Challenge Ironman - Frank-Martin Belz - E-Book

Challenge Ironman E-Book

Frank-Martin Belz

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Beschreibung

Was fasziniert am Ironman? Warum absolvieren Sportler einen Triathlon über 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42,2 km Laufen - und nehmen dafür jahrelanges Training in Kauf? Wieso stellen sich immer mehr Menschen dieser extremen sportlichen Herausforderung? Und worin besteht der tiefere Sinn? Frank-Martin Belz, Professor an der TU München und selbst mehrfacher Ironman-Finisher, begab sich systematisch auf die Suche nach dem Sinn dieses Sports, in dem Freud und Leid so nah beieinander liegen wie in wenigen Sportarten. Er beschäftigt sich mit der Bedeutung, die Athleten einer Sportart beimessen, die häufig mit außergewöhnlichen körperlichen Leistungen verbunden ist. Er zeigt aber auch das Schöne und Sinnliche, das Triathleten mit dem Ironman verbinden – was jedoch häufig im Verborgenen bleibt. Das Buch richtet sich an alle, die ihren Sport mit Begeisterung betreiben und einen tieferen (Lebens-) Sinn in ihm sehen. Sowie an all diejenigen, die schon mal mit dem Gedanken gespielt haben, selbst einen Ironman zu absolvieren – dies jedoch bislang nicht gewagt haben. Es gibt darüber hinaus jenen Lesern Antworten, die mit einer gewissen Bewunderung, doch letzten Endes verständnislos den Kopf schüttelnd fragen: Warum machen die das bloß? „Challenge Ironman: Auf der Suche nach Sinn" zeigt, wie facettenreich Triathlon jenseits von Wettkampf-Trubel und Finish Line ist. Emotionale Athletenberichte ermöglichen einen intensiven Blick hinter die Kulissen dieses faszinierenden Ausdauersports und zeigen eindrucksvoll, wie der Ironman Leben verändern kann.

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Challenge Ironman

Auf der Suche nach Sinn

Frank-Martin Belz

Impressum

Umschlaggestaltung und Satz: Röser MEDIA GmbH & Co. KG, Karlsruhe

Umschlagfotos: Cover oben: ©REUTERS-stock.adobe.com: Hugh Gentry,

Cover unten: Ingo Kutsche

Porträtfoto: Attila Schlüter

Rückseite: PeopleImages / istockphoto.com

Redaktion / Lektorat: Brigitte Caspary, Rebekka Pfeiffer

2. Auflage November 2021

© Sportwelt Verlag

[email protected]

www.sportwelt-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten, einschließlich derjenigen des auszugsweisen Abdrucks sowie der photomechanischen und elektronischen Wiedergabe.

Autor, Herausgeber und die zitierten Quellen haften nicht für etwaige Schäden, die aufgrund der Umsetzung ihrer Gedanken und Ideen entstehen.

„IRONMAN“ ist eine Marke der World Triathlon Corporation („WTC“) und darf nur für die Veranstaltungen und Produkte der WTC verwendet werden. Weder der Autor noch der Herausgeber sind mit der WTC verbunden, und die WTC ist nicht für den Inhalt dieses Buches verantwortlich.

