Clevere Spürnasen Das Erbe der Blutkrone - Marc-Jonas Never - E-Book

Clevere Spürnasen Das Erbe der Blutkrone E-Book

Marc-Jonas Never

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Beschreibung

Mit 14 Jahren erlebt Andreas den ersten Urlaub ohne seine Eltern. In einem Zeltlager stößt er mit seinen neu gewonnen Freunden auf ein dunkles Geheimnis. Gemeinsam verfolgen die furchtlosen Jugendlichen die mysteriöse Geschichte. Mit einer Menge Geduld sowie dem richtigen Spürsinn gehen sie den düsteren Erkenntnissen auf den Grund. Unversehens finden sie sich der tödlichen Gefahr gegenüber. Mit einem Mal scheint sich alle Hoffnung in Luft aufzulösen. Gibt es ein Entrinnen aus den Tiefen jenes finsteren Abgrundes?

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Seitenzahl: 282

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Das Buch

Mit 14 Jahren erlebt Andreas den ersten Urlaub ohne seine Eltern. In einem Zeltlager stößt er mit seinen neu gewonnen Freunden auf ein dunkles Geheimnis. Gemeinsam verfolgen die furchtlosen Jugendlichen die mysteriöse Geschichte.

Mit einer Menge Geduld sowie dem richtigen Spürsinn gehen sie den düsteren Erkenntnissen auf den Grund. Unversehens finden sie sich der tödlichen Gefahr gegenüber.

Mit einem Mal scheint sich alle Hoffnung in Luft aufzulösen. Gibt es ein Entrinnen aus den Tiefen jenes finsteren Abgrundes?

Der Autor

In den 90er-Jahren wurde Marc-Jonas Never in einer kleinen Gemeinde am Rande der Nordeifel geboren. Bis heute bezeichnet er jedoch die Großstadt Aachen, zu der jene Gemeinde gehört, als seine Wahlheimat.

Um seinen schriftstellerischen Horizont zu erweitern, verließ er mit 18 Jahren sein Heimatdorf. Dieses bietet ihm seitdem einige vereinzelte Male im Jahr einen Rückzugsort, um ungestört zu sein. Die dort gewonnenen Eindrücke verwendet er stets als Inspirationen für neue Werke verschiedener Kunstrichtungen.

Heute lebt Never mit seiner Frau in Hessen. Dort ist er neben dem Dasein als Autor ebenfalls in der Musikproduktion tätig. Er komponiert, spielt Gitarre, schreibt Songs, singt und rappt aus absoluter Überzeugung. Seine Muttersprache Denglisch bietet die Grundlage dafür.

Aufgrund seiner allgegenwärtigen Mehrsprachigkeit bezeichnet Never sich selbst als 'Wortspieler'.

Weitere Informationen über den Autor und seine Werke sind jederzeit kostenlos und auf Abruf online einsehbar.

Für Annika Weil sie immer an mich geglaubt hat!

Kapitelübersicht

Kapitel 1 – Turbulenter Ferienbeginn

Kapitel 2 – Abschied für immer

Kapitel 3 – Die endlose Reise

Kapitel 4 – Ein neuer Beginn

Kapitel 5 – Sonderbare Bekanntschaft

Kapitel 6 – Ein neuer Sieger

Kapitel 7 – Spanisches Temperament

Kapitel 8 – Erinnerungen

Kapitel 9 – Im finsteren Wald

Kapitel 10 – Der silberne Verräter

Kapitel 11 – Begegnung im Dickicht

Kapitel 12 – Morddrohung

Kapitel 13 – Eiskalter Schauer

Kapitel 14 – Kriegsrat

Kapitel 15 – Pläne schmieden

Kapitel 16 – Eine wunderschöne Blume

Kapitel 17 – Im Reich der Schatten

Kapitel 18 – Todesschreie

Kapitel 19 – Erwischt!

Kapitel 20 – Blut im August

Kapitel 21 – Wo die Natur alte Wunden heilt

Kapitel 22 – Im Nebel verwelkt

Kapitel 23 – Rätsel über Rätsel

Kapitel 24 – Die ganze Wahrheit

Kapitel 25 – Das Erbe der 'Blutkrone'

Kapitel 1 – Turbulenter Ferienbeginn

Der Wecker klingelte. Andreas lag in seinem Bett und schaute auf die Uhr. Ja, es war tatsächlich schon wieder acht Uhr in der Früh. Die Nacht war somit vorüber und er versuchte ganz langsam, immer wacher zu werden. Und das nicht ohne Grund – nein, denn heute würde er zum ersten Mal ohne seine Eltern in Urlaub fahren. Er hatte sich für ein Ferienlager angemeldet, das zwei Wochen lang dauern würde, vom heutigen Montag bis zum Sonntag in zwei Wochen. Es war ein Zeltlager, das in einem großen Wald ungefähr 50 km von seinem Elternhaus entfernt lag.

Er hatte noch nie bei einer solchen Ferienaktion mitgemacht und kannte deswegen auch niemanden, der sonst dabei sein würde – weder Kind noch Jugendlichen noch Betreuer.

Daher war ihm auch ein wenig mulmig zu Mute. Aber er sagte sich selbst immer wieder, dass es ein schöner Urlaub werden würde und letztendlich beruhigte ihn das sogar.

