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Ein ganz besonderer Tag: Nicht nur, dass Jonathans Lehrer heiraten, nein, sie veranstalten sogar eine Halloween-Hochzeit. Alle Schüler dürfen in schaurigen Kostümen kommen! Nur Jonathans beste Freundin, das grün leuchtende Gespenstermädchen Cara, muss sich ausnahmsweise einmal nicht verkleiden. Dann stürzen jedoch fiese Gespensterstreiche die Feier ins Chaos. Zusammen mit dem Vampirmädchen Varella sind Jonathan und Cara dem Übeltäter schon dicht auf den Fersen, als plötzlich die Braut von ihrer eigenen Hochzeit verschwindet.
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Seitenzahl: 98
Veröffentlichungsjahr: 2020
Halloween
Ringe und Ritter
Nicht wecken!
Auf groβem Fuβ
Tintenfischbrause
Ein Dieb mit spitzen Zähnen
Erwischt
Der Hähnchenangriff
Die doppelte Frau Mettmann
Brumpfdampf
In der Kugel
Der Eisdrache
Jetzt wird's noch schlimmer
Die Braufalle
Auf Brumpfdampfs Spur
Die Kristallgrotte
Noch ein Kampf
Ein mieser Pilztrick
Fast noch eine Trauung
In der eigenen Falle
Ein Vampirtanz
Begeistert schaute Jonathan in den Schminkspiegel vor sich auf seinem Schreibtisch. Seine Gesichtsfarbe war leichenblass, seine Augen rot unterlaufen und an seinen Mundwinkeln klebten kleine Blutstropfen. Er sah aus wie ein richtig gruseliger Vampir. Genau so, wie es an Halloween sein musste.
Plötzlich zuckte Jonathan zusammen. Etwas hatte ihn ziemlich fest in seinen linken Arm gezwickt. Es war das Vampirgebiss aus Plastik, das eben noch einen halben Meter entfernt auf der Schreibtischplatte gelegen hatte. »Cara! Hör sofort auf mit dem Quatsch!«, rief Jonathan, obwohl sich außer ihm niemand in seinem Zimmer befand.
Doch schon im nächsten Augenblick kamen direkt neben ihm ein grüner Arm und dann ein grüner Kopf aus der Wand. Schließlich sprang ein ganzes grünfarbenes Mädchen aus der Zimmerwand auf seinen Schreibtisch.
»Wie findest du mein Kostüm?«, wollte Cara wissen. »Ich bin heute ein Gespenstermädchen.«
»Sieht irgendwie ziemlich echt aus«, meinte Jonathan grinsend.
Und das stimmte. Cara war wirklich ein 275 Jahre altes Gespensterkind (in zwei Monaten würde sie 276) und lebte mit ihrem Gespensteronkel Somnus in einer Nachbarwohnung. Heute an Halloween konnte sie ausnahmsweise als das herumlaufen, was sie wirklich war. Nämlich ein Gespenst mit grüner Haut und roten Haaren. Sonst musste sie das fast immer verbergen. Zum Beispiel, wenn sie mit Jonathan in die Schule ging. Denn alle anderen hielten sie für ein ganz normales 9-jähriges Mädchen. Nur Jonathan wusste, was sie wirklich war. So hatte Cara nun auch ihr Lieblingskleid anziehen können. Ein weißes, von Motten zerfressenes Prinzessinnenkleid.
In diesem Moment öffnete sich die Zimmertür. »Hallo, Cara«, war die Stimme von Jonathans Mutter zu hören. »Hallo, Frau Bauer«, grüßte Cara freundlich zurück.
»Wie bist du denn hier reingekommen? Ich habe dich gar nicht klingeln gehört«, sagte sie erstaunt.
»Ich hab Cara die Wohnungstür aufgemacht«, flunkerte Jonathan schnell.
Auch Jonathans Vater streckte jetzt seinen Kopf ins Zimmer. »Ihr seht ja beide echt unheimlich aus«, meinte er. »Übrigens ist die prozentuale Verteilung der Kostüme an Halloween sehr interessant. Wenn man an diesem Tag nach 15 Uhr zehn Minuten lang über eine Berliner Straße geht, liegt die Wahrscheinlichkeit, einen Vampir zu treffen bei mindestens siebzig Prozent. Für Gespenstermädchen gibt es hingegen höchstens eine Trefferwahrscheinlichkeit von zwei Prozent.« Jonathans Vater arbeitete als Mathematiker bei einer Versicherung und rechnete für sein Leben gern ständig alles Mögliche aus.
