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Auf der Plattform »murderpix« tauchen Fotos von jungen Frauen auf, die seit Jahren als vermisst gelten. Eines zeigt Jenny Ramsvik am Tag ihres Verschwindens in einem Fahrzeug. Jenny ist einer der ungelösten Fälle von Kommissarin Tess Hjalmarsson, die ihr nahe gehen. Sie will seit Jahren den Angehörigen sagen können, was passiert ist, um ihnen in ihrer Trauer zu helfen. Auch das Foto einer anderen vermissten Frau bricht Wunden auf. Dieses Bild ist ebenfalls kurz vor deren Verschwinden offenbar im selben Wagen aufgenommen. Dank neuer technischer Möglichkeiten können Tess und der dänische Profiler Carsten Morris dem Mörder auf die Spur kommen. Er hat jedoch schon ein weiteres Opfer im Visier.
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Seitenzahl: 519
Veröffentlichungsjahr: 2024
Auf der Plattform »murderpix« tauchen Fotos von jungen Frauen auf, die seit Jahren als vermisst gelten. Eines zeigt Jenny Ramsvik am Tag ihres Verschwindens in einem Fahrzeug. Jenny ist einer der ungelösten Fälle von Kommissarin Tess Hjalmarsson, die ihr nahe gehen. Sie will seit Jahren den Angehörigen sagen können, was passiert ist, um ihnen in ihrer Trauer zu helfen. Auch das Foto einer anderen vermissten Frau bricht Wunden auf. Dieses Bild ist ebenfalls kurz vor deren Verschwinden offenbar im selben Wagen aufgenommen. Dank neuer technischer Möglichkeiten können Tess und der dänische Profiler Carsten Morris dem Mörder auf die Spur kommen. Er hat jedoch schon ein weiteres Opfer im Visier.
Tina Frennstedt arbeitet als Kriminalreporterin beim schwedischen Fernsehen und ist – wie die Protagonistin ihrer COLD-CASE-Krimireihe – Expertin für Mordfälle, die jahrzehntelang nicht aufgeklärt wurden. Ihre Reportagen sind preisgekrönt und bilden den realitätsnahen Hintergrund für ihre Krimis, deren Schauplatz das südschwedische Österlen ist. Der erste Band, COLD CASE – DAS VERSCHWUNDENE MÄDCHEN, war ein großer Erfolg und wurde in Schweden als bestes Krimidebüt 2019 ausgezeichnet.
Die folgenden COLD-CASE-Bände setzen diese Erfolgsgeschichte fort. Tina Frennstedt lebt in Stockholm.
TINA FRENNSTEDT
COLDCASE
DAS LETZTE BILD
KRIMINALROMAN
Übersetzung aus dem Schwedischen vonHanna Granz
Vollständige E-Book-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Titel der schwedischen Originalausgabe:
»COLD CASE – Sista bilden«
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2023 by Tina Frennstedt
First published by Norstedts, Sweden
Published by arrangement with Nordin Agency AB, Sweden
Für die deutschsprachige Ausgabe:
Copyright © 2024 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln
Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.
Textredaktion: Anja Lademacher, Bonn
Umschlaggestaltung: Kirstin Osenau
Einband-/Umschlagmotive: © Shutterstock: AdventureFocus | taeug1015
eBook-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen
ISBN 978-3-7517-5979-3
luebbe.de
lesejury.de
Für Tesso
Das Handy-Display erlosch. Matilde blieb auf dem verlassenen Fußgängerweg stehen, nahm die Ohrhörer raus und steckte sie in die Jackentasche. Im Laufe des Abends hatte sich Raureif über die Strandwiesen von Dragør gelegt, der im Mondschein glitzerte. Statt dem Crescendo von Ellie Gouldings melancholischem Refrain zu lauschen, musste sie sich mit dem knirschenden Geräusch begnügen, das ihre Sohlen auf dem Kies erzeugten.
Während sie weiterging, dachte sie an Jacob und wie enttäuscht sie gewesen war, dass er sich nicht gemeldet hatte, obwohl er wusste, dass sie in Kopenhagen war. Aber eigentlich wusste sie ja, dass er nichts mehr von ihr wollte. Auch ihre Freunde hatten ihr geraten, ihn zu vergessen und sich jemand anderes zu suchen. Sie war noch neu im Dating-Dschungel, und es gab jede Menge Typen da draußen.
Weiter vorn knackte es im Gebüsch, sie lauschte. Zweige raschelten, und ein kompaktes schwarzes Etwas fiel aus den Sträuchern und bewegte sich auf sie zu.
Matilde warf einen hastigen Blick über die Schulter. Der Weg zurück zum Viadukt, unter dem sie eben hergegangen war, lag verlassen da. Das schwarze Wesen grunzte heiser. Was war das? Etwa ein aggressives Wildschwein?
Der Halbmond erleuchtete den Fußweg nur schwach.
Aus dem Grunzen wurde ein Zischen, als zöge jemand eine Axt über einen Schleifstein.
Das Tier machte einen Sprung, warf sich ruckend empor und ihr entgegen.
Klock, klock, klock. Ein Geräusch wie von zwei Holzklötzen, die in immer rascherer Folge aneinandergeschlagen wurden. Matilde trat ein paar Schritte zurück, kramte hektisch in ihrer Jackentasche, ohne das Tier aus den Augen zu lassen. Vielleicht gelang es ihr ja, das Handy wieder zum Leben zu erwecken. Manchmal ließ es sich noch einmal anschalten, wenn sie eine Weile gewartet hatte.
Das Display leuchtete kurz auf und zeigte das Akku-Symbol an, dann wurde es wieder schwarz.
»Nein«, stöhnte sie, und ärgerte sich, dass sie sich nicht längst um ein neues Handy gekümmert hatte.
Sie lauschte, hörte aber nur ihren eigenen Puls. Mit zitternden Fingern drückte sie noch einmal den seitlichen Knopf, lang und fest, und wieder leuchtete das Display auf. Matilde hatte gerade ihre PIN eingegeben, als ein neuerliches Klock, Klock, Klock ertönte, gefolgt von einem Röcheln. Das schwarze, etwa kniehohe Geschöpf stürzte auf sie zu, und ihr fiel das Telefon aus der Hand. Sie versuchte zur Seite auszuweichen, spürte aber, wie das Tier sie ansprang, sich festkrallte und ihr in den kleinen Finger biss.
»Au!« Sie wedelte mit der Hand und zog den schmerzenden Finger an ihren Körper.
Endlich ließ das Wesen von ihr ab und fiel zu Boden.
Aus dem Augenwinkel sah sie zwei feuerrote Punkte, und wieder schoss ein weitgeöffneter Schlund auf sie zu, zielte diesmal auf ihre Beine.
»Bitte nicht«, jammerte sie und hörte erneut ein Fauchen.
Mit seinem schweren Körper warf das Tier sich jetzt seitlich gegen ihre Beine, einmal und noch einmal, sodass sie das Gleichgewicht verlor und zu Boden ging.
Meine Augen, dachte Matilde kurz, und riss im letzten Moment die Arme hoch. Das Tier zerrte an ihren Haaren und zerkratzte ihre Kopfhaut, spitze Schläge wie von scharfen Messern. Der Schmerz pochte wie wild, als das Tier endlich von ihr abließ.
Matilde taumelte und rollte sich zusammen, die Wange in den Kies gepresst. Sie wagte nicht, sich zu rühren. Nach einer Weile hob sie den Kopf, um zu schauen, ob der Angreifer noch da war. Etwas weiter entfernt machte sie einen dunklen Schatten aus, der sich von ihr fortbewegte, Richtung Viadukt. Vorsichtig streckte sie die Hand nach ihrem Telefon aus, bekam es zu fassen und steckte es ein.
Über ihr flogen die Wolken dahin, in der Ferne hörte sie einen Waldkauz. Knie und Kopf pochten schmerzhaft und das linke Ohr tat ihr weh. Süßer Blutgeschmack erreichte ihren Mundwinkel, und sie spürte, wie es warm aus ihrem Haar rann.
Sie musste weg, Hilfe suchen. Vielleicht gab es am Busbahnhof jemanden, der sie fahren konnte?
Langsam richtete Matilde sich auf. Unmittelbar hinter ihr ertönte wieder ein Fauchen. Als sie sich umdrehte, stand das schwarze Etwas nur ein paar Meter von ihr entfernt, mit weit aufgerissenem Maul. Dann ertönte ein schleifendes Geräusch aus der entgegengesetzten Richtung. Wie konnte das Tier an zwei Orten gleichzeitig sein?
Ihr wurde eiskalt. Jemand kontrollierte es, jemand brachte es dazu, sie zu attackieren. Mit kleinen vorsichtigen Schritten ging sie rückwärts. Dann drehte sie sich um und rannte los.
Doch schon nach ein paar Metern zeichnete sich im Mondlicht vor ihr eine zweite Gestalt ab.
Sie war deutlich größer als die erste.
Kriminalkommissarin Tess Hjalmarsson parkte auf der Fredriksbergsgatan und ging das letzte Stück bis zum Polizeigebäude zu Fuß. Unterm Arm trug sie den Karton mit den Unterlagen zum Fall Kerstin und Gunnar Liedberg. Der Doppelmord an dem Bauernehepaar etwas außerhalb von Råå war einer jener Fälle, die zum Großteil noch nicht digitalisiert worden waren, und der Karton mit den Ordnern und Papieren – einer von zweiundzwanzig – dünstete den Staub der vielen Jahre im Keller aus. Und im Moment deutete alles darauf hin, dass Kerstins und Gunnars Schicksal erneut dorthin verbannt würde.
