Comedy im Dying Deer - Isabel Kobus - E-Book

Comedy im Dying Deer E-Book

Isabel Kobus

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Beschreibung

Eine Dating-App terrorisiert Singles. Ein Politiker opfert seine Gefährtin dem alles beherrschenden Digitalkonzern. Und ein frustrierter Sadist entwickelt plötzlich Mitgefühl -- für eine Sexpuppe. Die dystopischen Geschichten von Isabel Kobus erkunden eine düstere Zukunft, in der es keine Privatsphäre mehr gibt. Daneben enthält dieser Band auch satirische Texte, die sich mit wesentlichen Fragen der Liebe in digitalen Zeiten befassen. Zum Beispiel, von wem man sich besser nicht beim Online-Dating beraten lässt, ob ein Roboter zum Lebenspartner taugt und warum man es vermeiden sollte, auf Facebook Liebeskummer-Songs zu posten.

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Seitenzahl: 75

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Teil I

Gloria

Facebooks Wille geschehe

Eine Nacht mit Ken

Wahre Liebe

Teil II

Am Ende des Blues

Harry und Sherry

Der State Secretary in Nöten

Comedy im Dying Deer

I

Fehler machen ist menschlich, aber für ein richtiges Desaster braucht man einen Computer.

Unbekannter Autor

Gloria

I

Sie heißt Gloria und berät mich beim Dating. Sie ist jetzt meine Freundin. Sagt sie zumindest. Ihre Stimme schnarrt irgendwie, und sie meinte, ich dürfe mir eine neue Stimme in die App laden, das sei das erste Vierteljahr gratis und koste dann nur 6,99 pro Monat, aber was solls, bei realen Freundinnen kann ich mir ja auch nicht die Stimme aussuchen.

Allerdings beraten mich reale Freundinnen nicht mehr beim Dating, denn in ihren Augen mache ich alles falsch, was frau falsch machen kann, was zur Folge hat, dass ich nur Typen kennenlerne, die zwar irgendwie sexy sind, dies aber durchgehend kompensieren durch gentlemanunlikes Verhalten, maßlosen Alkoholkonsum sowie die völlige Abwesenheit finanzieller Vorräte.

Also ist Gloria meine letzte Chance, auch wenn ich ihr nicht völlig vertraue, schließlich ist sie das Produkt eines Konzerns, der dank dem Auswerten massentauglicher Verhaltensweisen seine finanziellen Vorräte in schier unbegreifliche Höhen getrieben hat. Doch sie hat, das muss man ihr lassen, viel Mühe in die Überarbeitung meines Online-Profils investiert sowie in ein 35-minütiges Gratis-Coaching „Wie optimiere ich meinen Männergeschmack“, und jetzt hat sie den perfekten Partner für mich gefunden.

Ich gucke das Foto an. Sieht irgendwie spießig aus, der Typ.

„Hat er Tattoos?“, frage ich.

„Wir haben uns in meinem Coaching darauf geeinigt Merkmale auszuschließen“, sagt Gloria, „welche auf gentlemanunlikes Verhalten, Alkoholabusus oder Insolvenz hinweisen, dazu gehören statistisch gesehen auch Tätowierungen.“ „Na gut“, sage ich, „und was macht der Mann beruflich?“

„Er ist Anwalt“, sagt Gloria.

„Hab ich nicht gesagt, dass ich eher lockere, alternative Typen mag?“, sage ich.

„Das habe ich berücksichtigt“, sagt Gloria, „er gibt an, in der Freizeit seinen Anzug gerne gegen Jeans und T-Shirt einzutauschen. Und er hat als Hobby Malen nach Zahlen angegeben. Daher ist er nach meinen statistischen Berechnungen zu 75 bis 80 Prozent locker und alternativ.“

Ich überlege noch, was an Malen nach Zahlen locker und alternativ ist, als Gloria weiterschnarrt:

„Er schlägt ein Date für heute Abend vor. Im Panorama-Restaurant.“

Das kommt mir zwar wenig alternativ vor, aber was solls. Gloria muss ja wissen, was sie tut.

