Kinn. „Ende der 70er bis Mitte der 80er, oder? Das war noch richtige Qualitätsarbeit. Liegt einwandfrei in der Spur, aber ohne Stabilisator ...“

Stabilisator?? Ich weiß noch genau, wie fassungslos ich mich damals am Kopf gekratzt habe. Was war das nun wieder?

„Bin mal arg geschlingert, das war mir eine Lehre.“ Der Fremde nickte. „Das muss jeder selbst wissen, wie wichtig ihm die Sicherheit ist.“

Jetzt war ich also aufgeklärt, aber in diesem Moment nützte mir mein soeben erworbenes Wissen wenig. Bloß keine Aufregung, tröstete ich mich damals, Onkel Karl ist auch ohne diesen Stabilisator gereist.

„Wohin fahren Sie denn?“ Ich sah mich genötigt, die Unterhaltung in einen anderen Rahmen zu lenken, bevor Hannah etwas von unserem „Defizit“ hörte und sich unnötig sorgte. Sie machte eben Anstalten die Tür zu öffnen.

„Interlaken, Thuner See. Ist ’ne schöne Ecke. Und wohin geht's bei Ihnen?“

„Côte d`Azur.“

„Oje! Überfüllt und viel zu heiß zu dieser Jahreszeit.“ Der Mann eilte zu seinem Auto zurück. „Ich muss weiter. Gute Fahrt!“

„Wo ist es überfüllt und viel zu heiß?“

„In Spanien.“ Wie gut, dass Hannah sich erst jetzt zu mir gesellte. Meine Anweisung erst nach dem Tanken auszusteigen, schien keinen mehr zu interessieren. Judith, die von Hannah auf dem Arm getragen wurde, zog mich an den Haaren, und Oliver tänzelte unruhig zwischen den Zapfanlagen herum, wobei er sich zwischendurch in Gustavs Leine verhedderte, weil dieser munter bellend kreuz und quer lief.

„Wir gehen schon dort hinten zu der Wiese an den Parkplätzen. Beeil dich, ich habe einen mächtigen Hunger.“ Strammen Schrittes eilte meine Familie samt Hund davon.

Arme Hannah! Sie hatte den Caravan im Zustand der vollen Beladung noch nicht gesehen. Auch alles Trödeln und mein interessiertes Stöbern im Zubehörshop der Tankstelle halfen nicht, irgendwann musste ich doch auf den Parkplatz fahren. Hier wurde ich auch schon mit Ungeduld erwartet.

„Wo bleibst du bloß? Judith braucht ihre Milch und frisch machen muss ich sie auch. - Du kannst gleich das Gas aufdrehen, dann brate ich uns Speck und Eier, aber gib mir zuerst den Wohnwagenschlüssel.“ Freudestrahlend huschte meine Ehehälfte um das Auto.

Ich beschloss mal schnell für "kleine Jungs" zu verschwinden, doch der Aufschrei hinter mir, als die Wohnwagentür knarrend aufschwang, war nicht zu überhören.

„Nein, das kann doch nicht wahr sein. Das ist ein Witz!“

Auch bei meiner Rückkehr hatte meine Frau sich erwartungsgemäß noch nicht gefangen und funkelte mich schon von weitem böse an.

„Hier ist dein Frühstück!“ Wütend hielt sie mir einen Schokoriegel entgegen. „Camping ist unglaublich praktisch. Man hat alles dabei, aber kommt nicht dran. Du hast den Wohnwagen ja bis zum Eingang vollgestopft.“

Ich spürte wie meine gute Laune sich verabschieden wollte. Nur nicht aufregen. Wem gehörte der meiste Plunder, für wen wurde das alles mitgeschleppt? „Vielleicht ist dir aufgefallen, dass wir keinen LKW besitzen. Irgendwo muss ich die Sachen ja einräumen.“

„Und was sollen wir essen, der Kühlschrank ist bombenfest verbarrikadiert?“

„Wozu gibt es auf Rastplätzen Restaurants? Dort wird es wohl etwas geben.“ Jetzt hieß es diplomatisch zu sein. Ich legte beschwichtigend den Arm um Hannah. Wenn sie hungrig ist, wird sie unausstehlich, und das konnte ich unmöglich Hunderte von Kilometern ertragen.

