Cenratels Blut - Bruch Thierry - E-Book

Cenratels Blut E-Book

Bruch Thierry

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Beschreibung

Drei Jahre sind vergangen, seit das Königreich Koliat die Invasion des Königreichs Rilat erfolgreich verteidigt hat. Die Spuren des Kriegs bleiben dennoch bestehen, denn der junge Sigismund aus dem Hüttenviertel verweigert den Dienst am Wiederaufbau des Landes. Lieber unterstützt er seine Familie durch Diebstähle und gerät dabei in die Fänge der Fuchsgilde, die über sein Schicksal bestimmt. Zur gleichen Zeit führt der Krieger Jarngreipr einen Überfall auf seine Nachbarinsel Hondheim durch. Nach der Schlacht legt er einen Eid ab, der ihn und seine Gefolgsleute schon bald in tödliche Gefahr bringt. Denn Jarngreipr trachtet nicht nach Krieg – sondern nach Frieden zwischen den Inselvölkern.

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CENRATELS BLUT

ROMAN

DIE ERIA SAGA

BUCH EINS

THIERRY BRUCH

Originalausgabe 2023

 

Alle Rechte vorbehalten

 

© Riverfield Verlag, Reinach BL (CH)

www.riverfield-verlag.ch

 

Covergestaltung: Riverfield Verlag

Bildnachweis Cover: Riverfield Verlag

(created with generative AI)

Foto des Autors: Laurence Müller

 

E-Book Programmierung: Dr. Bernd Floßmann

www.IhrTraumVomBuch.de

ISBN 978-3-907459-08-9 (E-Book)

Inhaltsverzeichnis
Umschlag
Titelseite
Impressum
Inhalt
Vorwort und Danksagung
Weltkarte von Eria
Prolog
Kapitel I
Kapitel II
Kapitel III
Kapitel IV
Kapitel V
Kapitel VI
Kapitel VII
Kapitel VIII
Kapitel IX
Kapitel X
Epilog
Über den Autor

VORWORT UND DANKSAGUNG

Fünfeinhalb Jahre …

So viel Zeit ist in dieses erste Buch meines Lebens geflossen.

Von der Grundidee eines mittelalterlichen Romans in einer erfunden Welt, hin zu der Entscheidung eine Fantasywelt zu gestalten, um mir das Leben gleichzeitig schwerer und einfacher zu machen.

Zu Beginn des Buchs befand ich mich selbst noch in der beruflichen Ausbildung und hatte das Verlangen, meine eigenen Visionen und Vorstellungen zu kreieren. Inspiriert haben mich TV Shows wie «Game of Thrones», «Vikings» und vor allem auch Wrestling (Danke Windham Rotunda, aka Bray Wyatt). Ich wollte meinen eigenen «Ragnar Lothbrock» erschaffen, eigene Charaktere gestalten und zum Leben erwecken.

Wie sich herausstellte (wer hätte es gedacht), war dies natürlich alles schwerer als gedacht und ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass mir das alles brillant und hervorragend gelungen sei. Doch ich habe es versucht und das ist das Ergebnis und ich hoffe, Sie, liebe Leserinnen und Leser, werden an diesem Buch auch Spass haben, wie ich die letzten sechs Jahre.

Besonderer Dank geht an alle Freunde und Bekannte, die mich motiviert haben, dieses Projekt tatsächlich fertigzustellen. Mit denen ich Stunden über Ideen diskutiert habe und die mir immer wieder ehrliches Feedback gegeben haben.

Am meisten danke ich aber meiner Freundin und Lebenspartnerin, welche mich immer wieder unterstützt hat. Sei es mit Rückmeldung, Probelesen, Korrekturen, Ideen und vor allem der Portion Arschtritt, die ich ab und an einfach mal brauche, damit ich mit einem Projekt wie diesem fertig werde.

Und natürlich kann ich schon mal eines vorweg nehmen: Der zweite Teil befindet sich bereits in Arbeit. Wann er fertig wird, lässt sich nicht genau sagen, weitere Projekte und vor allem der Beruf geben einem nicht immer die Zeit, die man gerne zur Verfügung hätte.

Thierry Bruch

PROLOG

KONTINENT CENRATEL, KÖNIGREICH KOLIAT, HAUPTSTADT KOLIAT JUNIM, 102 NACH ERIAS SCHIEBUNG

Hey Julianos-s, bis- hui … bis-bissu noch wach? Komm … wir äh … sauf’n noch einen! Ich vertrach noch … einiches», polterte eine männliche, hicksende Stimme.

Julianos, ein junger Mann mit zierlicher Figur und gekleidet in teuren Seidengewändern, hatte seinen Kopf auf den Tresen der Gaststube gelegt und öffnete seine geschlossenen Augenlieder. Sein Schädel brummte zu sehr und als wäre er erst aufgestanden, rieb er sich die Augen, nur um sie nach einem Wimpernschlag gleich wieder zu schliessen, als ihn das helle Licht blendete. »Nein … ich … hab je-jenuch …»

Total erschöpft senkte er den Kopf zwischen seine Arme und hoffte, dass der Schlaf bald einsetzen würde. Zu seinem Glück hatten die Barden schon vor Stunden aufgehört zu spielen, Musik wäre ihm eindeutig zu viel gewesen. 

«Ach … Komm schon … bist’n Waschweib geworden? So’n lächerliches …? S-Sei keine M-memme …!»

«W-wer bis’ n du überhaupt, hä? Mach dich ab …», winkte Julianos ab und zeigte keine Anstalten einer weiteren Runde beizuwohnen. Lieber verkrümelte er sich zwischen seine Arme und Ellenbogen. Dort fühlte er sich gerade am wohlsten, da die Dunkelheit ihm grosse Obhut in dieser reizüberfluteten Spelunke bot.

Sein Mund war trocken und doch lagen darin zu viele Geschmäcker, die eine widerliche Mischung erzeugten. Spuren von brennendem Schnaps, kühlem Wein, warmem Wein und dem würzigsten Gulasch mischten sich miteinander. Am liebsten wollte er seinen ganzen Mund mit dem Meerwasser ausspülen. Die Küste war nahe, es wäre nur ein kurzer Spaziergang nötig. Doch Julianos wusste, dass Meerwasser nicht die beste Idee war und sein Magen würde die salzige See umso weniger ertragen. 

Der Säufer von eben wandte sich ab und bestellte sich seinerseits nochmals den stärksten Schnaps, den die Schenke hatte. Gerade als Julianos seinen Frieden geniessen wollte, wurde er von einer weiblichen Stimme angesprochen und dabei zärtlich an der Schulter berührt.

«Geht es dir noch gut? Kann ich dir helfen?», erkundigte sich die unbekannte Frau.

Still schüttelte Julianos mit dem Kopf. Ihr zu antworten war ihm deutlich zu anstrengend und Anstrengung war das Letzte, was er brauchte.

«Hm … So siehst du auch aus … willst du dich oben hinlegen? Ich kann dich dort hinbringen.» Die Stimme schien vertrauenserweckend zu sein. Julianos hob mit all seiner Kraft den Kopf, um ihr mit geschlossenen Augenlidern zu antworten: «Nur damit … du m-mir mein … Geld aus’n Taschen ziehen kannst …? Ja nee, is’ klar … Da musst‘n ander’n Ziegenvögler f-fragen …»

Sein Schädel plumpste ohne Halt auf seine Arme und er grummelte mürrisch.

«Nein … Aber dann hättest du einen Ort zum schlafen und-»

«Hey Kleine», unterbrach sie ein anderer Gast und schien wesentlich nüchterner zu sein. «Ich gebe dir fünf Silbermünzen und dafür gehen wir zwei hoch und du machst schön die Beine breit, ja?» Ein gieriges und vor allem ekelhaftes Lachen ertönte. 

«Nein, kein Interesse. Zudem bin ich keines der ‘Mädchen’, also bediene dich woanders du Widerling.» Sie wollte sich umdrehen, wurde jedoch grob an der Schulter gepackt.

«Du arbeitest hier, also bist du für mich gleich wie die anderen. Zudem gefallen mir die nicht, aber du …», er gab ihr einen Klaps auf ihr Gesäss, «du triffst wesentlich mehr meinen Geschmack.» 

 »Nein! Lass mich los!» Sie versuchte sich von seinem Griff loszureissen, doch er packte sie umso fester.

 »Oh nein, Fräulein! Du wirst mir nachher schön deine beiden-»

Wie ein Hammer donnerte Julianos Faust in die Wange des belästigenden Gastes. Die Wucht und Kraft waren so heftig, dass der junge Mann, trotz des Alkohols, seine Hand ausschütteln musste, um den Schmerz darin zu mindern.

Der Getroffene gab keinen Mucks mehr von sich, er lag bewusstlos auf dem Boden und wurde von den anderen Gästen schief angesehen, die gar nicht mitbekommen hatten, was eigentlich geschehen war. Vielmehr vergnügten sie sich untereinander, spielten Würfelspiele, tranken aus ihren Krügen oder unterhielten sich, wobei oftmals Fluchworte fielen. 

«Danke …», kam es nervös von der jungen Frau und sie lief davon, um sich Hilfe zu holen. 

Erst jetzt sah Julianos, dass er einer jungen, zierlichen, blonden Frau half. Seine Augen formten sich zu Schlitzen. Jedes Licht blendete ihn, selbst die kleinsten Kerzen am Fenstersims waren wie mehrere Sonnen, die ihn blind machen wollten. Dass sich alles dabei noch drehte und verdreifacht war, machte es nur noch schlimmer. 