ISBN 978-3-941297-49-4

ISBN (eBook) 978-3-941297-50-0

Weitere Titel im Internet unter: www.sportwelt-verlag.de

Für alle Ironman und solche, die es werden wollen

INHALT

Cover

Titel

Impressum

VORWORT

KAPITEL 1: IRONMAN ALS GLOBALER STAMM

Mythos

Marke

Menschen

KAPITEL 2: SELBSTWERTGEFÜHL

Schaffens- und Lebenskrise

Lokführer statt Passagier

Dominanz und Missbrauch

KAPITEL 3: ANERKENNUNG

Anerkennung im Laufe der Zeit

Anerkennung durch Leistung

Anerkennung als Profi-Triathletin und Mutter

Anerkennung als Vorbild

Anerkennung und Ermutigung durch Soziale Medien

KAPITEL 4: SELBSTOPTIMIERUNG

Stoa und Smartwatches

Selbstoptimierung 1.0

Selbstoptimierung 2.0

KAPITEL 5: KÖRPER

Vermessung der Welt

Unplugged

Körpererleben

Körpergrenzen

Körper und Geist

Körperformung

Körperparadoxie

KAPITEL 6: NATUR

Toskana von Darmstadt

Stilfser Joch und Murmeltiere

Jenseits von Stahl und Beton

Wiederentdeckung der Natur

Wolkenbruch in den Voralpen

Mensch als Naturwesen

KAPITEL 7: REISEN

Trainingslager auf Lanzarote

Verlobung in Südafrika

Sabbatical in Neuseeland

Lust und Last des Reisens

KAPITEL 8: FREUNDE

Freund, Mentor und Trainer

Deutsch-Schweizer Freundschaft

Lebenswandel und neue Freunde

KAPITEL 9: GRUPPENZUGEHÖRIGKEIT

„Ohana“: Große Ironman-Familie

Gruppe der leistungsorientierten Ironman

Gruppe der lebensstilorientierten Ironman

Gruppe der Ultratriathleten

KAPITEL 10: ERFÜLLTES LEBEN

Anything is possible

Offenheit für Neues

Endlich mehr Sport

Ageless Adventures

SCHLUSSWORT

DANKSAGUNG

ANHANG

VORWORT

„Das Leben ist kein Sprint, sondern ein Ironman.“

Im Jahr 1998 traf ich meine finnische Kollegin Minna auf einer wissenschaftlichen Konferenz in Rom. Wir vereinbarten, nach den Vorträgen gemeinsam die berühmten Decken- und Wandmalereien von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle zu besichtigen. Das gab uns Zeit und Muße, nicht nur über Berufliches, sondern auch Privates zu sprechen. Sie erzählte mir von ihrer Arbeit und der Trennung von ihrem damaligen Ehemann. Ich berichtete ihr von den Schwierigkeiten mit meiner Habilitationsschrift, von den Selbstzweifeln, für eine wissenschaftliche Karriere geeignet zu sein, von der unglücklichen Beziehung mit einer Schweizerin, dem emotionalen Auf und Ab, und davon, dass ich mich zu einem Ironman angemeldet hatte. Damals wog ich fast 80 Kilogramm, war somit leicht übergewichtig und wusste selbst nicht so genau, warum ich mich für den Triathlon über die Langdistanz entschieden hatte. Es schien mir eine interessante sportliche Herausforderung zu sein, die mich reizte. Minna gab mir als einfühlsame Frau jedoch prompt eine plausible, psychologische Erklärung dafür: Es ginge mir ihrer Meinung nach weniger um das Sportliche, sondern mehr um mich und mein Selbstwertgefühl. Offenbar versuche ich mit dem Ironman, mich wie Münchhausen am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Erstaunt blickte ich sie an, denn es war, als hätte eine Therapeutin zu mir gesprochen. Diese Erklärung leuchtete mir sofort ein und gab dem Unterfangen plötzlich einen viel tieferen Sinn. Die Vorbereitung auf den Ironman war nicht nur eine äußere Reise, die meine Pfunde schwinden ließ, sondern auch eine innere Reise zu mir selbst. Das Finish meines ersten Ironman 1999 in der Schweiz machte mich zu dem, der ich heute bin.

Seitdem absolvierte ich 23 Ironman-Rennen in den verschiedensten Ländern auf vier Kontinenten. Wenn ich von Ironman rede, dann meine ich damit alle Triathlons über die Langdistanz von 3,8 Kilometern Schwimmen, 180 Kilometern Radfahren und 42,2 Kilometern Laufen. Manche meiner Rennen fanden bei strömendem Regen und Kälte um die vier Grad Celsius statt, andere bei Sonne und Hitze um die 40 Grad. Trotz der äußeren Umstände und der inneren Kämpfe kam ich bei allen ins Ziel, worauf ich sehr stolz bin. Ich habe festgestellt, dass die Kontinuität im Training und der eiserne Wille, etwas zu Ende zu führen, was man einmal begonnen hat, meinem Wesen und meinen Überzeugungen zutiefst entsprechen. Das Leben ist kein Sprint, sondern ein Ironman.

Im Laufe der Jahre kamen neben dem Selbstwertgefühl andere, neue Aspekte hinzu, die ich mit dem Triathlon-Training und den jährlichen Rennen verband und die zunehmend in den Vordergrund rückten: Es waren der Drang, mich selbst zu verbessern, die eigenen Leistungsgrenzen weiter hinauszuschieben, die damit verbundenen Körperwahrnehmungen und Naturerfahrungen, die ich vorher nie in dem Ausmaß gemacht hatte, einmalige Reisen, die mich bis ans andere Ende der Welt führten, und tiefe Freundschaften, die mich mit manchen Menschen noch heute verbinden. Vor dem Schreiben dieses Buches waren mir die vielen verschiedenen Aspekte jedoch noch nicht in dieser Klarheit bewusst.

Die Suche nach dem tieferen Sinn des Ironman begann bereits vor einigen Jahren. Nachdem mit meinem Finish beim Ironman Hawaii 2016 ein lang gehegter Traum in Erfüllung gegangen war, erklärte ich im Familien- und Freundeskreis meinen Rücktritt vom Wettkampfsport. „Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist“, heißt es im Volksmund. Ich hatte mir vorgenommen, mich neben dem Ausdauersport vermehrt anderen Dingen zu widmen. Mit der Zeit stellte ich jedoch verwundert fest, dass mir etwas fehlte. Ich spürte, dass der Triathlon für mich mehr war als ein sportlicher Ausgleich zum Beruf. Er ist ein Teil meiner Identität geworden. So startete ich drei Jahre nach meinem Rücktritt erneut bei einem Ironman – und fühlte mich, als sei ich endlich wieder heimgekommen. Seither trainiere ich unter Anleitung eines Coaches und bin – trotz fortgeschrittenen Alters – so fit wie seit zehn Jahren nicht mehr.

