Classroom-Management - Christoph Eichhorn - E-Book

Classroom-Management E-Book

Christoph Eichhorn

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Beschreibung

Was tun bei Störungen im Unterricht? Es sind vor allem die kleinen Störungen - dazwischenrufen, mit anderen Schülern reden, die ständige Unruhe im Klassenzimmer -, die Lehrern das Leben schwer machen. Schülern und Eltern auf Dauer auch. Classroom-Management ist darauf die beste Antwort: ein neues, international bewährtes Konzept für die Schule von morgen. Auch Schüler sehnen sich nach guten Beziehungen, nicht nur Lehrer. Dazu braucht es ein geordnetes Klassenzimmer und Regeln für den Unterricht. Classroom-Management ist das wichtigste Merkmal eines guten Unterrichts, wie der internationale Vergleich mit Finnland, Schweden und den USA belegt. Konsequent angewandt reduziert es kleine Störungen, bevor sie zum Problem werden. Wie das geht, wie Lehrer von Anfang an die Eltern und Schüler miteinbeziehen und warum Classroom- Management nützt und vorwärtsbringt, zeigt dieses Buch konkret an Beispielen und zahlreichen Übungen für Lehrer und Eltern. Classroom-Management heißt gelingender Unterricht, stellt die Leistung engagierter Lehrer heraus, bedeutet zufriedenere Eltern und ermöglicht Schülern, ihre wirklichen Fähigkeiten lernend zu entfalten. Wie Sie als Lehrer oder Lehrerin von Classroom-Management profitieren: - Classroom-Management gilt als Hauptqualitätsmerkmal für guten Unterricht. - Mangelnde Disziplin ist der stärkste Belastungsfaktor für Lehrpersonen – Classroom-Management schafft genau hier Abhilfe. - Erst ein geordnetes Klassenzimmer ermöglicht gute Beziehungen zu den Schülern – Classroom-Management legt Wert auf gute Beziehungen zwischen Ihnen und Ihren Schülern. - Disziplinprobleme verstärken die Gefahr von Gewalthandlungen an der Schule – Classroom-Management zielt darauf ab, dass es gar nicht so weit kommt. - Disziplinprobleme schädigen das Image der Schule – mit Classroom-Management verbessern Sie Ihr Ansehen als Lehrperson in der Öffentlichkeit. - Classroom-Management bietet eine ganze Reihe hervorragender Tools, die Sie beim Unterrichten unterstützen und Ihnen dabei helfen, dass es in ihrem Klassenzimmer rund läuft. Ihre Schüler lernen mehr und Lehrersein macht mehr Freude.

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Christoph Eichhorn

Classroom-Management

Wie Lehrer, Eltern und Schülerguten Unterricht gestalten

Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Klett-Cotta

www.klett-cotta.de

© 2008 J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659 Stuttgart

Umschlag: Philippa Walz, Stuttgart

Fotos: Mette/laif

Gesetzt von Dörlemann Satz, Lemförde

Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Printausgabe: ISBN 978-3-608-94498-3

E-Book: ISBN 978-3-608-10105-8

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Inhaltsverzeichnis

Teil 1: Was dieses Buch Ihnen bietet

1.1 Was ist Classroom-Management?

1.2 Warum ist Classroom-Management so wichtig?

→ Classroom-Management als Hauptqualitätsmerkmal guten Unterrichts→ Erst ein geordnetes Klassenzimmer ermöglicht gute Beziehungen→ Mangelnde Disziplin ist der stärkste Belastungsfaktor für Lehrer→ Disziplinprobleme schädigen das Image der Schule→ Disziplinprobleme verstärken die Gefahr von Gewalthandlungen an der Schule→ Für manche Schüler ist ihr Lehrer der einzige Lichtblick in einem sonst düsteren Leben

Teil 2: Ein guter Start

2.1 Die Vorbereitung des ersten Schultags

→ Informationen über die Kooperationsbereitschaft der Eltern→ Informationen über Leistungsaspekte der Schüler→ Informationen über sozial-emotionale Aspekte der Schüler und die Klassendynamik→ Wie der Lehrer die Vorab-Informationen über seine Schüler und die Klasse nutzt

2.2 Die Organisation des Klassenzimmers

→ Grundlegende Überlegungen→ Die Tische der Schüler→ Das Lehrer-Pult→ Wände und Tafeln→ Klassenregeln→ PC-Arbeitsplätze→ Material→ Sitzordnung bei einer unruhigen Klasse

2.3 Die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schule

→ Die positiven Intentionen der Eltern sehen→ Warum ist eine gute Beziehung zu den Eltern so wichtig?→ Mit den Eltern vor dem ersten Schultag Kontakt aufnehmen→ So könnte ein Brief an die Eltern vor Schulbeginn aussehen→ Was tun, wenn Eltern in Ruhe gelassen werden wollen?→ Der Brief an die Schüler vor Schulbeginn→ Der Besuch zu Hause vor Schulbeginn→ Mit Eltern über Regeln sprechen→ Sie als Lehrer halten sich auch an Regeln!→ Warum Regeln? Den Eltern die Rolle und die Bedeutung erklären→ Migranteneltern

2.4 Der erste Schultag

→ Wer entscheidet, wo die Schüler sitzen?→ Wie der Lehrer seine Schüler begrüßt→ Der Unterricht beginnt mit einer Aufgabe