Unkontrolliert setzte Julianos sich in Bewegung. Mehr schlecht als Recht stolperte und humpelte er sich an den Stühlen und Tischen vorbei. Oft rempelte er dabei die anwesenden Gäste an, welche ihm Beschimpfungen nachwarfen, was ihn aber nicht interessierte. Ständig nuschelte und stotterte Julianos irgendwelche Entschuldigungen vor sich hin. Bei wem er sich entschuldigte, wusste er schon gar nicht mehr, aber er tat es dennoch. Manieren durfte man nicht verlieren.

Nach einer gefühlten Ewigkeit schaffte Julianos es endlich an der Türe anzukommen. Gerade als er sie öffnen wollte, knallte diese gegen sein Gesicht und schleuderte ihn taumelnd zurück, bis er das Gleichgewicht unter Hochkonzentration wiederfand. In seinem ganzen Gesicht brannte kurz der Schmerz des Aufpralls. 

«Bei den Göttern, es tut mir so leid!», entschuldigte sich ein neuer Gast und wollte Julianos helfen.

«Is’ schon guut …. Auuu …» Er fasste sich an seine Nase um zu überprüfen, ob sie gebrochen war. Zu seiner Erleichterung fühlte sich dies nicht so an. 

«Wow … Das Gasthaus ‘Zum Schicken Fräulein’ macht seinem Namen alle Ehren», sprach der Mann neben Julianos und widmete seine Aufmerksamkeit den weiblichen Serviertöchtern und Tänzerinnen. Sie alle zeigten sich in eng geschnittenen Gewändern und Tanzröcken, welche die weiblichen Proportionen hervorstechen liessen.

«Hoffe, i-ihr habt genug … Geld …dabei», meinte Julianos mit einem betrübten Lächeln und torkelte zur Türe, um das Gasthaus ‘Zum Schicken Fräulein’ zu verlassen. 

Eine Wand kühler Luft prallte gegen Julianos und noch nie war er glücklicher darum. Der Geruch der Küste und des Salzwassers wehte in seine Nase und liess ihn tief aufatmen. Er spürte, was für eine Wohltat dies war und genoss jede Sekunde davon. Das Konzentrieren wurde wieder einfacher, war aber weiterhin mehr als anstrengend für ihn. 

Was vorhin noch hell und klar ersichtlich war, versteckte sich nun hinter einer schwarzen Schicht Dunkelheit. Der Himmel war von Wolken überzogen, keine Sterne und auch kein Mond konnten diese Schwärze durchdringen. Es war stockfinster und plötzlich stand der junge Julianos vor seinem nächsten Problem; dem versteckten Weg nach Hause.

Eigentlich wusste er genau, welchen Weg er einschlagen musste, er war den Weg schon hunderte Male gelaufen. Und doch fiel es ihm erneut auf, dass im betrunkenen Zustand alles auf den Kopf gestellt wurde. 

Das Schlimme war, dass, abgesehen von ein paar wenigen Fackeln an den Häuserwänden, keine einzige Lichtquelle existierte. Es war tief in der Nacht und die meisten Bürger waren bereits in ihren Betten und schliefen, um für den nächsten Arbeitstag ausgeruht zu sein. Daher musste sich Julianos auf seinen Instinkt verlassen. 

Schritt für Schritt setzte er vorsichtig einen Fuß nach dem anderen. Dass er alles verdreifacht sah, bereitete ihm zusätzliche Mühe. Er tastete sich mit Hilfe der Wände der Fachwerkhäuser weiter nach vorne, um nicht die Abzweigungen und den Weg zu verfehlen. Zudem stand er so ein wenig sicherer auf seinen Füßen.

Wie eine Seeschildkröte, fast schon im Schneckentempo, watschelte Julianos die Stadtstrassen entlang. Oftmals musste er nach zehn oder fünfzehn Schritten eine Pause einlegen. Nach einer gefühlten Ewigkeit fand er die richtigen Gassen, verirrte sich nicht und stand schlussendlich vor seinem Haus. 

Gerade als Julianos den Schlüssel ins Schloss steckte, ertönte ein Geräusch, als ob ein Stück Holz zerbarst. Er wartete einen Moment, gab jedoch seinem betrunkenen Zustand die Schuld an der Einbildung. Als er den Schlüssel umdrehen wollte, klemmte es überraschend. Nach mehrmaligem Rucken, drückte Julianos genervt gegen die Tür, welche ohne Widerstand knirschend nachgab und den Eingang freigab.

Nun war Julianos beunruhigt. Er war sich sicher, er hätte abgeschlossen gehabt. Aber er erwog die Möglichkeit, es dennoch vergessen zu haben, seine Erinnerung war zu verworren und wirkte wie ein Trugbild seines Verstandes. 

Stille begleitete seine Gedanken.

Seine Lederschuhe polterten auf dem Boden, als er die ersten Schritte in sein Zuhause machte.

Dann krachte etwas im Lagerraum zu Boden.

Nun hatte Julianos genug und beschloss, sich Hilfe zu holen. Er wollte sich umdrehen, brauchte aber viel zu lange, um das Gleichgewicht in seiner raschen Bewegung zu halten. Diese kurze Zeit erwies sich als fatal, denn Julianos wurde von der rechten Seite umgestossen und zu Boden gedrückt. Hände umschlangen seinen Mund und ein Körper drückte sich auf ihn, um ihn unten zu halten. Ein kurzes Gerangel entstand, doch Julianos Reflexe waren viel zu verzögert und als schlussendlich eine Klinge gezückt wurde, erstarrte er. Julianos gab auf und vernahm unerwarteterweise eine weibliche, aber harte Stimme von der schwarzen Gestalt, die auf ihm sass.

«Bewege dich weiter und ich schneide dir die Kehle auf!», flüsterte sie drohend in sein Ohr.

Julianos konnte in den Worten keine Reue finden, wusste aber, dass sie es ernst meinte. Er versuchte ihr Gesicht zu erkennen, doch bis auf ein paar zerzauste schwarze Haare und einem verhüllten Gesicht unter einer Kapuze, sah er nichts. Die scharfe Waffe an seinem Hals erlaubte ihm keinerlei Spielraum. 

«Gib mir deinen Edelstein, ich weiss du hast einen. Wenn du das machst, werden wir zwei die besten Freunde, verstanden?» 

Die scharfe Klinge ritzte an seiner feiner Haut und sorgte für ein unangenehmes Brennen.

«Na wird’s bald!», zischte die Frau forsch. «Dich umzulegen ist mein letztes Bedürfnis», sie lockerte ein wenig den Dolch, «aber du musst mithelfen, sonst-»

So schnell Julianos konnte, griff er nach ihrem Handgelenk mit dem Dolch und drückte diesen von sich. Er schaffte es, seine Beine anzuziehen und der Angreiferin, nach mehrmaligem Versuchen, gegen ihren Bauch und ihr Gesicht zu treten. Sie wurde ruckartig zurückgedrängt und fiel zu Boden.

«Hilfe!», schrie Julianos mit betrunkener Stimme los, in der Hoffnung, irgendjemand vermochte ihn zu hören. Währenddessen wollte er aufstehen, aber er kam nicht dazu.

 Die Angreiferin stürmte auf ihn los wie eine Jägerin, die ihre Beute erwischte. Wütend drückte sie ihm erneut den Mund zu und stiess den Dolch in seinen rechten Oberschenkel. Sein Schrei wurde von ihr unterdrückt und die warme Körperflüssigkeit sickerte durch die teuren Beinlinge

«Hör auf!», zischte sie erneut und drehte dabei den Dolch. Die Klinge schnitt mühelos durch das blutende Fleisch, zerriss Muskelfasern, Sehnen und Nerven. Die Schnittstelle brannte wie Feuer. Julianos spannte seinen ganzen Körper an und versuchte sie mit seinen Armen wegzudrücken. 

Vergebens.

Die Frau war deutlich mehr bei Kräften, doch er wollte nicht aufgeben. Er schwang seine Faust verzweifelt und traf ihr Gesicht und enthüllte die Frau völlig. 

Eine auf den ersten Blick zierliche Frau, mit schwarzen, zerzausten Haaren auf dem Kopf und bernsteinfarbenen Augen war vor ihm. Trotz ihrem schwarzen Lederwams wirkte die Frau durch ihre schwarzen Beinlinge dünn und muskulös. In ihrem Gesicht allerdings lag blanke Wut, denn Julianos sah, wie Blut von ihren Lippen und ihrer Nase floss. Ihr Blut.

«Narr!», zischte sie, zog den Dolch aus der Wunde und stach erneut mehrmals auf seinen Oberschenkel ein. Jeder Stoss bedeutete tiefste Schmerzen und Julianos konnte nur noch eine Mischung aus Schreien und Weinen von sich geben, die immer durch ihre Hand unterdrückt wurden. 

Als dann die Schneide durch seinen Bauch wanderte, konnte er durch die körperliche Verkrampfung nur noch flach atmen. Es fühlte sich an, als würden Luftlöcher durch seinen Körper wandern. 

Die scharfe Klinge wurde erneut aus seinem Körper gezogen und fuhr durch seinen Hals. Das Blut quoll wie ein Fluss aus seiner Kehle, sein Mund füllte sich damit. Julianos Anspannung hielt noch ein paar Momente an, bevor er unweigerlich erschlaffte. Er konnte nicht mal mehr einen Funken Kraft aufbringen, um Widerstand zu leisten. Sein Körper entspannte sich, eine grosse Lache bildete sich unter ihm, das Blut aus dem Bein und dem Hals begannen sich am Boden zu vermischen. 