Nun stand Andreas schließlich auf, bereit, an diesem vorerst letzten Morgen gemeinsam mit seinen Eltern zu frühstücken, und zog sich an. Dabei warf er einen Blick aus dem Fenster und stellte fest, dass die Sonne schon relativ weit oben an diesem Augustmorgen stand. Er zog die Gardinen beiseite und augenblicklich flutete das helle Licht sein gesamtes Zimmer, wobei er die Augen zusammenkneifen musste.

Was für ein herrliches Wetter!, dachte Andreas bei sich, zog das T-Shirt über und machte sich auf den Weg ins Badezimmer.

Mit den Händen auf den Rand des Waschbeckens gestützt, blickte er noch ein wenig verschlafen in den Spiegel.

Er drehte das kalte Wasser auf, fing einen Teil davon in den Händen und wusch sich sein Gesicht – einmal, zweimal und ein letztes Mal – bevor er nach dem Handtuch griff, um Gesicht und Hände abzutrocknen.

Schließlich hängte er das Handtuch auf den Halter neben dem Waschbecken und griff nach der Bürste, um sich seine dunkelblonden Haare zu kämmen. Heute gestaltete es sich mal wieder einfacher, die Haare zu machen, denn im Grunde genommen waren sie von der letzten Nacht kaum zerzaust. Daher griff Andreas nach dem Haargel, machte etwas davon auf die Hand, verrieb es kurz und verteilte es gleichmäßig.

Kaum hatte er sich fertig gestylt, stellte er die Tube beiseite und machte sich daran, die Zähne zu putzen.

Als er zum Schluss noch einmal den Mund mit kalten Wasser ausgespült hatte, legte er auch die Zahnbürste wieder an ihren Platz zurück, trocknete sich erneut die Hände ab und verließ das Badezimmer. Leicht angespannt ging er durch den Flur in die Küche – wohlwissend, dass dies das vorerst letzte Frühstück mit seinen Eltern war – und öffnete die Tür.

„Morgen“, begrüßte er seine Eltern und setzte sich auf seinen Stammplatz.

Seine Mutter Gabriela, die von jedem Gaby gerufen wurde, bemerkte es sofort und warf ihm einen bemitleidenden Blick zu. Um vom Thema abzulenken und die Situation ein wenig aufzulockern, begrüßte sie ihn sofort.

„Morgen, Andreas“, sagte sie und versuchte ihrerseits, so entspannt wie möglich zu klingen, wobei es auch ihr gar nicht leicht fiel. Doch schließlich erwiderte Andreas ihr mit einem Blick, der Dankbarkeit ausstrahlte und so viel sagen sollte wie: Es geht schon wieder.

Endlich nahm Vater Karl mit selbstsicherer Stimme das Wort auf und die Lage wurde spürbar entspannter. „Ja, morgen“, begann er. „Hast du gut geschlafen?“

Die Frage empörte Andreas ein bisschen, da sich gerade die Stimmung wieder gebessert hatte. Er antwortete jedoch ganz trocken und ohne sich etwas anmerken zu lassen: „Ja, gut. Und selbst?“

„Auch gut“, war die schnelle Antwort seines Vaters. Er warf seiner Frau einen auffordernden Blick zu. Sie fing ihn leicht verwundert auf und setzte die Unterhaltung fort, um eine unangenehme Sprechpause zu vermeiden.

„Nun, Andreas, greif zu“, sagte sie und reichte ihm den Korb mit den frischen Brötchen. Dankbar nahm er ihn entgegen, suchte sich eines der Brötchen aus und gab ihn schließlich weiter an seinen Vater. Dieser reichte ihn wiederum an seine Frau zurück, nachdem auch er sich ein Brötchen herausgenommen hatte. Und so begannen sie dieses letzte gemeinsame Frühstück.

Andreas, der seit mittlerweile vier Jahren Vegetarier war, aß mit Vorliebe alles, was er essen konnte oder wollte. So verspeiste er an diesem Morgen seine Brötchen mit herrlich schmeckendem Gouda und Naturfrischkäse.

Er hatte sich mit zehn Jahren dazu entschlossen, Vegetarier zu werden, weil er weder Fleisch noch Fisch weiterhin essen wollte. Außerdem hatte er Fleisch noch nie wirklich gemocht und ohnehin meistens mehr als die Hälfte seiner Portion weggeworfen, wenn er es einmal doch hatte probieren wollen. Daher hatte er sich gesagt, er wolle versuchen, sich so lange wie möglich ausschließlich vegetarisch zu ernähren. Mit 13 Jahren hatte er sich endgültig vorgenommen, bei seinem Plan zu bleiben; für immer vegetarisch leben. Mittlerweile war er 14 Jahre alt und dachte nicht einmal mehr an Fleisch und dergleichen. Seine Eltern konnten dies zwar bis heute nicht nachvollziehen. Aber sie hatten von Beginn an die Einstellung ihres Sohnes respektiert. Versuche, ihn von seinem Plan abzubringen, hatten sie nie gehegt. Deshalb ließen sie es sich alle gut schmecken an diesem schönen Sommermorgen, wenn auch mit leichter Wehmut.

Als sie nach 20 Minuten alle fertig waren, räumten sie gemeinsam das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine. Danach verließen Gaby und Karl die Küche und gingen ins Badezimmer, um sich die Zähne zu putzen.

Andreas zögerte. Eigentlich hatte auch er gerade die Küche verlassen wollen, um in sein Zimmer zu gehen und das restliche Gepäck im Koffer zu verstauen. Doch für einen Moment vergaß er die noch nicht eingepackten Kosmetik- und Hygieneartikel und wandte sich zum Küchenfenster.

