Carlsen Klartext: Extremismus - Anja Reumschüssel - E-Book

Carlsen Klartext: Extremismus E-Book

Anja Reumschüssel

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Beschreibung

*** Ausgezeichnet mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis als bestes Sachbuch *** Extremistische Anschauungen gibt es in vielen Bereichen: in Politik- und Religionsfragen, aber auch zu gesellschaftlichen Themen. Doch wann sprechen wir tatsächlich von Extremismus und wann von »extremen Ansichten«? Wie entsteht Extremismus und welche Arten gibt es? Können wir Extremismus bewerten – gibt es »positiven« Extremismus? Anja Reumschüssel gibt klare Antworten und stellt die Geschichte des Extremismus – in Deutschland und im Ausland – kompakt dar. Übersichtlich gegliedert, demonstriert ihr Buch die verschiedenen extremistischen Ausrichtungen und zeigt Maßnahmen auf, extremistischen Handlungen entgegenzuwirken. Die hochgelobten Bücher der Carlsen-Klartext-Reihe bringen aktuelle Themen aus Gesellschaft und Politikauf den Punkt – kritisch, klug und kenntnisreich. Dadurch empfehlen sich die Bände als Unterrichtsmaterial ebenso wie als Begleitlektüre.  Zudem in der Carlsen Klartext-Reihe erschienen: »Feminismus« »Populismus« »Fake News« »Klima- und Umweltschutz« »Schule und dann? Berufsfindung« "(...) dank klarer Sprache, klug gewählter und sorgfältig recherchierter Beispiele (...), bringt ihr Text ausgesprochen komplexe Zusammenhänge auf den Punkt." (Amnesty International)

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Weitere »Carlsen Klartext«-Bände:

Fake News

Populismus

 

Anmerkung: Zur Vereinfachung und besseren Lesbarkeit wird im Folgenden auf gendergerechte Sprache verzichtet. Wenn von Politikern, Lesern, Wählern usw. die Rede ist, sind selbstverständlich Politiker*innen, Leser*innen, Wähler*innen usw. gemeint.

 

Originalausgabe

Veröffentlicht im Carlsen Verlag

März 2018

Copyright © 2018 Carlsen Verlag GmbH, Hamburg

Faktencheck: Kathrin Lilienthal, Recherchehaus

Umschlagabbildungen: shutterstock.com: © zuper_electracat / © Afanasia / © Astarina

Umschlaggestaltung: formlabor

Herstellung: Frederik Rettberg

Satz und E-Book-Umsetzung: Dörlemann Satz, Lemförde

ISBN 978-3-646-92821-1

Einleitung

Ist das Leben in Deutschland so perfekt, dass wir nichts mehr daran ändern müssen? Oder gibt es in unserer Gesellschaft so viele Probleme, dass wir im Gegenteil radikale Veränderungen brauchen? Die Meinungen der meisten Deutschen werden sich zwischen diesen beiden extremen Aussagen sammeln. Aber nicht die aller Deutschen.

Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt. Die Menschen hier sind heute so glücklich wie selten zuvor, im Durchschnitt kann jeder Deutsche rund 20000 Euro im Jahr für sich selbst ausgeben, vor Krieg, Hunger und Seuchen muss sich bei uns niemand fürchten. Während in vielen Ländern – von Afghanistan bis zur Zentralafrikanischen Republik – unzählige Kinder nur wenige Jahre, viele Mädchen überhaupt nicht lernen dürfen, gehen Jungen und Mädchen in Deutschland mindestens neun Jahre lang zur Schule. Anders als in den USA gibt es in Deutschland zahlreiche Möglichkeiten der Unterstützung durch den Staat, zum Beispiel einen Zuschuss zur Miete, wenn jemand nur sehr wenig verdient. Und anders als in mancher chinesischen Großstadt können Bewohner deutscher Großstädte den Himmel sehen und ohne Atemschutz Luft holen.

Eigentlich geht es uns in Deutschland also richtig gut.

Oder?