Warum begleitet mich der Ironman weiter im Leben? Was fasziniert mich an ihm? Worin besteht der tiefere Sinn für mich? Diese Fragen beschäftigten mich und gingen mir lange Zeit im Kopf herum. Am Anfang wollte ich sie einzig für mich selbst klären und einen kleinen Reflexionsaufsatz dazu schreiben – so, wie ich es mit meinen Erlebnisberichten der Ironman-Rennen gemacht hatte, die stets großen Anklang bei Familie, Freunden und Bekannten fanden. Doch dann kam COVID-19 und damit eine Zäsur, nicht nur für die gesamte Gesellschaft, sondern auch für die Welt des Sports. Ich war im März 2020 mit Triathlon-Freunden in einem Trainingslager auf Mallorca, als ich den ersten Lockdown erlebte. Wir waren von heute auf morgen angewiesen, in unserem Apartment zu bleiben und mussten gezwungenermaßen Ruhetage einlegen, anstatt unsere Königsetappe mit dem Rad von Alcúdia über das Kloster Lluc zur Bucht von Sa Calobra zu fahren. Jan Frodeno, Triathlon-Olympiasieger 2008 und dreifacher Ironman Hawaii Champion, veröffentlichte in diesem Zeitraum ein Foto auf Instagram, das ihn beim Laufen in einem dunklen Tunnel zeigt, an dessen Ende Licht zu sehen ist. „Chasing the light at the end of the tunnel. Only when it is taken away … you realise the true value and freedom of a run in the great outdoors”, schrieb er in seinem Post. Geprägt von den Eindrücken des Lockdowns, der die Bewegungsfreiheit erheblich einschränkte und in Spanien, Italien und Frankreich einer Ausgangssperre gleichkam, hob Jan Frodeno den Wert eines Laufes in der freien Natur hervor. Vieles lernt man erst zu schätzen, wenn man es nicht mehr hat.

Als klar wurde, dass fast alle Wettkämpfe im Jahr 2020 ausfallen würden, stellten sich viele Triathleten die Frage nach dem Sinn ihres Trainings. Manche hörten aufgrund der Umstände sogar ganz mit dem Triathlon auf, doch die meisten begaben sich auf die Suche. Neben gegenseitigen Ermunterungen und Durchhalteparolen fanden sich in den sozialen Medien viele Beiträge von Triathleten, in denen sie über ihr Training und die damit verbundenen Naturerlebnisse berichteten. Das inspirierte mich, und nach und nach wurde aus meinem kleinen geplanten Reflexionsaufsatz ein größeres Projekt, das sich nicht nur mit meinen eigenen Gedanken und Gefühlen beschäftigte, sondern mit denen vieler Triathleten, die zur großen Ironman-Familie gehören. Als Wissenschaftler, der es gewohnt ist, mit qualitativen Methoden zu arbeiten, fing ich an, mich systematischer auf die Suche nach dem Sinn eines Ironman zu begeben. Ich verfolgte Posts in sozialen Medien, las Blogs, Bücher und Triathlon-Magazine, die ich gezielt im Hinblick auf Fragestellungen zu Sinn und Bedeutung auswertete. Darüber hinaus führte ich zahlreiche Interviews mit Altersklassen-Athleten und Profis wie Patrick Lange, dem zweifachen Ironman Hawaii Sieger.

Der Frage nach dem „Warum?“ nachzugehen, war mir zunächst ein inneres Bedürfnis, das sich im Laufe der Zeit zu einem größeren Projekt auf der Suche nach dem Sinn entwickelte. Mit diesem Buch möchte ich der großen Ironman-Familie, mit der ich viele schöne Erlebnisse verbinde, etwas zurückgeben. Das Buch richtet sich an drei Gruppen: Zunächst ist es für alle Menschen geschrieben, die ihren Sport, insbesondere den Langdistanz-Triathlon, mit Begeisterung betreiben und einen tieferen (Lebens-) Sinn darin sehen. Darüber hinaus richtet sich das Buch an alle, die schon mal mit dem Gedanken gespielt haben, die Herausforderung Ironman anzunehmen. Sie werden sehen, wie facettenreich dieser Sport jenseits des Wettbewerbs und der Finish Line ist. Ich hoffe, die Erlebnisse und Emotionen von anderen Athletinnen und Athleten liefern ihnen Motivation und Inspiration für diese große Herausforderung, die sie und ihr Leben verändern wird. Um jedoch keine falschen Erwartungen zu wecken, möchte ich darauf hinweisen, dass es in dem vorliegenden Buch nicht um Trainingspläne und -methoden als Vorbereitung auf den Ironman geht. Wer daran Interesse hat, den verweise ich auf die sehr guten Trainingsbücher in diesem Bereich.1

Last but not least wendet sich das Buch an diejenigen, die zwar mit einer gewissen Bewunderung, aber letzten Endes doch verständnislos den Kopf schütteln und fragen: Warum machen die das? Ich versuche, Antworten auf diese Frage zu liefern und beschäftige mich mit den Motiven und den Bedeutungen, die Sportler dem Ironman beimessen. Häufig wird der Langdistanz-Triathlon mit außergewöhnlichen körperlichen Leistungen und Schmerzen verbunden. Mit dem vorliegenden Buch möchte ich jedoch auch das Schöne und das Sinnliche dieses Sports aufzeigen, das häufig im Verborgenen bleibt.