«Selber schuld …», zischte die schwarzhaarige Mörderin mit einem Kopfschütteln. Sie wischte ihre verschmutzte Klinge an seiner schönen Gewandung ab, während Julianos seinen letzten Atemstoss von sich gab und still zu seinen Göttern betete. Es sollte der letzte Akt in seinem Leben sein, während die kaltblütige Frau sich an seinen Taschen vergriff und davonrannte.

KAPITEL I

Kontinent Cenratel, Königreich Koliat, Hauptstadt Koliat

Julim 102 nach Erias Schiebung

Der Marktplatz der Hauptstadt Koliat war übersät mit verschiedensten Ständen, Warenkisten und Wägen. In der Luft lagen die verschiedensten Gerüche, wie das Fleisch verschiedener Metzger, die Düfte von Karotten, Zwiebeln, Kohl und Lauch der Gemüsehändler. Nebenbei waren auch Werkzeugmacher und Schuster zugegen, sowie Raritäten- und Gebrauchtwarenhändler.

«Frischer Fisch! Greift zu, solange ihr könnt!», schrie ein grimmiger, kahlköpfiger Fischhändler hinter seinem hölzernen, überdachten Warenstand auf dem Marktplatz und wurde dabei vom Gemüsehändler direkt gegenüber beinahe übertönt.

Der Fisch des Glatzenträgers ließ dabei dessen Frische sehr in Frage stellen, denn die Leute liefen meistens nur an dem Stand vorbei und würdigten den Fischer kaum eines Blickes. Manche begannen sich sogar ihre Nase zuzuhalten oder fuchtelten mit den Händen den Gestank fort.

Der Fischhändler bemerkte die ihm entgegengebrachte Ablehnung und gab sein Bestes, sich dies nicht anmerken zu lassen, was ihm aber nicht gelang. Sein Kopf wurde immer roter und seine Stimme wurde lauter, die Venen an seinem Kopf schwollen an, als er erneut versuchte seine Ware zu verkaufen.

«Frischer Fisch! Geniesst den besten Fisch in der ganzen Stadt!» Seine Stimmlage ähnelte schon beinahe einem Krächzen, da er immer heiserer wurde und ein Kratzen in seiner Stimme lag.

Eine Stadtwache kam herbei, auf dessen Wappenrock das Zeichen Koliats abgebildet war; drei senkrechte Schwert auf rotem Hintergrund. Mit einem Blechhelm ausgestattet und einem Speer in der Hand trat der Soldat dem Fischer mies gelaunt gegenüber.

«Hey, Grindskopf! Ich weiss, du versuchst nur deine Ware loszuwerden, doch diese stinkt bis zum Himmel und selbst die Götter würden deinen Fisch missachten! Also tu uns einen Gefallen und räume diese Grütze weg, ist ja unerträglich …»

Der Fischer ignorierte dabei die Stadtwache, genau wie die Leute ihn ignorierten. Er schnappte sich einen seiner Karpfen und roch gespielt übertrieben daran.

«Mhhh! Riecht doch nur! Einer der feinsten Karpfen in ganz Koliat! Für nur drei Kupfermünzen gehört dieser Genuss der See euch! Fünf Kupfermünzen, wenn ihr zwei Stück nehmt!»

Die Stadtwache schüttelte nur den Kopf, lief in seinen eisernen Gamaschen hinter den Tresen und packte den Fischer mit seinen Blechstulpen an dessen Kragen.

«Jetzt hör zu du Narr! Pack deine stinkende Fische zusammen und verpiss dich! Oder du wirst sie im Feuer des Lichttempels wiedersehen, ohne eine Kupfermünze verdient zu haben! Währenddessen kannst du deine Wunden im Siff der Gassen lecken, verstanden?»

Furcht und Nervosität spiegelte sich in den Gesichtszügen des grimmigen Fischers. Allerdings hasste er es, wenn man ihn unerlaubt anfasste und das mitgenommene Pergament in seiner Tasche verlieh ihm Mut zur Gegenwehr.

«Lass mich los, du Idiot! Ich habe die offizielle Erlaubnis hier meine Waren zu verkaufen!» Er stiess den Wachmann von sich und stellte ihm dabei ein Bein, so dass dieser nach hinten stürzte und auf dem Pflastersteinboden aufschlug. Das Eisen schepperte augenblicklich und zog die Aufmerksamkeit der anwesenden Bürger deutlich auf sich.

Der Wachmann erhob sich, seine Augen funkelten glühend.

«Du magst vielleicht die Befugnis haben deine Ware hier zu verkaufen, doch du hast kein Recht dich der Stadtwache zu widersetzen, geschweige denn das Gesetz zu brechen!»

Der Mann in der Uniform holte mit seinem Blechstulpen aus und donnerte dem Kahlkopf damit mitten ins Gesicht, so dass dieser direkt ein paar Schritte zurück taumelte, Blut spuckte und ein Zahn dabei mitflog. Wütend packte der Uniformierte den Fischer und zog diesen hinter seinem Stand hervor. Ein immer grösser werdender Kreis aus Zuschauern bildete sich, alle mit genügend Abstand, um sich selbst nicht in Gefahr zu begeben.

«Du wirst in den Kerker wandern und deine gerechte Strafe erhalten, du Wicht!»

Während die Wache den älteren Mann hinter sich herzog, versuchte dieser sich zu wehren und packte nach dem Speer der Wache, wodurch es zu einem Kräftemessen der beiden kam, was nicht lange dauerte. Gnadenlos beförderte der Soldat zwei Kniestösse in die Magengrube des Verkäufers und gewann das Duell. Der alte Mann wimmerte sich vor Schmerzen am Leib, spuckte erneut rote Flüssigkeit aus.

Da alle Augen auf das brutale Geschehnis gerichtet waren, fiel niemandem die an ihnen vorbeiziehende Gestalt auf. Unter einem zu grossen Kapuzenmantel, zerlöcherten Hosen und zerfallenen Stiefel machte sich ein älterer Junge an den Fischerstand ran. Geschwind flogen seine Hände über den geräucherten Lachs und liess ihn unter seinen langen Ärmel verschwinden.

Niemand sah ihn. Die Mägde, Händler, Diener und Bürger schauten dem Gesetzeshüter zu, wie er auf den liegenden Fischer eintrat.

«Na, du verdammter Narr?! Willst du dich immer noch mit mir anlegen und dich wehren, hm?»

Der Fischer krümmte sich mit letztem Widerstand zusammen, um sich instinktiv vor den Dauerschlägen zu schützen. Vor lauter Wut stach der Soldat mit der eisernen Spitze durch eine Lücke der Deckung. Der Speer bohrte sich seitlich in den Unterkörper des Fischers und löste einen schmerzvollen Aufschrei des Fischers, sowie lautes Entsetzten der Bürger aus.

Der Gesetzesvollstrecker sah dabei ein Pergament aus der Gürteltasche des Fischers hervorblitzen. Eilig nahm er es an sich und zerknüllte es, als er erkannte, dass es sich um die Lizenz des Verkaufes von Fisch handelte. Angewidert zog er seine Waffe aus dem Leib des Verletzten, packte ihn am Hals und stellte ihn krümmend auf die Beine.

«So! Und nun mal sehen, wie weit du ohne Erlaubnis noch kommen wirst, du Idiot!», zischte der Soldat in das Ohr des Fischers und zerrte ihn hinter sich her, während die Massen an Leuten ihm Platz machten und langsam Ruhe einkehrte.

In der Zwischenzeit bog der Junge, der den Lachs ohne Bezahlung für sich beanspruchte, in eine enge Seitengasse ab. Die Schindel-und Fachwerkhäuser standen eng zueinander, wodurch die Gasse nur knapp so breit wie ein dicker Wirt einer Schenke war. Der matschige Boden gab bei jedem Schritt ein modriges Geräusch von sich, als der Junge mit seinen offenen Stiefeln durchlief. Ohne aufzufallen betrat er eine weitere gepflasterte Strasse, die nicht mit dem Geschehen des Marktplatzes verbunden war.

Die Kaufmänner, Händler und Bauern, die ihre Waren in Kisten verpackt hatten und die Strasse entlangliefen, bemerkten kaum die Anwesenheit des Jünglings, als er an ihnen vorbeihastete. Eilig schritt er voran, bis er die Grenzen des bekannten Hüttenviertels der Stadt erreichte.

Anstatt Stadthäuser mit Steinwänden und Holzbalken, waren nun enge, kleine Hütten zu sehen, bedeckt mit Dächern aus Stroh und Wänden aus getrocknetem Ton und Holzstöcken, die das Grundkonstrukt bildeten.

Der Geruch des Viertels machte sich schnell breit. Der Gestank nach Pisse, Schweiss, Blut und anderen menschlichen Ausscheidungen waren dem Jungen nur zu sehr vertraut. Umso mehr verabscheute der junge Mann diese Düfte.

Über blosse Erde und Kies lief der Junge an den Menschen vorbei und betrachtete dabei ihre Armut.

Die meisten trugen spärliche Stoffhemden und gebundene Hosenbeine, gerade das Nötigste, um ihre Körper zu bedecken. Die Kleider waren oft aufgerissen und zerlöchert, Mütter hüllten ihre Neugeborenen in zerrissene Stoffe und Wolle ein. Männer gab es kaum zu sehen und wenn, dann waren es meistens die Männer eines Schmieds, der in diesem Viertel hauste. Dieser besass als Einziger in diesem Viertel ein Haus, welches einem heruntergekommenen Fachwerkhaus gleichkam.

Der junge Dieb lief an dieser Schmiede vorbei, betrachtete von aussen wie der Schmied, ein grosser Mann mit zerzausten Haaren, ein Eisenstück bearbeitete und mit dem Hammer draufschlug, um es in die gewollte Form zu bringen.