An der Drehtür kamen Tess zwei Kolleginnen vom SU entgegen, der Abteilung für Interne Ermittlungen. Sie warfen ihr einen kurzen Blick zu und schauten dann schnell wieder weg.
Tess stellte den Karton auf einem Tisch neben der Sitzgruppe ab und stellte fest, dass sie ihr Portemonnaie im Auto vergessen hatte. Sie schaute zur Rezeption. Anna-Karin, die sonst immer dort saß, schien heute von einer jüngeren Kraft vertreten zu werden. Auf den Stühlen rechts neben dem Empfangstresen saßen ein paar Leute, wahrscheinlich um einen Pass zu beantragen.
Vielleicht geht es auch so, dachte Tess und ging mit dem sperrigen Karton zum Glasschalter.
»Tess Hjalmarsson, Abteilung Gewaltverbrechen. Ich habe meine Zugangskarte vergessen, können Sie mich bitte so reinlassen?«
Die Frau mit dem dunklen Haar und der Brille schaute sie an und lächelte entschuldigend.
»Sorry, ich bin nur die Vertretung. Einen Moment bitte.«
Sie sah in ihrem Rechner nach und runzelte die Stirn.
»Ich kann Ihren Namen nicht finden. Hjalmarsson, hatten Sie gesagt?«
»Ja, genau. Ich leite das Cold-Case-Team, bin aber derzeit beurlaubt.«
Die Frau suchte hektisch weiter.
»Tut mir leid«, sagte sie verlegen. »Aber ich finde nur einen Hjalmarsson, und das ist Lars Hjalmarsson vom Zuständigkeitsbereich Häusliche Gewalt. Sie haben nicht zufällig Ihren Dienstausweis bei sich?«
Tess machte eine Hand frei und tat, als suche sie in der Gesäßtasche.
»Nein, anscheinend habe ich mein Portemonnaie im Auto vergessen. Ich muss wirklich nur kurz ins Büro und das hier abgeben.«
Sie nickte zum Karton hin und spürte, wie ihre Arme allmählich lahm wurden.
»Verstehe. Ach, hier habe ich auch Ihren Namen. Er ist etwas weiter unten aufgeführt, in Marie Erlings Cold-Case-Team.«
Tess zog die Augenbrauen hoch und lächelte.
»Ach ja? Dann ist er wohl runtergerutscht.«
Die Frau nahm den Hörer zur Hand.
»Ich ruf sie kurz an, habe vorhin erst gesehen, dass sie im Haus ist. Bitte entschuldigen Sie, ich komme mir echt dumm vor, aber ich bin ganz neu hier und habe strenge Anweisungen, niemanden ohne Zugangskarte oder Dienstausweis reinzulassen. Hoffe, Sie verstehen das.«
Tess stellte den Karton auf dem Fußboden ab.
»Ja klar, passt schon.«
Die Glastür hinter der Rezeption öffnete sich und Tess erkannte Adam Wikman, der anscheinend gerade loswollte. Der Streberwelpe, wie Marie Erling den Polizeimeister gern nannte.
»Super-Cop Hjalmarsson – schön, dich zu sehen!«
Er umarmte sie unbeholfen.
»Alles in Ordnung?«
»Ja, alles bestens.«
»Schön zu hören. Du fehlst uns …, aber jetzt muss ich leider los«, sagte er und deutete zum Auto, das draußen wartete.
Tess blickte ihm nach. Es war mindestens fünfzehn Jahre her, seit sie selbst im Außendienst gewesen war. Sie hatte ihre Dosis Drogenquartiere und körperlicher Gewalt gegen Frauen gehabt und es hinterher ganz gewiss nicht vermisst. Dennoch verspürte sie eine unerwartete Sehnsucht, wenn sie jetzt die Aktivität im Haus sah, die Kollegen, die in ihre Autos sprangen. Maries Stimme unterbrach ihre Gedanken.
»Hallo.«
Tess drehte sich um und musste zweimal hinsehen, sonst hätte sie die Kollegin in dunklen Jeans und Blazer gar nicht erkannt.
»Hoppla, neues Outfit?«
Marie verzog den Mund, antwortete aber nicht. Noch nie hatte Tess sie im Blazer gesehen. Während all der Jahre als Leiterin des Cold-Case-Teams hatte sie sie vielmehr oft ermahnen müssen, ihre feuerspeienden Drachen-Tätowierungen zu verbergen und ihre Hardrock-Lederjacke doch lieber zu Hause zu lassen, wenn sie sich außerhalb der Dienststelle mit Angehörigen trafen.
»Wie geht es dir?«, fragte Marie.
»Ach, ganz gut, ich laufe viel durch die Gegend und sehe nach den Schwalben, die es sich in den Sanddünen bequem gemacht haben. Gestern habe ich einen Seeadler gesehen – das war beeindruckend.«
»Hm. Klingt toll.«
»Ja, oder? Und bei euch?«
»Wie immer. Sie ziehen und zerren an uns und wir müssen ständig darum kämpfen, unsere Arbeit im Cold-Case-Team machen zu dürfen, die Schießereien erfordern nach wie vor viel Aufmerksamkeit und das führt zu ständigen Personalverschiebungen.«
Marie schwieg.
»Und dann erstellen wir gerade eine neue Prioritätenliste, was die Fälle angeht.«
Tess runzelte die Stirn.
»Die alte war aber doch völlig in Ordnung?«
Marie wich ihrem Blick aus und nickte einer Kollegin zu, die durch die Glastür hereinkam.
»Schon, aber wir versuchen jetzt den Fall Ljungåker voranzubringen.«
»Den Ljungåker-Fall?« Tess traute ihren Ohren nicht. Der Mord an dem Zweiundsechzigjährigen aus Malmö stand nur deshalb auf der Cold-Case-Liste, weil niemand dafür verurteilt worden war, trug aber eigentlich den internen Vermerk »polizeilich aufgeklärt«, weil man wusste, wer der Mörder war. Sie hatten deshalb ganz bewusst entschieden, den Fall nicht wieder aufzurollen.
»Aber das lohnt sich doch gar nicht. Wir wissen doch alle, dass der Pole dahintersteckte, Kaminski, und der ist inzwischen verstorben.«
»Schon, aber wir haben neue Hinweise erhalten, denen wir nachgehen sollen, ganz überraschend, aber vielversprechend. Ist auf jeden Fall einen Versuch wert.«
»Worum geht es?«
Maries Handy klingelte, und Tess sah verblüfft, wie ihre Kollegin dranging, obwohl sie mitten im Gespräch waren.
Verärgert wandte sie sich ab, fühlte sich überflüssig und zog ihr eigenes Handy aus der Tasche. Stellte fest, dass der dänische Psychiater und Profiler Carsten Morris erneut versucht hatte, sie zu erreichen. Es war nicht seine Art anzurufen, um Smalltalk zu machen, und sie fragte sich, was er wohl wollte, wenn er an zwei Tagen hintereinander bei ihr anrief.
Das musste im Moment aber noch warten.
Im Hintergrund lauschte sie Maries Telefonat, sie klang ungewohnt formell. Tess nahm sich vor, nur noch das Nötigste zu besprechen und sich dann wieder auf den Weg zu machen.
Nachdem sie aufgelegt hatte, entschuldigte sich Marie.
»Was ist mit Lundberg?«, fragte Tess. »Wie geht es ihm?«
Marie seufzte.
»Im Moment ist er zu Hause. Die Gewerkschaft hat ihn gedrängt, seine Überstunden abzufeiern, bevor es zu spät ist.«
Tess konnte sich nur zu gut vorstellen, wie Lundberg zu Hause auf und ab tigerte und sich darüber ärgerte, dass er gezwungen war, Urlaub zu nehmen, den er absolut nicht brauchte. Der älteste Mitarbeiter des Cold-Case-Teams stand kurz vor der Pensionierung und war doch einer der wichtigsten Mitarbeiter in der Abteilung Gewaltverbrechen. Lundberg war unglaublich gut darin, riesige Mengen an Ermittlungsakten zu durchforsten, um dann das entscheidende Detail herauszufischen. Seine Hinweise waren oft ausschlaggebend für den Erfolg der Gruppe und Tess wusste genau, wie sehr ihm vor dem Ruhestand graute.
Sie warf Marie einen Blick zu, die offensichtlich keine Lust hatte, sich weiter mit ihr zu unterhalten. Stattdessen nahm sie den Liedberg-Karton an sich, hielt dann aber inne, stellte ihn wieder ab und zog ein paar Briefe aus der Tasche ihres Blazers.
»Du hast einen ganzen Schwung Fanpost bekommen«, sagte sie. »Also, ganz normale, mit der Hand geschriebene.«
»Okay. Die kannst du mir künftig gerne an meine Adresse in Gislövshammar nachschicken. Oder versuchst du Porto zu sparen, um dich bei den Chefs beliebt zu machen?«
Sie lächelte schief, doch Marie reagierte nicht auf ihre Bemerkung. Schweigend sahen sie sich an.
»Du«, sagte Marie dann, verschränkte die Arme vor der Brust und wippte ein wenig vor und zurück. »Ich versuche hier nur einen guten Job zu machen, während du weg bist. Und …« Sie zwinkerte ihr zu. »Wir wissen beide, dass es nicht meine Schuld ist, dass du so einen Bockmist gebaut hast. Es ist, wie es ist.«
Tess steckte die Briefe ein und sah weg, wollte sich nicht anmerken lassen, wie abserviert sie sich vorkam. Rasch zog sie den Reißverschluss ihrer dunkelblauen Daunenjacke zu.