2.5 Wie der Lehrer Verfahrensabläufe einübt

→ Der erste Verfahrensablauf wird eingeübt→ Schubsen, Mobbing und andere Nettigkeiten unter Schülern→ Welche Alternativen sind möglich?→ Noch einmal – zweiter Anlauf→ Lernen ist schwer – dritter Anlauf→ Und wenn die Schüler älter sind?→ Den ersten Verfahrensablauf einüben – auch eine Übung für Lehrer→ Erstes Gespräch mit Jonas: Das Problem beim Namen nennen· Einmal erzielte Fortschritte nutzen?· Warum und wie mit Jonas’ Eltern telefonieren?→ Elterngespräch: Sich für Fähigkeiten einsetzen – statt gegen Probleme anzukämpfen→ Wie aus Problemen zu erlernende Fähigkeiten werden?· Wie man ein positives Klima schafft

2.6 Wie der Lehrer seinen Unterricht an den Zielen seiner Schüler ankoppelt

→ Schüler für ihr Lernen verantwortlich machen→ Was ich in der Schule lernen möchte→ Anwendung in unterschiedlichen Altersstufen und bei verschiedenen Fächern→ Warum ist eine gute Arbeitshaltung wichtig?

Teil 3: Beziehung

3.1 Wie Sie eine Beziehung zu Ihren Schülern aufbauen

→ Erste Schritte zum Aufbau einer guten Beziehung zu Ihren Schülern→ Höflichkeit und Respekt→ Lob und Komplimente→ Lob für die ganze Klasse→ Vom Lob zum Lern-Coaching→ Wie wirke ich als Lehrer?

3.2 Wie Sie angespannten Beziehungen entgegenwirken

→ Warum sind angespannte Lehrer-Schüler-Beziehungen so gefährlich?→ Versöhnung – Wege aus einer zerrütteten Beziehung

Teil 4: Motivationssysteme

4.1 Zeit für bevorzugte Aktivitäten (ZbA)

→ Extra-Zeit (EZ)→ Qualitätskriterien für ZbA→ Schüler halten das Ziel nicht ein→ Ein schwieriger Fall – Harry schert aus→ ZbA – stark bei »schwierigen« Schülern→ Die Eltern einbeziehen→ Anwendungsfragen

4.2 Noten im Classroom-Management

→ »Gib dir selbst ein Zeugnis, wo du zum Ende des Schuljahrs stehen möchtest«→ Schüler brauchen regelmäßige notengebundene Rückmeldungen für Sozial- und Lernverhalten→ Ein gutes Beurteilungssystem zum Sozial- und Lernverhalten nutzt die Ressourcen der Eltern→ Wie der Lehrer das Sozial- und Lernverhalten benotet→ Die Noten zum Sozial- und Lernverhalten orientieren sich an den individuellen Voraussetzungen der Schüler→ Wie der Lehrer den Schüler und seine Eltern über die Noten zum Sozial- und Lernverhalten informiert→ Ein guter Kommentar ermöglicht dem Lehrer den Dialog mit dem Schüler→ Die Bedeutung des Kommentars für die Arbeit mit den Eltern→ Wenn Schüler schlechte Noten zu Hause verheimlichen

Teil 5: Den Unterricht leiten

5.1 Missverständnisse bezüglich des Classroom-Managements

5.2 Verfahrensabläufe

→ Verfahrensabläufe vermeiden Chaos und Durcheinander→ Wie Schüler Verfahrensabläufe lernen→ Verfahrensablauf: Übergänge ins und aus dem Klassenzimmer→ Verfahrensablauf: Wenn ein Schüler Hilfe braucht→ Verfahrensablauf: Für Ruhe im Klassenzimmer→ Verfahrensablauf: Der Weg zur Bibliothek

5.3 Die Pflege des Classroom-Management-Systems

→ Monitoring→ Je besser der Lehrer auf seinen Unterricht vorbereitet ist, desto geordneter ist sein Klassenzimmer→ Monitoring schwacher Schüler in der Kleingruppe→ Wochenarbeit→ Kooperatives Lernen→ Gruppenfokussierung

Teil 6: Regeln und Konsequenzen

6.1 Klassenregeln und die Folgen, wenn diese nicht eingehalten werden

→ Die eigene Messlatte etablieren→ Der andere ist das Problem→ Klassenregeln konkret→ Soziales Verhalten im Fokus→ Reden, reden, reden→ Disziplin beginnt im Kleinen→ Management by walking around→ Die Karteikarte→ Wie trickreiche Schüler ihrem Lehrer Sand in die Augen streuen→ Negative Konsequenzen – Leitlinien

6.2 Spezielle Methoden für schwierige Situationen

→ Stufen der Verantwortung→ Deeskalation – eine »Judo-Techniken« im Umgang mit aggressiven Schülern→ Wie der Schüler negative Konsequenzen abwehren kann→ Isolation im Klassenzimmer→ Time-out→ Schulausschluss→ Interventionsmöglichkeiten auf der Schulebene

Anhang

Zu Kapitel 2.6, Abschnitt: »Was ich in der Schule lernen möchte«, Schritt 12

Begrüßung durch Herrn Schubert

Wie Eltern ihre Kinder beim Lernen unterstützen können – ein Vortrag von Herrn Schubert

Literaturverzeichnis

Die wichtigsten Bücher

Teil 1Was dieses Buch Ihnen bietet

1.1 Was ist Classroom-Management?

Wumm – was ist das? Sie stehen gerade an der Tafel und sehen noch, wie der nasse Schwamm an die Wand prallt. Bei Ihnen läuten alle Alarmglocken. Jeder weiß, das ist ein Ernstfall. Wie reagieren Sie? Sind Sie auf eine solche Situation vorbereitet? Oder müssen Sie »aus dem Bauch heraus« reagieren?

