Collection Baccara Band 400 - Kathie DeNosky - E-Book

Collection Baccara Band 400 E-Book

Kathie Denosky

0,0
2,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

HEIßER ALS JEDE RACHE von CHILD, MAUREEN
"Wir müssen reden." Die schöne Belle durchfährt ein Schauer der Erregung. Tausend Dinge möchte sie mit dem attraktiven Millionär Wes machen - nur nicht reden! Denn sie weiß nicht, ob sie ihm wirklich trauen kann. Warum ist Wes nach fünf Jahren zurückgekehrt?

VON SO VIEL LIEBE NUR GETRÄUMT? von DENOSKY, KATHIE
Heißer Sex, Blitzhochzeit in Las Vegas - doch schon nach einem Monat will Karly sich von Blake Hartwell scheiden lassen. Die Gefühle für ihren Mann sind überwältigend. Aber niemals wird sie mit ihm auf seiner entlegenen Ranch leben können!

HALT MICH WARM IN KALTEN NÄCHTEN von JAMES, SILVER
Eingeschneit mit einem Traummann! Die hübsche Polizistin Quin verbringt eine eiskalte Winternacht mit Countrystar Deacon vor dem Kaminfeuer. Eigentlich soll sie in einem brisanten Fall ermitteln - und die Finger von Deacon lassen! Aber zwischen ihnen knistert es so heiß …

SEI TREU UND KÜSS MICH! von SHAW, CANDACE
"Danke für letzte Nacht." Entsetzt liest Blythe die Nachricht auf Prestons Handy. Offenbar hat er die Nacht mit einer anderen verbracht! Dabei hat sie ihm vertraut, seit sie zusammen das Projekt im Kinderkrankenhaus managen. Kann dieser sexy Millionär einfach nicht treu sein?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 700

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Maureen Child, Kathie DeNosky, Silver James, Candace Shaw

COLLECTION BACCARA BAND 400

IMPRESSUM

COLLECTION BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe COLLECTION BACCARABand 400 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

© 2017 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „The Tycoon’s Secret Child“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Victoria Werner

© 2016 by Kathie DeNosky Originaltitel: „The Rancher’s One-Week Wife“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Christopher Bischoff

© 2017 by Silver James Originaltitel: „The Cowboy’s Christmas Proposition“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Christine Schmidt

© 2016 by Carmen S. JonesCandace Shaw Originaltitel: „A Chase for Christmas“ erschienen bei: Kimani Press, Toronto in der Reihe: ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Susann Rauhaus

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 12/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733725037

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

MAUREEN CHILD

Heißer als jede Rache

Millionär Wes Jackson erfährt: Er hat eine kleine Tochter! Fassungslos und wütend sucht er seine Ex-Geliebte auf. Doch heißer als sein Rachewunsch brennt plötzlich seine Lust, Belle sinnlich zu lieben …

KATHIE DENOSKY

Von so viel Liebe nur geträumt?

Die Blitzhochzeit mit Karly war die beste Entscheidung, findet Blake. Sie sind so glücklich! Weshalb er aus allen Wolken fällt, als Karly plötzlich die Scheidung will. Er muss seine Ehefrau zurückgewinnen!

SILVER JAMES

Halt mich warm in kalten Nächten

Als Deacon mit der hübschen Quin einschneit, sieht er in ihr zuerst nur die Polizistin, die den Fall um ein ausgesetztes Baby untersucht. Doch dann bricht eine eiskalte Winternacht an, die alles ändert …

CANDACE SHAW

Sei treu und küss mich!

Millionär Preston Chase ist absolut verrückt nach der unkonventionellen Künstlerin Blythe. Wie kann er sie über-zeugen, dass sie füreinander geschaffen sind – egal, was die anderen sagen?

Heißer als jede Rache

1. KAPITEL

Wesley Jackson saß seit zwei Stunden mit den führenden Köpfen seiner Firma in Houston zusammen. Die Besprechung näherte sich zum Glück endlich dem Ende. Bald konnte Wesley die Stadt wieder verlassen. Er kam gerne ab und zu hierher, aber zu Hause in Royal konnte er einfach freier atmen.

Ganz gleich, wie erfolgreich er war – im Herzen blieb er immer ein Kleinstädter. Ein Kleinstädter aus Texas. Innerlich lächelnd betrachtete er seine Westernstiefel. Einiges ließ sich einfach nicht ablegen.

„Halte ich Sie von etwas Wichtigem ab?“, fragte er unvermittelt, als er bemerkte, dass Mike Stein, der jüngste Mitarbeiter seines PR-Teams, aus dem Fenster starrte.

Mike zuckte zusammen. Er war für gewöhnlich sehr engagiert, wirkte aber heute ein wenig abwesend. Gut nachvollziehbar. Es war der zweite Januar, und wahrscheinlich litten alle noch unter den Nachwehen diverser Silvesterpartys. Wes konnte dem Jungen eine kleine Pause zugestehen, aber die war jetzt vorbei.

„Was?“, fragte Mike erschrocken. „Nein, natürlich nicht. Sorry.“

Tony Danvers lachte, verbarg es aber gleich hinter einem Hüsteln.

Wes musterte seine drei Mitarbeiter. Mike war neu, aber sehr talentiert und ehrgeizig. Tony kannte sich in der Firma blind aus, und Donna Higgs hatte ihre Finger am Puls jeder Abteilung. Die drei standen genau für das, was er von seinen Angestellten erwartete: Engagement, Zielstrebigkeit und Resultate.

Da sie die anstehenden Themen abgehakt hatten, kam Wes jetzt zum wichtigsten Punkt seiner Agenda. „Die It’s-Me-Kollektion“, sagte er. „Gibt es da irgendwelche Probleme? Ist alles vorbereitet für den Start der Kampagne?“

Die neue Puppe sollte der ganz große Hit werden. Schon der Name sprach für sich: „It’s Me – Das bin ja ich!“ Natürlich gab es auch jetzt schon Puppen, die einem Kind ähnlich sahen. Aber Texas Toy Goods Inc. wollte die noch toppen. Jede It’s-Me-Puppe zeichneten eine ganze Reihe von besonderen Merkmalen aus, die individuell angepasst werden konnten und die Ähnlichkeit mit dem Kind weiter erhöhten. Diese Sonderanfertigungen sollten innerhalb kürzester Zeit nach dem individuellen Bestelleingang im Einzelhandel oder online lieferbar sein. Damit wollten sie alle anderen Verkaufszahlen der Spielwarenbranche in den Schatten stellen. Allein der Gedanke daran entlockte Wes ein Lächeln.

Ursprünglich hatte er vorgehabt, das Angebot bereits zum Weihnachtsgeschäft auf den Markt zu bringen, hatte sich dann aber dagegen entschieden. Er ging davon aus, dass im Februar der Reiz des Neuen der Weihnachtsgeschenke verflogen war und die Kinder etwas anderes brauchten.

Die It’s-Me-Puppe sollte ein derartiger Knüller werden, dass sie zum kommenden Weihnachtsfest auf keiner Wunschliste fehlte. Und jedes Kind, das bis dahin schon eine solche Puppe hatte, würde sich eine weitere wünschen. Vielleicht dann als Abbild der Freundin oder eines Geschwisterkindes.

Es gab unendlich viele Möglichkeiten.

Tony lehnte sich zurück und schlug ein Bein über das andere. „Alles läuft nach Plan, Boss. Wir haben Dutzende von Puppendesigns. Es gibt sie in jeder Hautfarbe und mit jeder Frisur, von der ich je gehört habe. Sogar ein paar, die mir neu waren.“

„Typisch Mann!“ Donna Higgs, die Leiterin der Marketingabteilung, schüttelte den Kopf.

Wes grinste. Seine Firma würde in aller Munde sein, sobald diese Puppen auf dem Markt waren. Donnas Abteilung bereitete eine Riesenkampagne vor, und die PR-Abteilung wollte die sozialen Medien überschwemmen. Eine Testgruppe von Kindern hatte die Puppe schon zur Siegerin gekürt. Das Unternehmen war seit zehn Jahren stetig gewachsen, aber mit diesem Produkt würde es einen Quantensprung im Umsatz machen – und Wesley vom Multimillionär zum Milliardär.

Mit seiner Firma hatte er mehr oder weniger bei null angefangen. Mit seinen Ideen, der kleinen Erbschaft seines Vaters und einer Portion Ehrgeiz schaffte er es, neuen Wind in eine alte Industrie zu bringen. Er war bekannt für seinen Innovationsgeist und seine Kreativität. Zusammen mit seinen nicht minder engagierten Mitarbeitern machte er TTG zu einer festen Größe im Spielwarenbereich. Diese neue Puppe würde sie noch etwas weiter an die Spitze bringen.

Jede Puppe war auf ihre Art ein Unikat und würde jedem Kind überall auf der Welt gefallen. Er hatte bereits Visionen von einem Vertriebsnetz in Europa. Bald würde Texas Toy Goods Inc. zu den ganz Großen der Branche gehören. Dabei hatte Wes die bevorstehende Übernahme noch gar nicht berücksichtigt, an der er seit zwei Jahren mit Teddy Bradford arbeitete, dem CEO von PlayCo.

