Chelsea Girls - Eileen Myles - E-Book

Chelsea Girls E-Book

Eileen Myles

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Beschreibung

Eileen Myles erzählt ungeschönt und unverblümt davon, wie es war – damals in New York – als alles möglich schien, als Warhol jedem 15 Minuten Berühmtheit versprach, als Allen Ginsberg noch zu deiner Buchpremiere kam, wenn du ihn einludst, als noch alle mit allen im Bett gelandet sind, und es immer irgendjemanden gab, der Alkohol oder Drogen dabei hatte. Doch nicht nur um wilde Eskapaden geht es, sondern auch um die katholische Erziehung in den Sechzigern, um das Aufwachsen mit einem alkoholkranken Vater, um zerbrochene Liebesbeziehungen, um Woodstock und um das Chelsea Hotel, um enttäuschte Hoffnungen, um das Schreiben an sich. Vor allem um das Schreiben über die eigene unmittelbare Umgebung, darüber, eine kraftvolle Stimme zu finden für eine damals als geradezu unerschrocken geltende lesbische Identität. Während sich jeden Tag die Frage stellte, wie man mit Gedichten allein überleben soll, schaffte es Eileen Myles nicht nur, eine neue literarische Form zu finden, sondern auch, sich selbst neu zu entwerfen, fernab von dem, was andere erwarteten.

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Eileen Myles

Chelsea Girls

Aus dem amerikanischen Englischvon Dieter Fuchs

Für Ted Myles

Inhalt

Bath, Maine

Das Kind

Frohe Weihnachten, Dr. Beagle

Lichtkriegerin

Wasser und Brot

Meine Narbe

Alle gingen Kartenspielen bei Eddie und Nonie

Die Abschiedstapes

Robin

Madras

1969

13. Februar 1982

Gewalt gegenüber Frauen

Toys R Us

Neuromancer

Hundeschaden

Mein Pärchen

Mary Dolan: eine Geschichtsschreibung

Popponesset

Marshfield

Der Alkoholismus meines Vaters

21, 22, 23 …

Stille

Mein Robert-Mapplethorpe-Foto

Leslie

Epilog

Eifersucht

Danksagung

Bath, Maine

Ich hatte dort verdammt nochmal nichts verloren. Ich meine, warum wohne ich bei meiner Ex-Freundin und deren neuer Freundin, und dazu noch deren Ex-Freundin. Wie könnte das irgendwie angenehm sein. Ich könnte das hier auch aus einer Gefängniszelle schreiben. Lustig, oder? Ted und Alice sagten, bevor ich wegging: »Vom Regen in die Traufe, Eileen.« Ich wusste nicht, was ich sonst machen sollte. Ich flog also tatsächlich rauf nach Portland und Judy und Chris holten mich dort ab. Ich war so dermaßen im Arsch im Flieger. Elinor hatte mir was von dem Crystal gegeben, eine ordentliche Line, und ich hatte eine Handvoll von Toms Pillen eingeworfen. Die Nacht davor hatte er bei mir gepennt. Ich schrieb oben in der Luft diese Gedichte, total idiotische, auf die Cocktailservietten, die sie einem geben. Gott, waren die grauenhaft. Über Vitamine und lauter so Scheiß. Ich hatte mit dem Rauchen aufgehört, was mich immer besonders irre machte, und ich hatte diese roten Perlen an, wann sind die gerissen, ich erinnere mich, es war in Maine – na ja, die beiden holten mich jedenfalls ab – soweit ich weiß sind wir sofort in eine Bar – wenn ich mich recht erinnere, gab es für mich einen Krabbensalat und Biere, und Chris trank schon eisgekühlte Margaritas. Der Schuppen hatte an den Wänden lauter Hummer und Fallen und so. Dann stiegen wir wieder in Judys Wagen. Am Abend gingen wir alle in die Schwulenbar in Augusta. Diese Nacht, mein Gott. Wir waren alle auf Speed und betrunken und es war wahnsinnig heiß. Alle Männer zogen ihr Shirt aus und tanzten. Wir wurden sauer. Wir wollten auch unser Shirt ausziehen. Also taten wir es. Alle fanden das super. Außer dem Geschäftsführer und ein paar schwulen Barkeepern. Los, anziehen. Die Männer müssen sich nicht anziehen. Haut einfach ab. Ihr könnt ohne Shirt nicht in dieser Bar sein. Zieht euch die Shirts an und haut ab. Das taten wir. Aber erst zogen wir uns die Hosen aus und marschierten raus. Chris warf noch eine Bierflasche nach ihnen. Sie war immer sehr stilvoll. Das ist jetzt gerade mal drei Jahre her.

In dieser Art ging es weiter. An dem Abend, an dem ich auf dem Rücksitz von Judys Wagen mit Darragh amourös wurde, ihrer Ex-Freundin, waren wir eigentlich auf der Suche nach Chris, die uns verlassen hatte, weil sie selbst nach jemandem suchte, einem Mann. Logischerweise waren wir alle breit wie noch was. Chris war von den Bullen wegen was auch immer die in Maine übliche Abkürzung für Fahren unter Einfluss waren eingebuchtet worden. Man muss sich klarmachen, dass Verhaftungen damals an der Tagesordnung waren. Wir arbeiteten in dieser Fabrik und jeden Morgen, oder fast, war jemand verhaftet worden, wegen schnellem Fahren, Trunkenheit am Steuer, hatte einen Unfall gebaut, war in eine Schlägerei geraten. Das dort ist Baseballmützen- und Trucker-Land. Ich fand es geil. Die Männer waren alle Männer, und wir waren alle Lesben, und alle fanden es geil, sich komplett abzuschießen. Nach der Arbeit saßen wir auf diesem großen grünen Rasen und Casey, der Boss, brachte einen Kasten Bud Light oder Labatt nach dem anderen an und wir gaben uns die Kante. Sheila war ein Problem. Sie war dieses große, blonde Mädchen, und sie war Caseys Freundin und sie interessierte sich sehr dafür, dass ich und Christine Lesben waren. Nun stehe ich aber total auf väterliche Fürsorge, ich liebe es, einen Boss zu haben, der ein junger guter alter Junge ist, und wenn seine Freundin offenbar mal die Seite wechseln will, so faszinierend das auch sein mag, und ich durchaus gern die wäre, auf die sie es abgesehen hat, versuche ich trotzdem, mich aus dem Staub zu machen.