Wenn man genauer hinschaut, gibt es aber auch im reichen Deutschland ernste gesellschaftliche Probleme: Mehr als zwei Millionen Mädchen und Jungen leben in Armut und können sich einen Besuch im Kino oder das Brötchen am Schulkiosk nicht leisten. Hunderttausende Menschen finden keine Wohnung, die sie von ihrem Einkommen bezahlen können. Jeder sechste Rentner ist arm, obwohl er sein Leben lang Rentenbeiträge gezahlt hat. Giftige Autoabgase verpesten die Luft in Großstädten. Unser Wirtschaftssystem ist auf ständiges Wachstum und auf Profit ausgerichtet, auch wenn man dafür Menschen ausbeutet, Tiere quält und die Umwelt zerstört. Unzählige Menschen fühlen sich einsam und isoliert, kennen nicht einmal ihre direkten Nachbarn. Und dann müssen wir uns noch mit einer komplizierten Bürokratie herumärgern, die zwar Korruption erschwert und Gleichbehandlung aller Bürger sicherstellen soll, aber dafür fast jeden Lebensbereich bis ins Detail reguliert, von der Staatsangehörigkeit von Pferden bis zur Temperatur in Bürotoiletten.

Es gibt also auch in Deutschland noch einiges zu tun. Um das Leben im Land zu verbessern, kann man in die Politik gehen und sich für Wahlen aufstellen lassen, Unterschriften für einzelne Anliegen sammeln und an Demonstrationen teilnehmen, sich ehrenamtlich engagieren oder für die einsame Rentnerin nebenan einkaufen gehen. Kurz: Man kann sich innerhalb der politischen und gesellschaftlichen Regeln in unserem Land für Veränderung einsetzen.

Es gibt aber auch Menschen, die das Land umformen wollen, ohne sich an diese Regeln zu halten. Sie wollen, dass sich Deutschland radikal verändert, und verfolgen das Ziel, die bestehende Gesellschaft an ihre persönlichen Vorstellungen einer perfekten Gesellschaft anzupassen. Sie wollen die Demokratie abschaffen, die Gewaltenteilung aushebeln und die Grundrechte einschränken. Sie kämpfen für eine völlig andere Gesellschaftsordnung, als sie zur Zeit in Deutschland besteht – oft mit Gewalt. Politiker, Gesellschaftswissenschaftler und auch Laien sprechen von Extremisten.

Um Extremismus geht es in diesem Buch. Es wird erklären: Was ist Extremismus eigentlich? Wer ist ein Extremist? Woran erkennt man extremistische Einstellungen? Wie geht man gegen Extremismus vor? Und was hat das alles mit jedem einzelnen Menschen in Deutschland zu tun?

Um zu verstehen, was Extremismus so gefährlich macht, müssen zunächst ein paar Dinge geklärt werden, die vielleicht langweilig klingen. Das sind sie aber nicht. Von ihnen hängt nämlich nicht weniger ab als das Leben, wie wir es in Deutschland kennen.

KAPITEL EINS

Die Grundlagen

Die freiheitlich-demokratische Grundordnung und der demokratische Verfassungsstaat

Das Wort Demokratie kommt aus dem Griechischen, von demos – Volk und kratos – Gewalt/Herrschaft/Macht, und beschreibt schon genau, was es bedeutet: Eine Staatsform, bei der das Volk herrscht.1 Eine Demokratie im Sinne des Wortes würde also bedeuten, dass jede Bürgerin und jeder Bürger bei jeder politischen Entscheidung mitbestimmen darf. Dann müssten aber alle Wahlberechtigten fast jeden Tag zur Urne gehen und ihre Stimme abgeben. Das ist natürlich viel zu aufwendig. Außerdem hat niemand all das Wissen, das man braucht, um gute politische Entscheidungen in so unterschiedlichen Bereichen wie Verteidigungs-, Familien- oder Wirtschaftspolitik zu treffen. Deswegen wählen alle Bürger einer Demokratie regelmäßig Stellvertreter, die sie im Parlament repräsentieren (repräsentative Demokratie). Diese Stellvertreter haben die Aufgabe, anstelle der Wähler politische Entscheidungen zu treffen. Dabei sind sie nur ihrem Gewissen verpflichtet und nicht direkt den Wählern gegenüber verantwortlich (freies Mandat). Abgeordnete sollten im besten Fall in der Lage sein, sich in die unterschiedlichen Themen einzuarbeiten beziehungsweise sich Fachleute oder Informationen zu besorgen, um auf dieser Grundlage verantwortungsbewusste und vorausschauende politische Entscheidungen treffen zu können.