„Also …“ Wes lenkte das Gespräch zurück aufs Thema. „Wenn Eltern in den Läden nicht genau das finden, was sie suchen, sind wir darauf eingerichtet, ihnen alle Sonderwünsche zu erfüllen?“

„Absolut.“ Tony stützte die Arme auf die Knie. „Jede Spielwarenabteilung hat einen speziellen Stand von uns. Dort werden die Kunden online mit uns verbunden und können alle Details angeben, die ihnen wichtig sind. Hat das Kind irgendeine Prothese, statten wir die Puppe entsprechend aus. Vom Rollstuhl bis zur Zahnspange – alles kein Problem. Jedes Kind soll das Gefühl haben, etwas Besonderes zu sein. Sonderanfertigungen dauern natürlich etwas länger …“

Wes runzelte die Stirn. „Wie viel länger?“

„Kaum der Rede wert.“ Donna kontrollierte etwas auf ihrem I-Pad und sah dann auf. „Ich weiß, die Produktion ist Tonys Bereich, aber wir im Marketing haben uns mit den Zeiten auch schon befasst, um sie entsprechend bewerben zu können. Da das Gros der Puppen bereits fertig ist, können wir die Sonderanfertigungen innerhalb weniger Tage liefern.“

„Das geht.“ Wes nickte. „Sie sollten dafür sorgen, dass alle vorbereitet sind. Ich möchte ein Team haben, das ausschließlich für dieses Projekt abgestellt ist.“

„Äh … Boss?“ Mike Stein hielt eine Hand hoch, ganz wie in der Schule. Aber er war noch jung und würde sich irgendwann an die etwas legerere Atmosphäre gewöhnen, die Wes in den Meetings bevorzugte.

„Ja?“

„Alle Anzeigen sind vorbereitet, und in den sozialen Medien können wir sofort eine Lawine lostreten.“

„Gut.“

Wes bemerkte, dass der junge Mann etwas nervös wirkte. Verdammt, seit wann waren Männer in den Zwanzigern für ihn eigentlich junge Männer? Seit wann war er so alt? Er unterdrückte den Gedanken sofort. Mit vierunddreißig war er wirklich noch nicht alt. Er hatte einfach viel zu tun. Die Leitung des Unternehmens beschäftigte ihn vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Sein Privatleben war ein Witz. Er konnte sich schon nicht mehr erinnern, wann er das letzte Mal mit einer Frau zusammen gewesen war. Aber das würde wieder kommen. Irgendwann. Im Moment forderte und verdiente die Firma seine ungeteilte Aufmerksamkeit.

Natürlich war es nicht immer so gewesen. Es hatte eine Frau gegeben …

Wes unterbrach seinen Gedankengang. Das war vorbei. Er war damals nicht an einer festen Beziehung interessiert gewesen, während ihr Ehe und Kinder sehr wichtig waren. Er hatte es beendet und bedauerte dies nicht. Oder jedenfalls nur selten.

Es war nicht sehr klug gewesen, ein Verhältnis mit einer Mitarbeiterin anzufangen. Natürlich hatte es Klatsch gegeben und auch Verstimmungen unter einigen seiner Angestellten. Aber Wes hatte Belle einfach nicht widerstehen können. Das zwischen ihnen war etwas ganz Besonderes gewesen. Für eine Weile war Wes dafür bereit gewesen, das Getuschel der anderen zu ertragen.

Aber nun war es vorbei.

„Ich glaube, wir haben an alle nur möglichen Accessoires gedacht“, warf Donna ein und lenkte Wes’ Aufmerksamkeit wieder auf das Gespräch. „Wenn die Sonderaufträge kommen, können wir sie sofort umsetzen.“

„Das hört sich gut an. Und was ist, wenn wir etwas nicht haben?“, wollte Wes wissen.

„Dann besorgen wir es“, kam prompt Donnas Antwort. „Kein Problem, Boss. Es wird alles so glatt laufen, wie Sie es sich wünschen. Es wird der größte Hit auf dem Puppenmarkt seit den ‚Vegetable Patch Babys‘ in den 80ern.“

„Das wollte ich hören.“ Wes erhob sich. „Das ist alles für heute. Halten Sie mich auf dem Laufenden.“

Er sah den dreien nach und bat seine Assistentin Robin dann, ihm frischen Kaffee zu bringen. Er würde ihn brauchen, wenn er sich über die E-Mails hermachte. Es gab garantiert wieder irgendwelche Probleme mit den Zulieferern oder den Banken oder sonst jemandem. Statt sich gleich an den Schreibtisch zu setzen, begab Wes sich an das große Eckfenster.

Der Ausblick über Houston war vertraut und immer wieder beeindruckend. Die Glasfronten der Hochhäuser blitzten in der Sonne. Dicke weiße Wolken zogen über einen Himmel, der so blau war, dass es schon fast wehtat in den Augen.

Wenigstens zweimal die Woche kam er von Royal in die Stadt ins Büro. Die Mitarbeiter sollten seine Anwesenheit spüren. Sie wurden nachlässig, wenn sich der Boss nicht blicken ließ. Aber hätte er die Wahl, wäre ihm Royal allemal lieber als Houston.

In seiner Heimatstadt war weniger Verkehr, weniger Lärm, und im Royal Diner gab es die besten Burger von ganz Texas. Außerdem wurde er dort nicht an die Überstunden mit der Frau erinnert, die er aus seinen Gedanken verbannen wollte.

Überstunden, aus denen heiße Nächte geworden waren – die abrupt erkalteten, als sie die tödlichen drei Worte sagte: Ich liebe dich. Auch nach dieser langen Zeit noch machte es ihn wütend. Und trotz dieses Endes – oder vielleicht auch gerade deswegen – blieb diese eine Frau ihm in Erinnerung und war in Gedanken immer in seiner Nähe.

Alles lief gut, doch sie musste es ruinieren!

Aber trotz allem bedauerte er ihre heiße Affäre nicht. Was ihn jedoch irritierte, war die Tatsache, dass er noch fünf Jahre später regelmäßig an Belle denken musste, so als könne er einfach nicht loslassen.

Ein kurzes Klopfen an der Tür ließ ihn gedanklich innehalten. „Herein.“

Robin brachte ein Tablett mit Kaffee und Keksen.

Er lächelte. „Was würde ich nur ohne Sie tun?“

„Wahrscheinlich verhungern“, bemerkte sie trocken. Robin war in den Vierzigern, glücklich verheiratet und Mutter von vier Kindern. Sie liebte ihren Job und war sehr gut darin. Wenn Wes in Royal war, hielt sie ihn über alles auf dem Laufenden. Sollte sie je mit Kündigung drohen, dann war Wes bereit, ihr jeden Wunsch zu erfüllen, damit sie blieb.

„Harry hat angerufen. Er ist im Moment in dem Meeting in New York. Er will sich melden, wenn es vorbei ist.“

Harry Baker war sein Stellvertreter. Er bereiste die großen Filialisten des Landes, um alles für die Präsentation der neuen Puppen-Kollektion vorzubereiten. „Das ist gut. Danke.“

Nachdem sie gegangen war, nippte Wes an seinem Kaffee und gönnte sich einen Keks, bevor er durch die Mails scrollte und die Spammails gleich löschte. Er überflog die Betreff-Zeilen, bis er las: „Ihr Geheimnis ist gelüftet.“

„Was soll das denn?“ Obwohl er befürchtete, dass es ein Virus war oder irgendeine Werbung, klickte er die Mail an und las sie. Ihn fröstelte. Der Keks schmeckte plötzlich wie trockenes Stroh, und er musste ihn mit Kaffee hinunterspülen.

Der Text der Mail lautete:

Kontrollieren Sie Ihren Twitter-Account. Ihr neuer Online-Name ist Unterhaltsverweigerer. Sie wollen das Gesicht eines neuen Spielzeuguniversums sein? Familienfreundlich? Wie verlogen!

Unterschrieben war die Mail mit ‚Maverick‘.

„Wer zum Teufel ist Maverick? Was soll das alles?“ Obwohl Wes ein ungutes Gefühl dabei hatte, öffnete er den Anhang. Ein Foto erschien auf dem Bildschirm.

Er fuhr auf. Die Beine seines Stuhls schrammten über den polierten Holzfußboden. Wes starrte wie hypnotisiert auf das Bild eines kleinen Mädchens, das zu ihm zurückzustarren schien. „Wer …?“

Sie war ihm wie aus dem Gesicht geschnitten, hatte seine Augen und dasselbe Lächeln. Als hätte ihn das noch nicht ausreichend überzeugt, konzentrierte er sich auf die Halskette der Kleinen. Bevor er sich von Belle getrennt hatte, hatte er ihr ein rotes Plastikherz an einer Kette aus künstlichen Perlen geschenkt. Es war ein Witz gewesen, bevor er ihr ein Paar Diamant-Ohrringe gegeben hatte.

Das kleine Mädchen auf dem Foto trug ebendiese Kette mit dem roten Herzen.

Panik und Zorn rangen in ihm. Er hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen und konnte den Blick nicht von dem Mädchen wenden. „Wie kann ein Mann eine Tochter haben und nichts davon wissen?“, sagte er laut.

Eine Tochter? Er hatte ein Kind? Dem Foto nach zu urteilen, mochte die Kleine vier oder fünf Jahre alt sein. Wenn es kein altes Foto war, gab es nur eine Frau, die als Mutter infrage kam. Und wieder drehten sich alle Gedanken nur um sie.