Während Ihrer Ausbildung wurden Sie, wie die meisten Lehrer, auf derartige Situationen nicht vorbereitet – und dennoch geschehen sie täglich tausende Male in allen Klassenzimmern weltweit: Wenn Sie jetzt keine klaren Vorstellungen eines wirkungsvollen Classroom-Managements haben, sind Sie als Lehrer gegenüber Ihren Schülern immer im Hintertreffen. Wenn Sie kein Genie der Schlagfertigkeit sind, das immer wieder intuitiv – und vor allem jetzt, in diesem Moment – die richtige Form findet, mit der Situation umzugehen, dann sind Sie nicht nur jetzt verloren, sondern Ihre Position bei Ihren Schülern ist langfristig beschädigt. Aber selbst wenn Sie so hervorragende soziale Kompetenzen hätten: Es kostet Sie auf lange Sicht unvergleichlich viel Energie, Zeit und Nerven, wenn Sie sich für jede Disziplinlosigkeit Ihrer Schüler eine passende eigene Antwort erst noch einfallen lassen müssen. Als Lehrer haben Sie tagtäglich so viel zu tun, dass es am besten ist, wenn es gar nicht so weit kommt. Und genau das ist das Ziel von Classroom-Management.

Die Aufgaben, denen sich der Lehrer gegenübersieht, sind extrem anspruchsvoll. Er steht nicht nur vor einem einzelnen Kind – wobei es schon schwierig sein kann, ein einzelnes Kind gut zu unterrichten. Er steht vor einer Gruppe von Kindern mit völlig unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und kulturellem Hintergrund. Aus dieser heterogenen Gruppe soll er eine Klasse formen, sie nach und nach mit akademischen Fertigkeiten vertraut machen und ihr auch noch die Grundlagen des sozialen Umgangs miteinander beibringen.

Wie soll der Lehrer all diese unterschiedlichen Anforderungen bewältigen? Viele meinen: mit Liebe und Zuwendung. Diese Ansicht ist falsch. Liebe ist zwar die Grundlage des Unterrichtens. Aber ohne Management-Expertise ist sie machtlos. Wenn der Lehrer seine Klasse nicht angemessen führen kann, wird er zum Spielball seiner Schüler. Auch wenn er sie noch so sehr liebt.

Guter Unterricht basiert auf einer guten Lehrer-Schüler-Beziehung plus der Classroom-Management-Expertise des Lehrers.

Dieses Buch will Ihnen als Lehrerin bzw. Lehrer die Freude am Lehren und Unterrichten wieder zurückgeben, indem es Sie dabei unterstützt, Ordnung in der Klasse zu schaffen und kooperative Beziehungen zwischen Lehrer, Schülern und Eltern herzustellen.

Effektives Classroom-Management:

gilt als Hauptqualitätsmerkmal guten Unterrichts (Helmke 2003)und spart dem Lehrer Nerven, Zeit und Anstrengung (Jones 2000).

Es ist aber auch ein Buch für all diejenigen Eltern, die mit dem Lehrer ihres Kindes gut zusammenarbeiten wollen. Denn es zeigt ihnen, wie anspruchsvoll gutes Unterrichten ist, und fördert damit ihr Verständnis für die oft enormen Herausforderungen, denen Lehrer gegenüberstehen.

Drei Bitten, bevor Sie mit diesem Buch arbeiten:

Benutzen Sie die Vorschläge als Anregungen, nicht als Rezepte. Schneiden Sie sie für Ihren Kontext passgenau zu.

Überprüfen Sie, ob sie mit dem juristischen Hintergrund Ihrer Schule kompatibel sind.

Lesen Sie dieses Buch nicht einfach nur durch. Am meisten profitieren Sie, wenn Sie nach der Lektüre mehrere Kollegen beim Unterrichten unter den in diesem Buch beschriebenen Gesichtspunkten beobachten. Sie werden überrascht sein, wie spannend das ist. Laden Sie auch Ihnen sympathische Kollegen in Ihr Klassenzimmer ein. Lassen Sie sich Tipps geben, wie Sie Ihre Classroom-Management-Expertise steigern können.

Dieses Buch vermittelt Ihnen die wichtigsten Grundlagen zum Classroom-Management. Wichtige angrenzende Bereiche wie z.B. der Aufbau einer Wertekultur, die Förderung von Neugier und Fehlertoleranz oder kooperatives Lernen müssen aus Platzgründen leider ausgespart oder können nur kurz behandelt werden.

Bei Begriffen wie Lehrer/Lehrerin, Schüler/Schülerin ist im Text einzig und allein aus Gründen der Lesbarkeit meist die männliche Form gewählt; die Namen, die im Text vorkommen, sind anonymisiert.