»Mach’s gut. Grüß die anderen von mir.«
An der Kreuzung hielt sie und schaute an der Rückseite des Polizeigebäudes hinauf. Der hellrote Backstein hob sich leuchtend gegen den grauen Winterhimmel ab. Die Energie, die sie verspürt hatte, als sie aufgebrochen war, um ihre Kollegen zu treffen, war ebenso verschwunden wie die Sonne in den letzten Wochen.
Sechzehn Jahre hatte sie hier gearbeitet, die letzten zwölf in der Cold-Case-Abteilung von Schonen, und das wiederum die meiste Zeit als deren Leiterin. Das Gebäude war wie ein zweites Zuhause für sie geworden. Und dies war tatsächlich das erste Mal, dass sie sich dort fremd und nicht willkommen gefühlt hatte.
Tess fuhr zurück Richtung Östra Förstadsgatan und weiter Richtung Autobahn. Derzeit wurde intern gegen sie ermittelt und sie war gezwungen, sämtliche Überstunden abzufeiern und den noch ausstehenden Urlaub zu nehmen, um nicht während des laufenden Verfahrens versetzt zu werden, wie Per Jöns es ihr ursprünglich angeboten hatte.
Von Marie Erling so behandelt zu werden, hatte sie wirklich nicht erwartet.
Vor ein paar Wochen hatten sie zuletzt in Ruhe miteinander gesprochen, und sie war sich sicher gewesen, dass Marie sie kontaktiert hatte, um sie zu treffen, mit ihr über die Arbeit zu sprechen, dass sie vielleicht sogar ihre Expertise benötigte, einen Fall mit ihr diskutieren wollte. Dass sie im Büro zusammen Kaffee trinken und auch die anderen dabei sein würden. So ungefähr hatte sie es sich vorgestellt. Doch anscheinend wollte sie nur den Karton zurück, der noch bei Tess zu Hause gestanden hatte.
Bereits vor einer Weile hatte Tess festgestellt, dass Marie unter dem Usernamen Coldcasesnut einen neuen, mit der Arbeit verknüpften Instagram Account eröffnet hatte. Sie selbst war kaum noch in den sozialen Medien unterwegs, sondern eher damit beschäftigt, ihr echtes Leben wieder in den Griff zu bekommen.
Die flache, düstere Winterlandschaft längs des Weges schien derzeit alle zwei Tage ihr Gesicht zu verändern. Entweder war sie weiß vom frischgefallenen Schnee oder braun von den schlammigen Feldern darunter. Eislachen glitzerten im Straßengraben, und der Frost hatte sich in den Zweigen der Sträucher verbissen.
Tess fuhr weiter auf der Bundesstraße in Richtung ihres Hauses in Österlen. Sie wurde das Bild von Marie im Blazer nicht los. Normalerweise hätte sie darüber gelacht, heute aber machte es sie vor allem wütend.
In all den Jahren hatte sie ihre Hand schützend über die aufmüpfige, rebellische Kollegin gehalten, wenn der Wind mal wieder von vorne kam und die Vorgesetzten versucht hatten, sie zu versetzen. Tess hatte sogar angefangen, Marie als enge Freundin zu betrachten, und war davon ausgegangen, dass ihre Loyalität wechselseitig war. Hatte sie da etwas missverstanden? Woher kam diese plötzliche Distanziertheit?
Und was die Ljungåker-Ermittlung anging, da würde Marie auf Granit beißen. Das war eine Sackgasse, da würde sie eine richtige Bauchlandung hinlegen. Lundberg hatte die Unterlagen vor drei Jahren in einem tapferen Versuch nochmals eine Novemberwoche lang durchforstet, war sich aber mit ihr einig gewesen, dass sich daraus keine weiteren Handlungsoptionen ergaben.
Und dann diese Bemerkung über eine neue Priorisierung der Fälle, als würde Tess nicht wieder auf ihre Stelle zurückkehren! Es war ja wohl immer noch ihre Aufgabe, über die Agenda des Cold-Case-Teams und die Wichtigkeit der Fälle zu entscheiden!
Das Adrenalin schoss ihr in die Adern, während sie in den Kreisverkehr vor Sjöbo einbog. Mit hoher Geschwindigkeit setzte sie die Fahrt nach Simrishamn fort. Obwohl es erst vier Uhr nachmittags war, lag trübes Dämmerlicht über der Gegend.
Auf der Höhe von Röddinge wurde der graue Nebel plötzlich von einem blauen, flackernden Schein durchbrochen. Tess warf einen Blick in den Rückspiegel und dann auf den Tacho.
»Scheiße!«
Sie schlug mit der Faust aufs Lenkrad und fuhr rechts ran. Starr blickte sie geradeaus und versuchte sich innerlich zu wappnen, während der Polizist auf dem Motorrad anhielt und von seiner Maschine stieg. Tess beobachtete im Rückspiegel, wie er den Helm abnahm, und ließ das Seitenfenster runter.
Er stützte sich mit dem Unterarm auf dem Rahmen ab, als hätte er zu viele Roadmovies geschaut.
»Bisschen schnell unterwegs heute, was?«
Tess lächelte und dachte fieberhaft nach, welche Geschwindigkeitsbegrenzung wohl auf dieser Strecke galt. Neunzig? Jedenfalls nicht hundertzwanzig. Das war schon mal klar.
»Sorry, bin ein bisschen zu sehr aufs Gas gestiegen, hatte es eilig, nach Hause zu kommen.«
»Dürfte ich mal den Führerschein sehen?«
Tess zog ihn aus dem Portemonnaie und hielt ihn dem Polizisten hin. Vielleicht konnte sie sich ja herausreden, gar nicht erwähnen, dass sie selbst Polizistin war? Nein, es würde nichts bringen, es zu verheimlichen, vielleicht hatte er sie bereits erkannt.
»Wir sind Kollegen«, sagte sie deshalb. »Tess Hjalmarsson, Polizei Malmö.«
Er musterte sie.
»Hoppla. Dann waren Sie wahrscheinlich im Dienst?«
»Nein, nicht direkt.«
»Stefan Urosz, Verkehrspolizei, aber das ist ja offensichtlich. Ihre Dienststelle?«
»Abteilung Gewaltverbrechen, Cold Cases.«
Er schüttelte den Kopf.
»Okay, sorry, aber Sie waren dreiundvierzig Stundenkilometer zu schnell.«
Er klopfte mit dem Zeigefinger auf sein Messinstrument.
»Hier sind achtzig erlaubt, und ich habe gerade hundertdreiundzwanzig gemessen.«
»Vielleicht gibt es da ja eine gewisse Messtoleranz?«, versuchte Tess ihr Glück und schenkte ihm ihr freundlichstes und entwaffnendstes Lächeln.
Er betrachtete zögernd das Gerät.
»Das Ergebnis kann schon mal geringfügig nach oben oder unten abweichen, das stimmt. Aber auf gar keinen Fall um so viel.«
Sie war also in die Fänge eines richtigen Paragrafenreiters geraten, so viel war sicher.
»Also, dann …« Er schien immerhin doch zu zögern, eine Kollegin anzuzeigen. »Es sei denn, Sie waren doch irgendwohin unterwegs. Verdeckte Ermittlungen oder so?«
»Leider nein«, sagte Tess und seufzte.
»Dann geben Sie es also zu?«
Tess trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad und sah einem Auto mit drei Typen hinterher, die im Vorbeifahren lachten und winkten.
»Es bleibt mir ja nichts anderes übrig«, sagte sie. »Womit muss ich rechnen?«
»Keine Ahnung, aber Sie lagen gewaltig drüber. Den Lappen sind Sie erst mal los.«
Im Grunde überraschte sie das nicht, dennoch traf seine Antwort sie wie eine Ohrfeige.
»Für wie lange?«
»Kann ich nicht sagen. Aber normalerweise zwei bis drei Monate.«
Tess fuhr sich mit den Handflächen übers Gesicht.
»Und Sie können nicht einfach mal ein Auge zudrücken? Wenn ich verspreche, den Rest der Strecke im Schneckentempo zurückzulegen?«
»Tut mir leid.« Er schüttelte den Kopf. »Versetzen Sie sich mal in meine Lage. Wie würde es aussehen, wenn publik wird, dass wir die eigenen Kollegen davonkommen lassen?«
Er reichte ihr den Bußgeldbescheid, und Tess stellte fest, dass der fällige Betrag sich seit ihrer eigenen Zeit als Streifenpolizistin deutlich erhöht hatte.
Sie atmete tief durch und überließ ihm den Führerschein.
»Darf ich wenigstens noch nach Hause fahren?«
»Solange Sie nicht wieder mit hundertzwanzig Sachen durch die Gegend brettern.« Er überreichte ihr ein Formular, das ihr für vierundzwanzig Stunden erlaubte weiterzufahren, dann setzte er den Helm wieder auf. »Wegen der Sperrfrist müssten Sie innerhalb der nächsten Tage Post bekommen.«
Tess schloss das Fenster und startete den Motor.
Ein bis dahin schon großartiger Tag ist dabei, sich selbst zu übertreffen, dachte sie und setzte ihren Weg in östlicher Richtung fort.
