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Jonathan freut sich riesig. Es geht auf Klassenfahrt in ein altes Schloss. Und das Beste: Seine grün leuchtende Freundin Cara, das Gespenstermädchen, ist dabei! Mit dem chaotischen Lehrer Herrn Bierbacher und Caras Gespensterstreichen wird das ein ganz großer Spaß. Doch schnell wird klar, auf dem Schloss spukt es! Was Jonathan zu denken gibt: Wer am allermeisten Angst hat, ist Cara! Was muss das für ein schauriges Gespenst sein, vor dem sich selbst ein Gespenstermädchen fürchtet?
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Seitenzahl: 99
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Endlich geht's los!
Im falschen Zug
Ein verhängnisvoller Lesefehler
Auf Abwegen
Der stolpernde Ritter
Spuk-Alarm
Ein unheimliches Gefühl
Im Morast
Monstertomaten
Auf Gespensterjagd
Eusebius
Lauter Katastrophen
Eine List und noch eine
Nächtliche Schnitzeljagd
Attacke
Besuch beim Grafen
Ein Wiedersehen
Der Rauswurf
Das Testament
Ein schönes Fest
»Hast du auch deine dicken Socken nicht vergessen?«, rief Jonathans Mutter aus der Küche.
»Nein, Mama«, antwortete Jonathan genervt.
Er war tipptopp vorbereitet. Sein Rucksack stand abreisefertig neben seinem Schreibtisch. Den Inhalt hatte er in der letzten Stunde mindestens fünfmal überprüft.
»Und den Hustensaft?«
»Habe ich eingepackt«, versicherte Jonathan.
»Nachtfröste im September sind durchaus nicht ungewöhnlich«, meldete sich Jonathans Vater aus seinem Arbeitszimmer. »Die Wahrscheinlichkeit, dass die Nachttemperatur unter null Grad fällt, liegt in diesem Teil Brandenburgs bei 32,7 Prozent.« Mit solchen Dingen kannte sich Jonathans Vater aus. Er war Mathematiker bei einer großen Versicherungsfirma.
Jonathan hatte das Gefühl, dass seine Eltern wegen der Klassenfahrt fast so aufgeregt waren wie er. Eine ganze Woche lang würde Jonathan mit seiner Klasse und den beiden Lehrern Frau Mettmann und Herr Bierbacher auf Schloss Habichtstein bei Wusterhausen verbringen.
Seine erste richtige Klassenfahrt!
In diesem Augenblick klingelte es an der Wohnungstür.
Jonathans Hund Tobi bellte aufgeregt.
»Ich mache auf!«, rief Jonathan und stürmte los.
Das war bestimmt Cara! Sie wollten zusammen mit seinem Vater zum Bahnhof fahren.
Gerade als Jonathan die Wohnungstür öffnen wollte, musste er plötzlich laut auflachen.
Eine kleine Hand zwickte seinen Bauch. Sie kam direkt aus der Tür.
»Ey! Hör auf damit!«, rief Jonathan glucksend.
Ein grinsender Mädchenkopf schob sich durch die Tür.
»Hast du die Kicher-Krankheit?«, begrüßte
Cara ihren Freund und kitzelte ihn noch einmal richtig durch. »Ich glaube, du bist viel zu krank für eine Reise.«
Tobi sprang freudig bellend um das Mädchen herum.
»Komm endlich aus der Tür raus«, brachte Jonathan schließlich prustend hervor.
Er hatte Angst, dass seine Eltern auf einmal im Flur standen. Die hatten überhaupt keine Ahnung, wer Cara wirklich war. Nämlich ein 275 Jahre altes, grünes Gespenstermädchen. Das wusste nur Jonathan.
»Hallo, Cara«, rief Jonathans Mutter auch schon und streckte ihren Kopf aus der Küche.
Schnell zog Cara unbemerkt ihren linken Fuß aus der Tür. »Guten Tag«, antwortete sie dann wie ein ganz normales, freundliches Mädchen.
Und so sah sie auch aus. Denn ihre grüne Haut, die in der Dunkelheit leuchtete, verbarg sie unter einer dicken Schicht Schminke. Statt ihres Gespensterkleids trug sie Jeans und einen Pulli.
