Climate Club - Jetzt retten wir das Klima! - Carrie Firestone - E-Book

Climate Club - Jetzt retten wir das Klima! E-Book

Carrie Firestone

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Beschreibung

ES IST UNSERE ZUKUNFT! Die 12-jährige Mary Kate hat viel um die Ohren: Sie ist vor kurzem Tante geworden, ihre beste Freundin Lucy hat eine merkwürdige Krankheit, und ihre Lieblingslehrerin will als neue Bürgermeisterin kandidieren. Außerdem ist da noch die Sache mit dem Klima, das sich immer weiter erwärmt und für das sich niemand zu interessieren scheint. Zum Glück gibt es ihren Lehrer Mr Lu, der an der Schule einen Klima-Klub gründet, und gemeinsam organisieren sie ein großes Umwelt-Projekt. Doch der aktuelle Bürgermeister stellt sich quer. Da hilft es nur, auf altbewährte Mittel zurückzugreifen, und glücklicherweise weiß Mary Kate von ihrer Freundin Molly, wie man einen Podcast startet. Denn wenn man wirklich etwas verändern will, muss man seine Stimme erheben!

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Seitenzahl: 288

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Carrie Firestone

Climate Club!

Jetzt retten wir das Klima

Aus dem amerikanischen Englisch von Barbara König

Deutsche Erstausgabe

© Arche Atrium AG, Imprint WooW Books, Zürich 2022

Alle Rechte vorbehalten

© Text: Carrie Firestone, 2022

Aus dem Englischen von Barbara König

Die Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel First Rule of Climate Club bei G.P. Putnam’s Sons Books for Young Readers

Published by arrangement with Pippin Properties Inc. through Rights People, London

© Cover: Ana Hard

Ebenfalls von Carrie Firestone bei WooW Books erschienen:

GIRLPOWER – Jetzt reden wir!

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

 

ISBN978-3-96177-600-9

 

www.WooW-Books.de

www.instagram.com/woowbooks_verlag

 

 

 

Für die, die Probleme lösen,

obwohl man es nicht von ihnen erwartet hätte,

für die mit Gemeinschaftssinn,

und für diejenigen, die den Planeten heilen.

Der Brief, mit dem alles begann

Liebe Eltern, liebe Sorgeberechtigten,

es freut mich, Ihnen mitteilen zu können, dass die Fisher-Mittelschule eine großzügige Spende erhalten hat, um im kommenden Schuljahr einen Kurs zum Thema Klimaforschung zu finanzieren. In diesem Pilotprojekt werden wir uns damit beschäftigen, wie und warum sich das Klima verändert und wie wir gemeinsam für die Umwelt aktiv werden können.

Aus den über einhundert Bewerbungsaufsätzen, die die Schülerinnen und Schüler im März eingereicht haben, wurden folgende angehende Achtklässler*innen ausgewählt, teilzunehmen:

 

Elijah Campbell

Shawn Hill

Benjamin Lettle

Andrew Limski

Jay Mendes

Rabia Mohammed

Mary Kate Murphy

Lucy Perlman

Rebecca Phelps

Hannah Small

 

Achtung! Die Teilnahme an diesem Kurs wird eine Menge Arbeit mit sich bringen. Bitte sprechen Sie mit Ihrem Kind und stellen Sie sicher, dass es bereit ist, sich zu engagieren. Wir werden uns natürlich auch mit den üblichen naturwissenschaftlichen Inhalten für die achte Klasse beschäftigen, trotzdem wird dies kein »normaler« Kurs sein. Wenn Sie und Ihr Kind mit dabei sind, dann unterschreiben Sie bitte das beigefügte Formular und schicken es an mich zurück.

Ich gratuliere allen Schülerinnen und Schülern!

Ich kann es kaum erwarten loszulegen.

 

Mit wissenschaftlichen Grüßen

Ed Lu

Das Feenreich

Der Brief mit der Zusage für den Klima-Kurs ist mit einem B-Magnet am Kühlschrank befestigt, neben dem Foto von meiner Baby-Nichte Penelope und einem Post-it, das Dad daran erinnern soll, Salbe für seinen Rücken zu kaufen.

Der Buchstabe B inspiriert mich heute gar nicht, da ich weder begeistert noch bereit noch begierig darauf bin, morgen wieder in die Schule zu gehen. Meine beste Freundin Lucy ist schon den ganzen Sommer lang krank, und keiner weiß, was mit ihr los ist. Ich wäre ja begeistert und bereit und begierig darauf gewesen, mit Lucy zusammen in den Klima-Kurs zu gehen. Aber stattdessen werde ich dort mit einer Gruppe von Leuten sitzen, die ich kaum kenne.

Ich schicke Lucy eine Nachricht: Feenreich?

Aber sie schreibt nicht zurück. Entweder heißt das, sie schläft oder es geht ihr richtig schlecht oder sie ist sauer, dass ich überhaupt frage.

Ich bin fast dreizehn Jahre alt und werde gleich ganz allein ein Haus für Feen bauen. Aber Lucy und ich haben uns nun einmal gegenseitig versprochen, dass wir das jedes Jahr am Tag vor Schulbeginn machen werden. Denn das bringt Glück, und das können wir im Moment echt gebrauchen. Also ziehe ich meine Schuhe an, rufe meine Hunde Murphy und Claudia zu mir, nehme meinen Rucksack und gehe durch die Hintertür nach draußen.

Zwischen meinem Garten und dem von Lucy liegt ein riesiges Naturschutzgebiet, ein Stück Wildnis, das eine Familie der Stadt geschenkt hat. Als hätten sie damals schon geahnt, dass, wenn man nicht ausdrücklich sagt: Dieses Stück Land ist nur dazu da, um die Natur zu genießen, dort irgendwann ein McDonald’s, ein Gebrauchtwagenhändler oder ein Nagelstudio gebaut werden wird.