1.2 Warum ist Classroom-Management so wichtig?

→  Classroom-Management als Hauptqualitätsmerkmal guten Unterrichts

»Die internationale Forschung zeigt, dass kein anderes Merkmal so eindeutig und konsistent mit dem Leistungsniveau und dem Leistungsfortschritt von Schulklassen verknüpft ist wie die Klassenführung. Die effiziente Führung einer Klasse ist eine Vorausbedingung für anspruchsvollen Unterricht: Sie optimiert den zeitlichen und motivationalen Rahmen für den Fachunterricht« (Helmke 2003, S. 78). Harry K. und Rosemary T. Wong (2004) meinen: »Es kommt auf den Lehrer an. Wie der Lehrer seine Klasse führt, entscheidet letztlich, ob und wie viel seine Schüler lernen.«

Classroom-Management ist die Voraussetzung für guten Unterricht.

→  Erst ein geordnetes Klassenzimmer ermöglicht gute Beziehungen

Menschen sehnen sich nach guten Beziehungen – junge Menschen ganz besonders. Wenn die Beziehungen zwischen Schüler und Lehrer und zwischen Schüler und Schüler stimmen, lernen Schüler besser. Gute Beziehungen zwischen dem Lehrer und seinen Schülern, aber auch unter den Schülern stellen sich nicht ein, wenn es im Klassenzimmer drunter und drüber geht. Erst Classroom-Management schafft die Voraussetzungen dafür, dass gute Lehrer-Schüler-Beziehungen wachsen und ein gutes Klassenklima gedeiht.

→  Mangelnde Disziplin ist der stärkste Belastungsfaktor für Lehrer

»Die mit Abstand häufigsten Lehrer-Schüler-Konflikte haben mit Disziplin zu tun« (Nolting 2006) – und sind für den Lehrer besonders aufreibend. Classroom-Management setzt genau dort an.

→  Disziplinprobleme schädigen das Image der Schule

Disziplinprobleme vergiften nicht nur das Klima im Klassenzimmer, sondern sie treiben die Eltern in Opposition zum Lehrer. Das Ansehen der Schule in der Öffentlichkeit nimmt schweren Schaden.

→  Disziplinprobleme verstärken die Gefahr von Gewalthandlungen an der Schule

Der gefährliche Cocktail, aus dem Gewalthandlungen hervorgehen, hat auch mit der Schule zu tun. Ein aggressives Klima an der Schule, schlechte Beziehungen zum Lehrer, Misstrauen zwischen Eltern und Lehrer, gegenseitiges Schikanieren unter Schülern – all dies kann dazu beitragen, dass sich Schüler besonders gewalttätig verhalten.

→  Für manche Schüler ist ihr Lehrer der einzige Lichtblick in einem sonst düsteren Leben

Von intakten Familienverhältnissen, die Orientierung und emotionalen Rückhalt geben, können manche Schüler nur träumen. Leider. Wie Emmy Werner, eine der Mitbegründerinnen der Resilienzforschung, schon 1992 zeigen konnte, kann die Beziehung zu ihrem Lehrer für diese Schüler der Rettungsanker in ihrem deprimierenden Leben werden – aber nur, wenn er Ruhe und Sicherheit ausstrahlt. Und dazu muss sein Klassenzimmer geordnet sein. Genau darum geht es beim Classroom-Management.

Teil 2Ein guter Start

2.1 Die Vorbereitung des ersten Schultags

Der erfolgreiche Lehrer beginnt seine Vorbereitungen längst vor dem ersten Schultag. Je mehr er über seine Schüler weiß, desto besser kann er sich auf sie einstellen. Dabei stützt er sich auf Informationen seines Vorlehrers: nicht um dessen Beurteilungen und Ansichten blind zu übernehmen, sondern um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen und seine Vorbereitungen danach auszurichten.

Der wichtigste Tag im Leben eines Schülers ist nicht der Tag der Zeugnisausgabe, sondern der erste Schultag.

→  Informationen über die Kooperationsbereitschaft der Eltern

Ein besonderes Augenmerk wird der Lehrer auf diejenigen Eltern richten, zu denen sein Vorgänger eine »schwierige« Beziehung hatte. Um zu diesen Eltern eine Beziehung aufzubauen, muss er mehr investieren als bei anderen.

→  Informationen über Leistungsaspekte der Schüler

Eigentlich kann der Lehrer gar nicht richtig unterrichten, wenn er nicht beispielsweise über den Stand der Deutschkenntnisse seiner Migrantenkinder Bescheid weiß oder darüber, ob ein Schüler von ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) betroffen ist, ob er Legastheniker ist oder auditive Erfassungsprobleme hat (anders gesagt: Probleme bei der auditiven Kurzzeit-Speicherung).

→  Informationen über sozial-emotionale Aspekte der Schüler und die Klassendynamik

Folgende Informationen sind für den Lehrer von Bedeutung:

Gibt es besonders schwierig zu führende Schüler, wie z.B. ADHS-Schüler mit oppositionell-aggressivem Verhalten?

Welchen Schülern fällt es besonders schwer, an sie gestellte Anforderungen nachzukommen?

Welche Schüler haben eine gute soziale Ader?

Gibt es Außenseiter?

Gibt es Schüler, die häufig versuchen, den Unterricht zu stören?

Gibt es Spannungen zwischen rivalisierenden Gruppen?

Gibt es Migrantenkinder? Wie sind sie in der Klasse integriert?

Wie ist das Klima in der Klasse?

Ist die Klasse schwierig zu führen?

Guter Unterricht beginnt lange vor dem ersten Schultag.