»Bist du auch so aufgeregt wegen eurer Klassenfahrt?«, wollte Jonathans Mutter wissen.
»Und wie! Mein linker großer Zeh hat die ganze Nacht über gezuckt«, erzählte Cara.
Jonathan war sich sicher, dass das nicht stimmte. Denn Cara erlebte als Gespenst jeden Tag noch viel aufregendere Sachen als eine Klassenfahrt. Zum Beispiel wenn sie durch Wände ging, die verrücktesten Gespensterzaubereien machte und allen möglichen Spukunfug anstellte.
»Geht es deinem Onkel wieder besser?«, fragte Jonathans Mutter.
Caras Gespensteronkel Somnus war der Hausverwalter. Offiziell wohnte er zusammen mit Cara in einer Nachbarwohnung. Tatsächlich war er aber die meiste Zeit in seiner Gespensterwohnung in einem Kanal unter dem Berliner Alexanderplatz.
»Ja. Seine Kopfschmerzen sind schon fast wieder weg«, versicherte Cara.
Das entsprach ebenfalls nicht ganz der Wahrheit. Caras Onkel war nicht krank, sondern schlief in seinem Kanalversteck. Und so ein Nickerchen konnte bei ihm gut ein bis zwei Jahre dauern.
»Wir müssen langsam aufbrechen«, meldete sich Jonathans Vater. Er sollte die beiden zum Bahnhof fahren, wo sie sich mit dem Rest der Klasse trafen.
»Ich hole meinen Rucksack«, rief Jonathan und stürmte erneut los.
»Ihr habt doch noch über eine Stunde Zeit«, beruhigte ihn seine Mutter.
»Aber die Wahrscheinlichkeit, dass wir eine Panne haben, beträgt bei dem Alter unseres Autos immerhin 1 zu 3227«, schaltete sich Jonathans Vater ein. »Und wenn wir jetzt aufbrechen, können wir zur Not immer noch mit dem Bus fahren.«
»Tja, dann wird es wohl wirklich höchste Zeit«, meinte Jonathans Mutter lächelnd. Sie wusste, dass es keinen Zweck hatte, mit ihrem Mann über irgendwelche Zahlen zu diskutieren.
Eine halbe Stunde später standen Jonathan und Cara auf dem Bahnsteig Nummer elf des Berliner Hauptbahnhofs. Von ihrer Klasse war noch keiner da. Und Jonathans Vater war auf Parkplatzsuche.
Der Bahnsteig war ziemlich leer. Nur ein Zug nach Warschau stand dort und wartete darauf, abfahren zu können. Alle Fahrgäste waren schon eingestiegen, und vor den Waggons standen nur ein paar Leute, die sich von jemandem verabschieden wollten.
Eine alte Dame in einem Pelzmantel ging mit eiligen Schritten an Cara und Jonathan vorbei. Hinter ihr trippelte ein kleiner Mops. Die Frau zog ihn so schnell hinter sich her, dass er heftig schnaufte.
»Der Ärmste. Er ist schon ganz außer Atem«, sagte Jonathan mitleidig.
Cara nickte und deutete mit ihrem Finger auf den Mops. Im nächsten Moment begann er, durch die Luft zu schweben. Wie ein Luftballon, den die alte Dame an der Hundeleine hinter sich herzog.
So konnte der kleine Hund ganz gemütlich den restlichen Weg über den Bahnsteig zurücklegen.
Als die alte Dame eine Treppe erreichte, die in die Bahnhofshalle hinabführte, bewegte Cara ihren Finger nach unten. Der Mops landete mit einem kleinen Hüpfer auf dem Boden und lief dann ganz normal weiter.
Im selben Augenblick spurtete ein Mann mit Glatze und dicker Brille über die Treppe auf den Bahnsteig.
Das war Jonathans und Caras Sachkundelehrer Herr Bierbacher. In der Hand trug er einen alten Lederkoffer.
»Hallo, Herr Bierbacher! Hier sind wir!«, brüllte Cara und hüpfte winkend auf und ab.