Nur wenige Menschen verirren sich dorthin, vermutlich, weil es keine richtigen Wege gibt. Es ist ein weites Stück Land, umgeben von Wäldern und durchzogen von bröckelnden Steinmauern, mit einem Schlittenhügel, einer Wiese, einem Weiher und einem kleinen Tümpel, der nur im Frühling da ist.

Ich gehe an unserer Scheune vorbei, die inzwischen eine große Garage mit einem Zimmer im oberen Stockwerk ist, folge dem Pfad durch den Wald bis zum Schlittenhügel und gehe durch die Sonnenblumen am Rand der Wiese.

Die meisten Leute würden das Feenreich gar nicht bemerken. Es sieht aus, als hätte jemand überall kleine Haufen Rinde und Zweige fallen lassen. Aber wir wissen Bescheid. Lucy und ich und die Feen haben hier eine Menge Geheimnisse versteckt.

Als wir noch klein waren, haben wir ganze Tage damit verbracht, Tannenzapfen zu sammeln und verlorene Federn und interessante Steine und Eicheln und Blütenblätter. Wir haben den Feen kunstvolle Häuser gebaut und versucht, sie mit rituellen Beschwörungen herbeizurufen, an die ich mich nicht mehr so richtig erinnern kann. Aber zu alldem habe ich heute keine Lust. Ich will ein Haus bauen, damit die Feen uns Glück bringen, und dann will ich wieder nach Hause.

Ich greife nach ein paar dicken Stöcken und lehne sie gegen einen umgefallenen Baumstamm, der mit Moos bewachsen ist. Eine Stelle lasse ich offen, damit die Feen rein- und wieder rauskönnen, und bedecke den Boden mit weichen Kiefernnadeln. Im Innern des Feenhauses verteile ich ein paar Steine und auf dem Dach eine Handvoll Blätter.

Nicht das beste Haus, was wir je gebaut haben, aber es muss reichen.

Schlaft gut, ihr Feen. Und bitte bringt uns Glück.

Im Bus

Meine Nachbarin Molly und ich nehmen schon, seit ich im Kindergarten und sie in der ersten Klasse war, denselben Bus. Früher wurden wir ständig von Mollys großem Bruder Danny gepiesackt, der uns aus irgendeinem Grund immer Frosch und Kröte nennt. Aber Danny lebt jetzt bei seiner Großmutter in New York, deswegen machen Frosch und Kröte in diesem Schuljahr eine Pause.

»Gefällt dir mein Tanktop?«, frage ich Molly, als ich mich zu ihr und meinem anderen Nachbarn Will setze.

»Ich liebe dein Tanktop«, sagt sie. »Es betont so schön deine Schultern.«

»Ich danke dir, meine Heldin«, sage ich, denn ich weiß es sehr zu schätzen, dass Molly und ihre Freundinnen letzten Juni gegen die Kleiderordnung an unserer Schule protestiert haben und wir deswegen jetzt so ziemlich alles tragen können, was wir wollen.

»Weißt du noch, wie viel Angst du letztes Jahr hattest, als die Schule anfing?«, sagt Molly und beißt von ihrem Müsliriegel ab. »Ich dachte wirklich, du würdest dich übergeben.«

»Ich habe mich nicht gerade auf die siebte Klasse gefreut.«

Ich hatte gar keine Angst. Ich wusste nur einfach nicht, wie ich nach einem langen Sommer voller Fröschefangen und Auf-Bäume-Klettern damit zurechtkommen sollte, achtmal am Tag durch dicht gedrängte Flure geschoben zu werden.

»Ich finde es so schade, dass wir uns nicht mehr jeden Tag sehen werden«, sagt Molly. »Jetzt muss ich mich gleich übergeben. Auf der Highschool sind so viele Leute, die ich nicht einmal kenne. Sag etwas, um mich abzulenken.«

»Was denn?«

»Ich weiß nicht. Erzähl mir von deinem Podcast. Machst du weiter?«

»Ich glaube nicht.«

»Warum nicht? Er war richtig gut.«

Ich will mit Molly nicht über den Bären-Podcast reden. Es ist einfach nur peinlich.

Will hält uns sein Smartphone vor die Nase, um uns seine Freundin aus dem Ferienlager zu zeigen, und Molly stellt ihm die restliche Busfahrt lang Fragen.

»Glaubst du, ihr trefft euch vor dem nächsten Sommer noch mal?«

»Weiß nicht.«

»Kommt sie nächstes Jahr wieder ins Ferienlager?«

»Weiß nicht.«

Der Bus hält vor der Highschool, und Molly gibt ein würgendes Geräusch von sich.

»Du schaffst das, Molly«, sage ich. »Du bist doch eine Heldin, stimmt’s?«

Will und Molly hüpfen aus dem Bus, und Molly rennt zu ihren Freundinnen Navya und Bea. Ich sehe noch, wie sie in die Schule reingehen, während der Bus die Auffahrt runterfährt und mich zu meinem ersten Tag in der achten Klasse bringt.

Kein guter Start

Diesen Sommer habe ich versucht, einen Podcast zu starten. Er hieß Alles in Ordnung: ein Bären-Podcast, aber nach der ersten Episode habe ich ihn in Nichts ist in Ordnung: ein Bären-Podcast umbenannt, weil das eindeutig besser passte. In dem Podcast sollte es darum gehen, wie erbarmungslos die Bärenjagd in unserem Staat ist, was man gegen den Klimawandel tun kann, und ich wollte interessante Geschichten über Tiere und Pflanzen erzählen.

Die Idee dazu kam von Molly, deren Protest gegen die Kleiderordnung auch mit einem Podcast begonnen hatte, der letztendlich dazu führte, dass die Leute im ganzen Land gegen die Kleiderordnung an ihren Schulen aufbegehrt haben.