Da natürlich auch Diktatoren behaupten können, ihr Land sei eine Demokratie, ist meist von »freiheitlich-demokratischer Grundordnung« oder einem demokratischen Verfassungsstaat die Rede, wenn eine Demokratie wie in Deutschland und anderen europäischen Ländern gemeint ist. Dazu gehören bestimmte Grundwerte, die nicht verändert werden dürfen:

–Jeder Mensch ist vor dem Gesetz gleich.

–Die Gesetzgebung hält sich an die Menschenrechte, vor allem an das Recht auf Leben und freie Entfaltung.

–Die Regierung und die öffentliche Verwaltung müssen sich an die geltenden Gesetze halten.2

–Alle volljährigen Bürger dürfen ihre Regierung regelmäßig, frei, gleich, unmittelbar und geheim wählen, sie dürfen also selbst bestimmen, wer sie regiert (Volkssouveränität).

–Bei allen Wahlen müssen die Bürger die Möglichkeit haben, sich zwischen mehreren Parteien mit unterschiedlichen Schwerpunkten zu entscheiden (Mehrparteienprinzip).

–Die Partei oder die Parteien, die zusammen die Mehrheit der Stimmen gewonnen haben, dürfen nur für eine bestimmte Zeit an der Regierung bleiben, danach wird neu gewählt.

–Die Parteien, die nicht an der Regierung sind, ziehen trotzdem mit ins Parlament ein und sitzen dann in der Opposition. In Deutschland gilt das aber nur für jene Parteien, die mindestens fünf Prozent der Wählerstimmen erhalten haben (Fünf-Prozent-Hürde).

–Es herrscht Gewaltenteilung. Das bedeutet, dass die Macht auf verschiedene Institutionen verteilt ist, die unabhängig voneinander handeln und sich gegenseitig kontrollieren sollen: Das Parlament beschließt Gesetze (Legislative), die Regierung sowie die öffentliche Verwaltung setzen die Gesetze um (Exekutive) und die Gerichte sprechen nach Maßgabe der Gesetze Recht, unabhängig von politischen, wirtschaftlichen oder persönlichen Interessen (Judikative). Das Bundesverfassungsgericht kann Gesetze, die gegen das Grundgesetz verstoßen, ablehnen. Und auch der Bundespräsident als »erster Mann im Staat« (bislang hatte noch keine Frau dieses Amt inne) hat das Recht, Gesetze zu prüfen, bevor er sie unterschreibt.

–Es herrschen Presse- und Meinungsfreiheit. Jeder Mensch kann also – mit wenigen Ausnahmen – sagen, was er denkt, ohne dafür bestraft zu werden (eine Ausnahme ist etwa die Leugnung der Schoah3). Und die Medien dürfen veröffentlichen, was ihnen wichtig erscheint – sie sollen sogar mit ihrer Berichterstattung die Arbeit der Regierung kontrollieren und Missstände aufdecken. Deshalb nennt man sie auch »die vierte Gewalt«.

Aufgabe eines demokratischen Verfassungsstaates ist es, die Rechte, die Würde und die Freiheit aller Menschen auf seinem Staatsgebiet zu bewahren (und darüber hinaus seine Staatsbürger auch im Ausland zu schützen) – das gilt auch für die Menschen, die diesen Staat bekämpfen. Der demokratische Verfassungsstaat zieht seine Legitimität aus der Überzeugung, dass nur in diesem staatlichen System die Würde des Menschen und seine Grundrechte geschützt werden können.