Chris hörte nach ihrer Nacht in der Zelle mit dem Trinken auf. Sie musste aber noch vor den Richter, das war eine mittlere Katastrophe. Ich fand es herrlich, wenn sie nicht trank, sie wurde dadurch noch schöner, leuchtete geradewegs, und sie wurde den Bauch los, den das Bier ihr verschaffte. Der Unterschied, den das machte, war bei niemandem so gravierend wie bei ihr. Es war auch eine große Erleichterung. Eines Nachts war ich mit Judy in der Kiste und sie ging mit dem Brecheisen auf mich los. Ich werde dir den Scheitel neu ziehen, Arschloch. Wie beängstigend. Gegen ein starkes Licht von hinten konnte ich den Schatten ihres Kopfes, ihrer Hand und dieser Brechstange sehen. Nun war es so, dass ich im Monat zuvor eine Woche nicht geschlafen und das wie Walhalla empfunden hatte. Ihr wisst schon, es war wie das Paradies. Judy hat dieses Haus in Maine, ringsum nichts als Pampa, dahinter die Schafe am Blöken, und sie hatte Hunde, der eine ein schwarzer Labrador namens Myles, und es gibt kleine Kätzchen, und Hühner im Garten, und einen Hahn, und frische Eier und tolles Frühstück mit Bratkartoffeln und Tia Maria in unserem Kaffee im Bett. In der ersten Nacht, die ich damals dort verbrachte, waren ich und Chris, kaum hatten wir einen sitzen, wieder ineinander verliebt, und wir standen irgendwo im Hausgang und küssten uns und sagten: Was ist mit Judy. So waren wir also zu dritt in ihrem großen Bett – und ich kletterte fröhlich auf Judy drauf. Christine fand das weniger toll – so sehr sollte ich mich dann doch nicht beteiligen. Es war zack, Gerangel, gleich von Anfang an – aber nur ein einziger größerer Ausbruch in dieser Woche – Chris war Laufen gegangen, hatte Judy und mich im Bett zurückgelassen, und als sie zurückkam, lief da gerade etwas, das – »Warum zum Geier machst du so was nie bei mir, Judy!« Judy würde dann auch bald dran sein. Christine war ein emotionaler Tyrann. Wir hatten ein paar Jahre in New York zusammengelebt, bevor sie nach Maine kam, und erst wegen dem, was in ihrer und Judys Beziehung abging, wurde mir klar, wie fordernd und unmöglich sie war. Ich selbst war eher ein gutmütiges Wölkchen, das vorüberschwebte und Dinge klaute und auf Lob wartete. Ich konnte nie verstehen, warum sich das Leben einfach nicht gehaltvoll genug anfühlen wollte. Ich saß auf deiner Couch, oder wir tranken deinen Whiskey in meiner Wohnung. Und jetzt lass uns ausgehen, sagte ich dann. Hast du Geld. Ich bin heute blank. Tut mir echt leid.

An einem Abend wollten wir alle nach der Arbeit in Bath, Maine, einen heben. »Wir« waren ich und Chris, die an diesem Abend ausbrechen wollte und dachte, das sei okay, Sheila wollte mit, und wir mussten noch heim und Judy abholen. Irgendwie wollten sie an dem Abend alle Musik machen, sie hatten einen Typen in Bath, mit dem sie zusammen spielten, Mister Michael, eine Art Architekt mit einem Loft. Judys Freunde waren durch die Bank berufstätig, taten aber so, als seien sie Künstler. Ziemlich ekelhaft, aber sie hatten eben die Pfoten drauf: Lofts, die Autos, Häuser etc. Sie sind die Mamis und die Papis. In der Regel sind sie so was von langweilig und haben nichts zu sagen, aber man kann Spaß haben, zumindest für eine Weile. Für mich sind sie wie Jobs.

Ich denke nicht, dass Judy von Liebe zu mir überwältigt war. Ich glaube, ich war da, um neutralisiert zu werden. Weil Christine ließ sich volllaufen und rief dann bei mir an. Oder sie redete dauernd über mich. Okay, lass uns diese Ikone herholen und auf meine Farm bringen. Es passierten Dinge wie dieser eine Abend als Judy ihre gesamte Kollektion an räudigen Männern einlud: Ron, der Holzfäller, mit dem sie am nächsten Tag immer »Muscheln sammeln« ging, oder der das kleine Wiesel war, das alles über, was weiß ich, Elektrizität oder so wusste. Sie waren allesamt anti-intellektuelle Typen, die Judy wahnsinnig gern gevögelt hätten, und sie scharte sie um sich wegen, keine Ahnung, der Unterhaltung vielleicht, und sicher auch wegen tatsächlicher Hilfeleistungen, und ich denke, sie hielt sie für originell, vielleicht sogar bewundernswert. Sie gaben ihr das Gefühl, ländlich zu sein. Sie war Beraterin einer Umwelt-Organisation, sie ging sich ständig Fischfabriken ansehen und kam dann betrunken zurück. Davor war sie Brokerin in San Francisco gewesen. Heute ist sie in Boston und macht irgendwas beim Film. Judy hat das richtige Aussehen. Und sie hört nie auf, einem zu erzählen, was für ein erstklassiges Mädchencollege sie abgebrochen hat. Ihre Mutter ist eine Säuferin. Sie ist eine dieser Frauen, die ihre Mutter hassen und genauso sind wie sie.

Judy sagte also einmal zu Chris, die mit ihr im Auto fuhr, was findet Eileen eigentlich so geil daran, die Wahrheit ganz offensichtlich für sich gepachtet zu haben. Genau das sagte sie. Lustigerweise stelle ich mir vor, dass ihr Auto das gesagt hat. Also eine dieser Einstellungen, wo der weiße Datsun über die schmalen, gewundenen Straßen der mittleren Maine-Küste eiert und das Auto sagt: »… die Wahrheit ganz offensichtlich für sich gepachtet zu haben.« Fick dich, Judy.

Ich weiß noch, wie ich an diesem schicksalhaften Abend hinten auf dem Pick-up stand und ein Bud Light trank und dachte: Das wird sicher nicht perfekt – was den Abend betraf jetzt, er sah eben einfach zu perfekt aus – so ein Mädelsausflug nach Bath. Judy und Chris würden mit Michael spielen, Judy am Bass, Christine Rhythmusgitarre, Michael Lead. Sheila und ich würden durch die Bars ziehen, klingt doch gut, aber – hä?

Was ich über Judy und ihre ekligen Männer sagen wollte, war, dass sie diese stinkenden, sexbesessenen Typen zu sich nach Hause einlud – an dem Abend machten wir einen Pitcher Erdbeer-Daiquiris mit Mount Gay, den ich damals bingemäßig konsumierte, und sobald Chris betrunken war, schob sie Judy einen Zettel hin, auf dem, wie ich später erfuhr, stand: Ich will dich lecken – so bezahlte Christine ihre Miete, und die beiden zogen kichernd ab und ließen mich als Jagdaufseher für ihre charmanten Freunde zurück. Aus diesem Grund war ich nach Maine eingeladen worden. Diese Typen redeten wirklich langsam – machten nach jedem Satz eine Pause und warteten auf deine Mädchenreaktion. Das Beste, was ich herausbrachte, war ein gelegentliches heh. Nach einer Weile starrte ich nur noch auf meine Füße.

Bei der Arbeit tauchten wir diese kleinen – oder manchmal auch ziemlich großen – Holzrahmen in Bottiche mit Beize. Ihr Bestimmungsort waren die billigen Jahrmärkte und die Strände Amerikas. Diese Spiegel, auf denen Sachen wie Grateful Dead oder NY Yankees stehen. Nachdem wir die Rahmen in die Bottiche mit Beize getaucht und in Zwanzigerreihen an die Stäbe über uns gehängt hatten, sie dann zu Bündeln zusammengefasst und jedes Bündel mit Plastikklebeband versehen und alles in den Laster nach Chicago oder sonst wohin verladen hatten, war ich am Ende des Tages von oben bis unten voll mit brauner Beize, Dickens-artig, wie mir vorkam. Normalerweise machte ich mir nicht die Mühe, das Zeug irgendwie loszuwerden, bevor ich mich betrank. Für mich war verdreckt immer gut, also sexy.