Nach ein paar weiteren Schritten erreichte er dann endlich sein Ziel. Er stand vor einem Grubenhaus, beinahe nur ein grosses Dach über dem Boden und einen Eingang tief in den Boden, gleich gebaut wie die anderen Hütten. Tief atmend duckte der Junge sich hinunter, um durch den kleinen Eingang hinein zu gelangen.

«Sigismund?», rief eine weibliche Stimme, als der Junge eintrat. «Bist du nicht auf dem Feld, wie du es gestern mit Vater abgesprochen hast?»

Sigismund grinste verschmitzt, zog die Kapuze seines Mantels herunter und zeigte sein dunkelbraunes, glattes und verfettetes Haar, welches ihm bis in sein von dichtem Flaum besetztes Gesicht fiel.

«Nein, Schwesterherz. Ich habe mich viel nützlicher gemacht und dafür gesorgt, dass wir heute nicht hungern und ich mich dabei bis zur Erschöpfung abrackere. Denkst du wirklich, ich arbeite mir einen ab, nur damit Georg ‘Hundsarsch’, wie ich ihn ja immer gerne nenne, sich zurücklehnen kann und uns die Drecksarbeit für einen Hungerlohn machen lässt? Nein, das sehe ich nicht ein. Habe dies auch Vater mitgeteilt. Er meinte, ich solle meine Hände nicht sehen lassen, wenn eventuell ein bisschen Essen mitgeht … Und stell dir vor, heute war es besonders leicht!»

Sigismund warf seiner älteren Schwester, eine erwachsene Frau im Alter von neunzehn Jahren mit langen, verwirbelten, braunen Haaren, einer abgemagerten Figur und vertrockneter Erde im Gesicht, eine grosse Scheibe des Lachses hin, den er immer noch unter seinem Umhang versteckt hatte. Ihre Augen wurden gross, ihr Mund öffnete sich und Begeisterung stieg in ihrem Gesicht auf.

«Möge der Gott des Lichts dir verzeihen, dich den Waren eines anderen bedient zu haben, zum Schutze deiner Familie!»

Sigismund setzte sich gut gelaunt auf die Leintücher am Boden hin und übergab seiner Schwester den restlichen Lachs.

«Ob Gott oder Götter, das Essen wird man mir nicht so leicht verbieten.» Ein zufriedenes Grinsen bildete sich in seinem Gesicht, während seine Schwester nicht zögerte, den Lachs mit einem kleinen, aber scharfen Messer nach Gräten zu durchwühlen.

«Hör zu Ella, verwerte den Fisch bitte sofort. Niemand von draussen soll auch nur die geringste Ahnung haben, dass wir hier anderes Essen ausser Brot und vertrocknetem Fleisch haben. Ich will nur ungerne eine weitere Ausbeutung wie bei Flirk erleben … Du weisst ja, wie man ihn von seinen wenigen Kupfermünzen ‘erlöst’ hat, oder?»

Ella nickte betrübt, als sie weiter am Fisch herumriss und einzelne Gräten aus dem Fisch zog.

«Gut, dann geh’ ich gleich nachher los und schau mal, ob nicht ein Bäcker übriges Brot hat, welches er freiwillig aushändigen möchte. Bestimmt hat Elton noch irgendetwas übrig.»

«Pass auf dich auf Sigi … Den Herrn des Lichts werde ich nicht um Beistand für dich fragen können. Zudem bin ich immer noch der Meinung, dass du wie Vater auf dem Feld helfen solltest. Du würdest dich so zumindest nicht in Gefahr begeben», sprach Ella wohlwollend zu ihrem Bruder.

«Keine Sorge, wird schon nicht schiefgehen …», meinte Sigismund, als er sein Grubenhaus bereits wieder verliess und sich zurück zum Marktplatz aufmachte.

Das Getümmel rund um den Fischhändler und die Stadtwache hatte sich inzwischen aufgelöst und alle Verkäufer standen wieder hinter ihren Tresen und versuchten weiterhin ihre Waren durch Geschrei loszuwerden. Jedoch fiel Sigismund auf, dass er zuvor einige Edelwarenhändler übersehen hatte.

Neugierig lief er daran vorbei, begutachtete die kunstvoll verarbeiteten Trinkgläser und Kunstwaren für die höhere Schicht und den Adel von Koliat, welche sich diese prunkvollen Gläser leisten konnten. Verwirrt schaute er auf ein Holzschild, auf dem etwas geschrieben stand, welches er aber nicht verstehen konnte. Er sah nur, dass hinter diesem Holzschild ein Trinkglas mit verziertem Silberrand und einem stilvollem verschnörkeltem Hals geschmückt war.

«Das Trinkglas kostet zehn Silbermünzen der Herr», sprach jemand mit spöttischer, hoher Stimme.

Sigismund sah einen älteren, aber fein gekleideten Herrn mit einem bunten Barett vor sich. Eine goldene Halskette schlang sich um den Nacken und glitzernde Ringe schmückten die verfärbten Finger. Auf der Nase trug der ältere Herr eine kleine, rundliche Brille.

«Ich vermute Mal, dass Sie nicht in Besitz von zehn Silbermünzen sind. Für das sehen Sie viel zu verlumpt aus und Zahlen können Sie wohl auch nicht erkennen, wie ich sehe», sprach der Herr höhnisch, schaute auf Sigismund herab und wandte sich von ihm ab.

«Ich kann vielleicht keine Zahlen erkennen, allerdings bin ich mir sicher, dass ich mehr kann als Sie, werter Herr», spottete Sigismund drauf los, grinste ein wenig und zog die Augenbrauen hoch, als er den Glaser betrachtete.

«Ihre Provokation ist bei mir wirkungslos der Herr und nun husch, verschwinden Sie, Sie verschrecken meine Kunden. Die Bürger Koliats sollen die Ware kaufen und nicht zusehen, wie ich mich mit einem Bauernlump rumschlage. Und nun hinfort.» Gespielt wedelte der Edelwarenverkäufer mit den Händen.

Sigismund schüttelte den Kopf und warf nochmals einen Blick auf die prächtigen Stücke des Verkäufers, bevor er sich zu seinem eigentlichen Ziel begab; die Backstube Eltons.

Die Menschen, die an ihm vorbeiliefen, zogen ein wenig die Augenbrauen zusammen. Kein Wunder, schliesslich waren sie Bürger von Koliat, sie besassen ein Haus, waren unabhängige Einwohner, verdienten genug Geld und konnten sich auch Luxusgüter kaufen. Beim Anblick eines verlumpten Bauernburschen konnten sie nicht anders als ihn abschätzig anzuschauen.

Sigismund ließ die Blicke jedoch an sich abblitzen und konnte schon weit den Geruch von frischem Brot und weiteren feinen Gebäcken bereits in seiner Nase vernehmen und spürte, wie sein Magen anfing zu knurren. Dies war Sigismunds vertrauter Ort, er war nicht zum ersten Mal zum Stibitzen hier und es würde sicherlich nicht zum letzten Mal sein.

Vorsichtig wagte sich Sigismund an die Wand der Backstube heran, lehnte sich ein wenig an die Wand, als zwei Mitbürger aus der Backstube heraustraten und sich über die Ereignisse des Fischers und des Wächters austauschten.

Mit einer Kopfdrehung schaute Sigismund durch ein kleines Fenster hinein und bemerkte, dass die Warenkisten unüblicherweise leer standen. Normalerweise waren diese gefüllt mit den verschiedensten Broten, gerade das teure Mohnbrot verkaufte sich einzigartig. Verärgert rümpfte Sigismund seine Nase.

Verflucht …die Kisten sind normalerweise voll … Er verkauft niemals so viel an einem Tag und ich weiss, dass er im Voraus herstellt, damit er genügend Reserve hat … Und in die Vorratskammer der Stadt kann ich mich unmöglich hineinschleichen … Verdammt!

Sigismund bemerkte, dass er ohne Auffälligkeiten hier nicht weiterkommen konnte und einen Plan brauchte. Kaufen konnte er nichts und die wöchentliche Ration stand erst in ein paar Tagen an.

Während er überlegte, trat ein grosser, breiter Mann mit sehr kurzen schwarzen Haaren und weisser Schürze aus der Tür der Backstube hervor und stellte sich zu Sigismund.

«Sag’ Mal, willst du auch was kaufen oder warum stehst du hier so rum?»

«Elton der Bäcker, welch eine Freude …», stockte es aus Sigismund hervor, der ein wenig lachte und sich innerlich verfluchte nicht aufgepasst zu haben.

«Die Freude ist nicht meinerseits … kaufst du nun was oder soll ich dir Wasser geben, damit du wie eine vergammelte Pflanze die Wände hochkletterst?»

Die tiefe Stimme von Elton machte Sigismund zu schaffen, er verspürte Nervosität, als wäre er ertappt worden.

«Nun … ich steh einfach vor eurer Backstube, was ist falsch daran?»

«Nichts, mit Ausnahme, dass du hier betteln könntest, meine treuen Kunden verscheuchst und zudem ein schlechtes Omen auf mich und mein Unternehmen ausübst. So wie du aussiehst und riechst, gehörst du zum Hüttenviertel, nicht wahr? Und lass mich raten: Du hast so gut wie kein Geld, um dir eines meiner Brote zu kaufen, richtig?»

Sigismunds Atem beschleunigte sich, er spürte, wie sein Magen sich zusammenzog. Er wurde beim Stehlen noch nie erwischt, denn ansonsten hätte er keine Hände mehr, aber dass Elton so eine einnehmende Präsenz sein konnte, war ihm unbekannt. Daher versuchte er sein Bestes sich herauszureden.