Er sah hinauf in den blauen, wolkenlosen Himmel, der heute Abend wohl einen genauso schönen Sonnenuntergang bieten würde. Aus irgendeinem Grund spürte er dieses sonderbare Gefühl, dass diese Ferien ganz besonders tolle Ferien werden würden. Vielleicht sogar die schönsten, die er bisher je erlebt hatte.

Als er sich vom Fenster abwandte, spürte er ein leichtes Lächeln, das seine Lippen umspielte. Er verließ zufrieden die Küche und ging in sein Zimmer. Der Koffer wartete darauf, gepackt zu werden.

Im Zimmer angekommen, fiel Andreas beiläufig auf, dass seine Zahnbürste und die übrigen Dinge noch im Badezimmer waren. Er blieb im Türrahmen stehen, machte auf dem Absatz kehrt, schloss die Zimmertür und ging in Richtung Badezimmer.

Er klopfte zweimal vorsichtig an und trat ein. Sein Vater putzte noch Zähne, seine Mutter jedoch war bereits dabei, sich die Haare zu waschen.

Andreas wartete geduldig darauf, dass sein Vater ihm den Platz am Waschbecken freimachte. Er griff gezielt nach seinen Dingen, bis er alle beisammen hatte, und überließ seinem Vater das Waschbecken.

Kaum hatte er alles, was er benötigte, als er sich erneut in sein Zimmer zurückzog. Dort verstaute er die soeben an sich genommenen Dinge im Koffer und sank wenige Sekunden später ziemlich niedergeschlagen auf seinem Bett zusammen. Bereits während des Frühstücks hatte eine sehr angespannte Atmosphäre geherrscht. Jetzt konnte Andreas nicht mehr anders, es war einfach zu viel. Er musste sich abregen. Doch was sollte er tun?

Zunächst blieb er einige Momente regungslos auf dem Rücken liegen. Die Arme, Hände und Beine waren alle gleichermaßen verkrampft. Der starre Blick war an die Decke gerichtet.

Der Junge versuchte, sich zu entspannen und schloss, wie schon so oft, die Augen.

Keine fünf Sekunden später schoss sein Kopf blitzartig in den Nacken. Andreas öffnete die Augen, um sie gleich darauf wieder zuzukneifen und schlug mit Rücken und Kopf auf der Mitte der Matratze auf, sodass es bereits wehtat.

Er riss erneut die Augen auf, starrte zur Decke empor und hämmerte mit den Fäusten abwechselnd rechts und links neben sich auf das Bett. Doch auch dieser Zustand wechselte, als er seine Fäuste auf dem Bett liegen ließ und sich minutenlang unter Anbetracht der weißen Decke dieselbe Frage stellte – sie ruhte bereits so lange als schwere Last auf seinen Schultern: Warum haben meine Eltern nur kein Vertrauen in mich -?

Diese Frage quälte ihn, weil er ganz sicher wusste, dass die Behauptung, die dahintersteckte, tatsächlich zutraf. Seine Eltern hatten kein Vertrauen in ihn, das hatten sie sich beim Frühstück eindeutig anmerken lassen.

Teilweise konnte er ihre Sorge verstehen. Er war immerhin erst 14, kannte niemanden in diesem Lager und war weit von zu Hause weg. Noch dazu komplett ohne seine Eltern. Er dachte sogar daran, dass seine Mutter ihm zutraute, Heimweh zu kriegen.

Das war nun wirklich übertrieben. Aber scheinbar rechnete sie mit dem Schlimmsten.

Wahrscheinlich, dachte Andreas leicht verächtlich, tut sie das, damit sie vom bestmöglichen Fall überrascht werden könnte.

Zugegeben, Andreas musste einsehen, dass es nicht ganz ungefährlich war. Immerhin befand sich das Lager mitten in einem riesigen Waldgebiet – Garmberger Forst genannt. Im Notfall musste man mit dem Auto einen Weg von annähernd fünfzehn Kilometern einberechnen, um überhaupt den Rand dieses großen Waldgebietes zu erreichen. Von dort aus bis zur nächsten Dienststelle geschweige denn Zivilisation einmal ganz abgesehen.

Da spürte Andreas plötzlich, wie leichtes Unbehagen in ihm wuchs und ihm erneut Unwohl zu Mute wurde. Gleich darauf sagte er sich jedoch: Es wird schon nichts passieren und ich bin ja auch nicht allein.

So waren es im einen Moment die schönen Dinge, an die er dachte, im anderen wiederum jene, die ihm Sorge bereiteten. Ein Auf und Ab der Stimmung. Doch was ihn am meisten enttäuschte, war die Tatsache, zu wissen, dass seine Eltern kein Vertrauen in ihn hatten – vermutlich nicht mal ein kleines bisschen.

Aber das macht nichts, dachte Andreas insgeheim und zog die Mundwinkel langsam nach oben. Ob mit oder ohne Vertrauen – ich werde zu dieser Freizeit hinfahren! Die Anmeldung steht, die Taschen sind fertig gepackt und einen Rückzieher werde ich jetzt bestimmt nicht machen. Insofern kann und vor allem werde ich mir das Vertrauen einfach erarbeiten.

Mit einem selbstsicheren Lächeln richtete Andreas sich auf seinem Bett auf. Er erhob sich und betrachtete zufrieden den Koffer, der nach wie vor unverändert vor seinem Bett lag. Beiläufig bemerkte er, dass sich seine Arme, die Hände und sogar die Beine besser und entspannter anfühlten.