Aber an diesem Abend verwendeten wir dieses »Glup« – es war dunkelbraun, sah aus wie flüssiges Fett und wurde wohl in Einmachgläsern verkauft, aber die Leute, die ich kannte, besorgten sich immer große Mengen davon. Wir wollten heute ausgehen, deshalb musste ich die Spritzer wegmachen. So sah ich für gewöhnlich aus: wie ein Dalmatiner. Meiner Meinung nach sind Hunde ja die schönsten Lebewesen, und zugleich die perfektesten. Sheila schien sich mit dem Wodka wegzuschießen, Cape Codder nannten wir sie. Ich weiß noch, dass ich mehrmals duschte, einen Drink am Laufen hatte und ein Bier am Laufen hatte, mich ganz da oben befand und irgendwie hoffte, heute vielleicht gar nicht mehr runterkommen zu müssen.

Das Licht wirkte durchsichtig, fast perlenartig, als wir mit Unmengen von Bier im Wagen nach Bath fuhren. Ich vermisste die Drogen. Alles, was wir hatten, war dieses beschissene Gras aus Eigenanbau. David wollte am Monatsende raufkommen und ich flehte ihn an, doch bitte Heroin mitzubringen. Es sah langsam so aus, als wäre das dem Saufen vorzuziehen. Ich meine, wenn man sich so richtig zudröhnen wollte, konnte man denselben Zustand viel entspannter erreichen, indem man etwas schnupfte. Ich mochte das. Aber das letzte Mal, als ich etwas hatte, ging’s uns nicht so gut.

Wir parkten vor Michaels Haus, und Sheila meinte, sie müsse sich im Loft ablegen. Weil wir arbeiteten schwer, fingen um sechs an, deshalb ging an manchen Abenden nichts mehr. Ich ging also für eine Minute mit rauf, erinnere mich an ein großes gelbes Badezimmer und ein extrem gemütliches Loft, in das Michael »einiges an Arbeit gesteckt hatte«, diese Leute sind derart langweilig. Ich war froh, dass ich allein losziehen konnte.

Die Bars in Bath waren wie die Bars überall sonst, nur mit diesem New-England-Misstrauen, keiner redet mit dir. Ich holte mein Notizbuch raus, aber ich konnte nicht einmal mit mir selbst kommunizieren. Ich trank Wodka und Grapefruit. Ich hatte ein weißes Tiehshirt an, mit vorne FATS WALLER drauf. Ich aß ganz viele Erdnüsse. In der nächsten Bar wechselte ich zu Tequila. Was konnte schon passieren. Ich saß an einem, an diesem langen Kaffeetisch, irgendwie Gothic-Stil, historisches SM, mit einer großen Kerze. Ich wollte nicht, dass jemand in meine Nähe kam. Der Laden sah etwas »gestrig« aus, als würde er zu einem Restaurant gehören. Die Kundschaft war gut gebräunt und sauber, wie Urlauber. Ging es mir besser? In der vorigen Bar, in der ich nichts zu sagen hatte, fing ich an, den Text aus der Jukebox aufzuschreiben

And only love

can break

your heart

So try to make sure

right from

the start …

Das machte mich misstrauisch. Ich hatte mir vorgenommen, nicht mehr in Chris verliebt zu sein, ich hatte beschlossen, nur leidenschaftsloser Beobachter zu sein, es wäre so angenehm, sie nicht zu mögen. Was, wenn ich gar nicht mehr wusste, was ich empfand? Ich hatte wahrscheinlich nie gewusst, was ich empfand. Ich war nur gern betrunken und verliebt. Wenn ich keins von beidem war, brauchte ich nur meine Miete, Zigaretten und Kaffee, ganz einfach. Ich mochte es sehr, das Dichterleben.

Auftritt Sheila und Chris. Judy ist ein Arschloch, raunzt Chris. Was trinkst du. Margaritas? Yeah, bestellen wir vier, ich glaube die sind lahm hier. Dann waren wir in der Toilette, rollten überall Klopapier aus und knutschten. Judy und Michael kamen, als sie uns gerade rauswerfen wollten. In der nächsten Bar standen wir offenbar Schlange, um etwas anzusehen, aber ich weiß nicht mehr, was das war. Die Reihenfolge, in der man dastand, war sehr wichtig, und deshalb wollte ich raus.

Ich glaube, ich saß auf dem Bürgersteig, als die Bullen kamen. Alles geschah ganz schnell in einer Art grauer Suppe.

Der Bulle versuchte, Chris aus dem Vordersitz von Judys Wagen zu ziehen. Chris klammerte sich an Judys Haare, aber die hielt sich tapfer am Lenkrad fest. Davor hatten sie um den Autoschlüssel gekämpft. Komplett abgedichtet, klar. Chris wollte fahren. Ich glaube, ich liebe sie immer noch. Sie ist ein Monument der Wut und der Intoleranz mit braun gelocktem Haar. Sie war wie meine kleine Schwester, bei der ich mir immer wünschte, ich wäre so abgebrüht wie sie. Sie drosch also Judys Kopf gegen das Ding, aus dem der Schalthebel ragt, und vielleicht hätte sie den Schlüssel gekriegt, wenn nicht die Bullen vorbeigefahren wären. Ich dachte, das hier ist nicht mein Kampf. Weil ich komme aus einem Alkoholiker-Haushalt und reagiere irgendwie nicht auf Gewalt. Ich glaube, sie macht mir Angst, aber gleichzeitig zieht sie mich auch so sehr an. Ich habe noch nie jemanden geschlagen, würde aber gern ganz viele Leute umbringen –

Ist schon okay, sage ich zu dem Bullen, während er sich durch die graue Suppe auf das Auto zubewegt. Wie man munkelt, sagte er Stopp in das Autofenster, woraufhin Chris ihm ins Gesicht boxte. Gott, ich liebe sie. Jetzt fing er also an sie herauszuziehen.

Genau wie bei dem berühmten Angriff, den ich in der sechsten Klasse gegen einen Mitschüler unternahm, die letzte Jungs-Geste meiner Prä-Adoleszenz, erinnere ich mich nicht mehr an das Aufstehen, sondern nur noch daran, wie ich durch die Luft segelte, dem Bullen auf den Rücken sprang und die Arme um seinen Hals legte, um ihn zu würgen oder zu Fall zu bringen oder sonst irgendwas. Bei meinem Flug in seine Richtung sah ich etwas. Weder der Mädchengott, noch der Hundegott, noch der Toter-betrunkener-Vater-Gott, keiner der Götter, die mich in meinem Dasein beschützen, spornte mich an, nach diesem einen Ding zu greifen, das ich sah, als ich auf seine breiten blauen Bullenschultern zuflog. Die Pistole!