→  Wie der Lehrer die Vorab-Informationen über seine Schüler und die Klasse nutzt

Gute Vorab-Informationen über die Schüler erleichtern dem Lehrer die Unterrichtsplanung, den Einstieg in den Unterricht und das Classroom-Management.

Wie der Lehrer Informationen über Leistungsaspekte seiner Schüler berücksichtigt: Die oben erwähnten Informationen beeinflussen nicht nur die Unterrichtsplanung und den Unterricht, sondern sind bereits vorher von Bedeutung, z.B. was den Sitzplatz eines ADHS-Schülers anbelangt; dieser soll natürlich in der Nähe des Lehrers sein. Schüler mit auditiven Erfassungsproblemen brauchen kleinschrittige, visuell unterstützte Erklärungen, auf die sie jederzeit zurückgreifen können, da sie sonst die Anweisungen ihres Lehrers oder einen Teil davon vergessen. Bei Schülern mit schlechten Deutschkenntnissen muss der Lehrer überprüfen, ob sie seine Ausführungen überhaupt exakt verstanden haben. Die Frage: »Hast du verstanden, was ich erklärt habe?«, hilft dabei in der Regel nicht weiter, weil die meisten Schüler »ja« antworten. Besser ist es, wenn sich der Lehrer von solch einem Schüler den Auftrag noch einmal erklären lässt; zusätzlich muss er überlegen, ob er z.B. für diese Schüler einen Kleingruppenarbeitsplatz im Klassenzimmer einrichtet, an dem er sie unterstützen kann.

Wie der Lehrer Informationen über sozial-emotionale Aspekte der Schüler und die Klassendynamik berücksichtigt: Wenn der Lehrer seine Schüler in Kleingruppen arbeiten lässt, muss er bei der Gruppeneinteilung die Beziehungsdynamik unter seinen Schülern berücksichtigen. Wenn es in der Klasse Gruppen rivalisierender Schüler oder Außenseiter gibt, so wird er auf keinen Fall die Schüler ihre Gruppen einteilen lassen, sondern dies selbst tun. Sogar die Größe von Kleingruppen hängt von der Beziehungsdynamik in der Klasse ab. Je angespannter die Beziehungen unter den Schülern sind, desto kleiner müssen Arbeitsgruppen sein. Um einen Außenseiter besser zu integrieren, wird der Lehrer ihn in eine Arbeitsgruppe von Schülern mit guten sozialen Kompetenzen einteilen. Und er wird diese Kleingruppe über eine längere Zeit hinweg zusammenarbeiten lassen.

Je »schwieriger« eine Klasse ist, desto mehr muss sich der Lehrer gerade zu Beginn eines neuen Schuljahres um ein stringentes Classroom-Management kümmern. Er muss damit rechnen, dass die Schüler häufiger als in anderen Klassen gegen Regeln verstoßen, zu spät zum Unterricht kommen, die Hausaufgaben nur teilweise erledigen usw. Und dass es schwieriger sein wird, ein geordnetes Klassenzimmer aufzubauen.

So geht er vor:

Er erklärt wiederholt und detailliert seine Erwartungen und überprüft, was die Schüler davon verstanden haben.

Er erklärt genau, welche Verfahrensabläufe ihm zu Beginn besonders wichtig sind, übt sie ein und wiederholt sie so lange, bis seine Schüler sie beherrschen.

Er achtet auf kleine Fortschritte seiner Schüler und lobt sie dafür.

Er investiert viel in eine gute Beziehung zu seinen Schülern.

Er achtet besonders darauf, dass seine Schüler seine Standards, Erwartungen und Anweisungen korrekt einhalten.

Er registriert besonders aufmerksam alles, was in der Klasse geschieht, und reagiert prompt auf Störungen.

Er ist mental auf mögliche Schwierigkeiten eingestellt.

All diese Aspekte sind zentrale Inhalte dieses Buches. Sie erfahren später mehr darüber.

Je »schwieriger« die Klasse – desto wichtiger der Start.

2.2 Die Organisation des Klassenzimmers

Eine gute Organisation des Klassenzimmers reduziert Störungen und macht den Unterricht flüssiger.

→  Grundlegende Überlegungen

Die Einrichtung des Klassenzimmers richtet sich auch nach den Informationen zu den oben gerade genannten Aspekten. Es gelten folgende Grundsätze:

Der Lehrer organisiert die Einrichtung seines Klassenzimmers so, dass er bei allem, was er tut, jederzeit alle Schüler gut im Blick hat.

In jedem Klassenzimmer gibt es »Autobahnen und verkehrsreiche Plätze«. Beide müssen frei von Staus sein. Sie dürfen nicht durch Taschen, Tische usw. verstopft sein, denn der Lehrer muss auf ihnen schnell und problemlos mögliche Brennpunkte im Klassenzimmer erreichen.

Orte, an denen sich wichtiges und häufig gebrauchtes Arbeitsmaterial befindet, müssen so weit voneinander entfernt liegen, dass es auch dann, wenn sich die Schüler dort mit Material versorgen, keine Staus gibt, die die Schüler zur Unruhe verleiten.

→  Die Tische der Schüler

Wo die Tische stehen, hängt von der Unterrichtsform ab. Wenn die gesamte Klasse unterrichtet wird, können die Tische in U-Form oder in Reihen stehen. Wenn hingegen die Schüler überwiegend in kleinen Gruppen arbeiten sollen, dann ist es sinnvoll, dass der Lehrer zwei oder mehr Tische zusammenstellt, je nach Anzahl der Schüler, die dort sitzen sollen. Kriterium ist in diesem Fall, dass die Schüler problemlos gegenseitigen Blickkontakt haben und gut zusammenarbeiten können.