Aber Herr Bierbacher bemerkte sie nicht. Der Lehrer war knallrot im Gesicht und rannte, als ob es um sein Leben ging. Er blickte kurz auf seine Uhr. Dann steuerte er, ohne nach rechts und links zu schauen, auf den Zug zu, der abfahrbereit am Bahnsteig stand. Doch das war nicht der, mit dem sie in einer halben Stunde nach Wusterhausen fahren wollten, sondern immer noch der Schnellzug nach Warschau.
Herr Bierbacher sprang in den Zug. Schon in der nächsten Sekunde schloss sich die Tür hinter ihm. Durch das Türfenster konnte man ein triumphierendes Lächeln auf Herrn Bierbachers Gesicht erkennen. So als ob gerade einmal ausnahmsweise eines seiner Sachkunde-Experimente gelungen wäre.
Ein Pfiff ertönte. Der Zug setzte sich langsam in Bewegung. Direkt in Richtung Warschau. Und das lag ganz woanders als Wusterhausen.
»Herr Bierbacher!«, brüllte Jonathan auf dem Bahnsteig und wedelte dabei so wild mit den Armen, als ob er einen riesigen Mückenschwarm verscheuchen wollte.
Doch Herr Bierbacher schien davon offensichtlich nichts mitzubekommen. Er marschierte seelenruhig mit seinem Uraltkoffer durch den abfahrenden Zug.
»Was machen wir jetzt nur?«, fragte Jonathan Cara verzweifelt. »Ohne Herrn Bierbacher fällt bestimmt die ganze Klassenfahrt ins Wasser.«
»Quatschquark«, meinte Cara. »Dieser Blindbacher ist gleich wieder hier.«
»Ich habe einen super Parkplatz gefunden«, schallte ausgerechnet jetzt die Stimme von Jonathans Vater über den Bahnsteig.
Cara hockte sich blitzschnell auf den Boden, so als ob sie einen Schnürsenkel an ihren Schuhen binden wollte.
»Stell dich vor mich!«, raunte sie Jonathan zu, während sein Papa höchstens noch fünf Meter entfernt war.
Jonathan machte einen schnellen Schritt vor Cara, sodass man sie nicht mehr sehen konnte.
»Das war sicher ganz schön unwahrscheinlich, dass du so schnell einen Parkplatz findest«, sagte Jonathan zur Begrüßung.
Der Trick funktionierte. Jonathans Vater blieb stehen, und seine Augen verdrehten sich. Ein Zeichen dafür, dass er angestrengt rechnete.
»Du hast recht«, erklärte er schließlich. »Also, wenn man alle Faktoren berücksichtigt, wie Tageszeit, Parkplatznähe zum Bahnhof und Dauer der Suche, dann betrug die Chance höchstens eins zu siebeneinhalb.«
»Toll«, meinte Jonathan.
Sein Papa zwinkerte und begann sich dann, irritiert umzuschauen. »Wo ist denn Cara?«, wollte er wissen.
»Sie war doch eben noch hier.«
Tatsächlich war weit und breit nicht die geringste Spur von Cara zu sehen.
»Ich glaube, ihr ist ein Geldstück heruntergefallen. Und sie sucht es«, versuchte Jonathan, die Sache zu erklären.
Sein Vater nickte kurz und blickte sich immer hektischer nach allen Seiten um. »Sie kann doch nicht einfach vom Boden verschluckt worden sein. Hoffentlich ist sie nicht auf die Schienen gefallen.«
In diesem Augenblick tauchte Cara wie aus dem Nichts hinter einer großen Werbetafel auf.
»Wollte einfach abhauen, dieser Blechblödmann«, erklärte sie und hielt ein Geldstück in die Höhe. »Aber ohne mich.«
Eine Sekunde später war ein lautes Krachen zu hören.
Etwa einen Meter hinter Cara knallte Herrn Bierbachers Koffer auf den Boden. Daneben stand Herr Bierbacher, beide Arme in die Luft gestreckt. Er hatte sein Gepäck im Zug wohl gerade hochheben wollen, als Cara ihn auf den Bahnsteig zurückholte.
Der Lehrer bewegte sich keinen Millimeter. Seine Augen starrten verwirrt ins Leere.
»Guten Tag, Herr Bierbacher«, begrüßte Jonathans Vater den Sachkundelehrer freundlich.