Der Bären-Podcast hingegen hat zu gar nichts geführt.

Vielleicht, weil der Staat schon ein Gesetz verabschiedet hat, das die Bärenjagd verbietet, oder vielleicht, weil die Leute, die ich interviewt habe, ständig Fachausdrücke verwendet haben. Mein Cousin aus Florida hat gesagt, dass das Interview mit dem Professor über den Klimawandel und Frösche »irgendwie langweilig« war. Mein anderer Cousin meinte, dass meine Fragen an den Baumexperten »zu schlau« waren. Molly hat gesagt, »Wirklich gut gemacht, Mary Kate, aber diesen Sommer ist einfach echt viel los bei allen.«

Eine von den Stammkundinnen in Moms Buchladen hat sich den Flyer für den Bären-Podcast am Schwarzen Brett angesehen und gesagt: »Ich bin eher ein Buch-Mensch und kein Podcast-Mensch.«

Die Einzigen, die sich wirklich alle drei Episoden angehört haben, sind meine einundneunzigjährige Großmutter und ihre Mitbewohnerin Linda in Florida und Lucy, die eine Menge inhaltliche Anregungen dazu hatte.

Dann wurde Lucy krank, ich machte mir Sorgen um sie, und es war einfach, etwas aufzugeben, das sowieso nur drei Zuhörerinnen hatte. Es wäre etwas anderes gewesen, wenn ich die Bären selbst hätte befragen können, die Frösche und die Bäume.

Gerade als der Bus in die Einfahrt der Fisher-Mittelschule einbiegt, schickt mir Lucy eine Nachricht: Auf dem Weg zum nächsten Ologen. Komm nach der Schule vorbei. Viel Glück.

Lucy und die Ologen

Am Ende des letzten Schuljahres hat Lucy angefangen, sich komisch zu benehmen.

Erst dachte ich, sie ist sauer auf mich. Jedes Mal, wenn ich sie am Weiher treffen wollte, hat sie gesagt, ihr geht es nicht so gut und sie muss sich hinlegen. Dann hatte ich Angst, dass sie mich satthat oder sich lieber mit ihren Basketball-Freundinnen treffen will. Aber dann habe ich ein Telefongespräch zwischen meiner und ihrer Mom belauscht.

»Habt ihr sie auf Blutarmut testen lassen?«

»Was ist mit ihrem Blutzucker?«

»Das wäre die Schlafkrankheit, aber die Symptome passen nicht wirklich.«

»Warum glaubt sie denn, dass ihr Essen verseucht ist? Wie seltsam. Du hast recht. Das klingt eher nach einer Angststörung.«

Und es wurde immer schlimmer. Jedes Mal, wenn ich sie besuchte, wollte sie nur schlafen. Dann ging es ihr eine Zeit lang besser, zumindest gut genug, um eines Nachmittags mit mir zum Weiher zu gehen und auf die Fledermäuse zu warten. Aber auch da haben ihr die Beine wehgetan, und sie hatte stechende Schmerzen am ganzen Körper, konnte nicht richtig hören und nur verschwommen sehen, und ihre Zunge brannte. Und sie hatte ständig Angst, dass ihr ein Insekt in den Mund fliegt, also wollte sie auch nicht sprechen.

»Ich gehe nach Hause und schlafe ein bisschen«, hat sie gesagt. »Wenn die Fledermäuse kommen, bin ich auch wieder da.« Aber sie ist nie zurückgekommen. Und das, obwohl sie Fledermäuse über alles liebt.

Lucy ist zu einem Psychiater (einem Arzt für seelische Gesundheit) gegangen, weil sie auf nichts Lust hat, mit niemandem sprechen will und einfach überhaupt nicht sie selbst ist. Er hat ihr Medikamente gegen eine Angststörung verschrieben, die gar nicht helfen.

Dann ist sie zu einer Neurologin (Gehirnärztin) gegangen, weil sie manchmal Wörter vergisst, und jetzt hat auch noch ihr Arm angefangen, komisch zu zucken, und sie blinzelt ständig.

Dann zu einem Gastroenterologen (Bauch-Doktor), weil ihr von Zwiebeln und Milch und lauter anderen Lebensmitteln schlecht wird.

Und zu einer Rheumatologin (Ärztin für Gelenke), weil ihr ganzer Körper wehtut.

Keiner weiß, was mit Lucy los ist.

Heute geht sie zu einem Urologen. Sie weiß nicht, dass ich das weiß, aber ich habe mitbekommen, wie meine Mom mit ihrer Mom darüber gesprochen hat. Es ist voll schrecklich und total peinlich, und ich werde es nie jemandem erzählen, aber Lucy macht ins Bett.

Vor dem letzten Ologen-Termin hat Lucy gesagt: »Egal, was passiert, Mare, ich werde zur Schule gehen. Ich lasse doch nicht zu, dass du da ganz alleine hinmusst.«

Das war vor einer Woche. »Egal, was passiert«, ist passiert.

Dort

»Dort« ist die Fisher-Mittelschule, und aus irgendeinem Grund kommt sie mir heute viel kleiner vor als sonst.

Der Bus hält, und ich drängle mich zu Talia durch, die ein paar Reihen vor mir sitzt, damit wir gemeinsam aussteigen können. Wir folgen den anderen in den Freundschaftsgarten. Es ist Tradition, dass die Schülerinnen und Schüler der Fisher-Mittelschule etwas Inspirierendes auf einen Stein schreiben und ihn dann in den Freundschaftsgarten legen, bevor sie in die siebte Klasse kommen. Ich weiß schon gar nicht mehr, was ich auf meinen Mutmachstein geschrieben habe, weil es so langweilig war.