Wie hatte das passieren können? Blödsinn. Natürlich wusste er, wie. Aber er wusste nicht, wieso es ihm niemand gesagt hatte. Wes rieb sich mit der Hand den Nacken. Sein Blick hing immer noch an dem Foto, bis er sich zwang, zu Twitter zu wechseln.

Jemand hatte seinen Account gehackt. Sein neuer Name war wie angekündigt Unterhaltsverweigerer. Wenn er diese Sache nicht schnell stoppte, würde es sich wie ein Lauffeuer im Netz verbreiten und konnte seinem Unternehmen schaden.

Wes tätigte einige Anrufe und übergab die Angelegenheit seinen IT-Leuten. Mehr konnte er im Moment nicht tun. #Unterhaltsverweigerer ging bereits durch die Twitterwelt. Jetzt gab es nur zwei Dinge für ihn: das Kind zu finden und seinen Ruf zu retten.

Wes drückte die Taste zu seiner Assistentin. „Robin“, sagte er knapp, „Mike aus der PR-Abteilung soll kommen. Sofort.“

Er wartete die Antwort nicht ab, sondern legte einfach auf, um sich wieder dem PC zuzuwenden und das Bild des kleinen Mädchens zu betrachten. Seine Tochter! Wie hieß sie? Wo lebte sie? Gedanken an die Frau, die die Mutter der Kleinen sein musste, schossen ihm durch den Kopf. Isabelle Gray. Sie war vor Jahren aus seinem Leben verschwunden. Wes schwor sich, der Sache auf den Grund zu gehen.

Während der nächsten Stunde beschäftigten sich die Spezialisten mit der Angelegenheit. Die Flut der Retweets ließ sich offensichtlich nicht stoppen. Wes bat Mike und sein Team, sich darum zu kümmern, während die IT-Leute versuchten, diesen geheimnisvollen Maverick zu orten, damit Wes sich direkt mit ihm auseinandersetzen konnte.

Von alledem einmal abgesehen, hatte Wes noch ein weiteres Problem, um das er sich kümmern musste. Seit zwei Jahren bemühte er sich um die Fusion mit PlayCo, einem der großen Namen der Spielwarenindustrie. Der CEO der Firma war ein sehr konservativer Mann, für den die Werte der Familie in Stein gemeißelt waren. Er war seit Ewigkeiten mit derselben Frau verheiratet, hatte mehrere Kinder und war der Inbegriff des guten Amerikaners.

Diese Maverick-Sache konnte den ganzen Deal ins Wanken bringen. Wes versuchte mehrfach, Teddy anzurufen, aber ohne Erfolg. Kein gutes Zeichen.

„Äh, Boss?“

„Ja?“ Wes fuhr herum und sah sich einer der jungen Frauen aus der PR-Abteilung gegenüber. Wie hieß sie doch gleich? Stacy? Tracy? „Was ist?“

„Teddy Bradford gibt gerade eine Pressekonferenz. Sie können sie live im Internet sehen.“

Er ging zum Tisch und nahm nur vage wahr, dass die anderen einen Halbkreis hinter ihm bildeten. Alle sahen wie gebannt zu, als Bradford vor ein Mikrofon trat. Sobald es ruhig geworden war, erklärte er: „Nach den verstörenden Enthüllungen in den sozialen Medien heute Nachmittag möchte ich alle Gespräche mit TTG über die angekündigte Fusion zunächst einmal auf Eis legen. Ich werde nochmals alle Optionen überdenken.“

Wes biss die Zähne zusammen. Es war klar, dass die Fusion erst mal gestorben war. Alle anderen schienen es ebenso zu sehen, denn es ging ein kollektives Raunen durch den Raum.

Doch Teddy war noch nicht fertig. Er wirkte sachlich. Fast traurig. Wes meinte jedoch, auch einen Funken Genugtuung in seinem Blick zu erkennen. Wahrscheinlich genoss er die Situation sogar. Nichts liebte der Mann mehr, als hoch auf seinem Ross der Selbstgerechtigkeit zu sitzen. Er hatte ihm nicht einmal eine Chance gegeben, etwas dazu zu sagen, und stattdessen gleich eine Pressekonferenz einberufen. Dieser Bastard!

„Hier bei PlayCo legen wir viel Wert auf die Familie“, fuhr Teddy fort. „Man könnte sogar sagen, es ist die Basis unserer Unternehmenskultur, und so wird es auch immer bleiben. Nach den Enthüllungen des Tages muss ich feststellen, dass Wes Jackson nicht der Mann ist, für den ich ihn gehalten habe. In den kommenden Tagen werde ich über einiges nachzudenken haben. So wie die Dinge im Moment stehen, müsste schon ein Wunder geschehen, um mich umdenken zu lassen.“ Fragen wurden ihm zugerufen, Kameras klickten.

„Das ist alles“, erklärte Teddy. „Falls Sie weitere Fragen haben, sollten Sie sie Wes Jackson stellen. Auf Wiedersehen.“ Er verließ das Podium und schob sich durch die Menge nach draußen.

Wes rieb sich die Augen. Er hatte stechende Kopfschmerzen.

Stacy oder Tracy oder wie auch immer schaltete den Ton des PCs aus. Schweigen machte sich breit.

Die Fusion war damit gestorben. Wes konzentrierte sich ganz auf diesen geschäftlichen Aspekt des Albtraums, weil er nicht genügend Informationen hatte, was das Persönliche betraf. Mit steigender Frustration sah er zu, wie sein PR-Team versuchte, irgendwie den Schaden zu begrenzen. Seine Assistentin war ständig mit Anrufen der Medien beschäftigt. Die Sache schien sich immer mehr auszuweiten. Nichts liebten die Menschen mehr als einen Skandal, und wer auch immer dieser Maverick war – er wusste es.

Zum ersten Mal im Leben fühlte Wes sich wirklich hilflos, und es gefiel ihm ganz und gar nicht. Nicht nur, dass sein Unternehmen leiden musste – irgendwo da draußen gab es ein Kind, von dem er nichts gewusst hatte. Wie hatte dieser Maverick das Mädchen gefunden? Steckte Isabelle dahinter? Oder war es jemand, der ihr nahestand? Ging es um Rache? Was auch immer der Anlass war, jemand versuchte ganz gezielt, ihm und seinem Unternehmen zu schaden. Aber wer? Und warum?

Im Geschäftsleben erfolgreich zu sein hieß zwangsläufig auch, sich Feinde zu machen. Bisher hätte Wes es nicht für möglich gehalten, dass einer seiner Geschäftspartner zu solchen Mitteln greifen würde. Und im Privatbereich? Gab es dort jemanden, der so etwas tun würde? Ihm kam nur eine einzige Person in den Sinn. Seine Exfreundin Cecelia Morgan.

Belle und sie kannten sich. Hatte Cecelia von dem Baby gewusst? Hatte sie diese Lawine losgetreten? War sie Maverick? Cecelia hatte nicht gut reagiert, als er sich von ihr getrennt hatte. Er wusste, dass sie rachsüchtig war. Aber falls sie dahintersteckte – wieso? Ihre Firma Up to the Moon verkaufte exklusive Sachen für Kinder. Sie standen nicht in direkter Konkurrenz, aber sie war in ihrem Unternehmen so engagiert wie Wes in seinem. Vielleicht hatte es deswegen zwischen ihnen nicht funktioniert.

Er wusste nicht, ob sie mit dieser Sache etwas zu tun hatte, aber es gab eine sichere Möglichkeit, das herauszufinden. Wes überließ das Büro seinen Leuten und fuhr nach Royal, um seine Ex zur Rede zu stellen und vielleicht ein paar Antworten zu bekommen. Die Fahrt war nicht dazu angetan, seine aufgestaute Wut zu besänftigen, da er immer wieder das Bild des kleinen Mädchens vor Augen hatte. Das Foto seiner Tochter!

Er brauchte Antworten. Die konnte er nur bei Belle bekommen. Sie zu finden war seine Hauptpriorität. Seine IT-Leute hatten im Moment nicht nur die Aufgabe, den Schaden für die Firma zu begrenzen, sondern auch, Isabelle Gray zu suchen. Und bis sie gefunden war, konnte er selbst etwas tun. So wie er Cecelia kannte, war sie zum Essen im Texas Cattleman’s Club, in dem legendären Klub nur für ausgewählte Mitglieder. Dorthin fuhr er.

Cecelia war mitten in einem Lunch-Meeting mit einigen ihrer Angestellten. Wes wusste, dass es die Gerüchteküche nur befeuern würde, wenn er dieses Meeting unterbrach, aber er konnte nicht warten. Der Klub war elitär und konservativ. Erst in den letzten Jahren hatte man begonnen, auch Frauen aufzunehmen – etliche von der alten Garde waren alles andere als glücklich darüber.

Während der Fahrt von Houston hierher war Wes immer wieder alle Aspekte dieses Albtraums durchgegangen. Ein Kind, von dem er nichts wusste. Eine geplatzte Fusion. Sein ruinierter Ruf. Und Ursache für das alles war vielleicht eine rachsüchtige Ex. Als er vor dem Speisesaal stand, war er bereit für die Schlacht.