Ruhig und gelassen ging er zur Zimmertür, als diese plötzlich ruckartig aufdrückt wurde und seine Mutter hereinstürmte. Vor Schreck war Andreas ein Stück zurückgetreten. Er musste sich bemühen, nicht rückwärts über den Koffer zu stolpern.

Als er sich gefangen hatte, sah er sie empört an.

„Kannst du nicht anklopfen, bevor du hereinkommst?“, fragte er in scharfem Ton. Sie zuckte erschrocken zusammen. Er hatte sich von seinem Schock erholt und fügte - diesmal sehr viel sanfter - hinzu: „Entschuldige, aber ich habe mich gerade ziemlich erschrocken.“

Kapitel 2 – Abschied für immer

„Ja, tut mir Leid, ich mich auch“, erwiderte sie. „Aber ich wollte dir deine Kleidung geben, die ich heute schon ganz früh gebügelt habe. Komm doch mal gerade mit ins Schlafzimmer, dann kannst du sie gleich selbst mitnehmen.“

Er tat, wie ihm geheißen und hatte somit am Ende zwei Pullover, mehr als zehn T-Shirts und vier kurze Hosen in seinen Koffer gepackt. Aus seinem Kleiderschrank nahm er noch zwei Badehosen mit. Da er gerade beim Thema „Baden“ angekommen war, entwendete er aus dem Schrank im Schlafzimmer seiner Eltern noch zwei große Badetücher und natürlich auch noch vier von den Kleinen. Diese packte er ebenfalls ein, als ihm plötzlich bewusst wurde, dass er seinen Rucksack auch noch fertig vorbereiten musste.

So ging er zum Schreibtisch, griff nach jenem Rucksack, trug ihn zum Bett und stellte ihn neben den Koffer. Er hielt ihn an der linken Seite fest, suchte kurz den Beginn des Reißverschlusses und öffnete ihn schließlich, bis er das Ende auf der anderen Seite erreicht hatte. Er ließ ihn auf dem Boden nieder und begann, ihn mit sämtlichen Gegenständen zu füllen.

Den Anfang machte ein Fernglas, wobei Andreas dieses sofort auf einem Notizblock notierte. Es folgte ein Buch samt Lesezeichen, das er ebenso notierte. Gleich darauf ein Schreibblock, eine passende Stiftmappe, eine schwarze Kappe und eine Vorratspackung Taschentücher. Eine weitere Kappe, diesmal in grün, zog er direkt an.

Als er all diese Dinge eingepackt und dokumentiert hatte, ging er in die Küche, um zwei kleine Plastikflaschen mit Sprudel und Orangensaft, jeweils zur Hälfte, zu befüllen. Sobald diese gefüllt waren, schraubte er die Deckel darauf und nahm die Flaschen mit in sein Zimmer. Er steckte sie, eine links, die andere rechts, in zwei Netztaschen und drehte die Deckel abermals zu, um sichergehen zu können, dass sie nicht einen Tropfen des leckeren Inhalts verloren.

Gerade wollte er sich wieder auf sein Bett setzen, als ihm einfiel, dass er besser auch seinen Geldbeutel mit ausreichend Inhalt sowie sein Handy mitnehmen sollte.

Er öffnete die oberste Schublade eines Schranks, auf dem ein Radio stand, ließ seinen Blick kurz über den Inhalt schweifen und entdeckte seine Geldbörse augenblicklich. Er griff danach und erkundete, welche Karten und wie viel Geld darin waren.

An Papieren enthielt die Geldbörse seinen Schülerausweis, die Krankenkassenkarte und seinen Bibliotheksausweis. Im Münzfach war ein wenig Kleingeld und im Scheinfach insgesamt 30 €.

Den Bibliotheksausweis entnahm Andreas dem Portmonee und legte diesen in die Haushaltskasse. Er wollte sie auf keinen Fall verlieren.

Falls er das Geld verlor oder jemand es ihm stahl, wäre dies sehr ärgerlich. Doch er wollte keine seiner Karten verlieren. Dieses Risiko ging er gar nicht erst ein.

Ohne lange darüber nachzudenken, steckte Andreas die Haushaltskasse wieder in den Schrank und schloss diesen.

Er ging zurück in sein Zimmer, während er das Portmonee in die Hosentasche steckte. Die letzten Gegenstände, die er nun noch in den Rucksack packte, waren ein Kopfhörer und der Notizblock.

In Gedanken ging er nochmal alles durch, um auch wirklich sicher sein zu können, dass er alles eingepackt hatte, was er benötigte. Er setzte sich erneut auf sein Bett und dachte nach. Sekunden später hatte er ein letztes Mal alle Gegenstände im Gedächtnis vor seinem inneren Auge abgerufen. Und um vollständig sicher zu sein und sich selbst zu beruhigen, wiederholte er dieses Ritual ein weiteres Mal.

Andreas bemühte sich, stark zu bleiben, sich selbst in Gedanken gut zuzureden und sich Mut zu machen. Zunächst sah es zwar so aus, als ob seine Gedanken ihn zu überwältigen drohten, doch nach wenigen Momenten des Ankämpfens, fing er sich und atmete einige Male laut ein und aus.