»Werden Sie bald wieder Folgen der Serie in Österlen drehen?«
Kate Sands lächelte der Frau mit dem Pagenschnitt zu, die im Publikum saß. Vor zwanzig Jahren waren Teile der inzwischen als Kult geltenden Fernsehserie Rescue Plan in Österlen gedreht worden, und jetzt war die Werbekampagne für die neue Staffel angelaufen. Die Fragerunde nach dem Interview auf der Bühne in der Ausstellungshalle des Kulturhauses von Tomelilla hatte gerade begonnen.
Kate Sands blickte kurz zu einem Mann hinüber, der in einer der hinteren Reihen saß. Er trug Brille und lächelte. Abgesehen davon, dass er einer der wenigen Männer im Publikum war, schien er Rescue Plan in- und auswendig zu kennen und hatte bereits mehrere Fragen gestellt, seine Stimme war hell und klang ein wenig seltsam. Braunes Haar, um die vierzig, runde Wangen, registrierte Kate im Stillen. Nicht, dass es irgendeine Rolle spielte. Sie konnte sich sowieso kein Gesicht zu den anonymen Briefen vorstellen. Dennoch sammelte sie Gesichter, es konnte ja sein, dass es irgendwann wichtig werden würde.
»Es wäre traumhaft, mal wieder hier filmen zu dürfen«, antwortete sie und vermied es, in seine Richtung zu blicken. »Im Moment sind aber keine weiteren Staffeln geplant. Man wird ja auch nicht gerade jünger.«
Die Frauen in der ersten Reihe nickten und lächelten.
»Und leider regnet es für ältere Schauspielerinnen nicht gerade interessante Rollen vom Himmel. In meinem Alter scheint es lediglich Männern vergönnt zu sein, interessante Ermittlerfiguren in Schonen spielen zu dürfen.«
Vereinzelt zustimmendes Gelächter. Kate konnte sich solch gezielte Spitzen ab und zu nicht verkneifen, aber im Großen und Ganzen war sie zufrieden mit ihrer Karriere.
Was vor allem an einer bevorstehenden größeren Rolle als Polizistin in einer neuen englischen Krimiserie lag, über die sie heute viel lieber gesprochen hätte. Das musste jedoch bis zur Pressekonferenz in drei Wochen warten, für den Augenblick waren alle Scheinwerfer auf Rescue Plan gerichtet, die internationale Thriller-Serie, die seinerzeit eine ganze Generation begeistert hatte. Seit Netflix begonnen hatte, alte und neue Folgen zu zeigen, hatte die Serie einen wahnsinnigen Aufschwung erlebt. Auch der Titelsong, »Crying in the Ashes« von Wendy Paige, rangierte in den Top Ten bei Spotify.
Erneut meldete sich der Mann mit der Brille zu Wort, doch eine Frau aus der mittleren Reihe kam ihm zuvor.
»Bitte nur noch eine kurze Frage«, sagte die Veranstalterin streng.
»Haben Sie selbst niemals Angst, wenn Sie so gruselige Szenen drehen?«
»Nein«, sagte Kate und lächelte. »Sie sollten mal sehen, wie hell es an den meisten Sets ist, und dann all die Menschen, die hinter der Kamera stehen und arbeiten. Da ist es eher schwierig, sich in solche Gefühle hineinzuversetzen. Eins muss ich allerdings zugeben …« Es wurde mucksmäuschenstill im Raum. »Ich habe ein echtes Problem mit Vögeln.«
Alle lachten.
Kate kam sich ein wenig verlogen vor. Aber sie konnte ja schlecht von den vielen Therapiesitzungen erzählen, von ihren Migräne- und Panikattacken. Den rasenden, gesichtslosen Dämonen, ihren Albträumen. Und von den anonymen Briefen, die sie gerade wieder erhielt.
»Und was ist mit Alex Springfield?«, fragte jetzt die Veranstalterin. »Ich nehme an, er ist in Wirklichkeit gar nicht so furchteinflößend.«
Ihr amerikanischer Gegenspieler hatte mit Rescue Plan seinen großen Durchbruch gehabt und war heute einer der begehrtesten Schauspieler Englands.
»Nein, er ist total sympathisch. Und natürlich ist es etwas ganz anderes, in einer englischen Serie mit ihm zu spielen als in einer schwedischen Produktion. Da wird wirklich alles aufgefahren, es gibt sogar eigene Köche in todschicken mobilen Küchen, die das Team zwischen den einzelnen Takes bekochen.«
Die Frauen vorn blickten mit großen Augen zu ihr auf.
»Aber«, fuhr Kate fort, »die Figur, die er spielt, ist, wie Sie sagen, alles andere als sympathisch. Sie hat jedes Gefühl dafür verloren, was real ist und was nicht.«
Rescue Plan war eine Art dystopischer Thriller. Ein Asteroid war auf der Erde eingeschlagen und hatte einen Teil der Menschheit ausgelöscht. Kate spielte die Rolle der Sally Woods, die von einem gefährlichen, von ihr besessenen Mann, den Alex spielte, verfolgt wurde. Um ihm zu entkommen, inszenierte sie ihre eigene Entführung, veränderte ihr Aussehen und versteckte sich weit draußen an der Küste bei Pembroke Dock in Wales. Dort lebte sie zusammen mit Waisenkindern und verlassenen Tieren in einem Haus. Die neue Staffel spielte viele Jahre später, und Sally Wood nahm an, dass sie endlich frei war. Doch dann geschahen plötzlich seltsame Dinge und sie stellte fest, dass ihr Verfolger wieder aufgetaucht war.
Hinter Kate hing eine große Leinwand mit Bildern von ihr und Alex, die aus der Serie stammten. Der wissbegierige Mann mit der Brille hinten im Publikum hob erneut die Hand.
»Sally Wood erscheint ja als ausgesprochen guter Mensch, aber in den neuen Folgen stellt man fest, dass auch die Sonne ihre blinden Flecken hat. Welche Parallelen könnte es Ihrer Meinung nach zwischen ihr und Ihnen selbst geben?«
Kate vermied es, ihn anzusehen.
»Ich bin wahrscheinlich keine so große Tierfreundin wie Sally. Meine Tochter liegt mir ständig damit in den Ohren, dass sie ein Haustier will, aber daraus wird nichts. Vor allem Vögel kommen mir nicht ins Haus.«
Sie machte eine Kunstpause.
»Und leider bin ich auch nicht so mutig wie Sally. Ob ich durch und durch gut bin? Wahrscheinlich bin ich einfach wie die meisten Menschen, ich habe meine guten und meine schlechten Seiten.«
Die Veranstalterin Ursula Johnsson lenkte die Fragerunde mit eiserner Hand und betonte noch einmal, dass die nächste Frage aber dann wirklich die allerletzte sein würde. Dass es ihr gelungen war, eine international erfolgreiche Schauspielerin ins Kulturhaus einzuladen, war sicherlich etwas, das sie sich ans Revers heften konnte, dachte Kate.
»Was ist eigentlich der Grund dafür, dass Sie ausgerechnet hierher nach Österlen gezogen sind? Ist es nicht schwierig, an einem Ort zu leben, wo einen jeder wiedererkennt?«
Kate sah die Frau freundlich an, spürte aber, wie ihr Sichtfeld verschwamm und die Spannungskopfschmerzen einsetzten.
»Ich fühle mich hier gut aufgenommen, die Menschen in Österlen sind so freundlich. Es gibt eine Ruhe hier, die ich tatsächlich nirgendwo anders in Schweden so erlebt habe. Und die Landschaft erinnert mich an England, wo ich viele Jahre gelebt habe. Die Heide, die Alleen, das Schloss und die Wälder. Allerdings habe ich gehört, dass die Winter sehr zäh und anstrengend sein sollen.«
Sie deutete mit der Hand auf die Dunkelheit vor den Fenstern, das Publikum nickte und verzog die Mienen zu einem »wenn du wüsstest, wie schlimm es wirklich ist«.
Die Touristen und Sommerhausbesitzer hatten wenig Ahnung, wie isoliert man sich fühlen konnte, wenn man das ganze Jahr über in diesem abgelegenen Teil Schwedens lebte. Die Einwohner Österlens waren mit schlecht ausgebauten öffentlichen Nahverkehrs- und Straßennetzen gestraft, sowie mit einer kalten, leergefischten Ostsee, die das Klima zu allen Jahreszeiten bestimmte, und mit weiten leeren Flächen, auf denen der Wind freies Spiel hatte.
Wellenförmige Linien tanzten vor Kates Augen. Nicht jetzt, bitte nur noch einen kleinen Moment, flehte sie die Migräne an.
Kate gab Ursula ein diskretes Zeichen, dass es Zeit sei, die Veranstaltung zu beenden, und streckte die Hand nach dem Wasserglas aus.
Ursula erhob sich und holte einen Blumenstrauß sowie einen Korb mit Delikatessen von lokalen Anbietern und überreichte ihr beides.
Das Publikum klatschte heftig Beifall.
Anschließend trauten sich ein paar Frauen noch an ihren Tisch, um zu plaudern.
Der Mann mit der Brille stand etwas abseits und strahlte übers ganze Gesicht, als bereite er sich auf eine persönliche Begegnung mit ihr vor.
Kate wollte so schnell wie möglich weg und ging Richtung Garderobe. Das Personal scheuchte die Gäste bereits hinaus, als sie sich den schwarzen Daunenmantel überzog und Ursula für die gelungene Veranstaltung dankte.