«Nun … Woher wollt Ihr denn wissen, dass ich kein Geld habe? Ich mag vielleicht lumpig gekleidet sein, aber …»

«Spar dir dein Gelaber, ich weiss, dass du vom Hüttenviertel kommst, deine Kleidung zeichnet dich und dein Geruch erst recht. Dir täte eine Waschung in einer Wanne nicht schlecht, aber die habt ihr in diesem versifften Eck ja nicht.»

Ein Schnauben entwich Sigismund. Er hasste es, wenn die Einwohner schlecht über sein derzeitiges Zuhause sprachen, denn nur zu gerne würde er ihnen erklären, sogar zeigen, wie ärmlich die Verhältnisse im Vergleich zu der restlichen Bürgerstadt waren. Er hatte es einmal versucht, jedoch wurde er wegen schlechtem Benehmen an den Pranger gestellt.

«Das haben wir nicht, das stimmt … Aber dafür haben wir etwas, das ihr und vor allem du nicht besitzt.»

«Und das wäre was?», fragte Elton mit verschränkten Armen.

Schnell überlegend schnappte Sigismund Luft, suchte nach irgendwelchen Wörtern.

« …Zu …Zuverlässigkeit … in der Familie vor allem …»

Sigismund hätte sich am liebsten den Schädel in die Wand geschlagen, aber ihm kam nichts Besseres in den Sinn. Elton der Bäcker lachte nur auf.

«Zuverlässigkeit? Pah! Dass ich nicht lache! Selbst die Bastarde aus Rilat sind zuverlässiger, wenn sie getrunken und ein paar Weiber in der Schenke blöd angemacht haben! Veralbere mich nicht, Jungspund, dir wachsen nicht einmal die Barthaare, also lass den Quatsch und verdufte.»

Lachend verschwand Elton wieder in seine Stube, wiederholte dabei Sigismunds Worte, nur um danach noch lauter zu grölen. Ein frustvolles Seufzen entwich dem jungen Mann.

Dieser verfluchte Hundsarsch! Macht sich über mich und meine Familie lustig, einfach nur, weil wir nicht in die höhere Schicht geboren wurden! Wenn ich älter wäre, dann hätte ich ihm eine Rechte gegeben! Aber nein … Ich hätte mich nur zum Narren gemacht und ich hätte Probleme mit der Wache bekommen. Also besser kein Aufsehen erregen …

Gerade als Sigismund tief aufatmend davonlaufen wollte, warf der Bäcker ihm durch das Fenster ein kleines Stück verfaultes Brot an den Kopf.

«Glaubst du, du hättest ‘zuverlässiger’ treffen können? Hm? Ich schmeiss mich weg!» Der Bäcker lachte weiter und Sigismund wurde angespannter, wütender, der Spott stellte langsam seine Geduld auf die Probe. Er zog die Kapuze seines Mantels über den Kopf und lief wütend davon.

* * *

Einige Stunden später war bereits die Nacht über Koliat hereingebrochen, nur die wenigsten Strassen waren mit Fackeln und Laternen erhellt worden. Einzig die Nachtpatrouillen leuchteten sich ihren Weg durch die Strassen, Gassen und Plätze der grossen und engen Stadt.

Sigismund versteckte sich hinter ein paar vermoderten Kisten, welche in einer Nebengasse untergestellt und wahrscheinlich vergessen wurden; der Inhalt darin roch zumindest danach. Den fauligen Gestank nahm er allerdings nebenbei wahr, denn seine Aufmerksamkeit war auf etwas weit Grösseres gerichtet.

Der Grund für die Auswahl seines unangenehmen Unterschlupfes war, dass er nur wenige Schritte vor der Vorratskammer von Koliat war. Diese war ein grosses und breites Gebäude, vom Baustil her glich es den vielen Fachwerkhäusern darum herum und würde nicht auffallen, besässe es nicht diese beeindruckende Höhe und die Wachen davor.

Für Sigi schien es wie eine grosse Halle zu sein, gefüllt mit geräuchertem Fleisch, Fässern voll mit Hafer, Weizen und Mehl, Früchten wie Äpfeln und Birnen, volle Erträge aus den wiederaufgebauten Bauernhöfen ausserhalb der Stadt.

Er erinnerte sich, als er mit seinem Vater auf dem Weizenfeld im Dienst von Georg Driklan grosse Lieferkarren mit Weizenbällen füllte. Sigismund wusste somit, dass ihn eine grosse Ladung an Verpflegung erwarten würde, sollte er es in die Kammer schaffen.

Sollte war für ihn dabei das Stichwort.

Die Vorratskammer war von zwei Patrouillen, bestehend aus jeweils einem Mann, umzingelt. Beide liefen in einem Rhythmus, so dass immer beide gegenüberliegenden Seiten des Gebäudes bewacht werden konnten. Der Haupteingang, ein grosser, hölzerner Torbogen, wurde zudem von vier weiteren Wachen bestückt. Ein blosses Eintreten war daher unmöglich.

Sigismund betrachtete dabei die Fenster an den Seiten, sie waren niedrig und breit genug, dass er hineinklettern konnte, sofern er Kisten unter seinen Füssen besässe.

Ich kann unmöglich diese Kisten vor die Fenster stellen, ohne bemerkt zu werden … Die Wachen sind in einem zu engen Abstand unterwegs, die Fackeln hell genug und ihre Ohren zu scharf, als dass sie es nicht bemerken würden. Verdammt … Mein Magen bringt mich um und Ella hat bestimmt Vater erzählt, dass ich wieder am Rumstehlen bin. Ich kann nicht einfach ohne weitere Beute auftauchen. Ich muss da rein …

«Hey, stehenbleiben!», rief plötzlich einer der laufenden Wachmänner vor Sigismunds Versteck und rannte in eine etwas weiter entfernte Nebengasse hinein. Sigismund konnte nicht sehen, wem der Soldat auf den Fersen war, aber es kümmerte ihn nicht, seine Augen ruhten bei den übrigen Männern.

Eine der vier Wachen der Haupttüre löste sich nach einer gemeinsamen Vereinbarung und ersetzte seinen Kameraden, der in der Gasse verschwunden war. Dadurch wurde der Ablauf der Patrouille um die Vorratskammer wiederhergestellt.

Sigismund beobachtete mehrere Runden der Soldaten, versuchte die benötigte Zeit der Umrundungen einzuschätzen. Und dann erkannte er sie: Die Lücke und die dadurch ungesehenen Momente.

Es wird alles andere als einfach werden, doch es könnte klappen …

Mehrere Minuten vergingen, die Patrouillen drehten ihre Runden weiter und der Hunger von Sigismund machte sich bemerkbar. Lange wollte und konnte er nicht mehr ausharren. Er überlegte und sein Knurren im Magen gab ihm den Entscheidungsschluss: Er würde den Einbruch in die Kammer riskieren, wohlwissend, dass bei Versagen beide Hände als Bestrafung abgehackt werden könnten.

Doch sein Hunger und auch seine Fürsorge für Ella und seinen Vater gaben ihm das Gefühl, das Risiko eingehen zu müssen. Der ungerechten Versorgung des ganzen Hüttenviertels musste ein Ende gemacht werden. Ein erfolgreicher Einbruch in die Vorratskammer, das würde in die Geschichte der Stadt eingehen.

Die Vorstellung, volle Regale mit Nahrungsmittel gefüllt zu sehen, machte ihn so hungrig und durstig, dass er unbemerkt zu sabbern anfing.

Mit voller Zuversicht, einem Ziehen in der Magengrube und dem Kribbeln im ganzen Körper, entfernte sich Sigi von den übelriechenden Kisten, unterlief die Schatten der Fachwerkhäuser und tapste in die Lichterlücken, bis er sich zwischen zwei Häuser quetschte, die durch den versetzten Abstand zueinander einen toten Winkel bildeten.

Er war nahe neben der Vorratskammer, das Adrenalin schoss durch seine Arme, Beine und Füsse, er war nervös und er wusste es ganz genau. Nur mit Mühe konnte er seinen Atem ruhig halten.

Scharfsinnig beobachtete Sigismund, wie einer der Soldaten an ihm vorbeilief und Sigis Präsenz nicht spürte. Noch bevor er beschloss zu zögern, fällte er die Entscheidung innerhalb eines Lidschlages.

Mit zwei leichten und grossen Schritten auf Zehenspitzen, nähere sich Sigismund dem bewaffneten Mann. Waghalsig sprang er von hinten auf den Soldaten, schnürte mit seinen Armen den Hals und die Nase des Soldaten zu, liess sein Gewicht auf die Wache fallen und hielt sie mit grösster Anstrengung fest.

Der angegriffene Wachmann versuchte sich zu wehren, griff nach hinten zu Sigismund, packte dessen Arme, um sich loszureissen, zog an ihnen und nach Luft verlangte. Er strauchelte, kämpfte, bis seine Kraft schwächer wurde, sein Ziehen und Packen begann zu schwinden. Bewusstlos sank der Wächter in Sigismunds Arme, der ihn nur mit grösster Anstrengung vor dem lauten Fallen bewahren konnte.

Von sich selbst überrascht zog Sigismund den Bewusstlosen zurück zu den Kisten, bei denen er sich zuvor versteckt hatte und atmete tief durch. Durch die Dunkelheit konnte er nicht sehen, wie und wo genau der Soldat hinter den Kisten lag. Er wusste nur, dass alles ohne Probleme von statten ging und durch den Mief hier sowieso niemand schauen würde.

Angespannt durchsuchte Sigismund den am Boden liegenden Mann, wühlte in dessen Wappenrock, Gürtel und Taschen herum und beschloss neben dem breit geschmiedeten Dolch noch ein paar Kupfermünzen mitzunehmen.