„Also, gut.“ Ihre Miene hellte sich etwas auf. „Im Gasthof frühstücken, das haben wir noch nie gemacht.“

„Los!“ Ich trieb meine Familie an. „Sonst brecht ihr noch vor Schwäche zusammen.“

Natürlich stand der Andrang im Lokal nicht dem Andrang an der Tankstelle nach. Obwohl wir gleich ein freies Plätzchen ergattern konnten, zeigte die digitale Uhr über der Theke viertel nach neun, als wir alle satt waren. Ich wagte nicht, mir auszurechnen, wann wir am Mittelmeer eintreffen würden. Geistesabwesend streifte mein Blick durch das Lokal. Drei Tische linker Hand knabberte mein Gesprächspartner von vorhin genüsslich an seinem Brötchen. Den Glücksfall, dass er uns bisher nicht gesehen hatte, musste man ausnutzen. Ich mahnte zum Aufbruch, obwohl ich ahnte, dass dies mit Hund Gustav und einem zweijährigen Kind im Schlepptau wahrscheinlich nicht unauffällig geschehen würde. Ich hatte dies kaum zu Ende gedacht, da passierte es schon. Gustav knurrte irgendeinen alten Mann zornig an und zerrte aufgeregt an der Leine, und das Töchterchen kippte den letzten Rest des Becherinhaltes beim Aufstehen vom Tisch.

„Ach, Sie sind's! Stell dir vor Mechthild, die Herrschaften reisen an die Côte d’Azur.“ Nun war es soweit.

„Oje.“ Mechthild seufzte von Herzen.

Hannah fuhr erschrocken herum.

„Da werden sie schon auf den nächsten Kilometern einen Vorgeschmack bekommen. Die Franzosen sind bekannt für ihre gemütlichen Staus. Sie lernen im Nu Leute kennen, können in Ruhe spazieren gehen, Blumen pflücken, picknicken, ach was sag ich, Romane können sie auslesen.“ Der Mann lachte schallend. „Ganz Frankreich ist momentan auf den Beinen. Und nicht zu vergessen der Streik der Lastwagenfahrer, der die Situation noch verschlimmert.“

„Wie schön, dass uns das nicht betrifft.“ Ich hob die Hand zum Abschiedsgruß. „Wir fahren durch die Schweiz.“

„Ach.“ Hannah öffnete den Mund und klappte ihn wortlos wieder zu. Sie griff ihre Kinder an der Hand und strebte dem Ausgang zu. Bis zurück zum Auto schaffte sie es wortlos neben mir herzugehen, doch kaum hatten wir im Fond Platz genommen, sprudelte es aus ihr heraus: „Seit wann fahren wir durch die Schweiz? Ist das nicht ein Umweg?“

Ich grinste.

„Du hast das bloß gesagt, um diesen Fatzke zu ärgern, gelt?“ Sie puffte mich in die Seite. „Sein dummes Gesicht war sehenswert. Aber, vielleicht hat er recht. Über den Streik haben sie im Radio berichtet. Und dann der Urlaubsverkehr! Meinst du die Autobahn ist während der Ferien wirklich so voll?“

„Quatsch, Wichtigtuerei war das, sonst nichts! Wir bleiben auf der Route, die wir uns vorgenommen haben.“ Ich fuhr zur Auffahrt und fädelte mich in den fließenden Strom der Fahrzeuge ein, und Hannah fiel in grübelndes Schweigen. Ein sicheres Zeichen, dass sie mit der getroffenen Entscheidung nicht einverstanden war.

„Nee, das finde ich nicht gut!“ Die Ausfahrt Mülhausen kam in Sicht. Sie kramte eilig die Straßenkarte hervor. „Wir fahren über Basel und den Genfer See. Da wollte ich schon immer mal hin. Lieber einen Umweg einschlagen, als endlos in der Schlange stehen. Franz schalt den Blinker aus!!“

„Auja, wir fahren in die Schweiz!“ Oliver unterstützte begeistert die Mama.

„Mmh“, brummte ich, schaute kurz nach links und gab kräftig Gas. „Eines kann ich euch jetzt schon versprechen. Das Meer können wir uns heute nur in der Phantasie vorstellen.“

Meinen Anhang störte das nicht: „Das ist nicht schlimm, wenn wir stattdessen einen Übernachtungsstopp in der Schweiz einlegen. Das ist eine tolle Idee.“

Ich trat das Pedal durch. Das hatte mir gefehlt, dass ich eine halbe Weltreise unternehmen musste, um unser Urlaubsziel zu erreichen. Wenigstens war die Strecke eben, und der Wohnwagen rollte flott seinem Zugfahrzeug hinterher. Ich hing meinen Gedanken nach. Nun gut, unternahmen wir halt einen Abstecher durch die Schweiz. Ein Land, das bisher ebenfalls für uns als unerschwinglich gegolten hatte. Hohe Berge, Schokolade, Heidi und Wilhelm Tell - ansonsten fiel mir zu diesem Thema im Moment nichts ein. So träumte ich mit offenen Augen und bemerkte nicht, wie ungewohnt rasant Bäume und Sträucher am Straßenrand vorüber flogen, bis Oliver begeistert lobte: „Mensch Papa, 100 Sachen."