So ein Glück, dass ich meine Zimmertür hinter mir geschlossen habe, dachte er erleichtert und dankte ebenso der Tatsache, dass seine Mutter ihn in diesem Moment weder hören noch sehen konnte. Sie hätte sich bei diesem aufgelösten Anblick ihres Sohnes wahrscheinlich noch mehr aufgeregt als sonst und mit den Tränen gekämpft.

Einige Sekunden später bekam Andreas ein schlechtes Gewissen, weil er so abfällig über seine Mutter gedacht hatte. Auf der anderen Seite fühlte es sich dagegen gut an. Es hatte eben alles seine Vor- und Nachteile.

Andreas blieb stark und fasste sich ein Herz; Er griff nach seinem Rucksack, verschloss diesen sorgfältig und kontrollierte ihn kein weiteres Mal. Er vertraute auf sich selbst, zögerte kurz, dachte jedoch nicht weiter darüber nach. Es zahlte sich für ihn, gezögert zu haben; Er besiegte den Kontrollzwang und verließ sein Zimmer. Den Rucksack auf dem Rücken und den Griff des Koffers in der linken Hand.

Mit selbstsicherer Haltung und einem ebenso stolzen Lächeln auf den Lippen ging er den Flur entlang in Richtung Haustür. Das Ziel hatte er fest vor Augen.

Er öffnete die Haustür und merkte, wie ihm ein Schwall heißer Sommerluft entgegenkam. Das verwunderte ihn ein wenig, denn die Haustür lag auf der Nordseite des Hauses, wo es eigentlich hätte milder sein müssen. Aber scheinbar schien es heute ein besonders heißer Tag zu werden. Wobei, was hatte er denn erwartet? Es war immerhin Mitte August, Hochsommer, und in den letzten zwei Wochen von Tag zu Tag ständig wärmer geworden.

Wenigstens besser, als dass es kalt ist und regnet, dachte Andreas schulterzuckend. Er drückte auf den Knopf des Autoschlüssels, der augenblicklich die Türen entriegelte.

Immer noch schwer beladen wie ein Packesel, öffnete er die hintere Autotür auf der rechten Seite und legte das Gepäck ab – erst den Rucksack, den er auf dem Boden hinter dem Beifahrersitz platzierte und schließlich den noch schwereren Koffer. Diesen stellte er jedoch direkt auf den Sitz, da der Rucksack bereits den kompletten Fußraum einnahm.

Nun hatte er alles im Auto untergebracht. Zufrieden warf er die Autotür zu, schloss das Fahrzeug ab und schlenderte zurück ins Haus. Gerade bei der Haustür angekommen, merkte er leicht genervt, dass sich auf seiner Stirn bereits die ersten Schweißperlen gebildet hatten. Dabei hatte er heute noch keine Sekunde in der Sonne verbracht. Das Auto im Hof lag zu dieser Stunde noch im Schatten des Hauses. Die ersten Sonnenstrahlen, die Andreas heute abbekommen hatte, waren die in seinem Zimmer gewesen. Wie herrlich diese ihm ins Gesicht gefallen waren! Heute würde ein sonniger und bestimmt sehr heißer Tag anstehen, so viel war sicher! An Wolken war dabei gar nicht zu denken.

Sehr gut, dachte Andreas, als er sich zum vermutlich letzten Mal in sein Zimmer zurückzog.

Doch nicht nur draußen war es warm. Die Zimmertemperatur stieg ebenfalls langsam, aber schier unaufhaltsam. Vorhin waren es noch 22 ° gewesen, nun hingegen zeigte das Thermometer bereits 26 °.

Wenn das so weitergeht, dachte Andreas im Stillen, dann frage ich mich, ob meine Getränkevorräte lange reichen werden oder vielmehr, wie lange sie reichen werden. Wahrscheinlich nicht allzu lange. Ich hoffe, die nächste Zivilisation oder gar ein Supermarkt sind nicht weit weg vom Ferienlager. Am Ende verdursten wir noch alle …

Ein plötzliches Klopfen riss Andreas aus seinen Gedanken. Er wirbelte herum. Seine Mutter stand in der Tür – diesmal hatte er diese offen stehen lassen. Völlig unvermittelt, als könnte sie Gedanken lesen, fragte sie: „Hast du genügend Getränke dabei? Heute soll einer der heißesten Tage des Jahres werden.“

„Ich habe einen Liter dabei, aber im Ferienlager wird es schon Wasser und Ähnliches geben“, erwiderte Andreas. „Zumindest stand das auf dem Infozettel“, fügte er rasch hinzu.

„Ach so, verstehe, bemerkte Gaby, „dann kannst du dir deine Flaschen dort ja jederzeit auffüllen. Ich wollte nur sicher sein, bevor es zu spät ist. Deshalb frage ich nochmal nach.“

„Danke, da hast du gut mitgedacht“, antwortete er und fragte anschließend: „Fahren wir dann auch bald? Ich möchte ja noch etwas vom ersten Tag miterleben.“

„Ich bin soweit fertig, von mir aus kann es losgehen“, antwortete sie.

„Gut, ich habe das Gepäck bereits im Wagen verstaut. Meinetwegen können wir uns auf den Weg machen, wobei – “ Er zögerte. „Ich muss mich schnell noch eincremen, das hab ich ganz vergessen. Aber danach geht’s gleich los.“ Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht.

„Ja, das ist wichtig!, bestätigte Gaby. „Ich hoffe, du hast genügend Sonnencreme dabei?“

„Aber natürlich!, beschwichtigte Andreas. „Die habe ich sogar zuerst eingepackt.