Die neue Schulinspektorin Dr. Eastman platzt in einem schwarzen Jumpsuit und gelben Schuhen mit hohen Absätzen aus ihrem Büro. Sie trägt ein Schild, auf dem steht: In diesem Schuljahr wollen wir Wunder bewirken. Sie erinnert mich an eine freundliche Hexe, und das gefällt mir.

Dann stellt sie uns allen die neue Schulleiterin Ms Singh vor, die in den letzten drei Minuten schon mehr gelächelt hat als unser alter Schulleiter im gesamten letzten Jahr.

»Dr. Eastman sieht so nett aus«, sagt Talia. »Ich mag ihren Südstaatenakzent.«

Talia hat letztes Schuljahr auch gegen die Kleiderordnung protestiert, und alle sind davon überzeugt, dass der Protest unseren alten Schulleiter und seine Handlangerin, die wir alle nur die Fingerspitze genannt haben, vergrault hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir recht haben.

»Und das, meine Lieben, ist Mr Joe, unser neuer Kontaktlehrer«, sagt die Schulinspektorin und legt ihm die Hand auf die Schulter. »Macht euch jemand das Leben schwer? Habt ihr ein schwieriges zwischenmenschliches Problem? Dann auf zu Joe.«

Ich umarme Talia, wünsche ihr Glück, husche zu meinem Schließfach und gehe dann in die Turnhalle, wo wir uns vorstellen und etwas aus unseren Sommerferien erzählen sollen. »Ich bin Mary Kate Murphy, und ich habe meine Schwester Sarah in Boston besucht und meine Baby-Nichte Penelope kennengelernt.«

In Mathe werfen wir uns gegenseitig ein Fadenknäuel zu, und wer es fängt, soll ein interessantes Detail über sich erzählen. Na toll. Jetzt weiß ich, dass Ben Lettles Lieblingsfarbe Braun ist.

Ich bin auf dem Weg zu meinem Englischkurs, als ich vor mir in großen Blockbuchstaben sehe:Herzlichen Glückwunsch an die Teilnehmenden unseres Klima-Kurses für diese gewinnenden Aufsätze. Jemand hat es für eine gute Idee gehalten, die Bewerbungsaufsätze für den Klima-Kurs ans Schwarze Brett zu hängen. Jetzt kann die gesamte Schule lesen, wie seltsam ich bin – einfach so, im Vorbeigehen.

Bewerbungsaufsatz für den Klima-Kurs von Mary Kate Murphy

Wir hören immer vom Klimawandel und den Eisbären, und darüber kann man sich ganz schön aufregen, und das macht einen ganz schön fertig, weil die Eisbären verhungern und sich gegenseitig auffressen. Aber ich will lieber über die Bären hinter meinem Haus schreiben.

Den meisten Leuten ist nicht klar, wie viele Bären mitten in Connecticut leben. Fast nirgendwo anders gibt es so viele Bären wie bei uns in der Stadt. Ich beobachte sie die ganze Zeit, besonders ein paar Bärenfamilien, die schon seit einer Weile immer wieder vorbeikommen.

Als ich klein war, haben die Bären sich im Naturschutzgebiet von Honey Hill versorgt, wo es eine Menge Brombeerhecken gab. Ich bin erst zwölf, aber seit ich auf der Welt bin, beobachte ich, wie die Brombeeren Jahr für Jahr früher reifen und wie es immer weniger werden. Die Bären müssen sich also andere Futterquellen suchen. Das bedeutet, sie gehen an die Mülltonnen, landen dann auf Facebook, wo die Leute sich darüber beschweren, wie lästig die Bären sind, was dann dazu führt, dass die Leute sie erschießen wollen.

Egal welche Pflanze oder welches Tier man auch im Internet sucht, wenn man gleichzeitig »Klimawandel« eingibt, sieht man jedes Mal, wie ganze Ökosysteme durch den Klimawandel zerstört werden. Aber eigentlich brauche ich dazu gar nicht das Internet. Ich kann es mit meinen eigenen Augen sehen, bei den Brombeeren und Bären, den Salamandern und Fröschen, den Pflanzen und Bienen und Schmetterlingen. Und es wird immer schlimmer.

Wenn ich in den Klima-Kurs aufgenommen werde, würde ich gerne mehr über die Veränderungen in der Natur lernen und wie ich sie aufhalten kann, bevor all die Tiere, die mir am Herzen liegen, verschwunden sind. Denn das sind meine Freunde.

Dritte Stunde

Ich muss mich noch daran gewöhnen, dass nur acht Leute im Englisch-Kurs sind. Es gab Probleme mit dem Stundenplan, und jetzt sind die Schülerinnen und Schüler in meinem Englisch-Kurs in der dritten Stunde dieselben wie in meinem Klima-Kurs in der achten. Eigentlich sollten wir zehn sein, aber Lucy ist ja krank, und Andrew Limski ist aus dem Pilotprojekt ausgestiegen, weil, das behauptet jedenfalls Jay, seine Eltern meinen, der Klima-Kurs würde ihn nicht genug fordern.

Ich beobachte, wie nach und nach alle reinkommen und sich ihren Platz im Tischkreis suchen.

Ben Lettle hat sich über den Sommer einen halben Schnurrbart wachsen lassen. Vielleicht denken seine Eltern, dass er noch nicht dazu in der Lage ist, mit einem Rasierer umzugehen. Kann ich verstehen. Jedes Mal, wenn ich versuche, mir die Beine zu rasieren, sieht das Bad aus wie damals, als Dad Tomaten pürieren wollte und vergessen hatte, den Deckel auf den Mixer zu tun.

Elijah Campbell trägt eine Fliege mit Hummeln darauf.

Shawn Hill ist seit der siebten Klasse etwa einen Meter gewachsen und hat jetzt eine Brille.