Freising, Januar 2021

Frank-Martin Belz

1IRONMAN ALS GLOBALER STAMM

Ich war gerade auf dem Weg in die Innenstadt von Freising, als ich an einer Ampel auf ein Paar aufmerksam wurde, das Spanisch miteinander sprach. Beide trugen ein Finisher-Shirt vom Ironman Mexico. „Wie ist der Ironman auf der Insel Cozumel?“, fragte ich sie. „Ich habe mir kürzlich die Videos vom Wettkampf im Internet angeschaut und spiele auch mit dem Gedanken, dort mal zu starten.“ So kamen wir sofort ins Gespräch, und die beiden erzählten mir begeistert von dem Wettkampf. Es stellte sich heraus, dass das Ehepaar aus Südamerika gerade vom Halb-Ironman aus Slowenien kam und nun durch Europa reiste. Nach ein paar Minuten schien es, als wären wir schon seit Jahren befreundet, so gut verstanden wir uns. Dabei kannten wir noch nicht einmal unsere Namen. Als der Ehemann schließlich sagte: „Ironman ist ein globaler Stamm, der denselben Lebensstil pflegt, ähnliche Werte und Erlebnisse teilt, die auf Anhieb miteinander verbinden“, konnte ich ihm nur aus tiefstem Herzen zustimmen. Der Ursprung dieses globalen Stammes lässt sich auf eine kleine Gruppe von Sportverrückten zurückführen. Doch wie konnte daraus eine Community entstehen, die Menschen weltweit in den Bann zieht?

MYTHOS

Die offizielle Geburtsstunde des Ironman ist der 18. Februar 1978. Es ist der Tag, an dem das Rennen erstmals mit 15 Teilnehmern in Honolulu auf Hawaii stattfand. Obwohl Football, Basketball und Baseball zu den beliebtesten Sportarten in den USA gehören, gab es in den 1970er Jahren einen Trend zu Ausdauersportarten. Zurückzuführen ist dieser auf Kenneth H. Cooper, der 1968 das Buch „Aerobics“ veröffentlichte.2 Der Titel kommt von „aerobic“, einem leichten ausdauerndem Training im aeroben Bereich. Als promovierter Sportmediziner stellte Cooper in seinen wissenschaftlichen Untersuchungen fest, wie positiv sich regelmäßige Bewegung und Ausdauertraining auf die Fitness und die allgemeine Gesundheit auswirken. Diese Erkenntnis entwickelte er zu einem Fitnessprogramm mit einem einfachen Punktesystem für jedermann. Offenbar traf er damit den Nerv der Zeit. Das Buch wurde zum Bestseller. In der Originalausgabe sind auf der Titelseite die drei Ausdauersportarten Schwimmen, Radfahren und Laufen dargestellt.

Das Buch und die Aktivitäten des „Cooper Aerobics Centers“, das 1970 gegründet wurde, lösten eine Fitnesswelle in den USA aus. Der Sieg des Amerikaners Frank Shorter über die Marathonstrecke bei den Olympischen Spielen von 1972 in München gab dem Ausdauersport nochmals zusätzlich Auftrieb. Joggen wurde zum Inbegriff des sportlichen „American Way of Life“, insbesondere in den Küstenstaaten Kalifornien und Florida. In San Diego, einer Stadt im Süden Kaliforniens, wurde die Kombination von Laufen und Schwimmen besonders populär. Gelaufen wurde am Strand und geschwommen in der geschützten Bucht von San Diego. Wettbewerbe dieser Art nannten sich „Biathlon“. Es waren Jack Johnstone und Don Shanahan, die auf die Idee kamen, Radfahren zu integrieren und am 25. September 1974 den ersten „Triathlon“ zu organisieren. Dieser nannte sich „Mission Bay Triathlon“ und ging über knapp 10 Kilometer Laufen, 8 Kilometer Radfahren und circa 500 Meter Schwimmen. Insgesamt gingen 46 Teilnehmer an den Start. Da das Rennen während der Woche stattfand und erst am späten Nachmittag startete, kamen die letzten Teilnehmer erst nach Einbruch der Dunkelheit ins Ziel. Um ihnen den Weg zu weisen, wurden Autos mit Scheinwerferlicht in die Zielarena gestellt. Unter den Finishern waren auch John Collins und seine Frau Judy, die vier Jahre später den Ironman ins Leben riefen.

Dem Mythos nach geht der Ironman Hawaii auf eine Bierwette zurück.3 Im Februar 1977 saßen Athleten bei der Preisverleihung eines Staffellaufs im Garten der Primo Brauerei in Pearl City auf Hawaii zusammen. Die Teammitglieder des „Waikiki Swim Club“ und der „Mid-Pacific Road Runners“ diskutierten darüber, ob Schwimmer oder Läufer die fittesten Athleten seien. John Collins warf ein, dass es weder die Läufer noch die Schwimmer seien, sondern vielmehr die Radfahrer. Schließlich sei die höchste jemals gemessene maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit beim belgischen Radprofi Eddy Merckx festgestellt worden, der die Radszene in den 1970er Jahren dominierte und jeweils fünfmal die Tour de France und den Giro d’Italia gewonnen hatte.4 Damit goss Collins Öl ins Feuer der Diskussion. Um diese ein für alle Mal zu beenden, schlug er schließlich die Kombination von drei bestehenden Rennen auf der Insel Oahu vor: Den „Waikiki Rough Water Swim“ über 3,8 Kilometer, das „Around Oahu Bike Race“ über 185 Kilometer und den Honolulu Marathon über 42,2 Kilometer. Fünf Gesprächsteilnehmer sagten ihre Teilnahme spontan zu, einige meldeten sich als Freiwillige, um die Veranstaltung zu unterstützen. Ermutigt durch die positiven Rückmeldungen betrat John Collins die Bühne und erläuterte vor mehreren Hundert Staffelläufern das Vorhaben. Er schloss mit den Worten:

„Whoever finishes first, we’ll call him the Iron Man.“

Wer als Erster das Ziel erreicht, den nennen wir den eisernen Mann. Diese verrückte Idee, die in einer feucht-fröhlichen Bierrunde entstanden war, ließ John Collins in den Folgemonaten nicht mehr los, zumal ihn ein paar sportverrückte Athleten immer wieder an sein Versprechen erinnerten. Wie es das Schicksal so wollte, organisierten John und Judy Collins im Februar 1978 schließlich ein solches Rennen für die lokalen Ausdauerathleten. Im Vorfeld formulierte John Collins auf drei Seiten die Regeln für den „First Annual Hawaiian Iron Man Triathlon“. Um das Rennen den örtlichen Gegebenheiten anzupassen, wurde die Radstrecke um drei Meilen gekürzt. Start und Ziel waren in Honolulu, der Hauptstadt von Hawaii auf der Insel Oahu. Im Reglement hob Collins hervor, dass die Veranstaltung kein sportlicher Wettkampf im eigentlichen Sinne sei, sondern vielmehr eine persönliche Herausforderung an der Grenze des Machbaren. Auf der langen Strecke gebe es nur einige wenige Beobachter, so dass es eine Frage der Ehre sei, die Regeln einzuhalten. Jeder habe zudem für ein eigenes Begleit- und Versorgungsteam zu sorgen. Die Startgebühr betrug fünf US$. John Collins schrieb auch den Slogan für den Flyer, der in der Hauptstadt verteilt und aufgehängt wurde:

„Swim 2.4 miles! Bike 112 miles! Run 26.2 miles! Brag for the rest of your life!“

Schwimme 3,8 Kilometer, fahre 180 Kilometer Rad, laufe 42,2 Kilometer und gib für den Rest deines Lebens damit an! 15 wagemutige Männer folgten diesem Aufruf und fanden sich am 18. Februar 1978 in Hawaii ein, um ihre eigenen Grenzen auszutesten. Frauen suchte man bei der ersten Austragung des Ironman noch vergeblich, und auch Judy Collins zog ihr Vorhaben zur Teilnahme kurzfristig zurück. An der Startlinie war damals ein illustres Völkchen anzutreffen: Einer der Teilnehmer war zwar ein respektabler Radfahrer und guter Läufer, konnte aber kaum schwimmen. Ein anderer kaufte sich kurzfristig ein Rad und lernte erst am Tag vor dem Rennen, damit zu fahren. Die Ausrüstung für das Radfahren war nach den Worten des späteren Siegers „frankensteinmäßig“. Energieriegel oder Sportgetränke waren am Markt noch nicht erhältlich. Es war ein großes Abenteuer, und keiner der Athleten war sich sicher, ob und in welcher Zeit die gesamte Distanz bewältigt werden konnte. Der große Favorit für das Rennen war John Dunbar, ein Marinesoldat der amerikanischen Armee. Auch Gordon Haller, ein Sportverrückter, der sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hielt, zählte zum Kreis der Favoriten. Seine große Stärke war der Marathon mit einer persönlichen Bestzeit von 2:27 Stunden.