„Mr. Jackson.“ Der Ober trat auf ihn zu. „Darf ich Sie an einen Tisch bringen? Sind Sie allein, oder erwarten Sie noch Gäste?“

„Weder noch, danke.“ Wes ignorierte den Mann nach einer knappen, höflichen Verbeugung. Der kalte Blick, den er Cecelia zuwarf, erregte ihre Aufmerksamkeit sogar vom anderen Ende des Saales aus. „Ich muss nur kurz mit Ms. Morgan sprechen.“

Sie runzelte fragend die Stirn, entschuldigte sich bei den anderen an ihrem Tisch und kam zu ihm. Sie war eine beeindruckende Frau, und aus rein männlicher Perspektive musste Wes sie bewundern, auch wenn er vor Zorn kochte. Ihr langes blondes Haar fiel in weichen Wellen über ihre Schultern. Die graugrünen Augen spiegelten Neugier wider. Sie war nicht sehr groß, aber ihre kurvige Figur und der Schmollmund hatten schon manchen Mann in Texas in die Knie gezwungen.

Sie lächelte ihn an und beugte sich vor, als wolle sie ihm einen Kuss auf die Wange hauchen. Wes wich spontan zurück. Er sah die Mischung aus Überraschung und Kränkung in ihrem Blick, sagte aber nur: „Wir müssen reden.“

Er nahm sie beim Arm und zog sie in eine ruhige Ecke, wo sie hoffentlich ungestört waren. Cecelia entzog ihm ihren Arm und zischte: „Was ist denn mit dir los?“

„Das weißt du doch selbst am besten“, knurrte er. „Diese E-Mail, die du mir geschickt hast …“

Verwirrt sah sie ihn an. „Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.“

Er musterte sie einen Moment lang schweigend und versuchte zu ergründen, ob sie log oder nicht. Er konnte sich nicht sicher sein, konnte nur seinem Instinkt vertrauen. Sie machte nicht den Eindruck, als triumphiere sie über einen geglückten Coup.

„Also gut.“ Er zog sein Smartphone aus der Tasche, öffnete die E-Mails und gab sie ihr zu lesen.

„Maverick? Wer zum Teufel ist Maverick?“

Es wirkte so überzeugend, dass er ein wenig entspannte. Aber wenn nicht sie Maverick war, wer dann?

„Eine gute Frage. Diese Mail habe ich heute Morgen bekommen – zusammen mit dem Foto meiner Tochter, von deren Existenz ich bisher nichts gewusst habe.“ Er öffnete den Anhang und zeigte Cecelia das Foto des lächelnden kleinen Mädchens. Dabei ließ er Cecelia nicht aus den Augen und erkannte an ihrer Reaktion, dass sie mehr wusste, als sie zugab. Ihre Miene war leicht zu deuten: Die Existenz seiner Tochter war keine Überraschung für sie.

„Du wusstest von dem Mädchen.“ Es war keine Frage.

Cecelia atmete tief durch. „Ich wusste, dass sie schwanger war, als sie ging. Ich wusste nicht, dass sie ein Mädchen bekommen hat.“

„Sie?“

„Isabelle.“

Er schwankte leicht. Er hatte es gewusst. Die Halskette des kleinen Mädchens, das seine Augen hatte, ließ keinen Zweifel zu. Isabelle. Die Frau, mit der er fast ein Jahr zusammen gewesen war, war mit seiner Tochter schwanger gewesen und hatte es ihm nicht gesagt. Belle hatte die Stadt verlassen, aber Cecelia war hier in Royal geblieben. Hatte ihn immer wieder gesehen. Und nie hatte sie auch nur den Hauch einer Andeutung davon gemacht, dass er Vater war.

„Du hast es gewusst und kein Wort gesagt?“ Sein Ton war leise. Angespannt.

„Aus welchem Grund hätte ich etwas sagen sollen?“

„Aus welchem Grund? Mein Kind wäre Grund genug gewesen.“

„Ich bitte dich, Wes! Wie oft hast du gesagt, dass du keine Kinder willst oder überhaupt irgendetwas, das sich auch nur entfernt nach einer festen Verbindung anfühlt?“

„Das spielt keine Rolle.“

„Oh, doch, das tut es.“ Ihre Augen blitzten. „Sie war ziemlich sicher, dass du das Baby nicht wolltest, und ich konnte ihr nur zustimmen. Ich habe ihr einfach nur gesagt, was du so oft von dir gegeben hast: dass du weder an einer Ehe noch an einer Familie interessiert bist.“

Es tat weh, seine eigenen Worte wiederzuerkennen, aber noch schlimmer war die Tatsache, dass zwei Frauen, zu denen er eine Beziehung gehabt hatte, sich einig gewesen waren, ihm das Kind vorzuenthalten. Es stimmte, er hatte nie eine Frau oder Kinder geplant, aber das hieß doch nicht, dass er von einem Kind nicht wenigstens wissen wollte!

„Und dann?“ Er musterte sie grimmig. „Dann wartest du ein paar Jahre, findest diesen Maverick und erzählst es ihm? Hilfst ihm, mich im Internet fertig zu machen? Wozu? Rache?“

Sie sah ihn empört an. „Das würde ich nie tun, Wes“, sagte sie, so überzeugend, dass er ihr fast glaubte.

„Wirklich? Dein Ruf besagt etwas anderes.“

Sie wurde rot. „Glaub doch, was du willst – aber ich war es nicht.“

„Gut. Und wo ist Isabelle?“

„Ich weiß es nicht. Sie hat nur gesagt, dass sie nach Hause will. Irgendeine kleine Stadt in Colorado. Swan… irgendwas. Ich habe es vergessen. Wir haben keinen Kontakt mehr.“ Vorsichtig legte sie eine Hand auf seinen Arm. „Aber ich werde dir helfen, nach ihr zu suchen.“

„Du hast vor fünf Jahren schon genug geholfen“, sagte er eisig und sah an ihrem Blick, dass er sie damit sehr verletzt hatte.

Pech. Er hatte jetzt keine Zeit, sich mit ihren Gefühlen zu befassen. Gut, sie behauptete, unschuldig zu sein, aber es wäre naiv von ihm, ihr zu glauben. Als er hinauseilte, nahm er den Ober kaum wahr, der in der Nähe stand.

Wes hatte alle seine IT-Leute auf das Problem angesetzt, aber er wollte selbst auch etwas tun. Es war sicher nicht einfach, aber er würde Isabelle im Internet finden.

Und dann konnte sie sich warm anziehen!

Isabelle Graystone saß am Küchentisch und arbeitete mit Block und Stift, während ihre Tochter den üblichen Snack nach der Vorschule einnahm.

„Kann ich noch Kekse haben, Mommy?“ Carolines Finger tanzten, während sie sprach.

Isabelle betrachtete lächelnd die kleine Liebe ihres Lebens. Caroline war jetzt vier Jahre alt, niedlich, intelligent und neugierig. Nicht zu vergessen ihr Charme. Mit diesem Lächeln und dem scheuen Blick gelang es ihr immer wieder, ihren Willen durchzusetzen.

„Noch zwei Stück, mehr nicht.“ Isabelle bewegte ihre Hände in der Gebärdensprache.

Caroline strahlte und nahm sich die genehmigten Kekse. Ihre Füße stießen gegen die Beine des Küchenstuhls, während sie beide Hände um ihr Glas Milch legte und einen Schluck trank.

Isabelle betrachtete sie nachdenklich. Es war nicht leicht für ein Kind, anders als die anderen zu sein, aber Caroline hatte schon eine derart ausgeprägte Persönlichkeit, dass es ihr nichts ausmachte, ein Hörgerät zu tragen. Die Gebärdensprache hatte ihr ganz neue Möglichkeiten der Kommunikation eröffnet. Der Gehörverlust würde kontinuierlich fortschreiten, das wusste Isabelle. Irgendwann würde ihre Tochter vollkommen taub sein.

Deswegen war Isabelle entschlossen, alles zu tun, was in ihrer Macht stand, um das Leben ihrer Tochter so normal wie möglich zu machen. Vielleicht mussten sie später ein Implantat in Erwägung ziehen, das die Funktion der beschädigten Teile des Innenohrs übernahm, um die Audiosignale an das Gehirn zu übertragen. So weit war es noch nicht, aber Isabelle zog alle Möglichkeiten in Betracht. Es gab nichts, was sie nicht für Caroline tun würde.

„Nach dem Mittagessen muss ich in die Stadt fahren“, erklärte sie der Kleinen. „Ich muss mich mit ein paar Leuten treffen wegen der Spenden-Party, die ich plane. Willst du mitkommen oder lieber bei Edna bleiben?“

Caroline war so mit Essen beschäftigt, dass sie nur die Gebärdensprache benutzte. „Ich komme mit. Gehen wir auch Eis essen?“

Lachend schüttelte Isabelle den Kopf. „Wo lässt du das nur alles?“

Ein Schulterzucken und ein Lächeln waren die Antwort.

Es klingelte an der Tür.

„Ich gehe öffnen“, erklärte Isabelle. „Iss du inzwischen deine Kekse.“

Sie ging durch das Haus und hörte dabei das leise Klacken ihrer Absätze auf den polierten Holzfußböden. An den Wänden hingen Landschaftsbilder, und durch das Oberlicht über dem Korridor fiel das blasse Licht der Wintersonne herein. Es war ein elegantes, und trotz seiner Größe doch behagliches Haus. Die restaurierte alte Villa befand sich auf einem großen Grundstück am Stadtrand von Swan Hollow in Colorado.

Belle warf das lange blonde Haar nach hinten und öffnete die Tür mit einem freundlichen Lächeln – das allerdings augenblicklich erstarrte. In ihr schien sich alles zusammenzuziehen, während ihr Puls auf Hochdruck schaltete.