Keine Reaktion. Es war, als ob Herr Bierbacher Jonathans Vater gar nicht bemerken würde. Dabei hatten sie sich vor einigen Tagen auf dem Elternsprechtag angeregt über Wahrscheinlichkeitsrechnung unterhalten.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Jonathans Vater besorgt.
Der Lehrer schien aus einem Traum aufzuwachen.
»Kreizkruzifix«, stammelte Herr Bierbacher, der aus Bayern stammte, und schüttelte sich leicht. »Es war mir eben so, als ob ich mich ganz woanders befunden hätte.«
»Ach, geht mir auch manchmal so«, erwiderte Jonathans Vater. »Erst kürzlich hatte ich ganz vergessen, dass ich vor einer roten Ampel stand. Ich war auf ein wirklich interessantes mathematisches Problem gestoßen – bis jemand hupte.« Jonathan zwinkerte Cara zu. Er wusste ganz genau, was passiert war: Cara war blitzschnell durch den Boden und die Zugwand zu Herrn Bierbacher gehuscht, hatte sich ihn gepackt und ihn zurück auf den Bahnsteig gezogen. Keine große Sache für ein Gespenstermädchen.
Jetzt bemerkte Herr Bierbacher wohl, dass er seine Arme noch immer in die Höhe gestreckt hielt. Er ließ sie nach unten fallen und ein paarmal kreisen.
»Eine gymnastische Übung. Gut für die Blutzirkulation«, stammelte er.
Als Jonathan eine halbe Stunde später aus dem Zugfenster schaute, war der riesige Berliner Fernsehturm in der Ferne nur noch so groß wie ein Streichholz.
Um ihn herum redeten die Kinder aus seiner Klasse aufgeregt durcheinander. Alle waren gespannt auf das alte Schloss, in dem sie wohnen sollten.
»Gibt es da auch Gespenster?«, wollte ein Mädchen von Herrn Bierbacher wissen.
»Nein, ganz sicher nicht«, antwortete der Lehrer schmunzelnd. »Gespenster existieren nur in Geschichten und Filmen.«
»Mein Bruder hat in einem Schloss aber schon einmal ein Gespenst gehört«, schaltete sich ein Junge ein.
Herr Bierbacher lachte. »Das war sicher nur ein knarrender Balken. Oder der Wind. In solchen alten Gebäuden gibt es viele seltsame Geräusche. Aber die haben alle ganz natürliche Ursachen.«
Cara spitzte unauffällig ihre Lippen und blies etwas Luft in Richtung eines Zuglautsprechers.
Sofort war ein gespenstisches Buuuhhhh zu hören.
Gefolgt von unheimlichem Lachen und Kettenrasseln.
»Ich glaube, dass es sogar Zuggespenster gibt«, meinte Jonathan.
»Das war nur ein Scherz von jemandem, der unser Gespräch mitgehört hat«, erklärte ihr Lehrer.
Und damit hatte Herr Bierbacher ja auch wirklich recht.
Eine Stunde später fuhr der Zug in den kleinen Ort Wusterhausen ein.
»Kommt jetzt bitte alle zu den Zugtüren«, rief Frau Mettmann. »Wir müssen aussteigen.«
Jonathan und Cara griffen nach ihrem Gepäck.
Vor den Fenstern war schon der Bahnhof von Wusterhausen zu sehen. Ein ziemlich altes Gebäude aus roten, mit der Zeit grau gewordenen Ziegeln und einem weißen Schild, auf dem mit schwarzen, altmodischen Buchstaben Wusterhausen stand.
Der Zug wurde langsamer. Aber er blieb nicht stehen.
An der Zugtür beugten sich Herr Bierbacher und Frau Mettmann über einen Fahrplan.
»Aber da steht es doch: Der Zug hält in Wusterhausen«, erklärte der Lehrer hektisch.
Frau Mettmann deutete mit dem Finger auf den Plan.
»Sehen Sie das kleine Kreuz dort? Das bedeutet, dieser Zug hält hier nur an Sonn- und Feiertagen.«
»Herrgott Sakrament«, stöhnte Herr Bierbacher und schob sein Gesicht ganz nah an den Fahrplan heran.
»Was machen wir jetzt nur? Bis zur nächsten Haltestelle sind es mindestens zwanzig Kilometer.«