»Ich habe zu danken«, erwiderte Ursula, »wir bemühen uns wirklich, das Kulturangebot auf dem Land zu erweitern, aber man braucht schon einen eisernen Willen, um das auch wirklich hinzubekommen. Die Kunsthalle hier gibt es schon seit den Sechzigerjahren, es war eine der ersten im ländlichen Raum.«
Kate ließ den Blick bewundernd über die Bilder gleiten, die an den Wänden hingen, dann gingen sie gemeinsam Richtung Ausgang. Der Mann mit der Brille schien bereits gegangen zu sein.
»Wir haben für dieses Frühjahr noch einige weitere Veranstaltungen geplant«, sagte Ursula. »Wenn Sie Interesse haben, daran mitzuwirken?«
»Auf jeden Fall! Ich werde wahrscheinlich wegen der Dreharbeiten auch häufig in England sein, aber melden Sie sich doch bitte, wenn es konkret wird. Mein Mann und ich sind wirklich sehr angetan von unserer neuen Heimat und helfen gerne.«
Die Veranstalterin hielt ihr die Glastür auf.
Beinahe wäre Kate der Blumenstrauß heruntergefallen, und als sie danach griff, musste sie kurz stehen bleiben, damit ihr nicht auch noch der Präsentkorb vom Arm rutschte. Die Umgebung draußen bildete einen scharfen Kontrast zur gemütlichen warmen Stimmung drinnen. Innerhalb weniger Minuten waren alle Leute verschwunden.
Es war kurz nach acht, und Tomelilla lag einsam und kältestarr da.
Mit raschen Schritten ging Kate Richtung Auto, aus dem Augenwinkel meinte sie jemanden zu erkennen, der bei der Apotheke stand, doch sie hielt den Blick gesenkt, lief durch die Gasse am Coop Extra. Am Auto angekommen, atmete sie auf. Nach dem permanenten Stimmengewirr und den Gesprächen sehnte sie sich nach Stille.
Sie stellte die Blumen und den Präsentkorb ab, um den Schlüssel aus ihrer Manteltasche zu fischen. Als sie den Korb anschließend auf der Rückbank verstaute, hörte sie Schritte hinter sich. Kate erstarrte, dann drehte sie sich langsam um. Der Mann mit der Brille stand ein paar Meter vor ihr in der Dunkelheit.
Von den Laternen am Parkplatz fiel etwas Licht auf sein Gesicht, er hatte dasselbe, etwas einfältige Lächeln aufgesetzt, wie vorhin in der Kunsthalle. Hinter ihm war die Warenannahme des Supermarkts zu sehen, wo ein paar Lieferwagen und ein Container standen. Kate blickte sich auf dem verlassenen Parkplatz um. Obwohl er wirklich groß war, fühlte sie sich in die Ecke gedrängt. Ihr Puls jagte, und das Summen in ihrem Kopf ging in ein dumpfes Pochen über.
Der Mann sagte nichts, stand nur mit hängenden Armen da, als wäre er handlungsunfähig. Kate bemerkte, dass er etwas in der Hand hielt. Er trat näher und reichte ihr etwas, das wie ein zusammengefaltetes Poster aussah.
»Könnte ich bitte ein Autogramm bekommen?«
Sie wollte zurückweichen, zwang sich jedoch stehen zu bleiben.
»Ja, natürlich«, sagte sie und bemühte sich, unbeschwert zu wirken.
Auf dem Poster sah sie ihre eigenen Augen aufblitzen.
Er steckte die Hand in die Tasche, Kate ließ ihn nicht aus den Augen.
»Hier«, sagte er, starrte sie weiterhin unentwegt an und reichte ihr einen Kugelschreiber.
»Für wen ist es denn?«
»Schreiben Sie Pierre, das genügt. ›Für Pierre‹ und dann Ihren Namen«, sagte er mit heller Stimme und zeigte ihr die Stelle.
Sie unterschrieb rasch und drückte den Stift dabei so fest auf das Papier, dass es beinahe zerriss.
»Dann noch einen schönen Abend«, sagte Kate, reichte ihm das signierte Poster und fasste nach dem Türgriff.
»Und hier bitte auch noch.«
Er streckte ihr einen Block entgegen, und Kate musste sich zusammenreißen, um nicht einfach ins Auto zu springen und davonzufahren. Sie unterschrieb mit einer fahrigen Bewegung auf dem weißen Papier, öffnete dann die Tür und setzte sich in den Wagen, ohne den Mann noch einmal anzusehen. Mit Mühe und Not gelang es ihr, den Schlüssel ins Zündschloss zu stecken.
Ganz ruhig, beschwichtigte sie sich selbst und fuhr los. Im Rückspiegel sah sie, dass der Mann immer noch auf dem Parkplatz stand und ihr hinterherschaute.
Eine Atemwolke stand beim Ausatmen vor ihrem Mund, und sie schaltete die Heizung ein. Die beschlagene Windschutzscheibe wurde langsam klarer. Das wohlbekannte Pochen hinter ihren Augen nahm zu. Sie fuhr in die Adelgatan, dann am Folkets Park vorbei und weiter Richtung Simrishamn. Sie verfluchte sich selbst. Wieso hatte sie sich darauf eingelassen, allein zu so einer Veranstaltung zu fahren? Es war doch klar, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis irgendein Irrer auftauchte.
Es waren diese unscheinbaren, ganz normalen Typen, die so wenig auffielen. Das hatte ihr sogar ein Polizist, mit dem sie in England Kontakt gehabt hatte, einmal bestätigt. Trotz dieser unauffälligen Erscheinung hatte der Mann eben ein heftiges Unbehagen in ihr hervorgerufen.
Was sprach dagegen, dass er der Briefeschreiber war, der sie jetzt schon seit Jahren belästigte? Er schien ja völlig auf sie fixiert zu sein! Und sie hatte dagestanden, die leichteste Beute der Welt. Die Härchen an ihren Unterarmen richteten sich auf, als ihr das bewusst wurde. Während der Fragerunde in der Kunsthalle hatte er Zweifel daran geäußert, dass Sally Woods ein durch und durch guter Mensch sei, und wollte wissen, ob auch sie ihre dunklen Seiten habe. Sie umklammerte das Lenkrad. Das entsprach genau den Inhalten der anonymen Briefe, die sie immer bekam.
Schneematsch bedeckte die Straße, und es herrschte wenig Verkehr. Kate schaltete Radio Kristianstad ein, die ganz alltäglichen, schonischen Stimmen beruhigten sie wieder ein wenig. Der Flug am Vormittag von London hierher steckte ihr noch in den Knochen. Ihr war bewusst, dass sie das noch dünnhäutiger machte. Sie sehnte sich danach, zu Jeff ins Bett zu kriechen, und musste sich zügeln, das Gaspedal auf der geraden Strecke, die vor ihr lag, nicht ganz durchzudrücken.
Ein Auto tauchte hinter ihr auf, und obwohl sie sich einer Kurve näherten, fuhr es dicht auf und setzte zu einem Überholmanöver an.
»Verdammt«, schimpfte Kate laut. »Was für ein Idiot.«
Schnee spritzte auf, als die Autos sich auf gleicher Höhe befanden, die roten Rücklichter leuchteten wie Teufelsaugen, als der Wagen an ihr vorbeizog.
Kate schüttelte den Kopf.
»Blödmann.«
Eine gute halbe Stunde später näherte sie sich ihrem Haus, das ein wenig außerhalb des Dorfes Ravlunda lag. Die weiße Kirche auf dem Hügel war protzig angeleuchtet. Sie bog in die kleine, gewundene Straße ein, die zu ihrem Haus führte. Das Einzige, was verriet, dass dort noch ein Haus lag, war ein schwacher Lichtschimmer zwischen den kahlen Bäumen.
Die Einfahrt wurde von zwei steinernen Urnen gerahmt, und die Lichterketten in den Apfelbäumen bildeten winzige Inseln aus Licht. Obwohl Weihnachten längst vorbei war, wollte Jeff sie hängen lassen. Sie vermutete, dass er es ihretwegen tat, damit ihr der Garten und damit letztlich auch Österlen weniger düster und einsam vorkäme.
Doch dazu brauchte es mehr als ein paar Lichterketten.
Oberhalb des Balkons war der Namenszug »Ravlunda-Bo« in die Fassade eingraviert. Der wilde Efeu rankte sich über die beleuchteten Pfeiler am Eingang. Das Haus war prachtvoll, größer und teurer als alle anderen in dieser Gegend.
Es hallte, als sie die Autotür zuschlug. Plötzlich fiel Kate auf, dass ein Teil des Grundstücks gar nicht beleuchtet war. Beim Näherkommen sah sie, dass eine der Lampen der Außenbeleuchtung nicht brannte. Auf dem Boden darunter lagen die Scherben der zerbrochenen Glaskugel.
Wie hatte das passieren können? Sie blieb einen Moment stehen und betrachtete erst die Scherben, dann die Einfahrt.
Sie ging weiter auf das Haus zu, kam aber nur bis zur Treppe, wo sie erneut innehielt. Ihr fiel plötzlich eine Szene aus Rescue Plan ein, in der sie als Sally Woods in ihr Haus in Wales heimkehrte und feststellte, dass eine Lampe im Garten zerschlagen worden war; kurz darauf wurde sie in der Dunkelheit überfallen.
Kate drehte sich um, ging wieder zurück. Aus diesem Winkel waren die Scherben besser zu erkennen. Jetzt sah man, dass jemand sie im Schnee zu einem Muster angeordnet hatte.
Kurze Striche sausten in schneller Folge durch ihr Blickfeld.
Dazwischen machte sie im Schnee die Form eines unbeholfen zusammengesetzten Herzens aus.