»Haben eure Lehrer wirklich nichts dagegen, dass ihr verkleidet zu ihrer Hochzeit kommt?«, erkundigte sich Jonathans Mama.
Zu dieser Feier wollten sie gleich aufbrechen. Deshalb trug Jonathans Mutter auch schon ihr bestes Kleid. Das weinrote, das Papa ihr vor einem Jahr von einer Dienstreise aus Italien mitgebracht hatte.
»Nein«, erklärte Jonathan. »Wir haben Herrn Bierbacher und Frau Mettmann extra gefragt. Sie haben uns erlaubt, in Halloweenkostümen zu kommen.«
»Außerdem ist das Ganze ja auch Herrn Bierbachers Schuld«, fügte Cara hinzu. »Er hat die Hochzeit schließlich versehentlich auf Halloween gelegt.«
Frau Mettmann war Caras und Jonathans Klassenlehrerin und Herr Bierbacher ihr Lehrer für Sachkunde und Mathematik. Richtig nähergekommen waren sich die beiden auf einer Klassenfahrt von Jonathans und Caras Klasse in ein Spukschloss. Deswegen hatten sie jetzt alle Schüler, die dabei gewesen waren, und deren Eltern zu ihrer Hochzeitsfeier eingeladen.
»Hoffentlich wird das nicht zu chaotisch. Eine Heirat und ein Halloweenfest«, sagte Jonathans Mutter.
»Bestimmt nicht«, beruhigte sie Jonathan, hoffte aber im Stillen, dass es auf dem Hochzeitsfest wenigstens ein bisschen Halloweenchaos gab. Das gehörte einfach dazu.
»Ich hätte da übrigens noch ein kleines mathematisches Problem«, meldete sich Jonathans Papa und trat ganz ins Zimmer. Jetzt sah man, dass er nackte Beine hatte und seine Anzughose in der Hand hielt.
»Was ist das für eine Schwierigkeit?«, wollte seine Frau wissen.
»Also ich verstehe das nicht. Ich habe seit dem Kauf meines Anzugs 3,75 Kilo zugenommen. Unter Berücksichtigung der Dehnbarkeit des Hosenstoffs müsste ich mit einer fast hundertprozentigen Wahrscheinlichkeit hineinpassen. Ich kriege aber trotzdem den Knopf nicht zu.«
»Dann werde ich den Hosenknopf wohl versetzen müssen«, erklärte Jonathans Mutter und wandte sich zum Gehen.
»Das ist lieb von dir«, sagte Jonathans Vater und verließ mit seiner Frau das Zimmer.
»Mein Onkel Somnus wird wohl erst später zu dem Fest kommen«, erklärte Cara Jonathan, sobald sie alleine waren.
»Warum?«, wollte Jonathan wissen. »Ich dachte immer, dein Onkel mag Feiern.«
»Das schon«, erwiderte Cara. »Aber Onkel Somnus hatte einen Unfall, mit einem Zeitdrops.«
»Er kann wegen einem Bonbon nicht kommen?«, erkundigte sich Jonathan überrascht. »Hat er sich daran verschluckt?«
»Nein, er hat es verwechselt«, erklärte Cara. »Eigentlich wollte Onkel Somnus gestern Abend eine Hustenpastille lutschen, weil er ein Kratzen im Hals hatte. Aber dabei hat er versehentlich einen von den Gespensterdrops erwischt, mit denen man Zeitreisen macht.«
»Das heißt, Onkel Somnus lebt jetzt in einer anderen Zeit?«, fragte Jonathan ungläubig.
Cara nickte. »Zum Glück nicht besonders lange. Diese Drops wirken nur ziemlich kurz. Vielleicht schafft Onkel Somnus es sogar noch, vor der Trauung zurückzukommen.«
»In welches Zeitalter ist er denn gewechselt?«, wollte Jonathan, der das alles sehr aufregend fand, wissen.
»Keine Ahnung. Bei diesen Lutschdrops weiß man nie, wo man landet«, erzählte Cara.