Nein, ich landete einfach oben an den Schultern, aber wie schnell war ich von dort wieder weg, auf dem Bürgersteig, mit dem Kopf voran und mit Pfefferspray in den Augen, und das brannte, und jetzt waren sie tonnenweise da, Bullen, ein Holocaust, und dann sogar noch Handschellen. Ich war so eine Art Freiheitskämpferin. Man hatte mir schon öfter Handschellen angelegt. Bei Handschellen dreh ich durch.

Sie versuchten, auf der Wache ein Foto von mir zu machen, und klar konnte ich nicht aufhören, die Augen zu verdrehen, die Zunge rauszustrecken, auf den Boden zu spucken. Sie sollten kein schönes Polizeifoto von mir haben. Eine dicke Polizistin war dabei, auf die hatte ich es echt abgesehen. Sie verraten die Frauen, Sie sind doch ’ne Lesbe, hey fette Butchlesbe, sehen Sie sich doch an, Sie Schlampe, Sie Verräterin, Sie lutschen doch gern Fotze, stimmt’s? Ich glaube, ich fing damit im Streifenwagen auf dem Weg zum Knast an – der nicht weit weg war – die Polizeiwache war direkt gegenüber der Stelle, wo Judys weißes Auto parkte. Während ich diese Frau denunzierte, spuckte ich ständig auf den Boden. Außerdem war mein Fats-Waller-Tiehshirt bis an die Schultern hochgerutscht, also zog ich es ganz aus und schrie Polizeigewalt, Polizeigewalt.

Schnauze, Eileen, sagte Chris. So wie sie das sah, hatte ich die ganze Sache angefangen. Und da wurde sie echt ein kleines Arschloch. Sie wusste nicht, dass das ein Bulle war, lautete ihre Version der Geschichte. Ich wusste, dass das eine Knarre war und war froh, dass ich nicht danach gegriffen hatte. Und im Grunde meines Herzens weiß ich, dass ich in dem Moment als ich meinen Flug hin zu den blauen Schultern des Gesetzes machte, eigentlich zu Chris flog, sie liebte, und sie vor der berufstätigen Mittelmäßigkeit weißer Datsuns beschützte, ich errettete sie aus der bürgerlichen Gefangenschaft, um sie womöglich in die schäbigen Niederungen meiner betrunkenen Kunst und Liebe heimzuholen. Oh, Chris!

Na ja, sie wusste das nicht zu schätzen, die kleine Schlampe, warum konnte ich nicht das Maul halten, ich machte alles nur noch schlimmer.

Außerdem hatte ich meinen wahren Moment auf dieser Polizeiwache in Bath, Maine, als ich mein Schwert zückte und ihnen offenbarte, dass ich Dichterin sei.

Ich bin Dichterin, ihr Idioten, ihr scheiß Bullen! Dichter war für mich immer gleichbedeutend mit Heiliger oder Held, die tanzende Figur auf dem Buntglasfenster meiner Seele, die Hand die sich langsam durch die Zeit erhebt, das Gesurre, das mein Material gegen das blendende Licht empfängt, oh Mann, der Grund dafür, dass ich lebe. Es ist der Weg, den diese Ex-Katholikin wählte, als das Niederknien niemanden mehr am Leben erhielt und auch den Toten nicht beim Totbleiben half. Ich war ein frommes Kind, aber meine Gebete waren rituelle Absicherung und letztendlich eine Liste toter Menschen – Gott, beschütze bitte Oma, Opa – sie wurde so lang dass sie, so mit elf oder zwölf, nicht mehr zu bewältigen war, deshalb fing ich an, Tagebuch zu führen, und saß unter der Lampe im Treppenaufgang und schrieb auf, was ich an dem Tag aß, wer mich meiner Meinung nach hasste, wen ich liebte und wie ich gewinnen konnte. Das Gedicht wurde während irgendwelcher Jobs geboren, als ich merkte, dass ich nicht gewinnen würde, dass ich in Wahrheit nicht einmal anwesend war. Also richtete ich mich in meinen Gedichten ein und hielt mein Leben für das eines Verlierers, und damit eben auch für poetisch.

Okay, okay, Sie sind also Dichterin, dann lassen Sie mal ein Gedicht hören. Ich weiß meine Gedichte nicht auswendig, wehrte ich ab wie ein Snob, unbeirrbar an das Papier gebunden. Ich berge das Gedicht, das heilige Dokument. Okay, meinetwegen. Das war reines Märtyrertum, wie eine Taufe durch Feuer, durch Blut.

Es heißt: »Brathuhn«.

Ich zögerte, verhedderte mich und vergaß viel, während sie mich aufzogen, aber ich brachte es heraus. Und nichts passierte.

Manchmal …

Brathuhn!

Okay, okay, »Brathuhn«.

Manchmal …

Tolle Dichterin, kann nicht mal ihr Gedicht aufsagen.

Manchmal

in der Mitte

der Nacht

denke ich daran

dich zu umarmen

mit deiner wunderbaren

Bräune

denke ich daran

mit deiner wunderbaren

Bräune …

Ich vergeigte es. Sie hörten nicht mehr zu. Ich hatte versagt. Und wenn schon. Die Blutprobe stand an.

Manchmal

in der Mitte

der Nacht

denke ich daran

dich zu umarmen

mit deiner wunderbaren

Bräune

und wünsche mir

du seist

ganz mein

und ich

sei nur

dein.

Fertig. »Oh nein«, sagte Chris, als sie fragte, welches Gedicht ich ihnen entgegenschrie. »Oh nein«, zuckte sie zusammen, »doch nicht das.«

Das Kind

Eines Tages kam ich in der siebten Klasse von der Schule heim und hatte eine Strafarbeit im Kopf, direkt aus Giovannas fettem weißen Gesicht: »Eileen Myles, 500 Mal, ich darf auf dem Gang nicht reden.« Ich erinnere mich genau daran, wie an dem Tag meine Füße auf den grauen Schieferstufen der St.-Agnes-Schule noch schwerer wurden als sonst. Wir waren damals im zweiten Stock. Es hatte uns sieben Jahre gekostet, da hinzukommen. Wenn man ganz oben ankam, war man draußen. Für einige von uns hieß das nur: auf der anderen Straßenseite.

Ich kam an dem Tag also heim und war viel zu angespannt um sauer zu sein. Kathy Marshall schmiss am Abend eine Party, für später waren Jungs eingeladen, es war also eine Jungs/Mädchen-Party zu der ich gehen durfte – sie fing als reine Mädchen-Party an, deshalb denke ich, ich durfte hin.

Sie hörte mir an dem Tag gar nicht zu, als ich ihr sagte, worin die Strafarbeit bestand. Schau nach deinem Vater während ich die Wäsche aufhänge, okay? Machst du im Wohnzimmer den Spieltisch frei. Wieder mal musste ich »nach Dad schauen«. Ich hatte schon einen Stapel Papier, weiß mit blauen Linien und wollte meine Strafarbeit mit Kuli machen. Bleistift wurde zu schnell stumpf und man musste ihn ständig spitzen. Manchmal machte es Spaß, ihn ganz stumpf werden und in unterschiedliche Richtungen gedreht im Boden versinken zu lassen. Einmal habe ich einen Kuli ruiniert, einen Lindy-Kuli, indem ich 7mal die Verfassung abschrieb. Mir gefiel es, einen Kuli abnippeln zu sehen und ihn nicht wie gewohnt zu verlieren. Oder in der Schule von jemand klauen zu lassen.