Viele Lehrer möchten mit einem oder einigen Schülern an einem Extra-Tisch arbeiten. Der Lehrer organisiert dort seinen Platz so, dass er die ganze Klasse immer im Blick hat. Wenn dieser Arbeitsplatz fest eingerichtet ist, gibt es weniger Störungen, als wenn die Schüler jedes Mal erst Tische und Stühle umstellen müssen, um ihn einzurichten.

Ein gut eingerichtetes Klassenzimmer ermöglicht dem Lehrer den kürzesten Weg zu jedem Schüler und zu jedem möglichen Brennpunkt im Klassenzimmer.

→  Das Lehrer-Pult

Manche Lehrer positionieren ihr Pult vorne im Klassenzimmer, zwischen sich und den Schülern. Zwar hat der Lehrer dann, wenn er hinter seinem Tisch steht, die Klasse vor sich und im Blick, aber – und das ist ein großer Nachteil – er hat eine viel zu große Distanz zu seinen Schülern. Dabei sind die Disziplinprobleme eines Lehrers direkt proportional zur Distanz, die er zu seinen Schülern hat (Wong & Wong 2004). Hingegen spricht eine räumliche Nähe zu ihrem Lehrer die Schüler stärker an, was das Stören reduziert. Zusätzlich kann der Lehrer schneller und unauffälliger auf Störungen reagieren, wenn er sowieso gerade wie zufällig in der Nähe störender Schüler ist.

Maximiere deine Nähe, um Probleme zu minimieren (Wong & Wong 2004).

→  Wände und Tafeln

Manche Klassenzimmer sind zwar sehr schön eingerichtet – die vielen Informationen, Bilder, Tabellen, Collagen usw. an den Wänden überfordern aber die Aufnahmekapazität vieler Schüler. Der Schüler soll schnell und selbstständig auf diejenigen Informationen an Tafel oder Wand zugreifen können, die er gerade braucht. Dabei verlangt eigentlich jedes Fach eine Extra-Planung. Eine Anlaut-Tabelle etwa ist für die Schüler im Deutschunterricht der ersten Klasse sinnvoll, für den Mathematikunterricht brauchen sie diese nicht.

Sinnvoll ist eine zweigeteilte Tafel mit einem Feld für die Aufgaben während der Unterrichtsstunde und einem Feld für die Hausaufgaben. Unbedingt ist Extra-Platz für visuelle Unterrichtshilfen nötig.

→  Klassenregeln

Die Klassenregeln befinden sich an einem prominenten und von allen gut einsehbaren Ort. Sie sind in großer Schrift verfasst und deutlich von allen anderen Informationen abgesetzt. Wenn sie an einer seitlichen Wand oder gar an der im Rücken der Schüler liegenden Wand hängen, vermittelt dies implizit die Botschaft, sie wären nicht wirklich wichtig.

Die Klassenregeln befinden sich zusätzlich auf Seite 1 des Hausaufgabenhefts.

→  PC-Arbeitsplätze

PC-Arbeitsplätze sind so eingerichtet, dass der Lehrer mit einem Blick überprüfen kann, was die Schüler arbeiten – vor allem, wenn es Internetanschluss gibt. Pro PC-Arbeitsplatz dürfen nicht zu viele Schüler arbeiten, sonst entsteht dort nur Unruhe. Der Lehrer muss seinen Schülern den Gebrauch des PC-Arbeitsplatzes und die dort geltenden Regeln im Detail erklären.

Falls der PC über einen Internet-Anschluss verfügt, lässt sich der Lehrer von jedem Schüler und dessen Eltern ein Formular unterschreiben, in dem sich der Schüler verpflichtet, das Internet nur zu schulischen Zwecken zu benutzen.

→  Material

In der Klasse lagert eine Menge an Material. Es soll so angebracht sein,

dass die Schüler genau wissen, wo sich was befindet; dazu muss es beschriftet sein;

dass die Schüler ungehindert Zugang zu den wichtigsten Materialien haben.

→  Sitzordnung bei einer unruhigen Klasse

Unruhe wird durch eine »Bühne« mit Zuschauern genährt. Wenn die Tische in U-Form angeordnet sind, sieht jeder Schüler, was jeder andere macht. Unruhigen Schülern bietet diese Sitzanordnung eine hervorragende Kulisse für Störverhalten.

Die herkömmliche Reihenform bietet hingegen die wenigsten Blick- und Kontaktmöglichkeiten für die Schüler. Bei unruhigen Klassen und bei Schülern der ersten Klassen ist sie deshalb anderen Formen vorzuziehen.

2.3 Die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schule

Das zufällige Treffen des Autors mit einem befreundeten Vater wirft ein bezeichnendes Licht auf die gespaltene Beziehung zwischen Elternhaus und Schule; obwohl wir uns viele Monate nicht mehr gesehen hatten, kam mein aufgebrachter Bekannter sofort zur Sache: »Unmöglich, was die Lehrer für hirnrissige Aufgaben stellen«, platzte es aus ihm heraus. Und natürlich hatte er sofort eine ganze Reihe an Beispielen parat. Auf meine Frage: »Und wie sieht das deine Frau?«, kam die prompte Antwort: »Natürlich wie ich.« Sein Sohn, um den es dabei ging, stand direkt daneben.