Erschrocken betätigte ich die Bremse, was mein Gespann mir bei dem Tempo übelnahm. Heftig schlingerte es. Welch ein Glück, dass die Überholspur neben mir im Augenblick nicht befahren wurde. Ich erschauerte und mich traf die Erkenntnis, wozu ein Stabilisator taugt. Hörbar atmete ich auf, als ich endlich wieder die Kontrolle über unser Gefährt gewonnen hatte. Meine Hände waren schweißnass. Ich näherte mich der wartenden Kolonne an der Grenze. Meine Knie zitterten, und ich wurde das mulmige Gefühl nicht los, eine Geschwindigkeitsbegrenzung übersehen zu haben. Mein Kribbeln im Bauch, als ein höflicher Polizist energisch mit der Kelle winkte, bestätigte meine Ahnung eindeutig. Noch vor den ersten Markierungen zur Zollabfertigung mussten wir an einem seitlichen Befestigungsstreifen anhalten.

„Auweh, wir waren wohl etwas schnell?“ Hannah schaute mich zerknirscht an.

„Da wird Justus staunen, wenn ich ihm den Strafzettel zeige. Der glaubt das sonst nie, dass wir 100 draufhatten.“ Oliver wippte auf dem Sitz.

Ich fuhr die Scheibe herunter. „Guten Tag.“ Das konnte heiter werden. Ich schaltete den Motor ab und zog die Handbremse.

„Tag die Herrschaften. Darf ich mal ihre Papiere sehen! Sie hatten es recht eilig, nicht wahr??“ Der Polizist war ganz Autoritätsperson.

„Wieso?“ Hannah stellte sich dumm. Eine schauspielerische Fähigkeit, die so schnell keiner imitieren kann. „Gab es denn eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf dieser wunderbar ausgebauten Strecke?“ Sie blickte an mir vorbei und lächelte den Beamten naiv an.

„Allerdings, gnädige Frau. Hier haben wir eine Begrenzung auf 60 Stundenkilometer. Der Rückstau vor der Grenze ist nicht zu unterschätzen und reicht an manchen Tagen bis weit hinter diese Markierung.“

Ich händigte dem Mann die Papiere aus. Das würde teuer werden, womöglich würde der Führerschein gleich einbehalten.

Streng betrachtete er die beiden Fahrzeugscheine, meinen Personalausweis und Führerschein. An dem Passfoto konnte er sich scheinbar gar nicht satt sehen. Wahrscheinlich hatte er Mühe, eine Ähnlichkeit mit dem aschfahlen Gespenst hinter dem Steuerrad zu entdecken. Mir rutschte mein Herz mehr und mehr in die Magengegend. Sollte das schon das Ende unseres Urlaubs sein?

„Sie haben Glück.“ Durch das geöffnete Fenster reichte er mir die Unterlagen zurück. „Unsere Radarmessung ist heute noch nicht in Betrieb. Ihre wievielte Caravan-Reise ist das denn?“

„Die erste!“

„Und hoffentlich nicht Ihre letzte! Sie sollten sich in Zukunft an die Geschwindigkeitsregelung halten, und ein Stabilisator ist auf alle Fälle empfehlenswert. Ich hoffe, Sie haben wenigstens die Zuladung eingehalten. Sie könnten sich eine Menge Ärger einhandeln. Einen schönen Urlaub!“ Damit waren wir verabschiedet.

„Uff das war knapp!“ Ich fühlte mich noch immer ganz elend und hätte mich fast falsch eingereiht, wenn mein liebes Weib nicht gewesen wäre.

„Du musst dich rechts einordnen, weil wir keine Vignette haben“, deutete Hannah. „Wieso zittern deine Hände? Ist doch alles gut gegangen. Wovon hat der eigentlich gesprochen Zuladung und Stabilisator?“

Ich murmelte etwas Unverständliches in meinen Bart und fügte laut hinzu: „Muss mich auf den Verkehr konzentrieren.“

Zuladung? Wie sollte ich einen Begriff erklären, der mir selbst nichts sagte. Mir schwante, dass man in einen Wohnwagen womöglich nicht so viel hinein laden darf, wie hineinpasst. Doch für Überlegungen dieser Art war jetzt der falsche Zeitpunkt. Ich musste mich anstellen, und der nette Zollbeamte verkaufte uns gleich zwei Vignetten, jeweils eine für Wohnwagen und Zugfahrzeug und kassierte freundlich ab. Wir konnten selbstverständlich in Euro bezahlen, was uns freute, da wir natürlich keinen „Pfennig“ Schweizer Währung besaßen.