Nach der Wettkampfbesprechung am frühen Morgen versammelten sich die Teilnehmer zum Start am Strand von Waikkiki.5 Es war 7:19 Uhr Ortszeit, als die Sonne gerade am Himmel aufging und der Startschuss fiel. Um das Schwimmen so sicher wie möglich zu gestalten, wurde jeder Schwimmer von einem Betreuer auf dem Surfbrett begleitet. Archie Hapai kam als sehr guter Schwimmer nach 57 Minuten als Erster aus dem Wasser, gefolgt von John Dunbar, der auf dem Rad schnell die Führung übernahm. Gordon Haller wies nach dem Schwimmen einen deutlichen Rückstand von 20 Minuten auf. Eine Wechselzone gab es damals noch nicht. „Ich weiß noch, wie ich mich in der Umkleidekabine vom Hale Koa Hotel umgezogen habe“, erzählte er später. Auf dem Rad nahm Haller dann die Verfolgung auf. Mit 6:56 Stunden fuhr er den schnellsten Radsplit und machte Boden auf den führenden Dunbar gut. Der Parforceritt hinterließ jedoch seine Spuren: „Als ich vom Rad stieg, musste ich mir erst einmal eine Massage geben lassen, bevor ich loslaufen konnte“, erinnerte sich Haller. Beim Marathon spitzte sich der Zweikampf zu: Nach 27 Kilometern schloss Haller zweimal zum Führenden auf, doch wegen Krämpfen und einem Gang zur Toilette musste er ihn wieder ziehen lassen. Die Attacken verfehlten ihre Wirkung jedoch nicht: Nach Kilometer 34 kam für Dunbar der Mann mit dem Hammer. Haller überholte ihn und lief mit einer Gesamtzeit von 11:46 Stunden in der Dunkelheit über die Ziellinie. Allein auf den letzten 8 Kilometern nahm er seinem Konkurrenten über eine halbe Stunde ab. Die Begleiter von Dunbar hatten keine Verpflegung mehr – außer zwei Bier, die für die kleine Feier nach dem Rennen gedacht waren. Da ihm keine andere Wahl blieb, trank Dunbar das Bier und taumelte dem Ziel entgegen. „Er war weiß wie ein Geist“, erzählte Haller. Damit ging es ihm nicht viel besser als den anderen Teilnehmern im Feld. Von den 15 gestarteten Athleten erreichten immerhin 12 das Ziel. John Collins kam nach 17 Stunden kurz nach Mitternacht an. Harold Irving, der Letzte des Feldes, benötigte sage und schreibe 21 Stunden und überquerte erst um vier Uhr morgens die Ziellinie. Doch es zählten nicht die Zielzeiten, sondern vor allem das Finish und die Tatsache, die eigenen persönlichen Grenzen ausgelotet zu haben. Rückblickend meinte John Collins:

„Ironman has always been about finishing, what you started. About being able to do, what you’ve set out to do. Maybe not as fast as the person in front of you, but certainly faster than the person had never started.“ 6

Demnach geht es beim Ironman darum, das zu beenden, was man begonnen hat. Dabei mag man nicht so schnell sein, wie die Athleten, die vor einem liegen, doch man ist immer noch schneller als all diejenigen, die die Herausforderung gar nicht erst angenommen haben. Zum Abschluss erhielten alle Finisher des ersten Ironman Hawaii eine kleine Trophäe aus Eisen. Die Figur ist etwa 40 cm hoch. Das Material ist eine Anspielung auf den „eisernen“ Mann. Der Kopf in Form einer Schraube entbehrt nicht einer gewissen Symbolik. Hatte jeder, der beim Ironman Hawaii mitmachte, eine Schraube locker? Es ist allerdings nicht überliefert, ob diese Symbolik von John Collins tatsächlich beabsichtigt war.

Ironman Hawaii Trophäe 1978

Einen besonderen Preis für den Erstplatzierten oder gar ein Preisgeld gab es nicht. Der Idealismus, mit dem die Veranstaltung initiiert wurde, trägt mit zum Mythos bei. Die öffentliche Resonanz bei der Premiere war sehr gering. Lediglich die Tageszeitung von Hawaii, der „Honolulu Advertiser“, veröffentlichte einen kurzen Artikel mit einem Bild von Gordon Haller beim abschließenden Marathon.7 Von der zweiten Ausgabe des Ironman Hawaii berichtete „Sports Illustrated“, die größte Sportzeitschrift Amerikas, in einem ausführlichen Artikel.8 Infolgedessen meldeten sich Hunderte von Interessierten bei den Collins. Es erreichte sie auch eine Anfrage vom nationalen Fernsehsender ABC mit der Bitte um eine Filmerlaubnis. John Collins sagte diese nur unter der Bedingung zu, dass keine Kosten für ihn als Veranstalter entstünden. Außerdem warf er ein, dass das lange Rennen für Zuschauer langweilig und nicht fernsehtauglich sei. Er warnte den Sender in seinem typisch trockenen Humor:

„Watching the race is about as exciting as watching a lawn-growing contest.“

Sich das Rennen anzusehen sei in etwa so aufregend, wie Gras beim Wachsen zuzuschauen. Trotzdem erschien am Renntag ein Produktionsteam von ABC vor Ort. Der Fernsehbeitrag in „Wide World of Sports“ am 23. März 1980 brachte dem Ironman erstmals breitere, öffentliche Aufmerksamkeit. Da John Collins vom Militär nach Washington, D.C. berufen wurde, übergab er die Veranstaltung 1981 an ein befreundetes Ehepaar, Valerie Silk und Hank Gundman. Die beiden leiteten einen Fitnessclub auf Hawaii und hatten bereits bei der Organisation der vorhergehenden Wettbewerbe mitgeholfen. John Collins einzige Bedingungen waren, dass er selbst jederzeit Startrecht haben und neben Elitesportlern auch Amateure Startplätze erhalten sollten, da sie das Rennen schließlich auch erschaffen hätten. Dieser Gedanke sollte richtungsweisend für das Wesen der Ironman-Rennen werden, deren Mythos von den Geschichten jedes einzelnen Athleten lebt.