Natürlich kann es sein, dass sich der Lehrer ungünstig verhalten hat. Statt aber das Gespräch mit dem Lehrer zu suchen, verurteilen ihn viele Eltern vorschnell – und halten mit ihrer negativen Meinung auch gegenüber ihren Kindern nicht hinter dem Berg. Dabei übersehen sie schnell einmal, dass die Situation im Klassenzimmer ganz anders gewesen sein mag, als es ihr Kind zu Hause dargestellt hat.

Das nützt dem Lehrer allerdings herzlich wenig. Warum?

Wenn ein Schüler im Konfliktfall mit seinem Lehrer spürt, dass seine Eltern hinter ihm stehen und gegen seinen Lehrer Partei ergreifen, dann wird er in der Schule seinem Lehrer kaum mehr Folge leisten und auch nicht mehr richtig lernen.

Lehrer schlechtzumachen ist in Deutschland Mode. Ein Verlag war sich nicht dafür zu schade, ein Buch mit dem Titel Das Lehrerhasser-Buch. Eine Mutter rechnet ab herauszugeben (Kühn 2005). Und der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder titulierte Lehrer vollmundig als »faule Säcke«.

Da ist es kein Wunder, dass die Beziehung zwischen Schule bzw. Lehrer und Eltern oft vergiftet ist. Dazu hat ebenfalls das Gefühl vieler Eltern beigetragen, dass auch mit guter Absicht begonnene Gespräche mit »schwierigen« Lehrern wenig erfolgversprechend sind und dass das System Schule »schwierige« Lehrer schützt. Das löst bei vielen Eltern Ohnmacht aus. Und Ohnmacht macht unkooperativ und kann sogar in Zynismus oder Wut umschlagen.

Was die Arbeit mit Eltern angeht, steht der Lehrer also vor ganz außergewöhnlichen Herausforderungen. Das in diesem Buch vorgeschlagene Vorgehen verlangt einigen Aufwand und ist auch nicht immer so durchführbar, wie hier beschrieben. Es zeigt aber die Richtung auf, in der sich die Arbeit mit den Eltern bewegen muss: vor allem, wenn es um Schüler mit massiven Disziplinproblemen geht.

Je besser Schule und Eltern als Partner zusammenarbeiten, desto erfolgreicher sind die Schüler und desto zufriedener sind der Lehrer und die Eltern.

→  Die positiven Intentionen der Eltern sehen

Sogar Fachleute übersehen häufig, wenn sie das ungestüme Verhalten eines Vaters wie des oben erwähnten beurteilen sollen, dessen positive Intentionen. Denn vermutlich will er, dass es sein Sohn in der Schule gut hat: selbst wenn er sich konfliktinduzierend verhält – und damit Gefahr läuft, das Gegenteil von dem zu erreichen, was er eigentlich beabsichtigt.

Am besten geht der Lehrer davon aus, dass sich sogar hinter kritischen Aussagen von Eltern meist positive Intentionen verbergen.

Und wie soll der Lehrer konkret vorgehen?

Schritt 1:

Er nimmt zunächst einmal die Beschwerden des Vaters zur Kenntnis. Der Vater braucht jetzt das Gefühl, dass ihm der Lehrer wirklich zuhört. Dazu muss der Lehrer »Tempo« rausnehmen – indem er beispielsweise auf einem Flip-Chart jeden einzelnen Beschwerdepunkt des Vaters in Ruhe notiert. »In Ruhe« meint, dass er sich dabei wirklich Zeit nimmt; und dass er versucht, jeden Kritikpunkt genau zu erfassen, indem er zum Beispiel nachfragt: »Meinen Sie das so?« Dieses Vorgehen hat folgende Vorteile:

Es entschleunigt die hektische Dynamik des Gesprächs.

Es vermittelt dem Vater das Gefühl, gehört zu werden.

Es fördert dessen emotionale Distanz und versachlicht die Atmosphäre.

Es schützt den Lehrer davor, sich übereilt zu rechtfertigen.

Schritt 2:

Lehrer und Vater gewichten die einzelnen Punkte und bringen sie eine Rangreihe.

Schritt 3:

Erst jetzt nimmt der Lehrer zu den jeweiligen Punkten Stellung. Dadurch, dass sich beim Vater bis zu diesem Zeitpunkt die Wogen vermutlich schon deutlich geglättet haben, hat jetzt der Lehrer bessere Chancen, seine Meinung vorzubringen, als wenn er auf die erste Beschwerde sofort reagiert hätte.

→  Warum ist eine gute Beziehung zu den Eltern so wichtig?

Der 11-jährige Patrick war zu Hause und in der Schule außer Rand und Band. Ich führte ein Gespräch mit Lehrer, Eltern und Patrick.

Der Lehrer musste das Gespräch vorzeitig verlassen. Und plötzlich erklärte Patrick mit Engelsaugen und Unschuldsmine: »Der Lehrer lässt mich nie aufs Klo.« Ich war schockiert. »Ist das möglich?«, fragte ich mich besorgt. Und überlegte mir ernsthaft, ob ich mich in dem Lehrer, von dem ich bisher einen sehr guten Eindruck hatte, extrem getäuscht hatte.