Viertel nach sieben – Tess hatte verschlafen. Obwohl sie gerade keine festen Arbeitszeiten hatte, verbot sie sich selbst, länger als bis sieben im Bett zu bleiben. Das war das kleine bisschen Alltag, das sie noch kontrollieren konnte, und das gab ihr zumindest ein wenig Struktur. Von unten waren Sandras und Los Stimmen zu hören. Sie klangen gereizt, als stünde ein Zusammenprall unmittelbar bevor. Tess ging ins Bad, um zu duschen.
Als sie herauskam, schien unten der Dritte Weltkrieg ausgebrochen zu sein.
»Nein, kann ich nicht«, rief eine gellende Teenagerstimme. »Scheiß drauf!«
Tess hörte etwas gegen die Wand prallen. Kurz darauf schlug die Haustür zu, wahrscheinlich war Lo rausgerannt.
Sie beugte sich übers Treppengeländer und entdeckte Sandra in der Küche.
»Lebst du noch?«
Sandra hob etwas vom Boden auf.
»Wenn man daran sterben kann, einen Käse an den Kopf zu bekommen, war es ziemlich knapp.«
Tess ging noch mal ins Schlafzimmer, um sich anzuziehen. Sandras siebzehnjährige Tochter Lo war vor einem halben Jahr zu ihnen gezogen, und seitdem gab es in ihrem Alltag ein ziemliches Auf und Ab.
Sie hatte Angst davor gehabt und sich viele Fragen gestellt. Würde es ihr gelingen, das Kind einer anderen so zu mögen, dass sie unter einem Dach leben konnten? Ein Kind, das noch dazu bereits auf dem Weg war, erwachsen zu werden, das offensichtlich dasselbe hitzige Temperament hatte wie ihre Mutter und ebenso nachtragend war?
In den ersten Monaten hatte es fast nur Streit gegeben, und Tess war kurz davor gewesen auszuziehen. Doch dann hatte sie ein Machtwort gesprochen. Jetzt müsse es aber genug sein, sie lebe schließlich auch hier und halte es so nicht länger aus. Zu ihrer großen Verwunderung schien das geholfen zu haben, alle drei rissen sich zusammen und die Streitigkeiten wurden weniger. Vielleicht hatte dazu auch beigetragen, dass sie ein Gartenhäuschen für Lo gebaut hatten, ein eigenes kleines Reich, sodass sie alle mehr Platz hatten und sich nicht mehr so auf die Nerven zu gehen brauchten. In den vergangenen Monaten hatte Tess’ Beziehung zu Lo große Fortschritte gemacht, und das freute sie.
Sie ging in die Küche hinunter, wo Sandra vor einer Tasse Kaffee saß.
Trotz der andauernden Konflikte wusste Tess, dass Sandra sich darüber freute, dass ihre Tochter von Stockholm zu ihnen gezogen war und sich in ihrer neuen Schule in Malmö so wohlzufühlen schien. Ihr Sohn Felix wohnte dagegen weiterhin bei seinem Vater in Stockholm, und dass sie wegen ihres anstrengenden Jobs und der ständigen Pendelei kaum Zeit für Stockholmbesuche fand, schmerzte Sandra oft sehr.
»Worum ging es denn diesmal?«
»Geld, Geld, Geld. Ein E-Moped. Es ist immer dasselbe.«
»Aber vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, wenn sie eins hätte? Das würde es doch für uns alle leichter machen.«
Sandra schüttelte den Kopf.
»Ich kann mich nicht ständig von meinem schlechten Gewissen freikaufen. Es reicht, dass ihr Vater das tut. Sie bekommt noch ein völlig verzerrtes Bild von der Realität.«
Tess legte eine Kapsel in die Espressomaschine, die laut zu brummen begann. Als der Kaffee fertig war, setzte sie sich Sandra gegenüber an die Kücheninsel.
Noch hatte sie ihr nichts von der Verkehrskontrolle gesagt, in die sie geraten war. Sandra war, wie immer, erst spät von der Arbeit in Helsingborg zurückgekommen, deshalb hatte sie noch keinen geeigneten Zeitpunkt gefunden. Allerdings gab es für so eine Nachricht wahrscheinlich auch gar keinen geeigneten Zeitpunkt.
»Vergiss die Brotdose nicht, wenn du rausgehst«, sagte Sandra und deutete auf den Kühlschrank. »Wie war überhaupt dein Treffen mit Marie gestern?«
Tess verzog das Gesicht und senkte den Daumen.
»Ach echt, was ist denn passiert?«
»Im Grunde war es gar kein Treffen, sie wollte nur die Liedberg-Unterlagen zurückhaben. Ansonsten war sie total abweisend, anscheinend haben sie sich einen hoffnungslosen Fall neu vorgenommen, den wir eigentlich längst abgehakt hatten. Und jetzt will sie eine neue Liste der Fälle erstellen, die sie bevorzugt bearbeiten wollen.«
Sandra zog die Augenbrauen hoch.
»Kapiert sie nicht, dass sie nur vorübergehend auf dem Posten sitzt, bis du wieder zurück bist?«
Tess trank einen Schluck und musterte Sandra über den Rand ihrer Kaffeetasse.
»Anscheinend nicht. Und sie hatte einen Blazer an.«
»Einen Blazer?«
Sandra lachte laut.
»Wie bitte? Marie Erling hatte einen Blazer an?«
Tess nickte. Da Sandra eine Zeitlang als stellvertretende Chefin ihrer übergeordneten Abteilung, der Abteilung Gewaltverbrechen, gearbeitet hatte, kannte sie die Verhältnisse und die Mitarbeiter recht gut.
»Das klingt ja, als wollte sie dich herausfordern. Was hat sie vor?«
»Keine Ahnung, ich hatte gedacht, wir wären Freundinnen. Aber vielleicht hat sie die ganze Zeit nur darauf gewartet, meinen Platz einzunehmen.«
»Und was ist mit den anderen? Lundberg und Rafaela?«
»Lundberg ist zwangsbeurlaubt, genau wie ich, und Rafaela ist wahrscheinlich insgeheim vor allem mit ihrem ermordeten Bruder beschäftigt.«
»Du musst sie gegeneinander ausspielen, ihnen klarmachen, was Marie für eine ist.«
»Sie gegeneinander ausspielen? Wie denn?«
Tess war immer wieder fasziniert, wenn sie Einblick in die Strategien erhielt, die Sandra bei der Arbeit einsetzte. Vor allem fragte sie sich oft, ob sie vielleicht auch in ihrer Partnerschaft Anwendung fanden.
»Ach, da gibt es gute Methoden«, sagte Sandra und schaute auf dem Handy nach, wie spät es war. »Ich muss gleich los. Aber Marie baut sich da einen ganz schönen Scheiterhaufen unter ihrem eigenen Hardrockhintern, das ist sicher. Eine ungeeignetere Führungsperson kann ich mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen. Stell dir vor, sie muss Rechenschaftsberichte vorlegen, Gehaltsverhandlungen führen oder Entwicklungsgespräche mit den anderen.«
Sie legte den Kopf in den Nacken und lachte wieder.
»Kannst du dir das vorstellen?«
Tess spürte, wie ihr ein bisschen leichter zumute wurde, auch sie konnte sich Marie in solchen Situationen kaum vorstellen.
»Okay, das war definitiv das Lustigste, was ich diese Woche gehört habe«, sagte Sandra und stand auf. »Mach dir keine Sorgen, das löst sich schon von selbst. Aber zunächst musst du natürlich zusehen, dass du wieder arbeiten kannst. Gibt es da schon was Neues?«
»Nein, seltsamerweise scheint es zu dauern. Dabei ist das ja keine schwierige IT-Nuss, die da zu knacken ist. Jeder Mausklick auf meinem Dienst-Laptop ist nachvollziehbar, sie bräuchten nur meine Logins und den Datenverkehr zu prüfen, um zu erkennen, dass ich mir nichts habe zuschulden kommen lassen.«
Bei den internen Ermittlungen, die gegen Tess liefen, ging es nicht so sehr darum, dass sie alte Ermittlungsakten mit einem ehemaligen Kollegen geteilt und ihm geheimgestempelte Dokumente an seine private Mailadresse geschickt hatte, auch wenn das natürlich ebenfalls ein Dienstverstoß war. Der eigentlich schwerwiegende Vorwurf, den sie gerade eingehend zu prüfen schienen, lautete, dass sie etwas mit den kriminellen Machenschaften dieses Ex-Kollegen zu schaffen hätte. Was genau die Kollegen darüber herausgefunden hatten, wusste Tess nicht, aber sie war ausgeflippt, als sie dazu befragt worden war. Dass man sie als gewissenhafte und darüber hinaus erfolgreiche Cold-Case-Chefin solcher Machenschaften verdächtigte, war einfach lächerlich!
Tess sah den kräftigen blonden Ex-Kollegen vor sich, Jörgen Axelsson. Vor gut einem halben Jahr hatte er sich bei ihr gemeldet und gefragt, ob sie ihm Ermittlungsunterlagen zuschicken könne. Er wolle ein paar Angaben mit Vernehmungen abgleichen, die er in einem alten Fall durchgeführt habe. Da er inzwischen in Umeå arbeitete, hatten sie lange keinen Kontakt gehabt.