Erst als der zerlumpte Junge den Dolch in seine Hand nahm, spürte er das Zittern seines Körpers. Der Dolch wackelte hin und her und Sigismund musste mit der linken Hand die rechte Hand festhalten, um sich wieder zu beruhigen.

Er betrachtete die im Dunkeln liegende Wache und überlegte, verfluchte sich für seine Gedanken, als seine hellbraunen Augen zwischen dem Dolch und der Wache hin und her blitzten.

Verdammt, verdammt, verdammt! Ich kann den Kerl nicht einfach erstechen, ich …. Scheisse! Er hat bestimmt Frau und Kinder u-und … nein, ich kann ihn nicht töten! Aber … Ich kann nicht hier stehen bleiben und nichts tun!

Sigismund dachte nach, bis er bemerkte, dass der Soldat ein schmerzvolles Stöhnen von sich gab. Unbedacht hob Sigismund seinen Fuss und trat mit voller Wucht gegen den Kopf des Aufwachenden. Immer und immer wieder, bis sein Fuss aufgrund des Blechhelmes zu schmerzen begann. Geräusche vom Boden kamen keine mehr.

Die Gedanken von Sigismund gerieten in ein komplettes Durcheinander. Dies verstärkte sich, als er erkannte, dass alle Wachposten ihre Stellung abgezogen hatten. Die Vorratskammer war unbewacht, für ihn offen zugänglich. Erst hielt er inne, stellte fest, dass er etwas Wichtiges verpasst hatte, aber erkannte nun den besten Moment, um zuzuschlagen.

Geschwind hob Sigismund zwei leere Kisten hoch und stellte sie vor eines der Fenster der Vorratskammer. Er spürte, dass er noch schwerer atmete, noch nervöser war. Sein Zwiespalt vergrösserte sich in jeder Sekunde mehr, doch für ihn war es zu spä um umzukehren. Er hatte die Sache begonnen und nun musste er sie zu Ende führen. Eine einfachere Chance würde sich ihm nicht mehr ergeben.

Hurtig schnappte er sich eine dritte Kiste, stellte diese vor den anderen Kisten hin und kletterte auf seinen Kistenturm. Tatsächlich konnte Sigismund nun das Fenster nach aussen öffnen, da der Riegel nicht korrekt verschlossen war. Er legte seine ganze Kraft in den Sprung, griff nach den Kanten des Fensterrahmens und zog sich mit den Füssen an der Wand abstossend hoch. Sobald der Rahmen unter seinem Bauch war, verlor Sigismund seinen Halt und warf sich instinktiv nach vorne, wodurch er unkontrolliert in die Vorratskammer fiel.

Die Wucht der Landung schlug ihm die Luft aus der Lunge und er brauchte einige Sekunden, bis er in ganz kleinen Atemzügen wieder schnaufen konnte. Für einige Momente lag Sigismund auf dem Boden, sein ganzer Körper fühlte sich an, als würde er vor Anspannung und Schmerzen zerfetzt werden. Genau wie damals, als er vor Wochen mit dem Stehlen von Broten des Bäckers Elton angefangen hatte.

Leise stöhnend erhob sich Sigi, drückte sich mit den Armen vom Boden ab und betrachtete den Innenraum der dunklen Vorratskammer. Durch das minimale Licht der Fenster konnte Sigismund nur Schatten und Konturen erkennen, seine Nase hingegen teilte ihm mit, dass weitaus Interessanteres verborgen lag. Die Gerüche gefielen ihm, doch sie waren anders als in seiner Vorstellung.

Mit Vorsicht machte er kleine Schritte, streckte die Hände aus, um irgendwelche Gegenstände zu ertasten und bald spürte er, dass er zwischen zwei Regalen stand.

Behutsam spitzelte er nach vorne, ließ seine Hände über die hölzernen Möbel streichen, ertastete verschiedene Säcke und sogar einzelne Fässer. Gerade als er weiterlaufen wollte, merkte er, dass an einem anderen Fenster etwas über den Fensterbalken huschte, auf dem Boden landete und ein stumpfes Geräusch von sich gab.

Sigismund blieb direkt stehen, hielt seinen Atem an, duckte sich und wartete ab. Er fixierte seinen Blick auf das Fenster, vor welchem er etwas gesehen hatte und erschauderte, als eine tiefe, kratzende, männliche Stimme zu sprechen begann.

«Sieh an, sieh an … Ich bin wohl nicht der Einzige, der etwas von dieser Kammer mitnehmen möchte, hm? Komm heraus, ich weiss, dass du dich zwischen den Regalen versteckt hast. Hab’ dich beobachtet wie du dich der Wache entledigt und ziemlich miserabel über das Fenster geklettert bist. Glaub mir, wenn ich wollte, könnte ich dich gerade in ziemlich heftige Schwierigkeiten bringen.»

Sigismund schwieg, verspürte nur noch Angst und Überforderung. Noch nie hatte er solche Angst wie jetzt, die Angst vor dem Ungewissen. Dann vernahm er, wie die Riegel der Türe klapperten und sich der Torbogen öffnete.

Drei Gestalten standen vor der Türe, allesamt bedeckt mit Mänteln, Kapuzen und vor allem Gesichtstüchern, was Sigismund aber nicht genau erkennen konnte, als er durch einen kleinen Spalt hindurchschaute.

«Komm heraus, es bringt nichts dich zu verstecken», sprach die dunkle Stimme erneut und Sigismund hörte, wie polternde Schritte auf ihn zu kamen und sich eine verhüllte Person vor ihm zeigte. Sie war gekleidet wie die anderen an dem Eingang und Sigismund war sich nun sicher; die Lage war aussichtslos.

Als Sigismund durch das einfallende Licht die eisernen und glänzenden Dolchscheiden erkannte, wusste er, dass er hier keine falsche Aktion machen durfte, sollte er auch nur den Hauch einer Chance haben zu fliehen. Er erhob sich und lieferte sich freiwillig der Gestalt aus.

«Was machst du hier, Jüngling? Blöde Frage, das Gleiche was wir tun, liege ich richtig?», fragte ihn die Stimme scharf.

Sigismund selbst verschlug es die Sprache, er konnte bis auf ein paar einzelne Buchstaben keine Wörter rausbringen, das Zittern seines Körpers half ihm dabei nicht weiter.

«Pass auf, wir-»

«Alle Mann, zu mir! Diebe in der Vorratskammer!» ertönte eine fremdartige Stimme ausserhalb der Kammer, gefolgt von dem Klang klirrender Ketten.

Der Mann vor Sigismund zog sofort seinen Dolch, während die anderen drei verhüllten Männer das Tor von innen verbarrikadierten, gefolgt von einem Ton, welcher Sigismund noch nie hörte: Es ballerte, wie wenn etwas aufplatzte. Er musste sich die Ohren zu halten.

«Also Leute, wir haben keine Zeit. Schnappt euch je einen Sack, werft ihn über das hintere Fenster und danach fliehen wir! Keine Tote, ausser ihr habt keine Wahl, vergesst das nicht!», befahl die schwarze Gestalt.

Sigismund war vollkommen überfordert und beobachtete passiv, wie die anderen, inzwischen mit kleinen Fackeln erhellt, je einen Sack aus den Regalen zogen und dieses über das hintere Fenster warfen.

Was Sigismund in diesem kurzen Augenblick am meisten erstaunte, als das Innere des Gebäudes ausgestrahlt war: Über die Hälfte der Regale stand leer. Keine Säcke, keine Heuballen, kein Mehl, keine Fässer. Nur ein kleiner Teil der Kammer war gefüllt mit ein wenig Kartoffeln, Fässern, Kisten und Säcken.

«Hey, Junge! Beweg deinen scheiss Arsch hier her! Du kommst entweder mit oder du kommst in den Kerker, kapiert?!», rief die schwarze Gestalt, welche in schwarzer Ledermontur gekleidet auf das hinterste Fenster kletterte, als sei dies für ihn das Normalste der Welt und setzte sich auf den Rahmen.

Ohne zu überlegen tat Sigismund das, was der Mann von ihm verlangte. Er nahm Anlauf, sprang mit den Füssen an der Wand ab, um hoch zu gelangen und versuchte mit seinen Händen den Fensterrahmen zu greifen. Er konnte den Rahmen packen, doch ihm fehlte die Kraft sich hochzuziehen, wurde aber von dem verhüllten Mann am Arm hochgezogen.

Sofort sprangen sie auf den Pflastersteinboden. Die Gestalt rollte sich beim Aufprall direkt gekonnt ab, während Sigismund beim Aufprall umfiel wie ein Sack, der gerade gestohlen wurde. Den dumpfen Schmerz ignorierte er, auch wenn er gerne aufgeschrien hätte.

Ruckartig erhob er sich, packte einen herumliegenden Sack und lief der schwarzen Gestalt nach. Die herausgefallenen Brote liess er liegen. Ihm folgten die anderen drei Gestalten, die offensichtlich zu dem Mann gehörten, dem Sigismund hinterherrannte.

Zu fünft rannten sie durch dunkle Gassen, umgeben von den Bürgerhäusern, die nur teilweise erhellt waren. Oft wurden kleine Kügelchen geworfen, die laut zerbarsten und eine dichte Rauchwolke folgte.

Sigismund war verwundert, dass er noch nicht gestolpert war, als sie gefühlt hinter jeder nächsten Ecke abbogen, bis sie durch eine kleine Seitentüre in ein grosses Haus hineintraten und sie ohne zögern schlossen.