„Ein nettes Willkommensgeschenk!“ Dabei trommelte ich aufs Lenkrad. Adieu Urlaubslaune. Endlich befuhren wir wieder die Autobahn. Elf Uhr war längst vorbei, und seit der Frühstückspause lagen kaum 100 Kilometer hinter uns.

„Ein Blödsinn auf dich zu hören. Wären wir nach Frankreich abgebogen, hätte uns kein Polizist angehalten. Und dann noch diese Vignette - Wegelagerei ist das - Eintrittsgeld, damit man die Schweiz besuchen darf! Und von wegen kein Stau! Eine dreiviertel Stunde haben wir gewartet.“ Meine angespannten Nerven entluden sich.

„Meine Güte, dafür wird es jetzt prima laufen“, giftete meine Herzallerliebste. „Und vergiss nicht, in Frankreich musst du auch kräftig Autobahngebühr zahlen.“

„Ja, ja.“ Ich stöhnte.

„Mama, Papa schlechte Laune! Judi Durst, ganz viel Durst. Saft trinken!“

„Auch das noch. Ich bin gespannt, wie viele Kilometer wir bis zum Abend geschafft haben. Ich halte mal kurz, und du holst etwas zu trinken aus dem Wohnwagen.“ Ich fühlte mich gereizt.

„Das kannst du vergessen. Vielleicht erinnerst du dich daran, dass du sämtliche Schränke zugestellt hast. Wahrscheinlich versteht man das unter Zuladung. Ich wüsste nicht, wie ich da an eine Safttüte gelangen könnte“, blökte Hannah. „Also halte bitte an der nächsten Raststätte, aber an einer mit Wechselstube.“

Danach lief es endlich ohne Störungen. Die Kinder waren satt, der Durst gestillt, und wir hatten eine regionale Straßenkarte erstanden, auf der jede Menge Campingplätze eingezeichnet waren. Wir wählten unser Ziel für den Zwischenstopp und sehnten spät am Nachmittag unser dortiges Eintreffen herbei. Ungeduldig rutschten wir auf unseren Sitzen hin und her. Gustav weigerte sich, artig Platz zu machen und pustete seinen heißen Atem über meine Schulter, so dass mein Hemd am Nacken triefte. Das war ein widerliches Gefühl, doch unseren Hund beeindruckte das nicht. Mit Interesse starrte er aus dem Fenster und vereitelte seit Stunden jeden Versuch ihn zurück in den Fußraum zu schubsen, indem er sich mit aller Kraft dagegenstemmte. Ich träumte von einer Dusche. Mühsam kämpfte ich dagegen an, dass mir die Augen zufielen.

„Dort ist der Platz ausgeschildert!“ Oliver deutete aufmerksam nach rechts.

Konzentriert folgten wir der Beschilderung. Schon von Ferne erkannten wir den Namenszug, der die Zufahrt überspannte und oh, Schreck eine lange Schlange auf Einlass wartender Gespanne. Brav stellte ich mich hinten an.

„Warum fährst du nicht einfach weiter, die Schranke öffnet automatisch, siehst du.“ Meine neunmalkluge Frau deutete nach vorne. „Ich frage mich, wozu die hier alle warten.“

„Wahrscheinlich muss man dort vorne in dem Holzhäuschen direkt neben der Schranke seinen Aufenthalt anmelden. Sonst könnten ja Hinz und Kunz kostenlos hier übernachten.“ Ich gab weltmännisch meine nicht vorhandenen Kenntnisse der Platzgepflogenheiten zum Besten, worauf Hannah sich mit Judith im Schlepptau in besagte Richtung trollte.

Gustav jaulte mich unterdessen vorwurfsvoll an, und auch Oliver hielt es im Auto nicht länger aus. Steif schälte ich mich aus meinem Sitz. Endlich am Etappenziel! Vom nahen Genfer See wehte eine angenehme Brise herüber. Ich trat an die Absperrung und warf einen Blick über den Zaun. Ein großer Campingplatz mit einer gepflegten Anlage und randvoll wie es schien. Wohin ich auch schaute, nirgends ein freies Plätzchen zu erspähen. Rapide sank mein gerade erst zurückgekehrter Frohsinn in den Keller, und ich sah die so heiß ersehnte Dusche schwinden. Wahrscheinlich würden wir auf irgendeinem Parkplatz wild campieren. War das in der Schweiz überhaupt erlaubt?

Inzwischen war Hannah aus dem Rezeptionsgebäude herausgetreten und rief laut in meine Richtung: „Du Franz, hier gibt's nur noch die Notplätze für eine Nacht vor der Schranke, hier vorne links.

---ENDE DER LESEPROBE---