MARKE

Valerie Silk übernahm die alleinige Organisation der Veranstaltung und traf einige weitreichende Entscheidungen: Sie gründete die „Hawaiian Triathlon Corporation“ und verlegte das Rennen von Oahu nach Big Island. Der Hauptgrund für die Verlegung war der Verkehr in der Hauptstadt Honolulu, der die Ausrichtung der Veranstaltung schwierig gestaltete und die Sicherheit der Teilnehmer gefährdete. Mit der Verlegung bewies sie ein glückliches Händchen, sollten sich die karge Landschaft, die Lavafelder und die Mumuku-Winde von Big Island doch als besondere Merkmale des Rennens erweisen. Eine weitere Änderung war die Umstellung von persönlichen Begleit-Crews auf eine Schar von Freiwilligen, die sie eigens für das Rennen rekrutierte. Beim Ironman Hawaii 1981 kamen auf 326 Teilnehmer etwa dreimal so viele Helfer, die beim Aufbau halfen, die Strecke absperrten, den Weg wiesen und die Athleten mit Getränken und Nahrung versorgten. Im Jahr 1982 ließ sie auch die Marke „Ironman“ offiziell eintragen. Ursprünglich wurde „Iron Man“ auseinander geschrieben und „iron“ als Adjektiv verwendet (Deutsch: „eiserner Mann“). Ich nehme an, dass sich das schwer als Marke schützen ließ. Daher wurden die beiden Wörter kurzerhand zu „Ironman“ zusammengezogen (Deutsch: „Eisenmann“). Neben der Eintragung der Marke beauftragte Valerie Silk auch einen Graphiker mit dem Entwurf eines Logos. Aus meiner Sicht handelt es sich um ein klassisches, zeitloses Design, und es ist kein Wunder, dass es seit Jahrzehnten trotz wechselnder Besitzer unverändert übernommen wurde. Wenn man die Trophäe und das Logo vergleicht, dann ist eine gewisse Ähnlichkeit erkennbar. Insofern werden der Ursprung und die Geschichte des Ironman fortgeführt. Das Logo stilisiert den Oberkörper mit dem Kopf eines Menschen. Gleichzeitig ist das „M“ klar erkennbar, welches von einem „i-Punkt“ überlagert wird, wie in der Medaille vom Ironman Hawaii ersichtlich ist. So setzt sich das „I“ mit dem „M“ zum IronMan zusammen.

Finisher-Medaille Ironman Hawaii 2016

Im Jahr 1982 nahmen erstmals über 500 Athleten teil. Bei diesem Rennen ereignete sich ein Vorfall, der in die Geschichte des Sports einging.9 Die damals unbekannte College-Studentin Julie Moss lag bei dem Rennen überraschend in Führung. Gegen Ende des Marathons war sie jedoch vollkommen erschöpft und dehydriert. Sie fiel mehrmals zu Boden, stand aber immer wieder auf, ging ein paar Schritte und versuchte zu laufen. Keine gute Idee, fiel sie doch wieder hin und blieb schließlich 15 Meter vor dem Ziel liegen. Ihre Beine und Arme waren zu schwach, um noch einmal aufzustehen. Die Zuschauer, die sie wenige Sekunden vorher noch angefeuert hatten, wurden still, verfolgten gebannt die Szene und das Drama, das sich vor ihren Augen abspielte. Während Julie Moss am Boden lag, wurde sie von ihrer Verfolgerin Kathleen McCarthy eingeholt. Aus den Augenwinkeln nahm Julie Moss den Vorgang wahr. Sie wusste, dass damit ihr Traum, den Ironman Hawaii zu gewinnen, zerplatzt war. Tiefe Enttäuschung machte sich breit, die um einiges größer war als der körperliche Schmerz:

„Strangely, it wasn’t the physical pain. Even though I could not stand up, I did not hurt so much physically. However, I was devastated by the emotional pain and disappointment of having a dream ripped away – the dream of winning Ironman. I had nothing left to give, nothing to offer this race, nothing inside. Still, my inner voice said, less urgently now that the imminent threat was gone: Crawl. Crawl to the finish.“ 10

Als sie nichts mehr zu verlieren hatte, hörte Julie Moss auf ihre innere Stimme, die ihr sagte, auf allen Vieren ins Ziel zu krabbeln. Diese ikonischen Bilder gingen um die Welt. Sie wurden Sinnbild für einen Sport, der an die körperlichen Grenzen geht. Und sie kreierten das Ironman-Mantra, wonach bereits der Zieleinlauf ein Sieg ist.

Im Laufe der 1980er Jahre kam es zu einer weiteren Professionalisierung und Kommerzialisierung der Veranstaltung: 1982 stieg Budweiser als Sponsor ein, 1983 gab es aufgrund der großen Nachfrage erstmals Qualifikationsrennen für die „Ironman Triathlon World Championship“, 1986 lobte der Veranstalter erstmals ein Preisgeld von insgesamt 100.000 US$ aus, womit ein wichtiges Signal für die gesamte Sportwelt gesetzt wurde, und 1989 bestritten Dave Scott und Mark Allen Seite an Seite ein Rennen über acht Stunden, das als „Iron War“ in die Geschichte einging.11 Beide gewannen die Weltmeisterschaft auf Hawaii jeweils sechsmal. Sie sind damit lebende Legenden geworden und auch heute noch als Markenbotschafter für den Ironman unterwegs.