Der Spieltisch war weich wie altes Papier. Manchmal legte ich mein Gesicht drauf und rieb mich daran. Einmal erwischte mich Mom dabei und rief meinen Namen auf diese strenge Art, wie wenn man etwas echt Krankes macht. All die Dinge, die nicht normal aussahen, vor denen fürchtete sie sich wohl am meisten. Für sie sollte immer alles gut aussehen. Weil sie eine Waise war.

Der Spieltisch war ganz braun und hatte oben drauf ein altes Gemälde mit einem Landhaus und Bäumen und vermutlich Leuten mit Strohhut und einem Hund. Es war ganz leicht, das nicht für ein Gemälde, sondern eher für einen Teppich zu halten, auf dem einfach Sachen sind, ohne dass man gleich an ein Bild denkt. Man sieht nur genauer hin, wenn man festsitzt wie etwa in der Kirche. Dort habe ich alles abgezählt, das war mein Gebet. Ich wusste, wie viele kleine Löcher in der runden Decke waren, die aussah als würde Licht aus einer Röhre kommen, und ich kannte die schnörkeligen Verzierungen in- und auswendig. Auch wenn mir ganz schwindlig dabei wurde, fuhr ich sie wie ein kleines Auto rundherum ab. Dann machte ich es gleich nochmal, um auch ganz sicher zu gehen. Das war mein Job. Bei der Messe am Sonntag hielt ich die Kirche dort, wo sie war, indem ich mich die Verzierungen entlanghangelte. Sonst wäre das alles verschwunden und ich wäre allein gewesen.

Dad lag vor mir auf der Couch in seinem grauen Karohemd. Ich mochte das Hemd, er krempelte die Ärmel bis zum Ellbogen hoch und er hatte schwarze Haare auf den Armen und einen Ehering und wenn er überhaupt etwas machte, hielt er die Zigarette an die Lippen, dachte nach und sprach erst dann. Er sieht fantastisch vor einem Baum aus, wenn er raucht. Oder auch im Fenster seines Wagens.

Dad, der du da schlafend vor mir lagst, ich kann die Bartstoppeln in deinem Gesicht spüren, und ich kann die Haare auf deinem Handrücken spüren und ich kann deine Hausschuhe auf der Couch sehen, was lustig war, weil du normalerweise diese weißen Briefträgersocken anhattest, die, wie dein Arzt sagte, viel gesünder waren.

Dad, das schlimmste Erlebnis mit dir war, als Mary McClusky bei uns war und du dein rotes Holzfällershirt anhattest und dalagst und diese fürchterlichen Kopfschmerzen hattest, die pausenlos hämmerten und dich aussehen ließen, als würdest du gleich weinen, und du deine beiden Finger an die Lippen legtest – hast du im Liegen telefoniert oder im Tevau einen Film gesehen. Du konntest nicht reden und machtest ständig diese zweifingrige Geste, obwohl ich das Gefühl hatte, dass es nicht das war, was du wolltest, kniete ich nieder und gab dir vor Marys Augen einen Kuss, was schwer war, weil sie so ein Junge ist. »Nein, verdammt, eine Zigarette.« »Sie hat ihn geküsst«, lachte Mary. Myles hat ihn geküsst, lachte sie den ganzen Swan Place runter, als sei ich gar nicht anwesend. Ich weiß, dass du wegen deiner Kopfschmerzen wütend warst, Dad, aber ich kam mir vor wie der letzte Idiot. Ich glaube, ich wollte dich vor Mary nur küssen, weil du so elend dalagst.

An dem Tag, an dem du starbst, wusste ich sogar, dass es passieren würde. Ich kam mir vor als sei ich in der Kirche: Eileen, schau nach deinem Vater, wie ich das die ganze Zeit tat. Als ich sah, was passierte, wusste ich, es war richtig und ich wollte schon immer jemanden sterben sehen, und diese Geräusche, die immer bedeutungsvoller wurden, und ich wusste genau, was passierte, blieb aber immer noch da, schrieb sogar weiter, um ganz sicher zu gehen, dass es auch wirklich passierte. Das kann keine Lüge sein. Ich wollte es niemandem erzählen, ich wollte mit dir allein sein, als es passierte, weil es war, als hättest du schon immer mir gehört, und als sei es meine Aufgabe dazubleiben und zuzusehen und erst dann die anderen zu informieren.

Das ganze andere Zeug fand ich zum Kotzen, wie ich von allen ignoriert wurde, dabei war ich da. Hat eigentlich niemand irgendjemand anderem erzählt, dass ich da war, als es passierte, weil ich dein Kind war? Die Leute gingen zu Terry, na ja, jetzt bist du der kleine Mann in der Familie. Pfarrer McGinty bat Bridgie das Einmaleins aufzusagen, während das ganze Haus heulte, nur ich nicht. Was war ich, etwa unsichtbar. Okay, von jetzt an würde ich es sein. Wenn sie denken, ich bin ein Kind, werde ich für immer ein Kind bleiben. Sie zwangen mich dazu, beim Trauergottesdienst Frauenkleider zu tragen. Schwarze Samtschleife auf dem Kopf und einen königsblauen Wollrock, dazu breite Absätze. Igitt. Ich zwinkerte als wir am Morgen der Beerdigung die Kirche verließen. Ich sah meine Freundinnen in der letzten Kirchenbank und zwinkerte ihnen zu, und wie Franny mir später erzählte, brachte das alle zum Weinen.

Ich wünschte, ich wäre in der Schule gewesen, als sie über die Lautsprecher durchsagten: »Beten wir für den Vater von Terrence, Eileen und Bridget Myles. Er ist am Donnerstag verstorben. Sie kommen heute nicht in die Schule.« Jeder im Zimmer muss an mich denken und die Kids, die mich hassen, haben keine Ahnung, was sie tun sollen. Was können sie tun? Dasitzen und mich hassen, weil mein Vater tot ist. Ha. Scheiß auf sie. Vor allem die Jungs.

Alle Jungs, die ich liebe und finden, ich bin scheiße, und die Mädchen, die denken, sie wären zu gut für mich, werden sterben. Sie können nichts sagen. Als ich dann wiederkam, verhielten sich alle genau wie vorher und das fand ich derart zum Kotzen. Ich musste mich anders verhalten. Ich verhielt mich total ernst und wurde total arschig. Ich tat so, als könnte ich jetzt gar nichts mehr machen, weil wir arm waren.