Rabia Mohammed trägt die Schuhe, die ich auch haben wollte, bei denen Dad aber nur wie immer gesagt hat: »Das übersteigt unser Budget.«

Jay Mendes hat vom Fußballspielen einen grünen Fleck auf der Stirn. (Das war es, was er als interessantes Detail in Mathe von sich gegeben hat.)

Hannah Small und Rebecca Phelps flüstern miteinander. In der achten Klasse bedeutet das: »Wir lagen den ganzen Sommer lang zusammen am Pool, und jetzt teilen wir Geheimnisse.«

Unsere Englischlehrerin Ms Lane kontrolliert die Anwesenheiten. Für mich ist Ms Lane einfach Charlotte. Ich kenne sie bereits mein ganzes Leben lang. Sie und meine Schwester Sarah, die achtzehn Jahre älter ist als ich, sind schon seit Ewigkeiten befreundet, und als ich geboren wurde, hat Sarah Charlotte mit ins Krankenhaus genommen, damit sie mich kennenlernen konnte.

»Heute fangen wir mit unserem Briefprojekt an«, sagt Ms Lane.

»Echt? Schon wieder Brieffreundschaften?«, sagt Elijah. »Die schreiben doch eh nie zurück.«

»Nein, keine Brieffreunde, Elijah.« Sie geht zu ihrem Schreibtisch, zieht ein zusammengefaltetes Stück Papier aus ihrer Tasche und fängt an vorzulesen:

Liebe Charlotte,

 

ich wünschte, die Sommerferien wären nicht schon vorbei. Ms Milholland hat uns dazu aufgefordert, Briefe an uns selbst zu schreiben. Sie hat gesagt, sie wird die Briefe nicht lesen. Wir sollen sie aufbewahren und lesen, wenn wir erwachsen sind. Ein bisschen seltsam, aber ich vertraue ihr. Sie ist nämlich ganz schön cool. Ich will etwas schreiben, was ich noch nicht einmal Sarah erzählt habe. Ich glaube, ich bin in Greg Johnson verliebt. Er ist einfach so was von perfekt. Diese Grübchen, und dann ist er auch noch größer als ich. Wie Leonardo DiCaprio in Titanic, nur noch heißer. Warum muss er schon sechzehn sein? Warum ist das Leben so ungerecht? Jetzt klingelt es.

 

Alles Liebe

 

Ich

Wir starren sie an.

»Das, meine Lieben, war eure Ms Lane in der achten Klasse. Und so peinlich dieser Brief auch ist, ich habe ihn euch trotzdem vorgelesen, denn inzwischen bin ich begeistert von diesem Projekt«, erklärt sie. »Wir mussten das ganze Schuljahr über jeden Monat einen Brief an uns selbst schreiben, und Mannomann, das Drama, die gescheiterten Liebesbeziehungen, die Herausforderungen der Pubertät. Es war gut, das alles zu Papier zu bringen und es loszuwerden«, sagt Ms Lane. »Jetzt seid ihr dran. Ihr werdet jeweils am Monatsanfang einen Brief an euch selbst schreiben. Ich werde die Briefe einsammeln, aber nicht lesen. Das verspreche ich euch. Mein eigenes Leben ist aufregend genug.«

Hannah meldet sich. »Wo ist Greg Johnson heute?«

Ms Lane lächelt. »Ich habe keine Ahnung. Ich glaube, ich war nur bis zum nächsten Brief in ihn verliebt. Also, dann wisst ihr, was ihr zu tun habt. Jetzt geht es mit Gedichten weiter. Mein Lieblingsthema.«

»Ms Lane, wer wird uns unterrichten, wenn Sie die Wahl gewinnen?«, fragt Elijah. »Die ist im November, oder?«

Ms Lane kandidiert für das Amt des Bürgermeisters gegen einen Mann namens Brent Grimley, der schon Bürgermeister war, als ich geboren wurde, und der in all den Jahren absolut nichts erreicht hat – jedenfalls sagen das meine Eltern.

Ms Lane lacht. »Ja, es wird immer am ersten Dienstag im November gewählt. Ich freue mich ja über euer reges Interesse und auch über den Vorschlag, der von einem anderen Kurs kam, mein Klassenzimmer zur Wahlkampfzentrale zu machen, aber ich habe dafür eine klare Regel aufgestellt: Kein Wahlkampf in der Schule. Das gehört sich einfach nicht.«

Sie schreibt Kein Wahlkampf im Klassenzimmer auf einen riesigen pinken Zettel und klebt ihn an die Tafel.

»Wir kriegen bestimmt Mr Linkler, den Vertretungslehrer, stimmt’s?«, sagt Elijah.

»Okay, nur noch eins zu diesem Thema: Sollte ich gewinnen, ist das ein Teilzeitjob. Also bleibe ich so oder so eure treu ergebene Lehrerin.«

»Oh, wow. In Hartford ist das Bürgermeisteramt aber kein Teilzeitjob«, sagt Shawn.

»Weil es in Hartford so viele Verbrecher gibt«, sagt Ben.

»Ja nee, ist klar, Ben. Dann wissen wir jetzt Bescheid«, sagt Shawn.

»Wollen deswegen nicht alle Kinder aus Hartford hier zur Schule gehen?«, fragt Ben.

Shawn ist eines dieser Kinder aus Hartford.

»Ben, du weißt es doch eigentlich besser«, sagt Ms Lane.

»Was denn?«, sagt Ben.

»So, wir machen weiter«, sagt Ms Lane und schüttelt den Kopf.