Es ist bewundernswert, wie Valerie Silk, die sich selbst als „Nicht-Geschäftsfrau“ bezeichnet, mit viel Geschick, Kreativität, Organisationstalent und Überzeugungskraft im Laufe eines Jahrzehnts aus einer kleinen lokalen Veranstaltung ein Sportevent erschuf, das international bekannt wurde und eine große Anziehungskraft auf Athleten, freiwillige Helfer und kommerzielle Sponsoren ausübte. 1989 verkaufte sie ihre Firma „Hawaii Triathlon Corporation“ inklusive der Markenrechte am Ironman für drei Millionen US$ an James P. Gills, einen Augenarzt und Triathleten aus Florida, der die „World Triathlon Corporation“ und die „Ironman Stiftung“ etablierte. Um das Marktpotential für den Triathlon über die Langdistanz voll auszuschöpfen, verfolgte die neu gegründete Organisation eine Internationalisierungsstrategie. Neben bereits fest etablierten Veranstaltungen wie dem Ironman Europe, der von 1988 bis 2001 in Roth stattfand (ab 2002 in Frankfurt am Main), kam eine Reihe neuer Qualifikationsrennen in aller Welt hinzu. Die meisten sind heute noch Teil des internationalen Ironman Circuit, wie beispielsweise der Ironman Switzerland (seit 1996), der Ironman Japan (seit 1997), der Ironman Austria (seit 1998) und der Ironman Florida (seit 1999). Durch die Internationalisierung änderten sich auch die Zusammensetzung des Teilnehmerfeldes und der Kampf um die Spitze beim Ironman Hawaii. Dominierten in den ersten 15 Jahren vor allem nordamerikanische Athleten, änderte sich das Mitte der 1990er Jahre: 1994 gewann mit Greg Welch ein Australier, 1996 mit Luc van Lierde ein Belgier und 1997 standen mit Thomas Hellriegel, Jürgen Zäck und Lothar Leder erstmals drei Deutsche auf dem Siegertreppchen.

Im Jahr 2000 wurde der Triathlon olympisch, was der jungen Sportart enormen Auftrieb gab und zweistellige Wachstumsraten bescherte. Der Markt wurde so attraktiv, dass 2008 die Investmentgesellschaft Providence beim Ironman einstieg: Sie übernahm die Firma „World Triathlon Corporation“ und die Rechte an der Marke Ironman von James P. Gills. Der genaue Verkaufspreis ist nicht bekannt, aber es war von 50 bis 80 Millionen US$ die Rede. Das neue Management der „World Triathlon Corporation“ nahm eine Markenerweiterung vor: Neben dem Ironman über die Langdistanz, wurde der Ironman 70.3 über die Mitteldistanz systematisch ausgebaut und ein Ironman 5150 (respektive 5i50) über die Olympische Distanz eingeführt. Die Zahl 70.3 steht dabei für die Summe von 1,2 Meilen Schwimmen, 56 Meilen Radfahren und 13,1 Meilen Laufen, während 5150 für die Summe aus 1,5 Kilometern Schwimmen, 40 Kilometern Radfahren und 10 Kilometern Laufen steht. Mit der neuen Serie werden Sportbegeisterte, die neu in die Welt des Triathlons einsteigen und zunächst eine Olympische Distanz absolvieren möchten, früh mit der Marke Ironman in Kontakt gebracht. Diese Strategie der Markenerweiterung und der weiteren Marktdurchdringung sollte sich als überaus erfolgreich erweisen. Im Jahr 2015 verkaufte Providence die „World Triathlon Corporation“ für sage und schreibe 650 Millionen US$ an den chinesischen Finanzinvestor Dalian Wanda. Wenn man davon ausgeht, dass die amerikanische Investmentgesellschaft Providence den Ironman im Jahr 2008 für etwa 65 Millionen US$ übernommen hat, dann entspricht das einer Verzehnfachung des Unternehmenswertes. 2020 ging der Ironman wieder in amerikanische Hände über: Der neue Investor Advance, der die Markenrechte für 730 Millionen US$ kaufte, will die Kommerzialisierung weiter vorantreiben.

Neben der Ironman-Serie, die aus globaler Sicht eine marktdominierende Stellung einnimmt, gibt es noch viele andere Veranstalter, die Triathlons über die Langdistanz anbieten. Der wichtigste Wettbewerber ist die „Challenge Family“, die weltweit eine Serie von Rennen über Lang- und Halbdistanzen austrägt. Das Zugpferd der Challenge ist die Traditionsveranstaltung in Roth, die bereits seit den 1980er Jahren ausgetragen wird. Die Veranstaltung firmierte ursprünglich als „Ironman Europe“, doch nach dem Auslaufen des Lizenzvertrages mit der World Triathlon Corporation, wurde sie 2002 in Challenge Roth umbenannt. Roth ist eine kleine beschauliche Stadt in Bayern, die sich einmal im Jahr im Ausnahmezustand befindet, wenn tausende Triathleten aus aller Welt anreisen und von rund einer viertel Million Zuschauern entlang der Strecke angefeuert werden. Wer einmal in seinem Leben den Solarer Berg hochgefahren ist, der weiß, wie sich Gänsehaut pur anfühlt (siehe Foto S. 44-45