Das waren wir nicht, aber ich beschloss mich so zu verhalten. Es machte mich traurig, und ich fand, das könnte jetzt meine neue Daseinsform sein. Nichts erzeugte ein Gefühl in mir. Alles war still. Mom verhielt sich merkwürdig, Terry war gemein, Bridgie schleimte sich ständig bei meiner Mutter ein. Ich verhielt mich wie ein Kind. Ich würde ein Beatnik werden, ich würde alle total traurig machen und selbst total cool sein. Gelächter ohne Ende, Eileen.

Frohe Weihnachten, Dr. Beagle

Es gibt einen Ort, den ich nicht mehr besuche. Du steigst irgendwo in die »F«-Linie, fährst damit, Gebimmel und Gedöns, im Sommer mit Klimaanlage, raus bis zur Roosevelt Avenue, nimmst von dort die Bahn Nummer Sieben, alt schepprig, innen knochentrocken, die Leute verbissen, wie eingemacht – bis zur Endstation, Main Street, Flushing. Du kommst hoch, auf die Straße, vorbei an Alexander’s, gehst schließlich über die Kreuzung und in den Bereich mit den kleinen Backsteinhäusern, ein paar Betontreppen runter, wirfst einen Blick auf den Alarmanlagen-Warnhinweis an seiner dunkelroten Türe und betrittst den strahlenden Albtraum von Dr. Beagles Praxis. Unterschreiben Sie. Unterschreiben Sie auf dem Klemmbrett. Eileen Dolan. Ich habe diesen Namen vor acht Jahren bei meiner ersten Fahrt zum Doktor gewählt, in Erinnerung an meine beste fremd gewordene Freundin, die so hieß. Sie ist Krankenschwester, ihr Mann Arzt, sie würden diese Aktion furchtbar finden, also, dass ich ihren ausgedienten Eigennamen als Schlüssel zu meinem Leben endloser Vormittage verwende. Aufwachen. Wieder und immer wieder. Türkisblaue Pillen, die sich leicht teilen lassen wegen der Rille in der Mitte. Gemacht fürs Zerbrechen, gemacht fürs Teilen. Alice stand ungemein auf diese Hälften. Ich hatte ein paar solcher Freundschaften. Hallo. Möchtest du eine gute Pille? Die hier sind top. Salzig, dann machen die kleinen Drüsen hinter der Zunge pling! bei dem bekannten Geschmack. Huuiiiii. Nicht die stärksten Pillen oder die härtesten, auch nicht die sanftesten, aber einfach die schönsten, meine blauen Pillen hier. Sieben Jahre lang bekam ich monatlich 84 Stück. Anfangs verkaufte ich dir zehn, gab dir sechs, zahlte das Geld zurück, das ich dir schuldete, indem ich dir sechzehn umsonst gab, Acid von Ann im Tausch. Irgendwann kamen härtere Zeiten und ich verkaufte sie im Strand Bookstore komplett an Harry. Nervös die Stufen ins Untergeschoss hinabsteuernd. Hi. Beiderseitig schiefes Grinsen, dann schnell wieder die Treppe rauf auf die Straße, frei. Oder zu einer weiteren Anlaufstelle.

Ellen war Sherryls Freundin, im Medizinstudium, Ellen nahm jede Menge Speed. Ich war fünfzehn Pfund schwerer als sie, ich war perfekt. Sie lieh sich ein Auto aus und wir fuhren am ersten Tag über den Brooklyn-Queens-Expressway zum Doktor, also vor acht Jahren. Ich war nicht wirklich interessiert, nahm keine Drogen, trank nur viel, wie immer. Ich ließ mich trotzdem darauf ein, von der ersten Ladung fünfzehn Stück zu nehmen, und probierte erstmal nur eine. Sie war nicht so der Wahnsinn. Sie machte mich ein klein bisschen anders, nervös, nicht hungrig – Joghurt war okay. Kaffee und Zigaretten schmeckten süßer, stellte ich fest, und … Kopieren bei der Arbeit war eine helle Freude! Wupp, wupp, wupp, es war wunderschön, den Blättern beim Herausfallen aus dem Gerät zuzusehen, ich fing sogar an, im Takt mitzugehen, drehte leicht die Hüfte, beugte das Knie. Ich war ganz verliebt in die vorzügliche Ruhe des Kopierens. Ich hatte ein Notizbuch, in das ich meine Ideen schrieb. Dry Imager. Das war der Titel eines kleinen Gedichts, das ich damals schrieb.

Ich ging freitags immer in den Workshop von Alice und gab ihr danach welche in der Bar, damit sie mich mochte, und das tat sie. Irgendwann mochte sie mich auch einfach so, aber wenigstens mochte sie mich jetzt. Ich trank Bourbon zu meinen blauen Pillen, und eines Abends kippte ich mit dieser Kombination im Phebe’s um, wobei ich ein anderes Mal auch im Locale umkippte. Das war wirklich peinlich. A) Ich war mit ein paar älteren Autorinnen zusammen, die mich gemeinsam mit ihnen abhängen ließen, und eigentlich ging es mir gut, und B) kam der Barkeeper angerannt und packte mir, glaube ich, Eis auf die Nase, als sei ich ein Hund, und ich merkte, dass ich ihn kannte. Ich hatte in der letzten Kneipe, in der er Barkeeper war, als Kellnerin gejobbt. Ich war so eine Säuferin. Das war nicht zu übersehen.

Mit meiner durch und durch stolzen Stimme möchte ich euch sagen, dass das hier eine sentimentale Reise ist, die ich eigentlich nicht mehr mache – zumindest seit letztem März, und mir wird klar, dass ich diesen Ausflug in den zehn Jahren, die ich in New York gelebt habe, mit größerer Regelmäßigkeit gemacht habe, als jede andere wiederholte Sache in meinem Leben. Der Ausflug zu Dr. Beagle war wie Heimkommen. Das Warten war zermürbend. Einen gutaussehenden Menschen sah man in Dr. Beagles Praxis nie. Nicht einmal einen hübschen. Fette Oberschenkel in Jeans. Nur fette immense Oberschenkel. Da die Sache sich in Queens abspielte, war alles synthetisch. Blusen, Handtaschen, Schuhe, Bilder an der Wand, Plastikstühle, mein Name – ich konnte nicht glauben, dass diese Menschen echt waren. »Sargent«, rief die Schwester hinter dem Empfangstresen. Eine fette Lady erhob sich. Sargent, wiederholte die Schwester, und gab »Sargent« ihr Krankenblatt. Eileen Dolan wurde ich als Nächste aufgerufen. Hi, sagte ich trocken. Ich fühlte mich klein. Was macht die kleine Schlampe da vorne, spürte ich das kollektive zornige Fett im Raum in meine Richtung zielen. »Also, wir wollen diesen Sommer in einen Bikini passen«, strahlte der Wurm mich an, »und deshalb, Miss Dolan, müssen wir auch ein bisschen härter arbeiten. Vorsicht beim Brot«, ganz langsam sprach er, »nein, den Süßigkeiten«, flirtete er, »und ich bin sicher …«, er stopfte das abgestoßene Krankenblatt in einen Haufen anderer, »… wir sehen dann Fortschritte«, er betätigte die Klingel, damit gleich die nächste Kuh zur Tür hereinkam, »im nächsten Monat«. Was für ein zynischer Bastard, dachte ich, und ließ das rasselnde Fläschchen mit den Pillen in meine Tasche fallen. Normalerweise schraubte ich gleich im Vorzimmer den Deckel auf und ließ die zwei in die Tasche meiner Jeans gleiten.