Wes Jackson. Der einzige Mann, von dem sie gedacht hatte, sie würde ihn nie wiedersehen. Der Mann, von dem sie noch immer jede Nacht träumte.

„Hallo, Belle.“ Sein Blick war kalt und distanziert. „Willst du mich nicht hereinbitten?“

2. KAPITEL

Isabelle spürte, wie ihr das Herz bis zum Halse klopfte. Ihn hereinbitten? Ihr war eher danach, einen Schritt zurückzuweichen und ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Nur schade, dass sie unfähig war, sich zu rühren. „Wes?“ Das war das einzige Wort, das sie mit Mühe über die Lippen brachte.

„Du erinnerst dich also noch an mich. Immerhin.“ Er trat näher.

Isabelle wich spontan einen Schritt zurück und verschwand wie zum Schutz hinter der halb geöffneten Tür. Panik stieg in ihr auf. So unerwartet es war, Wes Jackson auf ihrer Veranda zu sehen – irgendwie überraschte es sie nicht. Sie hatte immer erwartet, dass ihre Vergangenheit sie eines Tages einholen würde.

Es war fünf lange Jahre her, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Es erschien ihr fast wie gestern. Und auch wenn in seinem Blick der Zorn blitzte, spürte sie in ihrem tiefsten Innern heißes Verlangen. Was war nur los mit ihr? Hatte sie ihre Lektion nicht gelernt?

Isabelle hatte gern bei Texas Toys gearbeitet. Sie waren dort offen für neue Ideen, und Wes war ein Boss gewesen, wie ihn jeder gern hätte. Er ermutigte seine Mitarbeiter, Neues zu versuchen, und belohnte harte Arbeit. Isabelle und er hatten eng zusammengearbeitet. Als sie der Versuchung nachgegeben und sich auf eine Affäre mit ihm eingelassen hatte, war ihr bewusst, dass es kein gutes Ende nehmen würde. Verhältnisse zwischen Boss und Angestellter waren immer fatal.

Und je mehr Zeit sie mit ihm verbracht hatte, desto mehr Gefühle entwickelte sie für ihn – bis sie schließlich den Fehler beging, sich in ihn zu verlieben. Damit hatte alles geendet. Er sagte ihr ganz offen, er sei nur an einer Affäre interessiert. Es brach ihr das Herz. Als sie Texas verließ, hatte sie sich geschworen, nie zurückzukommen.

Nun schien es, als hätte sie keine Wahl. Texas war zu ihr gekommen.

„Wir müssen reden.“ Sein Ton war kühl.

„Nein, bestimmt nicht.“ Isabelle hatte nicht die Absicht, ihm auch nur einen Millimeter entgegenzukommen. Sie war sich nicht einmal sicher, wieso er überhaupt hier war. Falls er die ganze Wahrheit noch nicht kannte, wollte sie ihm nicht durch irgendwelche Informationen auf die Sprünge helfen. Es zählte nur eines: ihn so schnell wie möglich loszuwerden, bevor er Caroline sah.

„Damit kommst du nicht durch.“ Er legte seine Hände auf ihre Schultern und schob sie beiseite.

Die Bewegung traf sie so unvorbereitet, dass Isabelle nicht einmal einen Versuch machte, sich ihm zu widersetzen. Ehe sie ihn stoppen konnte, war er bereits im Haus. Und gerade als sie den Mund öffnete, um zu protestieren, streifte sein Arm ihre Brüste. Sie erschauerte. Es war nicht Angst, die in ihr aufstieg, auch keine Panik. Es war ganz unverkennbar Verlangen.

Dasselbe Verlangen, das sie vor Jahren verspürt hatte, sobald Wes in ihrer Nähe war. Es war fast vom ersten Moment ihres Kennenlernens an so gewesen. So etwas hatte sie nie zuvor verspürt – und auch nach ihm nicht mehr. Aber seit sie nach Swan Hollow zurückgekehrt war, hatte sie sich ohnehin nicht mehr für Männer interessiert.

Sie hielt es für klüger, auf Beziehungen zu verzichten. Stattdessen konzentrierte sie sich darauf, ein neues Leben für sich und ihre Tochter aufzubauen. Isabelle hatte ihre Brüder und ihre Tochter, mehr brauchte sie nicht. Am allerwenigsten den Mann, der ihr Herz gestohlen hatte, um es dann mit Füßen zu treten.

„Ich glaube, ich habe eine Erklärung verdient“, sagte Wes nun angespannt.

„Verdient?“ Sie konnte den Unterton der Bitterkeit nicht unterdrücken. Dabei warf sie rasch einen Blick den Korridor hinunter zur Küche, wo Caroline war. „Wirklich? So willst du mir jetzt kommen?“

„Du hättest mir sagen sollen, dass wir eine Tochter haben.“

Das war ein Schock, obwohl sie es hätte wissen sollen. Wieso sonst sollte er gekommen sein? Aber wie hatte er es herausgefunden?

Er zog eine Braue in die Höhe. „Überrascht? Ja, das sehe ich. Immerhin hast du mir die Wahrheit fünf Jahre lang vorenthalten.“

Dem konnte sie kaum widersprechen. Andererseits … „Wes …“

Er hob abwehrend die Hand. „Erspar mir deine Entschuldigungen. Es gibt keine Entschuldigung dafür. Verdammt, Isabelle, ich hatte ein Recht, es zu erfahren.“

Das riss sie endlich aus ihrer Erstarrung. „Ein Recht? Hast du nicht mehr als deutlich gemacht, dass du kein Interesse an einem Kind hattest?“

Sie wollte ihn aus dem Korridor bekommen, wo Caroline ihn sehen könnte, daher ging sie an ihm vorbei ins Wohnzimmer. Es wurde sogar an diesem Wintertag von Sonnenlicht durchflutet. Die Wände waren hellgrün gehalten, dekoriert mit Gemälden von Wäldern, Sonnenuntergängen und dem Meer. Die halbhohen Regale, die an einer Wand entlangliefen, waren mit Büchern gefüllt. Der behagliche Eindruck wurde verstärkt durch einige Sessel und Sofas. Dazwischen standen Eichentische. Im blau gefliesten Kamin brannte ein Feuer.

Dieser Raum – nein, dieses ganze Haus – war ihr Zufluchtsort. Hier hatte sie für Caroline und sich ein Zuhause geschaffen. Sie liebte es. Wie konnte es also sein, dass sie sich in dem großen Wohnzimmer plötzlich beengt fühlte, nachdem Wes eingetreten war?

Er stand direkt hinter ihr, und sie hatte plötzlich das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Sie wollte, dass er ging. Sofort! Bevor Caroline hereinkommen konnte und Fragen stellte, die Isabelle nicht beantworten wollte. Sie fuhr zu ihm herum, um die Sache zu Ende zu bringen.

Seine blauen Augen waren immer noch so faszinierend wie früher. Auch wenn er wütend war, fühlte sie sich zu ihm hingezogen. Es war … irgendwie traurig. Das blonde Haar fiel ihm bis auf den Kragen herab und wirkte zerzaust. So als wäre er sich ungeduldig mit den Fingern hindurchgefahren. Er hatte die Lippen fest aufeinandergepresst. Das war seine gewohnte Miene. Die Miene des coolen, harten Geschäftsmanns, mit einer extrem niedrigen Toleranzschwelle für Lügen.

Aber sie hatte den Mann hinter dieser Maske kennengelernt. Zumindest hatte sie sich damals gesagt, dass der Mann, mit dem sie redete, lachte und schlief, der wahre Wes Jackson war. Wenn sie allein waren, entspannte er sich – allerdings gelang es ihr nie ganz, die Mauer zu durchbrechen, die er um sich errichtet hatte. Schon damals hatte sie geahnt, dass Wes sie immer irgendwie auf Distanz halten würde. Auch wenn es ihr das Herz gebrochen hatte, musste sie gehen. In ihrem eigenen Interesse und dem ihres ungeborenen Kindes.

„Das Gespräch darüber war doch rein hypothetisch“, fuhr er sie an. „Ich habe nie gesagt, ich würde ein Kind nicht wollen, das schon da ist!“

Für einen Moment verspürte Isabelle Schuldgefühle, unterdrückte sie aber gleich. Vor fünf Jahren hatte Wes ganz unmissverständlich gesagt, dass Ehe, Kinder und Liebe nichts für ihn waren. Sie war gegangen. War hierher nach Hause gekommen. Hatte ihr Baby allein bekommen, nur unterstützt von ihren drei älteren Brüdern. Hier war Caroline glücklich. Sie fühlte sich geliebt und geborgen. Wie sollte Isabelle bedauern, das Beste für ihr Kind getan zu haben?