Die Kinder aus Hartford

Ich weiß nicht besonders viel über die Kinder aus Hartford, außer, dass sie in Hartford leben, das etwa zwanzig Minuten entfernt von Honey Hill liegt. Ihre Eltern hatten die Wahl, sie entweder in Hartford selbst zur Schule zu schicken oder mit dem Bus zu uns in die Vororte, und sie haben sich für Honey Hill entschieden. Die Kinder aus Hartford bleiben unter sich und essen zusammen zu Mittag, bestimmt weil sie alle denselben Bus nehmen. Honey Hill ist eine sehr weiße Stadt, deswegen sagen meine Eltern immer: »Wie gut, dass es ein Programm gibt, das ein paar People of Color in unsere Schulen bringt. Diversität ist schließlich sehr wichtig.«

Beim Mittagessen

Da Lucy krank ist, mache ich mir gar nicht erst die Mühe, zu überlegen, mit wem ich gemeinsam zu Mittag essen könnte. Ich gehe direkt in die Bücherei.

»Hey, Murphy. Wie geht’s, wie steht’s«, sagt der Bibliothekar Mr Beam, den Mund voller Kekse.

»Alles gut.«

Als Lucy angefangen hat, nicht mehr zur Schule zu kommen, und ich angefangen habe, in der Bücherei zu Mittag zu essen, haben Mr Beam und ich eine Abmachung getroffen: Dreißig Sekunden lang Small Talk, dann mache ich meine Hausaufgaben, und Mr Beam scrollt durch Twitter.

»Erzähl mir eine schöne und eine blöde Sache aus deinen Sommerferien«, sagt Mr Beam.

»Ähm. Also, es war schön, dass meine Schwester Sarah ein Baby bekommen hat, sie heißt Penelope und sie kommen dieses Wochenende, weil Penelope getauft wird. Ich kann es kaum erwarten, weil ich sie nur einmal gesehen habe, als sie erst ein paar Stunden alt war, und sie hat die ganze Zeit geschlafen.«

»Herzlichen Glückwunsch. Was für tolle Nachrichten.«

»Und die schlechte Nachricht ist natürlich, dass Lucy noch immer krank ist.«

Er schenkt mir einen mitleidigen Blick. »Das tut mir leid. Sag ihr gute Besserung.«

»Das mache ich, danke, Mr Beam. Wie geht es Ihnen?«

»Nun, mal überlegen. Die gute Nachricht ist, dass ich ein paar Wochen am See verbringen konnte. Die schlechte, dass es die ganze Zeit geschüttet hat, aber so schlimm war es dann doch nicht, weil ich einen Haufen Bücher lesen konnte.«

»Das sollte ich auch mal wieder machen«, sage ich. »In der Sechsten habe ich so ziemlich aufgehört zu lesen.«

»Ich bekomme dich schon wieder zum Lesen, Murphy. Du musst nur das richtige Buch finden.«

Ich nehme meinen Joghurt und meinen Löffel raus, schlage die English-Mappe auf und überlege, was ich in den Brief an mich selbst schreiben soll.

»Halten wir uns immer noch an die Dreißig-Sekunden-Regel?«, fragt Mr Beam.

»Ja. Ich glaube, das ist sinnvoll.«

Der erste Brief an mich selbst

Liebe Mary Kate,

 

da ich du bin, kann ich mir die Vorgeschichte sparen. Anders als Ms Lane bin ich in niemanden verliebt, also wird dieser Brief ziemlich langweilig.

 

Ich komme direkt zum Punkt: Ohne Lucy bin ich verloren. Ich weiß, viele Leute sind gern Teil einer großen Gruppe oder haben wenigstens eine Handvoll Freunde, aber ich gehöre zu denen, die am liebsten nur mit einer Person richtig gut befreundet sind. Ohne Lucy zur Schule zu gehen, ist wie eine Party ohne Musik oder ein Abendessen ohne Essen. Es ist unangenehm und deprimierend.

 

Ms Lane hat außerdem die Pubertät angesprochen. Na ja, seit ich im Juli zum ersten Mal meine Tage hatte, ist nichts mehr passiert. Zwei Monate sind fast um und noch immer nichts. Molly hatte ihre gleich am Anfang der Sommerferien, und nun kriegt sie sie alle siebenundzwanzig Tage. Sie hat dafür extra eine App. Ich gucke ständig, ob ich sie wieder bekommen habe, aber jedes Mal Fehlalarm. Ich habe keine Lust, mit Mom darüber zu reden, das ist immer so peinlich, aber wenn Sarah dieses Wochenende kommt, werde ich sie fragen.

 

Mir fehlt es so, mit Lucy über wirklich alles zu reden. Ich habe mich noch nie so allein gefühlt.

 

Mr Beam kaut ganz schön laut. Ich muss jetzt meine Mathe-Hausaufgaben machen.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Ich

Achte Stunde

Es wird ziemlich schnell klar, dass der Klima-Kurs anders als die anderen Kurse sein wird.

Ich komme ins Klassenzimmer, und Mr Lu sitzt zusammengesackt in seinem Drehstuhl und trägt eine Gasmaske, während Rabia vor dem Smartboard steht. Mindmap zum Klimawandel steht da in großen Buchstaben geschrieben.

Verwirrt setze ich mich auf meinen Platz.

»Mr Lu hat mich gebeten, eure Vorschläge aufzuschreiben«, sagt Rabia. »Kann bitte irgendjemand etwas sagen?«

»Fossile Brennstoffe«, sagt Shawn, und dann fangen alle an, Wörter zu rufen, während Mr Lu weiterhin so tut, als wäre er tot.

»Albträume.«

»CO2.«

»Methangas.«

»Schmelzende Polkappen.«

»Hungernde Eisbären.«

»Waldbrände.«

»Heftige Stürme.«

»Dürre.«

»Globaler Klimastreik.«

»Erwachsene ruinieren alles.«

»Abholzung.«

»Wir werden alle sterben.«

Nervöses Gelächter.