„Gut, ist okay“, war die letzte Antwort seiner Mutter, bevor sie sich in Richtung Küche davonmachte. Sie entnahm den Autoschlüssel aus einem Schränkchen und ging zur Haustür.

Andreas ging ins Badezimmer und nahm die Sonnenmilch aus dem Schrank. Er rieb sich ein, angefangen beim Kopf bis hinunter zu den Füßen.

Er betrat sein Zimmer – zum letzten Mal. Es verwunderte ihn, dass er plötzlich ein ganz bestimmtes Gefühl in sich spürte. Kurz, aber intensiv, loderte es in ihm auf. Dieses Gefühl hatte er, da war er sich sicher, noch nie zuvor erlebt. Es war schier unbeschreiblich.

Seltsam bestärkt verließ Andreas sein Zimmer. Er würde wiederkehren, so viel war gewiss. Doch so, wie es bisher gewesen war, würde es nie wieder sein. Die Dinge würden sich ändern – zum Positiven.

Kapitel 3 – Die endlose Reise

Andreas verließ sein Zimmer, jedoch ohne sich noch einmal danach umzudrehen. Er lief durch den Flur und – voll fester Entschlossenheit – auf die Haustür zu. Nur noch in den Wagen steigen und wegfahren von zu Hause.

Im Flur wartete bereits sein Vater auf ihn, um ihn zu verabschieden.

Er klopfte ihm dreimal väterlich, wenn auch relativ kräftig, auf den Rücken, sodass seinem Sohn kurz die Luft wegblieb. Zum Abschied sagte er:„Ich wünsche dir zwei schöne Wochen im Zeltlager. Mach dir nicht so viele Gedanken, es wird schon alles gut gehen.“ Er lächelte gutmütig.

„Danke“, antwortete Andreas, froh über jedes einzelne dieser wohligen Worte. „Du hast Recht – wird schon schief gehen.“ Er erwiderte das Lächeln.

Sein Vater zwinkerte ihm freundlich zu. Nun mussten sie beide noch einmal lächeln und beendeten damit die Unterhaltung.

„Auf Wiedersehen“, rief Andreas, der nun wieder ermutigt war, als er zur Tür hinaussprang. Gleich darauf stieg er ins Auto ein.

Er ließ die Tür in Schloss fallen und legte den Sicherheitsgurt an. Gaby startete den Wagen und fuhr rückwärts auf die Straße. Karl stand noch immer an der Haustür und winkte. Sie schaltete in den ersten Gang und fuhr an.

Solange Andreas seinen Vater noch sah, winkte er ihm zu. Dann jedoch war er außer Sichtweite und Andreas machge es sich auf dem Beifahrersitz bequem.

Er kurbelte das Fenster herunter, so wie es auch Gaby auf der Fahrerseite getan hatte. Nur noch die Sonnenblende herunterklappen, für eine bessere Sicht. Jetzt konnte er die Fahrt unbeschwert genießen.

Nun begann der nicht so schöne Teil des Tages; Andreas wusste, dass seine Mutter noch angespannter war als er selbst. Er wollte gar nicht wissen, wie sie reagieren würde, wenn er sich großartig oder hektisch bewegte oder gar irgendetwas von sich gab.

Wahrscheinlich kommt sie von der Fahrbahn ab, wenn ich nur die kleinste Bewegung wage, dachte er verächtlich. Falls ich etwas sage, ist es vermutlich nicht anders. Von daher schwieg er lieber.

Er sah zum Fenster hinaus. Sie waren mittlerweile auf der Hauptstraße angekommen. Als sie schließlich das Ortsschild hinter sich gelassen hatten, beschleunigte Gaby zunächst auf 70 km/h und dann weiter auf 100 km/h. Nach erneutem Beschleunigen auf 104 km/h blieb die Nadel des Tachos schließlich zitternd stehen.

Andreas betrachtete seine Mutter. Sie hielt das Lenkrad krampfhaft fest und starrte hochkonzentriert auf den Asphalt. Dieser flog unter dem Gefährt nur so dahin. Er hätte gerne etwas gesagt, um die Atmosphäre ein wenig aufzulockern. Doch ihm fiel nichts ein, was dazu beigetragen hätte. Deshalb wandte er den Blick ab, nur um ihn gleich darauf erneut auf seine Mutter zu richten. Er fragte: „Was habt ihr in den Ferien eigentlich geplant?“

Andreas merkte, dass seine Mutter im Moment wirklich konzentriert war. Denn als er sie ansprach, zuckte sie kurz zusammen, ohne jedoch die Kontrolle über den Wagen zu verlieren. Er wusste, dass sie darüber nachdachte, ihr Kind zum ersten Mal alleine an einem Ort zu lassen, den sie selbst nicht kannte. Und diese zwei Wochen würden ihr selbst wahrscheinlich eher vorkommen wie zwei Monate – wenn es hochkam.

Er selbst konnte die Gedanken nicht nachvollziehen, dafür war er seines Erachtens nach noch zu jung. Doch er war äußerst froh, nicht zu wissen, wie seine Mutter sich wirklich fühlte.