Sie drückte die Schultern durch, hob das Kinn und sah Wes in die Augen. „Du wirst mir kein schlechtes Gewissen einreden können wegen einer Entscheidung, die ich im besten Interesse meiner Tochter gefällt habe.“

„Unserer Tochter. Du hattest kein Recht, sie mir vorzuenthalten. Verdammt, Isabelle, du hast das Baby doch nicht allein gemacht!“

„Stimmt.“ Sie nickte. „Aber ich habe mich allein um sie gekümmert. Habe sie allein aufgezogen. Du kommst jetzt nicht in mein Leben gestürmt und gibst hier Befehle, Wes. Ich arbeite nicht mehr für dich, und dies ist mein Haus.“

Er kniff die Augen zusammen. „Du hast mich angelogen. Vor fünf Jahren hast du mich angelogen.“

„Ich habe nicht einmal mit dir gesprochen.“

„Ein Verschweigen kann auch eine Lüge sein.“

Er hatte recht, aber sie fragte sich trotzdem, warum er hier war. Wegen des Kindes, von dessen Existenz er gerade erfahren hatte, oder weil sie seinen Stolz verletzt hatte? Sie musterte ihn nachdenklich. „Du hast noch nicht einmal gefragt, wo sie ist oder wie es ihr geht. Oder wie sie heißt. Es geht hier gar nicht um sie, oder? Es geht nur um dich. Um dein Ego.“

„Sie heißt Caroline“, sagte er leise. „Was glaubst du, was man im Internet alles herausfinden kann? Du glaubst, es ginge um mein Ego? Du bist gegangen, mit meinem Kind. Und hast es mir nie gesagt.“

War da noch etwas anderes in seinem Ton außer Zorn? Hörte sie da auch Schmerz? Es war schwer zu sagen, weil Wes sich immer bemühte, seine Gefühle zu verbergen.

Sie warf erneut einen besorgten Blick zur Tür. Die Minuten verrannen, und es würde nicht mehr lange dauern, bis Caroline sie suchte. Edna, die Haushälterin, würde bald vom Einkaufen zurück sein. Isabelle wollte Wes aus dem Haus haben, um nicht irgendwelche Fragen über ihn beantworten zu müssen.

„Wie hast du uns gefunden?“, fragte sie abrupt.

Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und durch sein Haar. Ganz offensichtlich war er aufgewühlt. Isabelle hatte nicht geahnt, dass er zu einem solchen Zustand fähig war. Sie wusste nicht, ob sie sich darüber freuen oder Angst haben sollte.

„Hast du heute noch nicht die Schlagzeilen im Internet gesehen?“

„Nein.“ Sie spürte Beklemmung in sich aufsteigen. „Was ist passiert?“

„Jemand wusste von unserer Tochter. Und sie haben mich mit diesem Wissen schwer geschädigt.“

„Inwiefern?“ Sie warf einen Blick zu ihrem Laptop und erwog kurz, ihn hochzufahren, um sich auf den neuesten Stand zu bringen. Aber es war wohl am einfachsten, es sich direkt von Wes erzählen zu lassen.

„Gestern habe ich eine E-Mail von jemandem bekommen, der sich Maverick nennt. Er hat mir ein Foto meiner Tochter geschickt.“

„Woher wusstest du, dass sie es ist?“

Er bedachte sie mit einem kühlen Blick. „Sie hat die Kette mit dem Herz-Anhänger getragen, die ich dir einmal geschenkt habe.“

Isabelle seufzte leicht und schloss für einen Moment die Augen. „Sie liebt diese Kette.“

„Dir hat sie auch einmal gefallen, wie ich mich erinnere.“

Sie sah ihn an. „Mir hat vieles gefallen.“

Wes ging nicht weiter darauf ein. „Dieselbe Person, die mir das Foto geschickt hat, hat auch meinen Account bei Twitter gehackt und mir einen neuen Online-Namen gegeben. Sehr eingängig. Unterhaltsverweigerer.“

„Oh, Gott!“

„Ja, das trifft es wohl.“ Er schüttelte den Kopf. „Der neue Hashtag wurde so schnell verbreitet, dass meine IT-Leute es nicht mehr verhindern konnten. Es dauerte nicht lange, und die Presse meldete sich und wollte Informationen. Dann berief Teddy Bradford von PlayCo eine Pressekonferenz ein und erklärte, die Fusion unserer Firmen, die wir geplant hatten, sei erst einmal auf Eis gelegt. Offensichtlich bin ich ein so zwielichtiger Typ, dass seine Firma nicht mit mir in Zusammenhang gebracht werden möchte.“

„Oh, nein …“ Isabelles Gedanken rasten. Pressekonferenzen. Reporter. Wes Jackson stand immer in den Schlagzeilen. Nicht nur wegen seines Unternehmens, sondern weil er ein reicher, attraktiver Mann war. Jetzt würden die Reporter seine Vergangenheit durchkämmen. Sie würde Caroline finden. Sie würden über sie schreiben, würden Fotos machen und sie ins Licht der Öffentlichkeit zerren. Ein Albtraum!

„Und noch mehr Lügen …“ Wes hatte ihre Aufmerksamkeit wieder eingefangen. „Du bist nicht Isabelle Gray. Dein eigentlicher Name ist Graystone. Du kannst dir meine Überraschung vorstellen, als ich das herausgefunden habe. Und als ob das noch nicht genug wäre, fand ich heraus, dass deine Familie in allen möglichen Firmen die Finger im Spiel hat: Graystone Shipping. Graystone Hotels. Graystone-was-auch-immer. Du hast mir nicht gesagt, dass du reich bist und dass deine Familie überall mitmischt. Du hast mir nicht einmal deinen richtigen Namen genannt. Du hast gelogen“, setzte er trocken hinzu. „Darin scheinst du sehr gut zu sein.“

Trotz allem wurde sie rot. Gut, sie hatte gelogen. Es war notwendig gewesen, also würde sie sich nicht dafür entschuldigen.

„Wieso hast du verleugnet, wer du bist, als du bei mir gearbeitet hast?“

Isabelle musste nicht lange überlegen. „Ich wollte den Job bekommen, weil ich gut bin – nicht, weil ich eine Graystone bin.“

„Okay.“ Er räusperte sich. „Das kann ich akzeptieren.“

„Ich danke dir dafür.“ Ihr Ton triefte vor Ironie.

Er schien sie gar nicht gehört zu haben. „Du bist dabei geblieben, auch als du den Job schon hattest.“ Er kniff die Augen zusammen. „Und auch noch, als wir schon miteinander geschlafen haben.“

„Das betrifft nur meinen Namen.“ Sie schlang die Arme um sich. „Ich konnte dir nicht meinen richtigen Namen sagen, ohne zugeben zu müssen, dass ich gelogen hatte, um den Job zu bekommen.“

„Dann war es also eine ganze Kette von Lügen. Und es werden immer mehr.“

„Wieso bist du hier, Wes?“ Sie wusste, ihr lief die Zeit davon. Sie redeten bestimmt schon seit zehn Minuten miteinander. Caroline konnte jeden Augenblick hereinkommen.

„Das fragst du noch?“ Er sah sie erstaunt an. „Ich habe herausgefunden, dass ich eine Tochter habe. Ich möchte sie sehen.“

Verdammt. „Das ist keine gute Idee.“

„Ich habe mir gedacht, dass du das so siehst.“ Er lachte freudlos. „Nur gut, dass das nicht von dir abhängt.“

„Oh, doch, das tut es.“ Isabelle hob das Kinn. Ihr Zorn stand seinem in nichts mehr nach.

Merkwürdig, aber im Laufe der vergangenen Jahre hatte sie sich diese Situation im Geiste immer wieder ausgemalt. Wie sie damit umgehen würde, falls Wes herausfand, dass er ein Kind hatte. Sie hatte sich gefragt, ob es ihn überhaupt interessierte. Die Frage war jetzt beantwortet. Zumindest zum Teil. Es interessierte ihn.

„Ich glaube nicht, dass du darüber mit mir streiten willst, Belle.“ Er trat einen Schritt näher. „Sie ist doch meine Tochter, oder?“

Sie brauchte gar nicht erst zu versuchen, es zu leugnen. Sobald er Caroline sah, waren alle Zweifel ausgeräumt. Die Kleine war ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. „Ja.“

„Danke, dass du wenigstens jetzt nicht lügst.“

„Wes …“

„Ich habe das Recht, sie kennenzulernen. So wie sie ein Recht hat, mich kennenzulernen.“ Er trat an den Kamin und sah in die Flammen. „Was weiß sie von mir? Was hast du ihr erzählt?“

„Ich habe gesagt, dass ihr Vater nicht bei uns sein kann, aber dass er sie liebt.“

Er schnaubte verächtlich. „Vielen Dank wenigstens dafür.“

„Das habe ich nicht dir zuliebe getan. Ich will nicht, dass meine Tochter glaubt, ihr Vater habe sie nicht gewollt.“

„Ich hätte sie gewollt – hätte ich von ihr gewusst.“

„Das lässt sich jetzt leicht sagen.“

„Ich nehme an, wir werden wohl nie erfahren, was gewesen wäre wenn … Aber ich möchte, dass es sich jetzt ändert, Belle. Ich gehe nirgendwohin. Ich gehöre jetzt dazu. Sie ist meine Tochter, und ich möchte ein Teil ihres Lebens sein.“

Isabelle war so befangen in der Anspannung des Augenblicks, dass sie gar nicht bemerkte, wie Caroline ins Zimmer kam und neben ihr stehen blieb. Ihr erster Impuls war, sich vor sie zu stellen, um sie vor dem Vater zu verstecken. Aber dafür war es zu spät.

Und Wes? Sein Blick fiel auf das kleine Mädchen, und seine Züge wurden weicher, Die Kälte wich aus seinem Blick, und für einen Moment glaubte Isabelle, einen Ausdruck fassungslosen Staunens an ihm zu beobachten. Natürlich sah er die Ähnlichkeit. Isabelle sah sie jedes Mal, wenn sie ihre Tochter ansah. Sie war ein kleines, weibliches Abbild von Wes Jackson.