Der Raum, in welchem sich Sigismund voller Erschöpfung wiederfand, war dunkel, eng und stickig.

Er nutzte die Zeit um eine kleine Verschnaufpause einzulegen. Hinter ihm kamen auch die anderen drei Personen hervor, ebenfalls ein wenig ausser Atem.

«Beeilung», befahl der grosse Mann mit Kapuze und der tiefen Stimme und drückte einen Stein in der Mauer ein, wodurch sich am Boden etwas bewegte und sich eine Luke offenbarte. Sigismund hatte keine Ahnung wie solch ein Mechanismus funktionierte, was ihn aber nicht störte, da alle sofort in die Öffnung runterliefen.

Vor ihm erschien eine steinerne Wendeltreppe, beleuchtet von einer Fackel, welche am Anfang der Treppe brannte. Er wusste nicht, wohin ihn dieser Weg führen würde, doch ihm war dies immer noch lieber, als in den Kerker zu wandern wegen Diebstahl und eine Hand zu verlieren.

Zusammen liefen sie die Treppe runter, bis sich der Mechanismus wieder in Bewegung setzte und die Luke sich zu schliessen begann. Erleichtert fühlte sich Sigismund in vorübergehender Sicherheit.

«Also Jüngling», sprach die tiefe Stimme im schwarzen Umhang zu Sigismund, ohne sich umzudrehen, «du befindest dich gerade in einer ziemlich beschissenen Lage. Du hast gerade die Vorratskammer von Koliat bestohlen und hast nicht einmal einen Plan gehabt, wie du das anstellen willst. Zudem hast du dich in die Interessen unserer Gilde eingemischt, was dir nicht gerade zugutekommt und wir noch dazu deinen kleinen, jungen Arsch retten mussten.»

Sigismund schwieg. Normalerweise hätte er gerne Protest erhoben, hätte dem Typen die Meinung gesagt, doch er wusste, dass dies sein Todesurteil gewesen wäre und etwas anderes konnte er nicht von sich behaupten. Daher stand Sigismund still vor dem grossen, dunklen Mann. Das Sicherheitsgefühl wich sofort.

Die enge Wendeltreppe wurde nur von einer leicht brennenden Fackel erhellt und Sigismund konnte aufgrund der vielen Schatten, den Kapuzen und den Halstüchern vor dem Gesicht keine genauen Gesichter erkennen. Ihm fuhr ein tiefer Schauer über den Rücken, Nackenhaare richteten sich auf, er verfluchte sich für seinen Einfall.

Wäre ich doch nur Zuhause geblieben … Ich Narr! Ella hatte Recht, verdammt, es tut mir so leid Schwester!

Wie versteinert blickte Sigismund die grosse, finstere und vermummte Gestalt vor sich an.

«Schweigsam bist du auch, was?», entfiel es dem anscheinenden Führer dieser Kleingruppe.

«Wie denn sonst auch, der Knirps ist völlig geschockt und überfordert!», meinte einer der Männer hinter Sigismund, lief von hinten an ihm vorbei und drängte sich an dem Jungen vorbei. Die anderen zwei taten das Gleiche.

Zu viert standen sie vor Sigismund und dem Jungen kamen Gedanken, an die er nicht denken wollte. Es überkam ihm die Todesangst, er konnte die ganze Situation nicht einschätzen, er wollte einfach nur diesen Ort verlassen und einfach alles vergessen, was bisher passiert war.

«Da du bereits hier bist, nehme ich dich mit zu unserem Führer der Gilde, der soll entscheiden was mit dir passiert. Ich habe keine Lust, dass ich einen Unschuldigen umbringe, obwohl du selber schuld bist. Hat schlechte Auswirkungen auf das Glück, so heisst es. Wenn es nach mir ginge, würden wir dich direkt ausliefern und Lösegeld kassieren, doch ich kann schlecht einem so jungen Kerl wie dir eine Hand abhacken lassen», meinte der grosse vermummte Mann, der Sigismund scharf betrachtete. «Du hast bereits zu viel gesehen, deswegen entschuldige ich mich nicht für das, was gleich passiert.»

Bevor Sigismund auch nur denken konnte, stürmten die drei anderen Gestalten auf ihn zu, packten ihn an den Armen und hielten ihn fest. Sigismund wollte sich sofort wehren, doch die drei Männer waren eindeutig zu stark für ihn und als er schreien wollte, hielt man ihm den Mund zu.

Die Angst in Sigismund stieg an, als man seine Augen mit einem Tuch verband und seine Hände hinter den Rücken gefesselt wurden.

Da ertönte eine Stimme, die dicht in sein Ohr flüsterte, so dass es ihm alle Haare an seinem Körper empor aufstellte.

«Eine falsche Bewegung und du bist einen Kopf kürzer! Wir lassen dich hier verbluten bis du dein eigenes Blut spuckst, verstanden?» Sofort nickte Sigismund, spürte wie die Anspannung in seinem Körper zunahm, es überraschend heiss wurde und er anfing zu schwitzen.

Sigismund vernahm danach Schritte und spürte von hinten Druck, so dass er seine Beine ebenfalls nach vorn in Bewegung setzte, wobei er bei jedem Schritt unsicher war und er instinktiv kleinere Schritte als sonst machte.

Vorsichtig tastete er sich Stufe für Stufe hinunter. In seinen Gedanken spielten sich etliche Geschehnisse ab, was mit ihm passieren würde.

Dass ihm die Kehle aufgeschlitzt werden würde, dass er erhängt werden würde, dass er abgestochen würde und verbluten müsste, dass seine Hände abgehackt werden würden und er nichts mehr machen könne. Vor allem aber sehnte er sich nach der kleinen Hütte, nach seiner Schwester und seinem Vater. Auch wenn er die Umstände hasste, sie waren besser als das, worin er sich gerade befand.

Still ging er voran und er tat Schritt für Schritt, bei jedem so vorsichtig, dass er über nichts stolpern würde. Plötzlich hielten sie an, Sigismund vernahm das Geräusch von quietschenden Scharnieren, eine Türe öffnete sich und sie liefen weiter eine Treppe runter.

Er hörte Geräusche, vor allem Gespräche, welche abrupt beendet waren, als sie weiterliefen. Dann stoppten sie und Sigismund spürte, wie die Person hinter ihm den Druck an seinem Mund losliess und sich entfernte.

Ohne dass Sigismund es wollte, überkam ihm die Angst und er bemerkte Tränen unter den geschlossenen Augen. Es wurde eindeutig zu viel für ihn.

Schritte kamen ihm immer näher und er hatte das Gefühl, als würde ihn gleich eine Horde überrennen wollen.

Eine erneut tiefe, aber deutlich ältere Stimme ertönte.

«Was in allen Höllen soll das Schwarzfuchs?!»

«Zu meinem Bedauern», sprach Sigismunds Entführer, «verlief der Auftrag nicht ganz so wie geplant, Grund dafür ist dieser Junge hier. Hat sich hineingeschlichen, bevor wir den Überfall ausführen konnten. Scheint Talent zu besitzen, hat ‘ne Wache mit viel Geduld erledigt, bevor er sich dann hineingeschlichen hatte. An den Kletterkünsten jedoch hapert es noch …»

«Du hast ihn beobachtet?», fragte die ältere, autoritäre Stimme. «Wieso hast du nicht früher gehandelt?! Stell dir vor, ein normaler Bürger hätte dich gesehen, dann wären wir gerade in ziemlich böse Schwierigkeiten gekommen, wofür ich deinen Arsch verantwortlich gemacht hätte!»

«Nun,» kam es von dem Mann, den man wohl Schwarzfuchs nannte, «ich habe das gleiche Spiel wie er gespielt. Ich habe ihn gesehen, wie er sich hinter den Kisten und Fässern in der Gosse versteckt hatte und hervorguckte, als würde man ihn nicht sehen. Ich habe geahnt, dass er nicht zu den Wachen gehen wird, weil er selbst Pläne besass, die ihn in Schwierigkeiten gebracht hätten, ansonsten hätte er sich nicht versteckt.»

Daraufhin ertönte wieder die Stimme des älteren Mannes.

«Vielleicht war dieses Mal deine Einschätzung korrekt, doch verlass dich nicht darauf, du weisst wie viele sich damit in Schwierigkeiten gebracht haben und wie viele dann gehängt wurden oder eine Hand verloren haben. Und nun Schwarzfuchs, erkläre mir, was wir mit dem Burschen anstellen sollen. Er hat gesehen, wie ihr eingebrochen seid, was ihr getan habt. Er trägt sogar einen der Säcke bei sich!»

Der Schwarzfuchs benötigte einen Moment, bevor er die Situation schildern konnte. «Im Grunde wurden wir erwischt, die Wachen der Ablenkung kamen schneller zurück als geplant und wir mussten improvisieren. Ich weiss noch nicht genau was da passiert ist, aber jedenfalls habe ich dem Jungen geraten, genau das zu tun, was ich ihm sage und wir sind geflüchtet. Er schnappte sich einen der Säcke und rannte uns hinterher. Und hier sind wir, die Stadtwachen haben uns nicht verfolgen können, unsere Rauchkugeln haben für gehörige Ablenkung gesorgt.»

«Dann weiss er von dem Seiteneingang», stellte die ältere Stimme fest.

Sigismund hörte, wie eine Person anfing sich am Bart zu kratzen und auf und ab zu gehen. Sein Magen drehte sich andauernd und es kribbelte im ganzen Körper.

Danach sprach der Schwarzfuchs weiter. «Was sollen wir deiner Ansicht nach tun? Ich habe ihn nicht zurückgelassen, da er vielleicht noch brauchbar sein kann. Talent und Übung scheint er zumindest zu besitzen, doch das müsste erst erprobt werden. Und ich glaube, der Junge scheisst sich gerade mehr von uns ein, als vor dem Gesetz.»