Dass Jörgen Axelsson inzwischen auch Verbindungen ins kriminelle Milieu hatte, war kurze Zeit nach der verhängnisvollen Mail von Tess an ihn herausgekommen. Es verstieß gegen jede Regel, Ermittlungsunterlagen und geheimgestempelte Dokumente außerhalb des polizeilichen Mailsystems zu verschicken. Aber Axelsson hatte erklärt, er sei gerade in seinem Landhaus und habe den Dienstlaptop nicht dabei. Tess hatte keine andere Rechtfertigung, als dass sie ihm einen Gefallen hatte tun wollen. Bescheuert und vollkommen unüberlegt, klar, aber dass es solche Konsequenzen haben würde, hätte sie nicht im Traum gedacht, und sie konnte es bis heute nicht verstehen.
Als ihr direkter Vorgesetzter, Per Jöns, sie zu sich zitiert und davon in Kenntnis gesetzt hatte, war ihr gewesen, als fiele sie in ein Eisloch. Er erklärte ihr, sie habe indirekt dazu beigetragen, dass Jörgen Axelsson zwei Personen schwer verletzt und bedroht habe.
Tess ahnte, dass Axelsson wahrscheinlich selbst hinter den Gerüchten steckte, sie sei in den Vorfall verwickelt, weil er damit von sich ablenken wollte. Sie hatte zudem einfach das Pech, mitten in einen Machtkampf zwischen zwei Chefs zu geraten, die sich beide nach innen handlungsfähig zeigen und auf den Posten des regionalen Vorgesetzten bewerben wollten.
Per Jöns hatte zumindest erklärt, sie habe sein Vertrauen, er gehe davon aus, dass es sich bei dem Ganzen um ein großes Missverständnis handle. Dennoch war er gezwungen gewesen, sie zu versetzen, solange gegen sie ermittelt wurde, und hatte ihr eine administrative Stelle in der Wirtschaftsabteilung angeboten. Tess hatte abgelehnt und war nun also stattdessen dabei, ihre zahlreichen Überstunden abzufeiern und den Resturlaub zu nehmen. Mit dem vorläufigen Verlust ihrer Stellung ging aber auch eine neue Sicherheitseinstufung einher, und so hatte sie derzeit keinen Zugang zu verschiedenen polizeilichen Systemen. Immerhin hatte sie ihren Dienstausweis und ihren Mailaccount behalten dürfen.
»Ich werde mal bei Börje nachhören, vielleicht hat der ja schon was mitbekommen«, sagte Sandra und füllte Trockenfutter in Chillis Hundenapf.
Als stellvertretende Bezirkschefin bei der Polizei verfügte Sandra über Kontakte auf verschiedenen Dienstebenen und hatte einen guten Überblick darüber, was so geredet wurde. Tess war klar, dass da ihr eingezogener Führerschein auch bald Thema werden würde.
»Lass mal«, sagte sie, »ist vielleicht besser, den Ball ein bisschen flach zu halten.«
Sie nahm ihre Tasse mit zur Terrassentür.
Da Sandra für eine neue Aufgabe vorgesehen war, die eine weitere Beförderung beinhaltete, war Tess klar, dass wahrscheinlich eine Menge über die Fehler ihrer Lebensgefährtin geredet wurde. Rein formal würde das ihre Chancen auf den neuen Job nicht beeinträchtigen, doch wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen auch war es natürlich das Gesamtbild, das bei so einer Auswahl zählte. Tess würde es nicht ertragen, wenn sie ihr da etwas kaputtmachte.
»Vielleicht möchte ich aber gerne helfen«, sagte Sandra und stellte sich neben sie. »Es schadet nicht, dranzubleiben und klarzumachen, dass auch bei ihnen genau hingeschaut wird. Die Vorwürfe sind schließlich vollkommen haltlos.«
Sie streichelte Tess über den Arm, ging in den Flur zurück und seufzte müde.
Tess blieb stehen, ohne sich umzudrehen. Ebenso wie sie sich von ihrem Job abgekoppelt fühlte, fand sie gerade auch keinen Zugang zu ihren Gefühlen. In der vergangenen Woche erst hatte Sandra ihr gesagt, sie müsse endlich versuchen, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, zu ihrer Leidenschaft zurückfinden. Die Worte hallten noch in ihr nach. Sie wollte nichts lieber, wusste jedoch nicht, wie sie sich aus diesem Tief befreien sollte.
Das Rauschen des Meers war bis ins Haus zu hören. Im Sommer und an klaren Tagen konnte man vom Fischerdörfchen Gislövshammar bis Bornholm hinüberschauen. Doch nun hatte sie die Insel schon seit Wochen nicht mehr gesehen. In der Nacht hatte es ein wenig geschneit, und das Wetter war allgemein ziemlich mies. Diese Zeit des Jahres, kurz nach den Feiertagen, war nichts als eine lange Durststrecke, bis endlich das Licht wiederkehrte und sich im März die ersten Schneeglöckchen zeigten.
»Es ist noch was passiert«, sagte Tess und drehte sich zu Sandra um. »Gestern auf dem Nachhauseweg.«
»Ja?«
»Ich bin in eine Verkehrskontrolle geraten.«
»Wo?«
»Etwas außerhalb von Sjöbo. Ich war viel zu schnell.«
»Komisch, da habe ich noch nie einen Verkehrspolizisten gesehen.«
»Ich war wirklich viel zu schnell. Also, richtig, richtig drüber.«
Sandra zog die Augenbrauen hoch.
»Das heißt?«
»Dreiundvierzig Stundenkilometer über dem Erlaubten. Der Führerschein ist wahrscheinlich für zwei Monate weg.«
Sandra verschränkte die Arme vor der Brust.
»Wieso hattest du es denn so eilig?«
»Wahrscheinlich lag es an Marie und dem Blazer, ich war einfach abgelenkt.«
»Konntest du dich nicht rausreden?«
Tess schüttelte den Kopf.
»Nein, ich glaube, er hat mich erkannt. Der pingeligste Verkehrspolizist, der je das Licht der Welt erblickt hat. Er hätte auch ein Kind in einer Seifenkiste angehalten.«
Sandra zog sich die Jacke an.
»Das werden wir auch noch überleben. Dann kriegst du eben ein E-Moped.« Sie lächelte und winkte ihr von der Tür.
Das würde Lo aber gar nicht passen, dachte Tess und trank ihren Kaffee aus.
Über dem Schreibtisch im Arbeitszimmer hing eine Pinnwand mit Fotos zu den ungeklärten Fällen von Tess’ Prioritätenliste.
Die Männer und Frauen darauf waren ihre eigentlichen Arbeitgeber. Für sie hatte sie sich immer ins Zeug gelegt. In dem Augenblick, in dem sie sie auf ihre Liste setzte, gab sie ihnen sowie ihren Angehörigen eine Art informelles Versprechen, dass sie alles in ihrer Macht Stehende tun würde, um in ihrem Fall weiterzukommen, ihn zu lösen, den Toten wenigstens irgendeine Form von Wiedergutmachung zu schenken.
Neben jedem Foto standen ein paar Stichpunkte, die sie für die Ermittlung wichtig fand, kleine Details, von denen sie ahnte, dass sie ausschlaggebend sein könnten, ein Schlüssel zum jeweiligen Fall. Tess setzte sich an den Schreibtisch und betrachtete die Fotos. Alle fünf sahen fröhlich aus. Vielleicht war es kein Zufall, dass sie ausgerechnet diese Bilder herausgesucht hatte, ihre Schicksale waren traurig genug.
An der gegenüberliegenden Wand des Arbeitszimmers hing ein Poster mit ihrem Motto. Das Team hatte es ihr zum runden Geburtstag geschenkt. Darauf stand der Leitsatz, den sie jüngeren Kolleginnen und Kollegen immer einbläute, die unbedingt mit Cold Cases arbeiten wollten: »Die Aufklärung eines ungeklärten Falls beginnt dort, wo die kalten Spuren noch warm waren.« Die ersten Tage einer Mordermittlung waren absolut entscheidend für alles, was sich später daraus entwickelte. Und in vielen Fällen war genau das der Grund, weshalb sie nicht aufgeklärt wurden: aufgrund von Fehlern, die gleich zu Anfang gemacht worden waren.
Ihr war die Arbeit an ungeklärten Fällen aus mehreren Gründen wichtig. Ein Täter sollte niemals glauben, dass er ungeschoren davonkam. Seit die Verjährungsfrist deutlich heraufgesetzt worden war, hatten sich auch die Chancen für eine Aufklärung solcher Fälle deutlich erhöht. Nicht zuletzt dank der DNA-Technik, die nahezu jährlich besser wurde, mit der Möglichkeit der Familienrecherche und bald vielleicht auch dem Zugang zu Ahnenforschungsregistern. Darüber hinaus stärkte es das Vertrauen der Angehörigen sowie der Allgemeinheit in die Polizeiarbeit, wenn sie merkten, dass man sich auch um alte Fälle weiter kümmerte.
Eigentlich hätte Tess vor ein paar Wochen an einem internationalen Forschungsprojekt zu DNA und Ahnenforschung in Amsterdam teilnehmen sollen, auf das sie sich sehr gefreut und das sie nun verpasst hatte. Ihr Fachgebiet entwickelte sich ständig weiter. Sollte ein einziger Fehltritt ihr jetzt tatsächlich über Monate hinaus alles verderben?
Sie betrachtete noch einmal die Fotos an der Wand. In den vergangenen Wochen hatte sich etwas in ihr verändert. Die Blicke der Opfer verfolgten sie plötzlich, laut und fordernd riefen sie nach ihr. Ließen ihr auch im Traum keine Ruhe. Als fühlten sie sich verlassen und wollten sie aus dem beschäftigungslosen Dämmerzustand wecken, in den sie verfallen war.