Kinder können unschuldig aussehen, sich in einem Gespräch tadellos benehmen und trotzdem mit allen Wassern gewaschen sein. Seinen Vorwurf gegenüber dem Lehrer hätte Patrick natürlich auch viel früher vorbringen können – nämlich als sein Lehrer noch anwesend war. Aber ganz so unklug war Patrick natürlich nicht. Natürlich war seine Aussage kein bewusst überlegtes Manöver. Dennoch hätte sie fast weitreichende Konsequenzen gehabt: nämlich den Beginn eines Konflikts zwischen Eltern und Lehrer.

Ich arrangierte sofort ein weiteres Gespräch mit Eltern, Lehrer und Patrick. Dort zeigte sich, dass die Geschichte weitestgehend erfunden war. Weil nämlich Patrick in der Vergangenheit während jeder Lektion mehrmals auf die Toilette ging, hatte sein Lehrer beschlossen, dass Patrick dies nur noch während der Pause tun dürfe. Grundsätzlich eine gute Idee – er hatte nur vergessen, Patricks Eltern darüber zu informieren. Und die waren empört, als ihnen Patrick seine Version der Dinge mitteilte. Dieser hat nämlich das Informationsmonopol bei seinen Eltern. Natürlich hatte der Lehrer keinerlei Ahnung davon, was Patrick zu Hause über ihn erzählt hatte. Und schon drohte eine vernünftige pädagogische Maßnahme ins Leere zu laufen, weil die Eltern vehement dagegen Stellung bezogen.

Zu Hause wachen also besorgte Eltern genau über das Geschehen in der Schule. Da sie nicht selbst in die Schule gehen, erhalten sie aber keinen eigenen Einblick in das, was dort tatsächlich vor sich geht. Sie orientieren sich stattdessen an dem, was ihr Kind zu Hause über die Schule erzählt. Dies ist aber oft meilenweit von dem entfernt, was dort tatsächlich geschieht, aus welchem Grund auch immer. Wenn aber das, was die Eltern erfahren, nicht ihren hohen Erwartungen entspricht, sind sie sofort alarmiert. Was dann am einfachsten wäre, machen sie so gut wie nie: den Lehrer anrufen. Die ungelösten Probleme der Eltern schwelen im Untergrund weiter. Der Lehrer ahnt nichts davon.

Der Lehrer hat nicht nur seine Schüler im Klassenzimmer vor sich – sondern immer auch deren Eltern zu Hause. Dort verfügen aber seine Schüler über das Informationsmonopol. Dadurch ist der Lehrer klar im Hintertreffen.

Am besten ist es, wenn der Lehrer einfach davon ausgeht, dass die meisten »schwierigen« Schüler Experten im Gegeneinander-Ausspielen von Lehrer und Eltern sind. Dann ergibt sich das weitere Vorgehen von selbst: nämlich eine enge Kooperationsbeziehung mit schnellen und offenen Informationswegen zwischen Lehrer und Eltern zu etablieren. Der Lehrer muss dazu in der Regel mehrere Schritte auf die Eltern zugehen. Wenn er darauf wartet, bis sich die Eltern bei ihm melden, muss er damit rechnen, dass das nie der Fall sein wird. Dann haben Kinder wie Patrick gute Karten. Das Unterrichten wird schwieriger.

Die Eltern sind der wichtigste Partner der Schule – umso mehr, je »schwieriger« der Schüler ist.

→  Mit den Eltern vor dem ersten Schultag Kontakt aufnehmen

Es kann außerordentlich wichtig sein, zumindest mit einigen Eltern bereits einen ersten guten Kontakt vor dem ersten Schultag zu etablieren. Zum Beispiel mit Eltern von Schülern wie Patrick – oder mit den Eltern einer schwer zu führenden Klasse.

Elternhaus und Schule sind zwei voneinander getrennte Bereiche mit unterschiedlichen Zuständigkeiten. Die Eltern sind für die Erziehung zu Hause zuständig – der Lehrer ist für alles das zuständig, was in der Schule geschieht.

Der Lehrer muss diese zwei Bereiche und die jeweils damit verbundenen Zuständigkeiten auseinanderhalten, wenn er mit den Eltern eine gute Kooperation aufbauen will. Das bedeutet konkret, dass er Eltern – selbst wenn sie aus seiner Sicht mit der Erziehung überfordert sind – nicht für eventuelle Verhaltensauffälligkeiten des Schülers in der Schule verantwortlich machen darf. Er sollte dies nicht einmal andeuten; denn viele Eltern reagieren darauf sehr gekränkt – und sind in der Folge nicht mehr bereit zu kooperieren.

Schließlich können Eltern das Verhalten ihres Kindes in der Klasse auch nur indirekt beeinflussen, denn sie sind nicht im Klassenzimmer. Somit bleibt es die Aufgabe des Lehrers, mit den Disziplinproblemen seiner Schüler klarzukommen.

Es empfiehlt sich, dass der Lehrer den Eltern gegenüber die Haltung einnimmt, sie als Experten in Bezug auf ihr Kind zu sehen. Herr Streibert sagt im Elterngespräch: »Ich bin froh, mit Ihnen darüber sprechen zu können, wie wir Jonas weiterhelfen können. Sie kennen ihn am besten und haben die meiste Erfahrung im Umgang mit ihm. Ich bin davon überzeugt, dass uns ihr Wissen über Jonas weiterhilft.«