„Hi.“ Sein Ton enthielt eine Wärme, die er bisher hatte vermissen lassen.

„Hi.“ Carolines Finger wirbelten durch die Luft. „Wer bist du?“

Ehe er etwas sagen konnte, mischte Isabelle sich ein. „Das ist Mr. Jackson, Süße. Er will gerade gehen.“

Er warf ihr einen kurzen, finsteren Blick zu, während Isabelle eine Hand beschützend auf die Schulter ihrer Tochter legte.

„Wir sind noch nicht fertig mit unserem Gespräch“, erklärte er frostig.

Liebevoll sah sie auf ihre Tochter herab. „Ich habe gehört, dass Edna gekommen ist. Geh doch und hilf ihr beim Auspacken. Dann kannst du nach oben gehen und spielen, während Mommy noch mit dem Mann spricht.“

„Und das Eis?“

„Später“, sagte Isabelle mit ihren Händen. Sie beobachtete, wie Caroline Wes zuwinkte und lächelte, bevor sie wieder in Richtung Küche verschwand.

Wes sah Isabelle fragend an. „Ist sie taub?“

„Sie leidet an einem fortschreitenden Verlust des Gehörs.“

„Und was bedeutet das genau? Für sie?“

„Das ist ein langes Thema, das wir auf ein andermal vertagen sollten.“ Isabelle war nicht in Stimmung, dieses Problem jetzt mit Wes zu erörtern.

Sie hätte es nicht für möglich gehalten, aber seine Miene wurde noch eisiger. „Gut. Lassen wir das für den Moment.“ Er senkte die Stimme. „Du hättest es mir sagen sollen. Dass es sie gibt. Und überhaupt alles.“

Erneut rollte eine Woge von Schuldgefühlen über sie hinweg, aber sie stemmte sich dagegen. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie es gewesen war, als sie herausfand, dass Caroline ihr Gehör verlor. Die Panik. Die Angst. Das Gefühl völliger Hilflosigkeit, das sie für Tage förmlich gelähmt hatte. Jetzt sah sie in Wes’ Augen dieselben Reaktionen, die sie durchlebt hatte. Er hatte sehr viele Informationen in sehr kurzer Zeit bekommen, und wäre sie an seiner Stelle gewesen, hätte sie wahrscheinlich nicht so kontrolliert reagiert. Aus irgendeinem Grund brachte sie das auf.

Isabelle war bereit, mit den Konsequenzen der Entscheidung zu leben, die sie vor Jahren getroffen hatte. Und auch wenn sie jetzt mit Wes fertig werden musste, war sie nach wie vor überzeugt, dass es richtig gewesen war, ihm nichts zu sagen. „Ich habe das getan, was ich für richtig gehalten habe, Wes. Gerade du solltest das doch verstehen.“

„Was soll das denn nun heißen?“

„Oh, bitte!“ Sie hasste es, dass sie Tränen in ihren Augen brennen spürte. „Du tust doch dein ganzes Leben lang nichts anderes. Du fällst deine Entscheidungen innerhalb von Sekunden. Vertraust ganz auf dein Bauchgefühl. Genau das habe ich auch getan, und ich habe nicht die Absicht, mich jetzt dafür zu entschuldigen.“

Er kam ihr so nah, dass sie die Wärme seines Körpers zu spüren meinte. Und seinen Duft. Sie sog ihn tief in sich ein. Genoss ihn. Dabei wusste sie: Sollte sie sich noch einmal auf diesen Weg einlassen, konnte nichts als Elend dabei herauskommen.

Außerdem war es nicht Leidenschaft, die sie in seinen Augen blitzen sah. Es war Zorn.

„Wir sind noch nicht fertig miteinander, Belle.“

Sie schluckte. Ihr Puls hatte zu rasen begonnen. Niemand außer Wes hatte sie je Belle genannt. Der Klang brachte Erinnerungen an lange Nächte auf Seidenlaken zurück, sie in seinen Armen. Wie konnte es sein, dass sie auch nach dieser langen Zeit noch Verlangen nach ihm verspürte? Und wieso ausgerechnet jetzt?

„Ich kann jetzt nicht darüber reden. Nicht mit Caroline in der Nähe. Ich möchte nicht, dass sie …“

„Sie soll nicht wissen, dass ihr Vater hier ist? Und dass er gern bei ihr sein möchte?“

„Das ist sehr viel verlangt von einem kleinen Mädchen, Wes. Ich habe nicht die Absicht, sie damit zu belasten, bevor wir nicht zu irgendeiner Übereinkunft gekommen sind.“

„Was für eine Übereinkunft?“ Sein Ton verriet Misstrauen.

„Wie schon gesagt: nicht hier.“ Sie atmete tief durch, um sich wieder zu fangen, aber es wollte ihr nicht gelingen. Wie sollte es auch, wenn sie in die Augen des Mannes sah, der sie seit Jahren in ihren Träumen verfolgte? „Sobald du wieder in Texas bist, kannst du mich anrufen, und wir reden über alles.“

„Ich kehre nicht nach Texas zurück. Noch nicht.“

„Was? Wieso?“ Sie war vollkommen verwirrt und konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, geschweige denn formulieren.

„Ich habe mir eine Suite im Palace Hotel genommen. Ich fahre nicht eher wieder, als bis ich etwas Zeit mit meiner Tochter bekomme. Diese Übereinkunft, die du möchtest – wir werden sie hier diskutieren. Auge in Auge.“

Ihr Puls raste, und das Atmen fiel ihr schwer. Er schien zu ahnen, was in ihr vorging, denn er bedachte sie wieder mit diesem kühlen Lächeln. Isabelles Herz sank.

„Wann geht sie zu Bett?“

„Um acht. Wieso?“

„Um halb neun bin ich wieder hier.“ Er ging. An der Tür drehte er sich noch einmal zu ihr herum. „Richte dich auf ein längeres Gespräch ein, Belle. Ich bleibe hier. Ganz egal, wie lange es dauert. Ich will meine Tochter kennenlernen. Ich möchte alles nachholen, was ich vermisst habe. Und du kannst nichts dagegen tun.“

Die kleine Stadt Swan Hollow lag ungefähr dreißig Meilen südwestlich von Denver, Colorado. Der Unterschied zwischen den beiden Städten hätte nicht größer sein können. Swan Hollow war exklusiv. Touristen und Wintersportler strömten durch die Straßen und besuchten die Boutiquen, Antiquitätenläden und Kunstgalerien.

Wäre Wes hier zum Urlaub gewesen, hätte er das bunte Treiben vielleicht genossen. Unter den Umständen war er jedoch zu sehr in Gedanken versunken, um viel auf seine Umgebung zu achten. Wirklich erstaunlich, wie die ganze Welt eines Mannes innerhalb von nur achtundvierzig Stunden zusammenbrechen konnte.

Das Palace Hotel befand sich an einer Ecke der Main Street. Die Backsteinfassade mit dem grünspanbesetzten Kupfersims und den blitzenden Scheiben machte wirklich etwas her. In der Lobby lagen dunkelrote Teppiche auf dem glänzenden Holzfußboden. An den hellen Wänden hingen Bilder lokaler Maler, und im Kamin aus Naturstein prasselte ein wärmendes Feuer. Gedämpftes Stimmengewirr empfing ihn, im Hintergrund unterbrochen von der dezenten Glocke, die die Ankunft des Fahrstuhls verkündete.

Die ruhige Atmosphäre konnte seine innere Anspannung nicht lindern. Er mied jeglichen Augenkontakt mit den anderen Gästen und nahm den Fahrstuhl in die oberste Etage, wo sich seine Suite befand. Verdrossen warf er die Jacke ab und trat auf den Balkon hinaus in der Hoffnung, dass der kalte Wind ihn wieder zu Verstand brachte.

Der Januar in Colorado war eisig kalt. Überall lag tiefer Schnee, und die Äste der Kiefern bogen sich unter der weißen Last. Über den Wipfeln der Berge hingen graue Wolken.

Wes umklammerte das schmiedeeiserne Geländer. Die beißende Kälte ließ ihn zusammenfahren. Vielleicht brauchte er gerade das.

Er hatte eine Tochter. Die Kleine sah ihm so ähnlich, dass es keines weiteren Beweises bedurfte. Sein Kind. Sein kleines Mädchen.

Sein Magen verkrampfte sich, als ihm das Ungeheuerliche der Situation bewusst wurde. Dieses niedliche kleine Mädchen war seins. Und es war taub.

Er hätte davon wissen sollen.

Er hätte vielleicht irgendetwas tun können, um zu helfen. Und selbst wenn nicht – es war sein Recht, bei der Kleinen zu sein. Aber die Mutter seiner Tochter hatte es nicht für nötig befunden, ihn zu informieren.

So wütend er auf Isabelle war, es ließ sich nicht leugnen, dass er nicht nur Zorn empfand, wenn er in ihrer Nähe war. Sie sah noch besser aus als vor fünf Jahren. Sie hatte immer schon einen wunderbaren Körper gehabt, aber nun, nach der Geburt, schien sie weicher und rundlicher. Einfach unwiderstehlich.

Ihr Bild erschien ihm vor Augen, und er umklammerte das Geländer so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Dieses lange blonde Haar. Diese Augen, die irgendwo zwischen Blau und Grün changierten. Und diese Lippen, die noch einen Toten wieder zum Leben erweckt hätten. Fünf Jahre hatte er sie nicht gesehen, und sein Körper sehnte sich immer noch nach ihr.