Ich legte einen Zwischenstopp im Barn-Hill Pub ein, um sie runterzuspülen. Und zu warten. In den Anfangstagen machte ich die »Dröhnung« irgendwo zwischen Queens und Manhattan in der »F«. Ich sah hinaus auf den schwarz werdenden Himmel des industriellen Queens, und boom legte sich die Fläche eines Glasfensters über meine Gefühle, allesamt schön platt und anschaulich. Ich konnte sie betrachten. Als Bearbeitungsgegenstände. Hier, bitte. Und oft fiel mir eine gute Lösung ein. Ich würde diesen Typen heiraten oder im Sommer nach New Hampshire fahren. Aus New York wegziehen, wenn ich dreißig war. Ich musste sogar. Um noch den letzten Rest Integrität zu behalten. Gut. Erledigt, also was kann ich heute Abend machen?

Aber, keine Ahnung, vielleicht ging es ja auch darum, eine Begleitung in mein Ritual miteinzubeziehen. Wie alle Rituale war auch dieses hier persönlich. Kann sein, ich hielt auf dem Weg zur Bahn beim Donut-Laden auf der rechten Seite der Roosevelt Avenue an. Es war ein total synthetischer Donut-Laden. Die Sandwiches wurden serviert … alte Frauen, ein paar saubere Männer, ich, eine Zigarette zum Kaffee rauchend. Tadellos mein Plastikfeuerzeug aus der richtigen Tasche fischend und wieder hineingleiten lassend, mein Wechselgeld nachzählend, die Sachen nur nervös umverlagernd vor dem erneuten Abstieg in die U-Bahn und dann der großen Umverlagerung, nämlich der ins speedgetränkte Wochenende. Dieses Café war eine Disziplin, nichts weiter.

»Lass uns reingehen und ein Bier trinken!« schlug Christine vor. Nein, ich setz mich immer in das Café dort drüben … »Wieso das denn? Ich will ein Bier. Los jetzt.«

Es war ganz dunkel da drin, eine klassische braune Bar. Altes New York. Junge Typen nach der Arbeit, ältere Typen, Typen die tatsächlich hier wohnten, billiges kaltes Bier, gute Jukebox. Wir blieben für ein, zwei, drei Biere. Schlossen Freundschaften. Bekamen Drinks spendiert. Saßen schließlich im Zug, dem leeren Main Street Flushing. So spät am Abend fährt niemand nach Manhattan rein. Ich schon. Ich habe eine große Dose Schlitz und rauche sogar in der Bahn. Ich bin um die 30, ich habe meine Freundin dabei. Alles ist in Ordnung. Ich bin voll mit Gedichten.

Das war der Barn-Hill Pub. Sehr deutsch für meine Begriffe. Bestimmte Erlebnisse sind wie Zigarren, die ich allerdings nie geraucht habe. Bestimmte Erlebnisse sind wie im Umfeld von Zigarren zu sein. Man akzeptiert, was um einen herum passiert. Freitags wollten mich immer alle treffen. Lucy und Greg. Lucy. Ich ging runter ins Prescott’s, wo sie an der Bar arbeitete, und gab ihr ihre. Hast du schon eine genommen?, fragte sie. Lucy hatte schon als Kind mit dem Zeug angefangen. Eine Arzttochter. Yeah.

Wie viele? Ich hielt zwei Finger hoch. Supergroße Sache das Ganze, aber ich fühlte mich wie ein Dealer. Um das Begräbnis von Ted herum fuhr ich im Taxi vom Strand Richtung Downtown und rauchte eine Marlboro in meinem gestreiften Lieblingsshirt. Es war ein strahlend blauer Tag, mein bester Freund war soeben gestorben und ich besorgte ein paar Pillen für Alice, ein letzter Ausflug, und fühlte mich großartig. Ich fuhr zu spät zur Arbeit. Arbeit war damals Irving Trust, Papierabteilung gegenüber dem grünen Denkmal vor der Trinity Church, die Tätigkeit bestand darin, Kredite und Lastschriften zusammenzurechnen, dieses zu tun und auf das Denkmal zu sehen, Kaffee zu trinken, zu rauchen, jenes zu tun. Man sagte mir, dies sei ein Job, den man macht, damit es einem besser geht. Alle um mich herum sahen schlechter aus als jeder den ich bisher um mich herum gehabt hatte. Aber für die Dauer dieser Taxifahrt war ich eine Koksdealerin. Es passierte einfach. Ich vergaß Ted, den Job, dass ich nur Pillen kaufte, blaue Pillen für 35 Dollar und sie für 100 weiterverkaufte, und mich vom Gewinn einen Abend lang volllaufen ließ. Ich vergaß das und genau darum ging es bei meinem Ausflug. Du gehst an einen Ort außerhalb deines Lebens, kommst neu wieder, bringst das Zeug mit und machst ein bisschen Geld. Putzt deine Wohnung. Schreibst bisschen was.

Lichtkriegerin

Mein Name bedeutet Lichtkriegerin, wenn man ihn über das Lateinische und Gälische in die Gegenwart bringt. Ich bin eine bedeutende Person, vielleicht eine Heilige, oder überlebensgroß. Wie ich höre, beurteilt man eine Heilige nach ihrer ganzen Persönlichkeit, nicht nur nach ihren Taten. Ich fange an, meine eigenen Taten als meine Schatten zu betrachten, immer weniger notwendig, mit immer weniger Sorgfalt vollbracht. Ich vergleiche meine Existenz mit der einer Sonnenuhr, wenn ich einfach nur dastehe und meinem Bewusstsein langsam das Moment der Bewegung offeriert wird, wobei Aktivität durchaus angemessen ist im Bereich des Heiligen, der Figur, die ihr Leben in den Fenstern einer Kirche beginnt, in der religiösen Atmosphäre ihrer eigenen Imagination, bis die Geschichte mit ihrem Wesen in Einklang ist und der Weg erkennbar wird – die Stürme der Identität brechen los und implodieren und brauen sich erneut zusammen und jetzt wird sie nach vorne in einen neuen Film getrieben. Ich hatte geglaubt, ich würde in einer Welt voller Dunkelheit und Chaos leben und sei das einzige, leuchtende und wahrhaftige Ding. Ich hielt nur Ausschau nach den Gefährten, die diese Interpretation des Geheimnisses, das mein Leben umhüllte, bestätigen würden. Ich konnte von dort nicht weg, hätte das aber auch gar nicht gewollt. Ich war in Klassenzimmern und Büros, Bars, Krankenhäusern, staatlichen Lehrstätten für die Unheilbaren, und kurz leuchtete ich mit einem Strahl der Hoffnung auf, aber als Taxifahrerin steuerte ich regelmäßig Orte an, die irgendwann kaputtgehen sollten, deshalb war die Hoffnung auf einen Wandel, genau wie die Sehnsucht nach einer Umgebung, in der ich hilfreich sein konnte, immer schnell wieder verschwunden, und ich kam zu dem Schluss, die Welt sei nun mal so, oder eben ich.