Der Rechts- und Sozialstaat

Oft wird Deutschland auch als Rechts- und Sozialstaat bezeichnet. In einem Rechtsstaat müssen sich Regierung und Verwaltung an die Gesetze halten, außerdem müssen ihre Entscheidungen von Gerichten geprüft werden können. Die Kanzlerin kann also beispielsweise Politiker aus der Opposition nicht einfach verhaften lassen, weil sie ihr im Parlament zu oft widersprechen. Eine Beamtin im Jobcenter darf einem Arbeitslosen nicht das Arbeitslosengeld kürzen, weil sie ihn unsympathisch findet. Und natürlich darf die Polizei niemanden wegen kleiner Vergehen, etwa falschem Parken, festnehmen. Denn in einem Rechtsstaat besitzen alle Bürgerinnen und Bürger Grundrechte4, die oft zugleich auch Menschenrechte sind und damit für alle Menschen gelten, nicht nur für die Bürger dieses Rechtsstaats. Dazu gehören etwa das Recht darauf, dass der Staat die körperliche und seelische Gesundheit sowie das Eigentum seiner Bürger schützt, die Gleichberechtigung von Männern und Frauen, die Versammlungsfreiheit, die freie Berufswahl (Berufsfreiheit), die Freiheit, denken und sagen zu können, was man will (Meinungsfreiheit), und die Freiheit, im Staatsgebiet überall hin reisen zu dürfen (Recht auf Freizügigkeit).5 Außerdem herrscht in einem Rechtsstaat sogenannte Rechtssicherheit. Das bedeutet, dass jeder weiß (oder sich zumindest darüber informieren kann), was gesetzlich erlaubt und was verboten ist, und dass er oder sie sich darauf verlassen kann, dass diese Gesetze auch gelten.

In einem Sozialstaat kümmert sich der Staat um die soziale Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger. Das bedeutet unter anderem: Alle Menschen in Deutschland müssen krankenversichert sein. Wer arbeitslos oder pflegebedürftig ist, kann beim Staat finanzielle Unterstützung beantragen. Familien erhalten Eltern- und Kindergeld. Schüler, Auszubildende und Studierende können ebenfalls Geld vom Staat bekommen. Angestellte können nicht grundlos von heute auf morgen entlassen werden, Arbeitnehmer dürfen an ihrem Arbeitsplatz nicht unnötig gefährdet oder belastet werden. Die Ausbildung an Schulen und Universitäten ist kostenlos, wer wenig Einkommen hat, zahlt prozentual auch weniger Steuern als Menschen mit hohem Einkommen. Das sind nur einige Beispiele dafür, wie der deutsche Sozialstaat die soziale Sicherheit der Einwohner zu schützen versucht.6

Das Grundgesetz wiederum schützt diese freiheitlich-demokratische Grundordnung, also den Rechts- und Sozialstaat Deutschland.

Das Grundgesetz

Seit dem 3. Oktober 1990 ist das Grundgesetz die Verfassung der gesamten Bundesrepublik Deutschland und steht über allen anderen Gesetzen.

Nachdem Deutschland 1945 den Zweiten Weltkrieg verloren hatte, musste das gesamte politische System neu geordnet werden. Den Besatzungsmächten Großbritannien, Frankreich, der Sowjetunion und den USA, aber auch vielen Deutschen, war wichtig sicherzustellen, dass sich so etwas wie die Herrschaft der Nationalsozialisten nie wiederholen kann. Vier Jahre nach Kriegsende wurde in Westdeutschland das deutsche Grundgesetz verabschiedet.7 Es soll gewährleisten, dass Deutschland eine Demokratie bleibt, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung geschützt und die Menschenrechte gewahrt werden (mehr dazu im Kapitel sechs – Streitbare Demokratie).

Ob die Rechte, die Würde und die Freiheit aller Menschen in einem demokratischen Verfassungsstaat ausreichend geschützt werden, da sind sich Extremisten und Menschen mit gemäßigteren Einstellungen uneinig. Extremisten glauben, dass es auch andere Möglichkeiten gesellschaftlicher Organisation gibt, und lehnen neben dem demokratischen Verfassungsstaat oft auch die Menschenrechte ab.