„Wir haben nichts Besonderes geplant“, antwortete sie schließlich, wobei ihr die Anspannung anzusehen war. „Vielleicht machen wir ein paar Ausflüge oder gehen spazieren oder so. Ich kann es dir nicht sagen.“

„Euch wird schon was einfallen“, entgegnete Andreas, um das Gespräch weiterzuführen. Es sollten bloß keine unangenehmen Pausen entstehen. „Ihr könnt ja eine kleine Fahrradtour machen oder schwimmen gehen. Oder ihr legt euch in den Gartenstuhl und lasst euch die Sonne ins Gesicht scheinen. Diese Hitze soll ja noch eine ganze Weile andauern.“

„Ja, da hast du Recht“, erwiderte sie. Andreas konnte sogar ein kleines Lächeln über ihr Gesicht huschen sehen. Es erfüllte ihn mit Freude, zudem er bis zu seiner Rückkehr aus den Ferien nicht mehr mit einer derartigen Mimik gerechnet hatte. Er war davon ausgegangen, dass seine Mutter die nächsten Tage und Nächte keine Ruhe finden würde.

Plötzlich jedoch brach eine dieser unerwünschten Sprechpausen ein. Andreas hatte sie um jeden Preis vermeiden wollen. In den nächsten Minuten brachte keiner der beiden ein Wort heraus. Schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, war sie diejenige, die den Faden wiederaufnahm.

„Du bist auch ganz sicher, dass du alles dabei hast?“, fragte sie. „Sonnenmilch, genügend Wäsche –“

„Ja“, war die kurze und trockene Antwort, die Andreas mittlerweile nur noch gereizt hervorbrachte. „Keine Sorge, ich hab alles dabei.“

„Gut, ich wollte nur sicher sein.“ Gaby nahm allmählich wahr, wie genervt Andreas bereits war. Er wollte nur noch am Reiseziel ankommen. Dann konnte er sie endlich abschütteln.

Diese Erkenntnis erfüllte sie mit Trauer und Angst. Warum konnte er sie nicht verstehen? Sie meinte es doch gut mit ihm. Doch ihr Junge konnte alle diese Sorgen im Grunde genommen überhaupt nicht nachvollziehen.

Mittlerweile – seit der Abfahrt war erst eine halbe Stunde vergangen – hatten sie den Beginn eines Waldgebietes erreicht. Bald schon stellte sich heraus, dass dies der Wald sein musste, in dem sich das Zeltlager befand. Selbst nach einer weiteren viertel Stunde Fahrtzeit wollte er nicht enden. Andreas war sehr erfreut darüber. Die Aussicht, seine Eltern für volle zwei Wochen los zu sein, zauberte ihm ein ordentliches Lächeln ins Gesicht.

Endlich ohne die nervigen Eltern irgendwo im Nirgendwo ungestört die Ferien verbringen! Frei sein und mit anderen Jugendlichen in seinem Alter gemeinsame Aktivitäten erleben! Die Seele baumeln lassen und machen können, wonach man sich sehnte! Wenn das nicht vielversprechend klang!

Das Lächeln hatte sich mittlerweile über seinem ganzen Gesicht ausgebreitet. Er schloss die Augen und ließ den Kopf nach hinten rollen, bis er merkte, dass dieser gegen die Kopflehne stieß. Er öffnete die Augen und schloss sie gleich wieder. Das Lächeln wurde noch eine Spur breiter.

Als Gaby plötzlich einen Blick auf ihn warf, sah sie die Zufriedenheit in seinem Gesicht. Da packte es auch sie und zauberte gleichermaßen ein Lächeln auf ihre Lippen. Für einige Sekunden vergaß sie ihre Sorgen und dachte optimistisch über die gesamte Situation. Sie freute sich regelrecht und war zum ersten Mal froh und dankbar für alles. Ihr Gesicht strahlte kurzzeitig Ruhe und Zufriedenheit aus. Von Trauer und Angst war in diesem Moment nichts mehr zu spüren.

In etwa 100 Metern Entfernung tauchte ein Schild am Straßenrand auf. Wenige Sekunden später konnte man darauf die Worte „Grillhütte Garmberg“ erkennen. Das Schild, das in Form eines Pfeils nach links deutete, kam immer näher. Andreas verstand die Information und sagte freudestrahlend: „Du musst hier links abbiegen. Ich schätze mal, dass wir hier die Landstraße verlassen müssen.“

„Du hast Recht“, meinte sie. „Der Name stand doch auf dem Infozettel, den wir bekommen haben“. Sie setzte den Blinker und bremst relativ scharf. „Aber es ist wohl noch ein Stück bis zur Grillhütte selbst. Eine halbe Stunde Fußweg sollte man als Spaziergänger oder Wanderer mindestens einplanen.“

„Stimmt, ich erinnere mich“, antwortete Andreas, wobei er seine Ankunft vor Freude kaum noch abwarten konnte. Gleich würde er endlich seine langersehnte Freiheit genießen können – und das für volle zwei Wochen. Es war einfach zu schön!

Er musste sich noch ein paar Minuten gedulden. Doch das Ziel war zum Greifen nahe. Der Weg war allerdings gerade so breit, dass zwei Pkw aneinander vorbeifahren konnten. Die Bäume und Sträucher wurden stetig dichter. Sie ließen von Moment zu Moment immer weniger Sonnenlicht durch.

Nun ließ zu allem Übel die Beschaffenheit der Fahrbahn ab. Es tauchten mehr und mehr Schlaglöcher auf, eines gefährlicher als das Andere.

Andreas nahm aus dem Augenwinkel wahr, dass seine Mutter das Lenkrad mit jedem Moment krampfhafter festhielt. Diesmal ausnahmsweise nicht wegen all der quälenden Gedanken an ihren Jungen. Dennoch verstrich – wie sie beide wussten – mit jeder Sekunde die Zeit, bis sich die beiden voneinander verabschieden mussten.