Gleich darauf schaute Jonathans Vater wieder ins Zimmer. Dieses Mal mit Anzughose. »Wir können los«, sagte er lächelnd. »Ich hatte mich doch nicht verrechnet. Ich musste nur den Bauch etwas mehr einziehen. Jetzt passt die Hose wieder.«
Gut eine halbe Stunde später betraten Jonathan, seine Eltern und Cara den großen Säulensaal im Berliner Roten Rathaus.
»Die Wahrscheinlichkeit, dass wir in einen Stau geraten, liegt bei fast sechzig Prozent«, hatte Jonathans Vater gesagt, als sie zu Hause aufbrachen. Deswegen waren sie wieder mal viel zu früh losgefahren und jetzt fast die Ersten, die in das Trauzimmer kamen.
Aber nach und nach füllte sich der Saal mit Verwandten und Freunden der beiden Lehrer und außerdem mit jeder Menge Hexen, Kürbissen, den unterschiedlichsten Frankensteinmonstern, einer Prinzessin und einem Skelett. Das waren Jonathans und Caras Mitschüler, die zusammen mit ihren festlich gekleideten Eltern hereinkamen. Felix, der Jonathan früher oft geärgert hatte, bevor Cara ihm das mit ein paar Gespensterstreichen abgewöhnte, war das Totengerippe. Die Prinzessinnenkrone trug Elvira, die eigentlich jeden Tag prinzessinnenmäßig gekleidet war. Spinnweben und andere gruselige Dinge fand sie total eklig.
Schließlich fehlten nur noch Frau Mettmann und Herr Bierbacher.
»Vielleicht heiraten eure beiden Lehrer ja gar nicht«, meinte Jonathans Vater. »Immerhin liegt die Möglichkeit, dass einer der Brautleute nicht zu einer Trauung erscheint, bei fast drei Prozent.«
»Wahrscheinlich hat Herr Bierbacher sich nur irgendwo verlaufen, und Frau Mettmann muss ihn noch suchen«, meinte Cara. »Verirren kann sich nämlich keiner besser als unser Lehrer.«
Doch in diesem Augenblick betraten Frau Mettmann und Herr Bierbacher den Hochzeitssaal. Jonathan war baff. Vor allem seine Lehrerin sah ganz anders aus als sonst. Ihre Frisur hatte mindestens den doppelten Umfang wie sonst, und ihre Lippen waren knallrot geschminkt. In ihren Haaren steckten Blumen und ihr bis zum Boden reichendes Brautkleid war so weiß, dass es einen fast blendete.
Herr Bierbacher trug einen Frack und einen Zylinder. Außerdem hatte er sich in den letzten Wochen einen Vollbart wachsen lassen. Ob das was mit der Trauung zu tun hatte?
»Hallo, Herr Bierbacher, hallo, Frau Mettmann«, riefen die Kinder aufgeregt, und ihre beiden Lehrer winkten freundlich zurück.
Eine ältere Frau, die ganz vorne saß und wie eine grau gefärbte Frau Mettmann aussah, wischte sich mit einem Taschentuch eine Träne aus den Augen. Das war die Mutter ihrer Lehrerin. Neben ihr saß ein Ehepaar, das sehr bayrisch aussah. Die Eltern von Herrn Bierbacher.
Die Trauung begann. Und alles lief genauso, wie es laufen sollte. Herr Bierbacher sagte, dass er Frau Mettmann heiraten wollte, und Frau Mettmann erklärte das Gleiche über Herrn Bierbacher. Ihre Namen behielten beide Lehrer übrigens. Frau Mettmann hieß weiter Frau Mettmann und Herr Bierbacher Herr Bierbacher. Das war sehr praktisch für die Schüler.
»Jetzt können Sie die Ringe tauschen«, sagte der Standesbeamte, der eine riesige Bohnenstange war und Hosen mit Hochwasser trug, endlich.
Genau da wurde Herr Bierbacher plötzlich ziemlich hektisch. Schwitzend griff er in seine Fracktaschen, durchkramte dann seine sämtlichen Hosentaschen und suchte schließlich nach den Innentaschen seines Hochzeitsfracks, die es aber gar nicht gab. Sein Gesicht war inzwischen so rot wie das einer überreifen Tomate. »Kreizkruzefix«, fluchte Herr Bierbacher, der aus Bayern stammte, leise, knöpfte seine Frackjacke ganz auf und stöberte in seinen Westentäschchen herum. Davon gab es mindestens ein halbes Dutzend.