»Du kannst mich hier rauslassen«, sagte Audrey und nahm ihre Schultasche.
Kate bremste und hielt am Straßenrand, umarmte ihre Tochter. Nachdem Klassenkameradinnen vor ein paar Wochen um Selfies mit Kate gebeten hatten, wollte sie nicht mehr, dass Kate sie auf den Schulhof begleitete.
Kate sah zu, wie Audrey die Straße überquerte, und seufzte. Aber sie konnte es verstehen. Dreizehnjährige wollen einfach nicht auffallen, und als Neue in der Schule war es noch einmal wichtiger für sie, so zu sein wie alle anderen. Eine Mutter zu haben, die in einer wahnsinnig beliebten Fernsehserie versuchte, sämtliche Kinder und Tiere dieser Welt zu retten, bewirkte da eher das Gegenteil.
Kate schaute auf ihr Handy, Jeff hatte ihr eine Nachricht zu der kaputten Außenleuchte geschickt.
»Einer von Rogers Männern, Jonte, ist gestern beim Zurücksetzen mit dem Anhänger dagegen gestoßen. Trottel. Wir ziehen es hinterher von der Rechnung ab.«
War Jonte es dann auch gewesen, der die Scherben zu diesem Muster gelegt hatte?
Roger Bengtsson, Jeffs ehemaligen Klassenkameraden, für den Bau ihres neuen Zauns zu engagieren, war in Kates Augen ein Fehler gewesen. Der Typ hatte eine Nazi-Vergangenheit und war in ihrem Haus nicht willkommen, auch wenn er der Organisation NMR inzwischen den Rücken gekehrt hatte und seit mehr als zehn Jahren nicht mehr dort aktiv war. Jeff hatte nur durch Zufall von seiner Vergangenheit erfahren, ein Bekannter hatte es ihm erzählt, und da war es bereits zu spät gewesen, sie hätten die Arbeiten abbrechen müssen. Außerdem wollte man solche Typen nicht zum Feind haben. Immerhin hatte Jeff versprochen, ihn und seine Leute nicht für weitere Aufträge zu engagieren.
Über dem Meer und den Feldern lag dichter Nebel, als sie aus Rörum hinausfuhr.
Der neue Fahrplan des Verkehrsbetriebs Skånetrafiken hatte zur Folge, dass Jeff und sie Audrey fast jeden Morgen zur Schule fahren mussten, andernfalls hätte sie ganz allein einen Kilometer an einer einsamen, dunklen Landstraße entlanglaufen müssen.
Als sie den Ortseingang von Kivik erreichte, musste Kate daran denken, dass es genau diese Aussicht gewesen war, in die sie sich vor einem halben Jahr verliebt hatte – da waren sie gerade mit dem Möbelwagen angekommen –, in diesen Blick aufs Meer und die Küste, die sich Richtung Norden erstreckte. Damals hatte sich alles so richtig und selbstverständlich angefühlt: das Haus, die Ruhe, die Leute, die Schule, die Nähe zu den Flughäfen Sturup und Kastrup. Ein ganz neues, spannendes Leben erwartete sie hier, in Jeffs ehemaliger Heimat. Dann hatte die Einsamkeit sie überrascht wie eine plötzliche kalte Dusche. Das Gefühl, von allem isoliert zu sein, das Kate durch ihre Berühmtheit ohnehin nur zu gut kannte, hatte sich im Winter noch verstärkt. Sommer und Winter waren in Österlen zwei vollkommen verschiedene Welten. Jeff hatte sie ausgelacht und gesagt, auch der Winter hätte seinen Charme. Immerhin mussten sie dann die ganzen anderen Idioten aus Stockholm nicht ertragen.
Nur wenige glauben ja, dass man als Schauspielerin introvertiert sein kann, bei Kate aber war es definitiv so. Natürlich liebte sie das Scheinwerferlicht, aber nur während der Dreharbeiten, sonst nicht. Wenn sie im Alltag unter die Leute ging, war es jedoch immer so, als gäbe es auch dort keinerlei Privatsphäre für sie, als folgte die Kamera ihr immer noch. Mit den Jahren hatte sie sich damit abgefunden und gelernt, auch diese Rolle zu spielen: die entgegenkommende, fröhliche Kate. Manchmal spielte sie sie so gut, dass Jeff sie zu Hause daran erinnern musste, dass hier wirklich keine Kamera mehr lief.
Es wehte kalt um ihre Beine, als sie die Autotür öffnete und bei den Briefkästen an ihrer Zufahrt ausstieg. Zu ihrer großen Erleichterung war von Roger und seinen Bauarbeitern weit und breit nichts zu sehen. Kate tat alles, um ihnen aus dem Weg zu gehen. Sie nahm das Päckchen von der Apotheke aus dem Kasten und entdeckte darunter einen weißen Umschlag.
»Nein«, sagte sie laut, »nicht schon wieder.«
Auf dem Brief stand ihr Name in einem Adressvordruck, genau wie beim vorherigen und bei all den anderen Briefen, die sie im Laufe der letzten zehn Jahre an ihren Wohnsitzen in London und Stockholm empfangen hatte.
Vor ihrem geistigen Auge tauchte der lächelnde Mann vom vorigen Abend auf. Sie wünschte, sie hätte ein Foto von ihm gemacht, dann könnte sie es der Polizei zeigen, falls er ihr noch einmal unangenehm auffallen würde.
Vorsichtig legte sie den Brief auf das Apothekenpäckchen und versuchte, ihn nicht weiter zu berühren. Falls irgendwann Beweise benötigt würden, hoffte sie, es könnten noch Spuren daran zu finden sein. Nachdem sie sich im Flur Jacke und Stiefel ausgezogen hatte, streifte sie sich Handschuhe über und nahm den Brief mit in die Küche. Ihr Herz klopfte. Sie hasste es, dass ein einfacher Brief so starke Reaktionen in ihr hervorrief. Es war aber auch wirklich unangenehm. Dass jemand sich immer wieder das Recht herausnahm, mit ein paar Worten unmittelbar in ihr Zuhause einzudringen, in ihr privates Umfeld.
Kate wünschte, sie könnte sich ein wenig von Jeffs Unbekümmertheit abschauen. Jeff meinte, es wäre doch bloß ein »Irrer mit einer Obsession«. Und wahrscheinlich war es auch so und nichts weiter. Doch die Stimme in ihr, die sagte, da sei noch mehr, es sei jemand, der ihr oder ihrer Familie Böses wolle, war leider lauter.
Sie nahm ein Messer aus der Schublade und schlitzte den Brief auf. Genau wie die Male zuvor war er sorgfältig zusammengefaltet. Sie öffnete ihn. Der Text auf dem weißen DIN-A4-Blatt war ziemlich kurz und mit Computer geschrieben. Genau dasselbe englische Zitat wie immer:
The only vice that cannot be forgiven is hypocrisy.
Die einzige Sünde, die nie vergeben werden kann, ist Scheinheiligkeit.
Kate schloss die Augen und seufzte laut. Legte den Brief auf das Spülbecken. Hypocrisy. Sie begriff nicht, wieso ihr vorgeworfen wurde, scheinheilig zu sein. Was war damit gemeint? Und was bezweckte die Person überhaupt damit, ihr diese Briefe zu schreiben, Jahr für Jahr? Er, wenn es denn ein Mann war, würde niemals sehen, wie sie sie öffnete, er bekam keinerlei Reaktion. Genügte das Wissen, sie abgeschickt zu haben, um seine kranke Phantasie zu befriedigen?
Die Briefe tauchten fast immer dann auf, wenn sie gerade mit einem neuen Film oder einer neuen Serie in den Medien präsent war. Jetzt hatte sie gleich zwei in nur einem Monat bekommen. Manchmal kamen jahrelang gar keine, Jeff glaubte, dass die langen Unterbrechungen darauf beruhten, dass die Person, die die Briefe verfasst hatte, gerade irgendwo einsaß oder ärztlich behandelt wurde. Gestempelt worden waren fast alle Briefe in Schweden, wenn auch in unterschiedlichen Städten. Malmö, Stockholm, Göteborg. Ein paar auch in Kopenhagen.
Natürlich war es nicht weiter schwierig, ihre neue Adresse herauszufinden. Die schwedischen Systeme und Register waren allgemein zugänglich, es sei denn, man bat darum, die Angaben zu schützen, was sie bisher nicht für nötig befunden hatte.
Die andere Seite der glitzernden Berühmtheitsmedaille – so nannten die Medien dieses Phänomen zuweilen. Es gab auch andere Namen dafür: Stalker, Fans, Verfolger, Dämonen. Nach dem letzten Spielfilm, in dem sie zu sehen gewesen war, hatten einige solcher Typen draußen vor ihrem Haus in Ciswick, Westlondon gestanden. Nachdem ein junger Mann an mehreren Tagen hintereinander aufgetaucht war, hatte Jeff schließlich die Polizei informiert. Kate hatte gehofft, er wäre es gewesen, der ihr die Briefe schrieb, doch nachdem die Polizei ihn vernommen hatte, war schnell klar gewesen, dass es sich bei ihm eher um einen harmlosen Autogrammjäger handelte, der sofort aufhörte, sich vor ihrem Haus herumzutreiben. Schlimmer erging es britischen Kolleginnen und Kollegen. Ihre Freundin und ebenfalls Schauspielerin Rachel Dench hätte es wahrscheinlich das Leben gekostet, wenn es der Polizei nicht gelungen wäre, den Mann zu stoppen, der mit zwei Gewehren und einer Axt auf dem Weg zu ihr gewesen war.