«Ihr hättet ihn auf alle Fälle zurücklassen können, Schwarzfuchs. Der Bengel hat sich in unsere Angelegenheiten eingemischt und sollte selbst dafür verantwortlich sein und die Konsequenzen tragen. In meinen Augen habt ihr einen gewaltigen Fehler gemacht.»

Es ertönten Zustimmungen von anderen Anwesenden, die Sigismund zuvor noch nicht gehört hatte, was für ihn kein gutes Zeichen bedeutete.

«Er ist noch ein Junge, sieht zwar aus, als hätte er das gesetzliche Alter von fünfzehn Jahren bereits erreicht, doch im Geist ist er immer noch ein Bengel, ein Jungtier, Frischfleisch für die Grossen. Du hättest ihn echt nicht herbringen müssen und ich verlange, dass der Junge nachher von dir umgebracht wird, Schwarzfuchs.»

Auf dieses Kommando hin ergriff Sigismund schnell und ohne zu warten das Wort. «Ich brauchte doch nur Essen für meine Familie!», brach es aus Sigismund hervor, bevor er einen Tritt gegen die Kniekehle von hinten bekam und auf den Boden sank.

«Du schweigst!», wies ihn der Mann hinter ihm zurecht.

«Lass ihn ausreden», zog die ältere Stimme den Befehl zurück und schenkte seine Aufmerksamkeit dem Jungen.

Sigismund nutzte die Erlaubnis. «Ich lebe im Hüttenviertel von Koliat und bin umgeben von Scheisse, Pisse und Seuchen! Wir kriegen nur sehr wenig zu essen, da gehört das Stehlen zum Alltag! Doch bitte, ich wollte mich nicht in eure Angelegenheit einmischen! Ich wusste nicht einmal, dass es diese … Gilde hier gibt, die vorher genannt wurde!»

Demütig legte Sigismund sein Haupt auf den Boden.

«Ich will einfach leben und das Leben meiner Familie erhalten! Bitte, lasst mich gehen! Ich schwöre es bei meinem Leben und dem Grab meiner verstorbenen Mutter, dass ich keinem von dem hier erzählen werde! Keiner soll es aus meinem Mund erfahren oder ich soll dafür geächtet und geschändet werden!»

Ein Raunen durchzog den Raum. Am liebsten hätte Sigismund die Gesichter gesehen, die vor ihm standen, doch durch die Augenbinde drang nicht der kleinste Lichtschimmer, was ihm noch mehr Angst machte, als er ohnehin besass.

«Ein Recht auf Leben wollen viele, Wicht», kam es von der tiefen, autoritären Stimme. «Es wäre schön, wenn es dieses Recht geben würde, doch das hier ist kein Bankett, wo man sich die feinsten Delikatessen rauspicken kann, das hier ist das echte Leben. Und du hast mit deinem Leben gespielt und bist nun in heftige Schwierigkeiten geraten. Was denkst du, wie viele würden aus der Vorratskammer nehmen, um sich selbst und die Familien zu versorgen? Was denkst du warum wir uns die Vorräte beschaffen? Aus dem gleichen Grund wie du. Denk nicht, dass du irgendein Sonderprivileg bekommst, nur weil du deine Familie umsorgen willst. So wie ich das sehe, hast du versucht zu spielen und dabei gehörig verloren.»

Sigismund entwich ein Schluchzen, bevor er weitersprach.

«Habt ihr überhaupt eine Ahnung wie es ist, in diesem versifften Viertel zu leben?! Jeden Tag den Geruch von Ausscheidungen in der Nase zu haben, kein Geld zu besitzen, um sich nicht einmal mehr Brot zu kaufen oder anständige Kleider? Seht meine verlumpten Stoffe doch an! Ihr an meiner Stelle hättet genauso gehandelt, das weiss ich!»

Aus dem älteren Herrn entkam ein nachdenkliches Seufzen, wie als wäre es eine Überraschung.

«Dann erzähl mal du Rotznase, wie es ist, in diesem Viertel zu hausen», forderte der ältere Mann.

Sigismund schöpfte Hoffnung damit irgendwas zu bewirken, wusste aber nicht, wo er anfangen sollte, die Überraschung dieser Aufgabe war zu gross. «N-Nun … Wie bereits erwähnt sind Pisse, Scheisse, Seuchen und Dreck an der Tagesordnung. Wir besitzen eine kleine Hütte, eher eine Grubenhütte, es ist nur ein Holz- und Strohdach mit wenig Raum. Ratten sind somit unsere eigenen Haustiere, wie ich es nenne. Unsere Kleider sind zerrissen, Mütter müssen teilweise ihre Neugeborenen mit ihren eigenen Kleidern umwickeln, damit diese überhaupt einen Schutz haben. Der Krieg zwischen Koliat und Rilat ist da vor allem verantwortlich. Er-»

«Uns ist der Krieg zwischen den beiden Königreichen bekannt Junge, das interessiert mich nicht», unterbrach ihn der ältere Mann, «Ich will wissen, wie es ist dort zu leben, keine Geschichtsstunde. Dafür kann ich einen Magistrat oder einen Gelehrten fragen.»

Der Tonfall des Mannes schien eher genervt als interessiert auszufallen, weswegen Sigismund erst wieder seine Gedanken sortieren musste, bevor er weitersprach.

«Durch diesen Krieg jedenfalls mussten ich und meine Familie unser Zuhause aufgeben, unser Feld, unseren Hof, unsere Tiere. Wir gammeln nun seit mehreren Jahren in diesem Siffloch, was man auch das Hüttenviertel nennt … Bitte! Ich wollte mich nicht einmischen und …»

«Ich habe genug gehört», unterbrach ihn die Stimme des Mannes. «Ich weiss wie die Lage in dem Viertel ist, habe sie selbst gesehen. Und so wie du aussiehst, bestätigt es deine Beschreibung, Spross.»

Sigismund war verwirrt, er hatte mit einer anderen Aussage gerechnet.

«D- Das heisst? Was werdet ihr mit mir tun? Bitte nicht die Hand abhacken lassen oder Schlimmeres!»

«Dir wird vorübergehend nichts abgehackt, Junge, und nun hör auf zu jammern! Ansonsten schmeisse ich dich zu den Reisshunden!», befahl die tiefe Stimme und Sigismund stoppte reflexartig mit dem Schluchzen und hörte zu.

«Du hast ein Talent zum Reden, musst aber daran arbeiten. Schwarzfuchs hat Recht, du hast Potential für mehr, bist aber noch viel zu jung, zu unerfahren, zu grün und vor allem viel zu unreif», kam es niederhagelnd auf Sigismund, doch dies war ihm egal, solange er heil aus der Situation kommen konnte. Er würde sich demütigen lassen, solange er unversehrt bliebe.

«Hör mir jetzt genau zu: Leute, die Potential haben, können wir hier immer brauchen. Da du wohl ein geschicktes Talent zu besitzen scheinst und deine Hinrichtung wohl vielleicht verschoben hast, lasse ich dich erst einmal einsperren, bis ich mich entschieden habe.»

Noch bevor Sigismund seine Stimme erheben konnte, drosch ein gewaltiger Schlag auf seinen Nacken ein und er jegliches Gefühl über seine Beine verlor und er in Sekunden zu Boden krachte.

Kontinent Cenratel, Königreich Koliat, Hauptstadt Koliat

Julim 102 nach Erias Schiebung

Weit abseits der Gossen innerhalb der Stadt fand im grossen und prächtigen Bergfried Koliats ein hoheitliches Gespräch statt.

«Nun, werter Herr König, wie steht die Zusammenkunft zwischen Koliat und Rilat? König Welmet hat grosse Ansprüche an Euch König Regis.»

König Hirald Regis, derzeitiger König von Koliat, sass auf seinem Thron in einem mit Gemälden und Schmuckstücken verzierten Zimmer. Der Raum wurde durch dutzende Kerzen erhellt, welche die wertvollen Materialen zum Glitzern brachten.

«Tatsächlich, das hat er. Doch wisset, Herzog Driklan, dass König Welmet mir so schnell keine Ansprüche stellen kann, ohne selbst etwas dafür anbieten zu können. Ich spreche dabei von seinen Gütern, insbesondere der vorzügliche Wein und die grosse Menge an Eisenerz. Der Wein ist selbstverständlich für uns vorbehalten, doch mit dem Eisenerz können wir einen guten Handel mit den Inseln der Drillinge machen. Die haben selbst Probleme miteinander und sind daher um jede Hilfe froh, die sie kriegen können. Zudem können wir so unsere Waffen zur Selbstverteidigung erweitern.»

«Eine ausgezeichnete Idee mein König. Bis zu welchem Tag müssen die Ansprüche geklärt werden?»

König Regis zögert einen Moment und schaute Herr Driklan mit seinen braunen Augen an. «König Welmet will bis Ende Monat die Ansprüche geklärt haben, danach soll verhandelt werden. Ich nehme mich seinen Ansprüchen morgen an, danach schicke ich einen Boten, welcher ein paar Tage Zeit hat die Botschaft nach Rilat zu überbringen. Wenn König Welmet sich einverstanden erklärt, können die Verhandlungen früher beginnen, doch ich rechne mit Anpassungen und neuen Vereinbarungen, die getroffen werden müssen.»

Georg Driklan schüttelte den Kopf und nahm sich einen Schluck Wein aus einem verzierten Trinkglas. In seinem rot-weiss karrierten Seidenmantel erhob sich der Herzog und sprach weiter zu seinem König.