Kein Zweifel, Herr Bierbacher hatte die Trauringe vergessen!
Als Jonathan zu Cara hinüberblickte, war die plötzlich verschwunden.
Bevor Jonathan sich jedoch darüber wundern konnte, tauchte Cara schon wieder aus der Sitzfläche ihres Stuhls auf. Da das alles so schnell ging, und alle nach vorne blickten, hatte außer Jonathan niemand etwas davon bemerkt.
Cara öffnete ihre rechte Hand und zeigte Jonathan, was darin lag. Es waren zwei goldene Ringe. Einer mit einem roten Stein und einer mit einem grünen. Jedoch keine echten Schmuckstücke, sondern solche aus Plastik. Wie es sie in Kaugummiautomaten oder Wundertüten gibt. »Was Besseres habe ich leider auf die Schnelle nicht gefunden«, meinte sie entschuldigend.
Jonathan nickte nur. Hauptsache, Herr Bierbacher bekam jetzt irgendetwas Ringartiges.
Cara richtete ihre Handfläche in die Richtung von Herrn Bierbacher. Dann pustete sie mit gespitzten Lippen gegen die Plastikringe, worauf diese augenblicklich verschwanden.
In der nächsten Sekunde fischte Herr Bierbacher die beiden Ringe aus der Westentasche ganz oben rechts. Kurz war so etwas wie Erleichterung auf seinem schweißnassen Gesicht zu sehen. Doch dann starrte er entsetzt und wie gelähmt auf die beiden Spielzeugringe. Wahrscheinlich wäre er noch tagelang so stehen geblieben, hätte Frau Mettmann nicht irgendwann sanft seine Hand berührt und ihn liebevoll angeblickt.
Da erwachte Herr Bierbacher aus seiner Erstarrung und streifte seiner Frau den Ring mit dem roten Stein über.
Frau Mettmann lächelte glücklich und schob Herrn Bierbacher den grünen Ersatzring über den Finger.
»Jetzt darf das Brautpaar sich küssen«, erklärte der Standesbeamte.
Und das machten die beiden dann auch.
Doch kaum hatten sich ihre Lippen berührt, war plötzlich ein lautes Poltern vom Eingang des Säulensaals her zu hören.
Das Geräusch kam von einer riesigen Blumenvase aus Metall, die umgefallen war. Eine große, seltsame Gestalt bückte sich gerade nach ihr, um sie aufzuheben. Es war Caras Gespensteronkel Somnus, der in einer Ritterrüstung steckte.
»Entschuldigung«, sagte er mit tiefer Stimme.
»Ich hatte gerade … äh … Theaterprobe.«
»War dein Onkel mit dem Zeitdrops im Mittelalter?«, flüsterte Jonathan Cara zu.
»Sieht so aus«, erwiderte Cara.
»Schön, dass Sie da sind«, rief Herr Bierbacher von vorne. Er hatte sich als Erster von der Überraschung erholt. »Ihre Verkleidung passt ja prima zu Halloween.«
»Danke«, antwortete Onkel Somnus und gähnte im nächsten Moment herzhaft.
»Zeitdropslutschen macht immer total müde«, wisperte Cara.
»Jetzt darf ich alle bitten, zusammen mit uns zum Brauhaus Donhauser zu fahren. Der einzigen original bayerischen Brauerei in ganz Berlin«, fuhr Herr Bierbacher begeistert fort. »Dort feiern wir die Hochzeit!«
Als Frau Mettmann und Herr Bierbacher aus dem Standesamt kamen, standen dort schon alle ihre Schülerinnen und Schüler. Jeder hatte ein kleines Seifenwasserfläschchen mitgebracht und machte so viele Blasen, dass ihre frisch verheirateten Lehrer durch ein Meer von kleinen Seifenballons zum Parkplatz gingen.
In einer langen Autoschlange fuhren die Hochzeitsgäste vom Rathaus zum Brauhaus.
Ganz vorne in dem Autowurm knatterte und schepperte der alte Mercedes von Herrn Bierbacher. An dessen Auspuff hing eine lange Kette mit Konservendosen, die noch mehr Krach machten als Herr Bierbachers Uraltmotor. Reichlich viel Lärm erzeugten auch die übrigen Autos in der Hochzeitsschlange, die ständig hupten.