Nach weiteren fünf Minuten, die Andreas vielmehr wie unzählige Stunden vorgekommen waren, entdeckten sie das nächste Straßenschild. Darauf stand, dass die Grillhütte nur noch einen Kilometer entfernt sei. Diesmal deutete der Pfeil nach rechts, wobei die Spitze nicht mehr sonderlich gut zu erkennen war. Wind und Wetter hatten sie ziemlich verwittern lassen.

Es grenzt an ein Wunder, dass man das überhaupt noch entziffern kann, dachte Andreas beiläufig und blickte in den Seitenspiegel. Er sah die Abzweigung zum Garmberger Weg hinter ihnen in die Ferne treten. Sie wurde kontinuierlich kleiner und war schließlich nicht mehr zu erkennen.

Der Weg, den sie soeben eingeschlagen hatten, war bedauerlicherweise noch schlechter zu befahren als der Garmberger Weg. Zudem hatte nicht einmal ein Straßenschild an der Abzweigung gestanden.

Als aber auch dieser Weg nach wenigen Minuten endete, folgte zunächst eine scharfe Kurve nach links und zuletzt eine Weitere nach rechts. Andreas erblickte das Schild mit dem erlösenden Schriftzug zuerst. In großen Lettern standen dort zum dritten Mal die Worte „Grillhütte Garmberg“ geschrieben. Dieses Schild war seltsamerweise in erstaunlich gutem Zustand. Wir haben es geschafft!, dachte Andreas freudestrahlend. Er war unheimlich erleichtert. Die Ferien können beginnen! Eeendlich!

Kapitel 4 – Ein neuer Beginn

„Wir sind da!“, rief Andreas voller Freude aus. „Wir sind endlich da!“

Er strahlte über das ganze Gesicht. Seine Mutter hingegen hatte bereits mit den Tränen zu kämpfen.

„Schön“, fügte er mit einem leiseren, aber bestimmten Ton hinzu und räusperte sich, um seine Mutter ein wenig zu besänftigen.

„Nun gut“, sagte sie leise, fast flüsternd. „Dann steigen wir mal aus. Ich denke, dieses Gebäude da vorne wird es sein.“

Sie stiegen aus und machten sich auf den Weg zu jenem schlichten, aber nicht abweisenden Gemäuer. Ein gepflasterter Weg führte auf direktem Weg darauf zu. Rechter Hand befand sich eine Rasenfläche von enormer Größe. Dem ungefähren Augenmaß nach zu urteilen, war die Fläche rechteckig. Das gesamte Gelände war umgeben von undurchdringlichem Grün. Es war kaum zu glauben, dass sogar eine Straße hierher führte.

Erst als sie direkt vor dem Gebäude standen, fiel es ihnen auf: Es schien größer zu sein, als es den Anschein gemacht hatte. Seltsam nur, dass niemand hier draußen zu sehen.

Die beiden betraten das Gebäude und entdeckten eine Tür mit einem Schild. Auf diesem stand geschrieben, welcher Raum hinter dieser Tür lag.

„Der Aufenthaltsraum“, las Andreas laut. Er wechselte einen unsicheren Blick mit seiner Mutter. „Ich klopfe mal.“

Zaghaft setzte er seine Worte in die Tat um. Es kam keine Antwort.

Das war wohl zu leise, dachte Andreas. Hat niemand gehört.

Er fasste sich ein Herz und klopfte erneut an, sehr viel energischer als zuvor. Zögernd drückte er den Türgriff nach unten und schob die Tür auf.

Eine Menge - bestehend aus etwa 30 Kindern und Jugendlichen - saß laut redend an einigen Tischen im gesamten Raum verteilt. Sie redeten und schrien teilweise so laut durcheinander, dass Andreas nicht mal sein eigenes Wort verstanden hätte. Es war ein einziger riesiger Strudel aus Worten überall um ihn herum. Diese Flut aus Worten prasselte geradezu auf ihn nieder. Im Hintergrund allen Trubels bemerkte er plötzlich fünf Erwachsene. Sie saßen an einer Theke und redeten über irgendetwas.

Da sie fast alle mit dem Rücken zu den Neuankömmlingen saßen, wurden sie zunächst überhaupt nicht auf sie aufmerksam. Eine der beiden Frauen jedoch saß mit dem Gesicht zu ihnen. Schon deutete sie auf die beiden. Die andere Frau sowie die beiden Männer drehten sich um. Der Mann ganz links ergriff die Initiative, erhob sich von seinem Barhocker und kämpfte sich durch die Menge der Kinder. Als er bei Andreas und Gaby angekommen war, reichte er zuerst ihr und dann ihm die Hand.

„Hallo zusammen“, waren seine ersten Worte. „Ich nehme an, du bist hier, um an unserer Freizeit teilzunehmen?“

„Ja, das stimmt“, antwortete Andreas sofort. Sein Augenwinkel verriet ihm, dass seiner Mutter erneut sehr nahe am Wasser gebaut war.

„Und Sie sind die Mutter?“ wollte er weiter wissen.

„So ist es“, gab sie mit schwacher Stimme zurück und fügte hinzu: „Gabriela Fojruß oder einfach Gaby, sehr erfreut.“

Der Mann warf ihr einen erfreuten und gleichermaßen verlegenen Blick zu. Die beiden Neuen verstanden sofort, warum. Der Mann räusperte sich und fügte mit sich