Mr Lu springt auf und zerrt sich die Gasmaske vom Gesicht. »Okay, okay, das wird mir jetzt zu apokalyptisch.« Er schmeißt die Gasmaske aus dem offenen Fenster. »Wenn wir sowieso alle sterben, wieso unterrichte ich dann noch? Warum schreibe ich eine Doktorarbeit in Umweltbildung? Warum sind wir dann überhaupt hier? Warum?«

Rabia steht unbeholfen vor der Klasse, während der Rest von uns Mr Lu anstarrt.

»Du kannst dich wieder setzen, Rabia. So, und jetzt holt mal alle tief Luft. Nehmt den Duft von Hunderten halb aufgegessenen Frikadellen aus der Schulmensa und andere Schulgerüche in euch auf: Achselschweiß, Zahnklammern-voller-Essensreste-Mundgeruch, ihr kennt das ja.«

Ein paar Leute kichern.

»So, dann sammeln wir uns mal. Schon kapiert. Der Klimawandel ist furchterregend. Und ich werde es beim Namen nennen – wir befinden uns in einer Klimakrise. Jedes Kindergartenkind weiß inzwischen, dass unser Planet immer wärmer wird, weil wir immer mehr fossile Brennstoffe verbrauchen, damit wir all die Turnschuhe tragen können, auf die wir so versessen sind, und damit wir lange duschen können, während wir grauenhafte Musik hören.«

Ich mustere die Schuhe der anderen.

»Aber in diesem Kurs wollen wir einen anderen Ansatz verfolgen. Wir werden eine Vision erschaffen, wie unser Planet aussehen könnte, wenn wir nicht mehr abhängig von fossilen Brennstoffen wären.«

Mr Lu löscht alle Wörter vom Smartboard, die Rabia aufgeschrieben hat.

»Schließt eure Augen.«

Erst finde ich es komisch, aber dann mache ich meine Augen doch zu.

»Gut. Jetzt stellt euch einen Planeten vor, auf dem wir alle im Einklang mit den Pflanzen, Tieren, Insekten und anderen Menschen leben. Berührt ihn. Riecht ihn. Beobachtet, wie sich alles vor euren Augen entfaltet. Lauscht den Klängen des Lebens, das überall entsteht, an Orten, wo ihr es nicht erwartet hättet, seht, wie es überall aufblüht.«

Es ist schwer, sich zu konzentrieren, weil Elijah wegen seines Heuschnupfens ständig schnieft.

»Okay, jetzt könnt ihr die Augen wieder aufmachen«, sagt Mr Lu nach einer gefühlten Ewigkeit. »Na los, mir nach.«

Er klettert aus dem Fenster. Zum Glück ist das Klassenzimmer im Erdgeschoss.

Wir sehen einander an und zucken mit den Schultern.

»Er hat gesagt, wir sollen ihm nach«, sagt Hannah.

»Nehmen wir unsere Sachen mit?«, fragt Ben. Ich zucke mit den Schultern.

Dann klettern wir alle aus dem Fenster und landen auf der Wiese.

»Kommt«, sagt Mr Lu und scheucht uns vor sich her. »Lasst euch auf die Natur ein. Lernt all eure Freunde in Flora und Fauna kennen.« Er zeigt auf die späten Sommerblumen, die trägen Bienen, die Honig von den Glockenblumen sammeln, den Wald, der unser Viertel mit dem Naturschutzgebiet verbindet. »Wir können die Erde nicht retten, wenn wir sie nicht verstehen. Schreibt bis morgen eure Vorstellungen davon auf, wie dieser Planet aussehen könnte, eure Vision einer besseren Welt. Das wird unser Ausgangspunkt sein.«

Wir wandern ziellos durch die Gegend. Ich gehe zu meiner Lieblingsbirke neben dem Pfad, der zu Mollys Haus führt, und lasse meine Hände über die raue Rinde gleiten.

»Das ist eine Birke, oder?«, fragt jemand hinter mir. Ich drehe mich um und sehe, wie Shawn meinen Baum anblinzelt.

»Ja«, sage ich. »Guck mal, wie sie sich runterbeugt, um mehr Sonne abzubekommen.«

»Das ist echt cool«, sagt er. »Ich glaube, aus solchen Bäumen haben sie früher Kanus gebaut.«

»Ich glaube, du hast recht.«

Peinliches Schweigen.

»Bis später dann«, sagt er und geht weg. »Mach’s gut, Baum.«

»Bis später«, sage ich.

Ich dachte, ich wäre die Einzige, die mit Bäumen redet.

Bewerbungsaufsatz für den Klima-Kurs von Shawn Hill

Ich schreibe diesen Aufsatz, um mich für den Klima-Kurs zu bewerben. Meine Eltern gehören zu den Leuten in Hartford, die dafür gekämpft haben, die Müllverbrennungsanlage zu schließen, die unsere Stadt verpestet hat. Ich will noch weitere Wege finden, um gegen Umweltverschmutzer vorzugehen, die Gemeinden wie unsere ausnutzen. Es ist gut, dass die Verbrennungsanlage endlich abgeschaltet wird, aber keiner weiß, was wir mit dem Müll machen sollen, der da verbrannt wurde, also wird er jetzt einfach woandershin verschifft. Ich möchte die Menschen davon überzeugen, weniger Müll zu produzieren, indem sie einen Komposthaufen anlegen.

Mein Dad ist Feuerwehrmann und trainiert Leute dafür, gegen Waldbrände zu kämpfen, die durch den Klimawandel immer schlimmer werden. Die Feuer in Kalifornien zum Beispiel zerstören ganze Landstriche und töten Millionen von Tieren, Milliarden, wenn man die Insekten dazuzählt – was man tun sollte, denn Insekten sind sehr wichtig. Ich bin stolz auf meinen Dad, weil er so mutig ist, aber ich habe immer Angst, dass er nicht wieder nach Hause kommt. Es gibt viele Gründe, warum ich mich mit dem Klimawandel beschäftigen will, aber das ist der wichtigste.