Ihn schauderte, als ein Windstoß ihn mit eisiger Luft umgab. Langsam kehrte er in seine Suite zurück. Er brauchte jetzt nicht auch noch eine Erkältung. Wes schloss die Türen hinter sich und stellte den Kamin an.

Es war still. Zu still. Einen Moment lang starrte er in die künstlichen Flammen, bevor er sich auf die Couch fallen ließ und die Füße auf den stabilen Kaffeetisch legte. Er musste nachdenken, aber wie sollte er das, wenn die Reaktionen seines Körpers auf diese Frau ihn derart ablenkten? Auf eine Frau, die ihn von Anfang an nur belogen hatte.

Isabelle Gray. Wie war es ihr gelungen, unter einem falschen Namen in seiner Firma angestellt zu werden? Überprüfte denn die Personalabteilung die eingereichten Unterlagen nicht? Und sie war auch noch reich. Wieso hatte sie überhaupt für ihn arbeiten wollen?

Er verstand das alles nicht. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass ihm noch mehrere Stunden blieben, bis er zurückkehren und sich die Antworten holen konnte, die er brauchte. Was sollte er bis dahin machen?

Er zog das Smartphone aus der Tasche, das er während seines Besuchs bei Belle abgestellt hatte, um nicht gestört zu werden. Er scrollte durch die Liste entgangener Anrufe und meldete sich als Erstes bei seiner Assistentin.

„Hi, Boss“, begrüßte ihn Robin.

„Sie haben mich angerufen. Gibt es etwas Neues?“ Er erhob sich und trat an die Bar in der Ecke des Zimmers. Im Kühlschrank fand er eine vorbereitete Käseplatte und nahm sie sich zusammen mit einem Bier. Während er einen Schluck trank, hörte er Robin zu.

„Die IT-Leute sagen, sie sind nicht weitergekommen mit diesem Maverick. Weder wissen sie, wer er ist, noch, von wo die Mail gekommen ist.“

„Ich dachte, sie sind die Besten in ihrem Job“, knurrte er.

„Offen gestanden sind sie sehr beeindruckt von Maverick“, bekannte sie. „Er hat seine Spuren so gut verwischt, dass ihm nicht beizukommen ist. Sein Mail-Account ist geschlossen, sodass keine Möglichkeit besteht, ihn darüber zu finden.“

Perfekt. Er hatte seine eigenen Computer-Experten, und sie waren nicht in der Lage, den Mann zu finden, der für das ganze Fiasko verantwortlich war.

„Was noch?“ Er starrte in die Flammen.

„Etwas Gutes: Die IT-Leute sagen, der Twitter-Trend lässt nach. Offensichtlich sind Sie heute nur noch auf Platz Zehn statt wie gestern auf Platz Eins.“

„Super“, sagte er trocken. Jetzt musste nur irgendein Promi etwas Aufsehenerregendes tun, und dann interessierte sich niemand mehr für ihn.

„Die Lager haben alles für die Auslieferung der Puppen vorbereitet. Alles läuft genau nach Plan.“

„Gut.“ Er stellte das Bier ab und rieb sich die Augen, um den Schmerz zu vertreiben, der an seinen Schläfen pochte. „Haben Sie etwas von Harry gehört?“

„Er ist in Kontakt mit der PR-Abteilung und versucht gegenzusteuern.“

„Ich werde eine Weile in Colorado bleiben.“

„Wie lange?“

„Das weiß ich noch nicht.“ So lange wie er brauchte, um der Mutter seiner Tochter klarzumachen, dass jetzt alles anders wurde. „Sie können mich jederzeit auf dem Handy erreichen. Ich bin im Palace Hotel in Swan Hollow.“

„Swan Hollow?“, wiederholte sie verblüfft.

„Ja, ein merkwürdiger Name, aber nach allem, was ich bisher gesehen habe, eine nette kleine Stadt.“

„Gut zu wissen. Ich kann immer noch nicht glauben, dass Sie die Reservierungen selbst gemacht haben, statt es mir zu überlassen.“

„Ich hatte es eilig.“

„Gut, gut. Wenn die Entwürfe für die PR-Kampagne stehen, schicke ich sie Ihnen per Kurier ins Hotel. Falls Sie sonst noch etwas brauchen, lassen Sie es mich wissen, und ich kümmere mich darum.“

„Robin“, sagte er mit Nachdruck, „Sie sind der einzige Lichtblick in einer trüben Zeit.“

„Danke, Boss.“ Er hörte das Lächeln in ihrer Stimme. „Ich werde Sie daran erinnern, wenn es um die nächste Gehaltserhöhung geht.“

Ihm blieb noch einige Zeit, bis er zu Isabelle fahren konnte. Plötzlich hatte er eine Idee. Er schaltete den PC ein. Wenige Minuten später hatte er gefunden, was er suchte: ein Online-Video zum Erlernen der Gebärdensprache.

3. KAPITEL

Wes hätte zu Fuß zu Isabelles Haus gehen können, da es direkt am Stadtrand lag. Aber abends sanken die Temperaturen noch mehr, und er fürchtete, bis zu seiner Ankunft zum Eiszapfen erstarrt zu sein. Die Fahrt mit dem Wagen zu der eleganten alten Villa dauerte gerade einmal fünf Minuten. Die Scheinwerfer glitten über die Fassade, und er gönnte sich einen Moment, um sie zu betrachten.

Das große Haus war grün gestrichen. Die schwarzen Fensterläden hatten einen weißen Rand, wodurch das Haus wie aus einem Märchen wirkte. Umgeben von den schneebedeckten Kiefern war es ein zauberhafter Anblick. Auf der Veranda verhießen alte Kutschenlampen ein freundliches Willkommen.

Wes war sich jedoch ziemlich sicher, dass dieses Willkommen nicht ihm galt. Er stellte den Motor ab und gab sich einen Ruck. Das bevorstehende Gespräch war das Wichtigste seines Lebens. Er hatte ein Kind. Eine Tochter.

Allein der Gedanke daran ließ ihn nervös werden. Er kannte sie noch nicht einmal, und schon fühlte er sich mit ihr verbunden. In ihm tobte ein Chaos von Gefühlen, das er nicht genau zu deuten vermochte. Auf jeden Fall war Panik dabei. Wer konnte es ihm verdenken, war er doch plötzlich mitverantwortlich für dieses kleine menschliche Wesen.

Aber es war auch mehr da. Eine Art Staunen. Er hatte dazu beigetragen, einen neuen Menschen zu schaffen. Okay, er war sich dessen nicht bewusst gewesen, aber das Kind war nun auf der Welt. Durch ihn. Er lächelte ein wenig – sogar noch, als eine Woge neuer Beklemmungen ihn durchlief.

Bisher hatte er noch nie vor irgendetwas Angst gehabt, aber nun musste er doch zugeben, dass die Vorstellung, Vater zu sein, ziemlich beängstigend war. Was wusste er schon davon?

Seine Mutter war gestorben, als er gerade einmal sechs Monate alt gewesen war. Sein Vater, Henry Jackson, hatte ihn allein aufgezogen. Henry hatte seinen Job gut gemacht, aber er hatte seinen Sohn auch immer wieder wissen lassen, dass eine Frau im Leben eines Mannes der sichere Weg ins Elend war. Das Problem war nicht, die Frau zu haben – sondern sie zu verlieren.

„Wenn man einer Frau sein Herz schenkt, nimmt sie es mit, wenn sie geht“, sagte Henry, eines Abends.

„Liebe ist eine komplizierte Sache, Junge. Daran solltest du denken, wenn du jetzt anfängst, dich für die Frauen zu interessieren. Das Leben ist leichter, wenn man nicht immer fürchten muss, es würde einem der Boden unter den Füßen fortgezogen.“ Er sah seinem Sohn in die Augen. „Schütze dein Herz, Wes. Das ist alles, was ich damit sagen will.“

Wes hatte den Rat seines Vaters befolgt. Er liebte die Frauen. Alle Frauen. Aber er hielt sie immer auf Distanz. Sorgte dafür, dass sie der Mauer nicht zu nahe kamen, die er um sein Herz errichtet hatte. Während der Collegezeit konzentrierte er sich zusammen mit seinem Zimmergenossen ganz darauf, eine Geschäftsidee auszuweiten, die sich durch einen Zufall ergeben hatte.

Zusammen ersteigerten sie auf einer Auktion Hunderte winziger, aerodynamisch perfekter Spielzeugflugzeuge und verkauften sie mit einem kleinen Profit an gelangweilte College-Studenten. Innerhalb einer Woche segelten die Flugzeuge aus den Fenstern des Wohnheims, durch Vorlesungssäle und Treppenhäuser. Verblüfft registrierten Wes und sein Freund, wie schnell sie ihr einziges Produkt verkauft hatten. Sie investierten ihren Gewinn in neue Einkäufe. Bald waren sie die angesagte Adresse, wenn es um Spielzeuge und Dinge gegen Langeweile und geistige Erschöpfung ging.

Als sie das Studium abschlossen, hatte Wes seinen beruflichen Weg gefunden. Er zahlte seinen Freund aus und finanzierte ihm damit das Medizinstudium. Er selbst gründete Texas Toy Goods Inc. und machte die Firma groß.