Wie viele andere wurde ich Künstlerin. Ich möchte mich mit diesem kulturellen Unfall nicht weiter aufhalten. Sagen wir einfach, im Bereich des Spiels bin ich seit jeher brillant.

Bei Nachbarschaftsspielen konnte ich die Kette aus Kinderhänden immer durchbrechen. Wenn an diesem Vorstadt-Sommerabend dann das Licht schwand, war ich die Siegerin. Sie riefen »3« und ich selbst und ein anderes Kind machten ein Täuschungsmanöver und hasteten in die Mitte zu einem Gegenstand am Boden und er musste ergriffen und zum Team zurückgebracht werden, ohne dass man als Spieler abgeschlagen wurde, und es stimmte – ich war von meinem Gegner nicht berührt worden.

Die Adoleszenz hatte etwas Abstoßendes, das lag nicht am Sex, sondern an der Art, wie ich mich hasste, wenn ich durcheinander war, wie widerlich es war, auf etwas zu warten. Aber als ich noch ganz jung war, hatte ich ganz klar eine Mission. Ein Mädchen aus der Schule wollte sich meinen Jeanne-d’Arc-Comic ausleihen und ich antwortete, ich müsse erst meinen Vater fragen, was alle für eine äußerst merkwürdige Antwort hielten.

Dass ich so eigentümlich und verlegen war, unterstrich meine Besonderheit noch. Mein Vater hatte mir ein Junior Classics Comicheft über Jeanne d’Arc anvertraut, die erste Frau, die ich gern sein wollte. Es war eine Gebrauchsanweisung, und wenn das Mädchen, Joan Salinger, sich mir im Schulhof genähert und gesagt hätte: »Bitte gib es mir, Eileen – Lichtkriegerin«, hätte ich ihr schweigend die Ehre erwiesen.

Ich habe mein ganzes Leben auf Erlaubnis gewartet. Ich spüre sie in meiner Brust wachsen. Ein Krieg tobt und er ist hinter mir und ich rücke meine Truppen ins Licht.

Wasser und Brot

Ein Brötchen aus der Bäckerei in der sechsten Straße mit Knoblauchstücken obendrauf und ein riesiges Glas mit eiskaltem Wasser. Eine Schachtel angebrochener Merits, die Claudia gestern Abend auf dem Tisch liegen gelassen hat. Zwei Messer auf dem Tisch – eins zum Schneiden, eins zum Bestreichen. Seit Weihnachten ist hier an Butter einiges geboten. Christine kauft die leicht gesalzene und ich mag die Süßrahmbutter von Breakstone in der Plastikschale. Es gefällt mir, dass die Schalen beschichtet sind. Chris kommt rein und wir reden über unsere wilden Tage. Sie hat vergessen, gestern Abend nach Geld für die Pillen zu fragen, deshalb musste sie Elinor zwölf Dollar für uns alle bezahlen. Sie hatte einen Hotdog zu Mittag, weil sie all diese Leute mit den Aktentaschen herumgehen und Hotdogs essen sah, deshalb dachte sie, genau das brauche ich auch! Sie sagte, ihr Hotdog war so gut, sie will den ganzen Tag so was essen. So sehen ihre Augen aus. Jim weckte mich auf und lud mich für Sonntag zum Abendessen nach Staten Island ein. Stuyvesant Place 115. Ich zog meine Jeans an und lag weiterhin im Bett herum und lachte über gestern Abend – trank dabei viel Kaffee und rauchte viele Zigaretten. Ich ging raus auf die Feuerleiter und machte Fotos von der Jungfrau und unserem Mopp und den Bäumen hinter dem Feuerleiterschwarz und dann hielt ich die Kamera von mir weg und machte ein Bild von mir selbst. Ich ging zum St. Mark’s Place und versuchte, den Film entwickeln zu lassen. Das wären dann zwei Dollar Anzahlung. Ähm. Joe, sie hat die zwei Dollar nicht, können wir es auch so machen. Er sieht an mir und meiner Jacke rauf und runter und sagt nein. Ich bitte den Typ um eine kleine Tüte damit ich meinen Film nicht ruiniere. Er sieht mich an als sei ich verrückt und ich stecke den Film in meine Tasche und gehe zur Tür raus. Im Copyshop sagten sie, sie könnten keine beidseitigen Kopien machen. Dann sagte er, kommen Sie um vier wieder. Vielleicht kann ich das. Chris geht raus und kommt mit Campbell’s Tomatensuppe und Marlboros wieder. Die kann man sich gleichzeitig reinziehen. Im Kopf denke ich eine halbe Stunde lang Merchard, Merchard. Schließlich nenne ich sie so. Wir lecken uns gegenseitig den Bauchnabel, ich rieche an ihrem Schritt und rieche Blut. Sie meint, sie hat einen Stopfen in sich drin. So haben die Mädchen in der Libertyville High School zu Tampons gesagt. Ich rufe den Copyshop an und er meint, er hat’s gerade hingekriegt. Chris, ich will überhaupt nicht rausgehen. Kommst du mit und wir drehen eine Runde. Mein Kopf sagt ja, aber mein Körper nicht. Zeug tackern, zur Post gehen – ist sie eine Lesbe – sie sagt, sie steckt das Zeug in deren Postfach. Sie sagt, mach doch kein so ’n großes Ding draus mit den Augen, als ich dir überschwänglich danke. Es ist kalt, ich gehe da rüber. Er streicht die Wohnung und sie ist in Brooklyn, hat abends einen Workshop. Ich sage, Eileen war hier und der Typ, der die Küche streicht, sieht mich komisch an. Ein Verwandter glaube ich. Ich gehe ins Village rein, MacDougal, nein, Sullivan. Verpasste Kettle of Fish, vielleicht Googie’s, nein, Village Corner auf dem Heimweg. Dunkles Becks-Ale. Ich bin wohl zu müde, um irgendwas zu tun. Aber Zigaretten werden gehen und der Durst wird kommen und ich bin hungrig, könnte zum Workshop gehen und Barbara um Geld bitten, aber sie leiht mir ständig Geld. Gemach. Ich hasse es, so rechtschaffen zu sein, aber. Wir beschließen nach Kalifornien zu ziehen und Froggi und Carrot-Face zu werden. Wimminsong – eine Art lesbischer kultureller Identität, wer weiß. Ich lebe in einer Kommune in San Diego und heiße Froggi Wimminsong. Nääh. Festgeklebte eingetrocknete Tomatensuppe in einem alten Topf und ich bin hungrig. Ein gläsernes Sparschwein, das auf dem Schreibtisch steht und völlig leer ist. Eileen Froggi Wimminsong. Schau, es ist fünfundzwanzig nach sieben. Dieser Abend. Ich will eine Glotze und eine Pizza. Ein Sixpack. Beim Workshop setzen sich jetzt alle hin. Hauptsächlich Leute, die ich kenne. Ich und Merchard sind daheim geblieben, weil wir kaputt sind, und Merchard liest Das Seth-Material