Außerdem arbeite ich drei Tage die Woche ehrenamtlich in einem Gewächshaus in meinem Viertel. Das Gemüse, das wir dort ziehen, liefere ich an Familien aus. Ich weiß viel über Pflanzen und würde gerne mehr darüber erfahren, wie Pflanzen Kohlenstoff aufnehmen und speichern.

Ich hoffe, dass Sie mich für den Kurs in Betracht ziehen.

Was ich über die Leute in meinem Klima-Kurs weiß

•  Jay Mendes: Sitzt seit dem Kindergarten immer in meiner Nähe (weil unsere Nachnamen Mendes und Murphy für alle Schul-Ewigkeit miteinander verbunden sein werden). Fußballspieler.

•  Elijah Campbell: Seine Eltern kommen aus Jamaika, und in der dritten Klasse hat er am Welttag jamaikanisches Essen mitgebracht. Ältester Schüler in unserer Klasse. (Und ich bin die jüngste Schülerin.)

•  Shawn Hill: Aus Hartford. Hat immer ein Fernglas dabei (jedenfalls hatte er das in der Sechsten).

•  Ben Lettle: Redet ständig über die Pfadfinder.

•  Rabia Mohammed: Sitzt manchmal zwischen mir und Jay (auch ein M-Nachname). Besucht jedes Jahr ihre Großeltern in Kaschmir und kommt mit Jetlag zurück. Hat mir in der ersten Klasse erklärt, was ein Jetlag ist.

•  Rebecca Phelps: Hat in der zweiten Klasse ihre Katze in die Schule geschmuggelt und sie uns heimlich in der Garderobe streicheln lassen. Ist wie ich Vegetarierin.

•  Hannah Small: Hat immer einen Mutmachstein dabei, den sie Jacqueline nennt. Letztes Jahr hat ein fieser Junge namens Nick ihr Jacqueline weggenommen und zwischen den anderen Mutmachsteinen im Garten versteckt. Ich habe gehört, dass Nick für seine Stein-Entführung büßen musste und fast den ganzen Sommer lang Hausarrest hatte.

•  Lucy Perlman: Was weiß ich nicht über Lucy Perlman? Ich weiß sogar, warum sie heute zum Urologen gegangen ist.

Die Hängematte

Da ich bereits draußen bin, als es nach der letzten Stunde klingelt, gehe ich direkt quer durch den Wald, durch Wills und Mollys Garten und die Straße entlang auf unsere Auffahrt zu. Dann nehme ich den Pfad, der durch die Wildnis führt, und betrete Lucys Haus durch die Hintertür.

Ihr Bruder Blake schreit gerade sein Videospiel an.

Ich schwitze, also lasse ich mir in der Küche kaltes Wasser aus der Spüle über die Handgelenke laufen, ein Trick, den mir mein Bruder Mark vor langer Zeit beigebracht hat. Ich nehme mir zwei Kekse aus der Panda-Keksdose und gehe raus zur Hängematte, in der Lucy gerade Fledermaus-Videos auf ihrem Smartphone guckt. Ich lege Lucy einen Keks auf die Stirn.

»Hey«, sagt sie. »Du kannst ihn haben. Kein Hunger.«

Ihr Gesicht ist schmal und blass.

Ich gebe ihr die Hausaufgaben, die ich für sie mitgenommen habe. »Es sind nur Mathe-Hausaufgaben, dann musst du für Englisch einen Brief an dich selbst schreiben und deine Vision für unseren Planeten für den Klima-Kurs. Erkläre ich dir später. Ich bin müde.«

Ich lege mich neben Lucy und starre nach oben in die Eiche, die da schon steht, seit ich klein bin.

»Wie war’s beim Ologen?«, frage ich.

»Hat nichts gebracht«, sagt sie.

»Möchtest du darüber reden?«

»Nicht wirklich. Mein Kopf tut weh. Es ist einfach zu heiß.« Sie blinzelt wieder so komisch.

»Glaubst du, du kannst zu Penelopes Taufe kommen?«

»Ich weiß nicht. Kannst du aufhören, mir Fragen zu stellen?«

»Ja, kann ich, Luce.«

Inzwischen bin ich daran gewöhnt, dass sie mich dauernd anblafft.

»Ich geh dann mal. Bis später.«

»Okay. Tschüss.« Sie dreht sich um und schließt die Augen. Ich nehme mein Zeug und mache mich auf den Heimweg.

Bevor Lucy krank wurde

Bevor Lucy krank wurde, haben wir alles zusammen gemacht. Wir waren Camperinnen, die ihr Zelt auch im strömenden Regen aufgebaut haben. Wir waren Filmguckerinnen in Lucys Wohnzimmer und Buchschmökerinnen in der Hängematte, und wir waren Popcornmacherinnen. Wir waren Erforscherinnen von Pfotenabdrücken und Tierexkrementen, von Federn und Fellbüscheln an Baumstämmen (Kratzbäumen für Bären). Bevor Lucy krank wurde, waren wir Sucherinnen – nach Pfeilspitzen und Knochen, nach der geheimen Höhle, von der wir wussten, dass wir sie eines Tages finden würden. Bevor Lucy krank wurde, haben wir zusammen Feenhäuser gebaut. Wir waren Feen. Wir waren beste Freundinnen.

Bewerbungsaufsatz für den Klima-Kurs von Lucy Perlman

Als ich erfahren habe, dass die Fisher dieses Schuljahr einen Klima-Kurs anbietet, habe ich mich total gefreut, denn ich mache mir große Sorgen um unseren Planeten.