II

Er steht schon da, als ich ankomme.

„Hallo“, sage ich, „du hättest schon mal hochfahren können.“

„Ich lasse doch eine Dame nicht neun Stockwerke allein im Fahrstuhl“, sagt er.

Gentlemanlike, aha!

„Warum trägst du einen Anzug?“, frage ich, als wir auf den Fahrstuhl warten, „Gloria meinte, du wechselst in der Freizeit gerne zu Jeans und T-Shirt.“

„Gloria?“, sagt er, „nun, wenn ich mich nach der Arbeit noch umgezogen hätte, wäre ich nicht pünktlich gewesen.“ Liegt in seiner Stimme ein leichter Vorwurf? Aber da sind wir schon in Stockwerk neun und der weiß gewandete Kellner führt uns zu einem Tisch an der Fensterwand.

„Der Ausblick hier oben ist fantastisch“, sagt der Anwalt, „aber es reicht mir völlig, dich anzusehen.“

Ich beginne die Gentlemanlikeheit etwas übertrieben zu finden und mich nach einem ungehobelten tätowierten Typen zu sehnen, aber dann denke ich an Glorias Coaching und halte die Klappe.

„Der Lachs ist hier ausgezeichnet“, sagt er, „dazu passt das San-Marzano-Heilwasser.“

Ich bestelle einen Burger und eine Coke.

„Was machst du so als Anwalt?“, frage ich.

„Ich verdiene 300 000 im Jahr“, sagt er.

„Cool“, sage ich, „ich verdiene ungefähr ein Zehntel davon.“

„Du bist eine Frau“, sagt er, „da sind andere Dinge wichtiger. Zum Beispiel, dass du auf mich hörst, wenn ich dir etwas empfehle.“

„Das ist irgendwie nicht so mein Ding“, sage ich.

„In deinem Profil steht, dass du devot bist“, sagt er.

Mist, ich hätte das Profil nochmal angucken sollen.

„Da hat Gloria irgendwas falsch gemacht“, sage ich.

„Soso, Gloria! Deine lesbische Freundin? Das ist gut. Ich stehe drauf Frauen beim Fummeln zuzugucken.“

Bevor ich etwas sagen kann, bringt der Kellner das Essen. Meine Nudeln sehen matschig aus.

„Hättest du mal den Lachs genommen“, sagt der Anwalt, „ich zahle übrigens das Essen, keine Widerrede. Auch wenn ich gerade viel Geld ausgegeben habe für eine neue Bullwhip-Peitsche, 2,5 Meter lang, 3000 Euro.

„Ich dachte, dein Hobby ist Malen nach Zahlen?“, sage ich.

„Stehst du etwa nicht drauf ausgepeitscht zu werden?“, sagt er, „ich habe die größte Peitschensammlung in ganz Niedersachsen. Und die teuerste auch.“

„Ich muss jetzt leider los“, sage ich und gucke mich um, wie ich am schnellsten zum Fahrstuhl komme, „es ist Zeit, mit Gloria zu fummeln.“

III

„Es wäre besser gewesen den Lachs zu nehmen“, sagt Gloria, „und in der Konversation hast du dich unkooperativ verhalten. Wir können das Date noch einmal rekapitulieren im Rahmen eines 45-minütigen Coachings „Fehler, die ich beim Dating nicht machen sollte.“

„Du hast doch diesen Idioten rausgesucht“, sage ich, „und diese Peitschengeschichte, wie kommt es ...“ „Nach meinen statistischen Berechnungen“, sagt Gloria, „haben die meisten Frauen mit einer Vorliebe für alkoholabhängige, insolvente, tätowierte Männer auch eine Vorliebe für gewisse sadomasochistische Praktiken. Ich denke, dass wir diese Problematik in den Griff bekommen können durch das 65-minütige Coaching „Wie stehe ich zu meinen inneren Wünschen?“, weise aber darauf hin, dass die Coaching-Flatrate ab morgen 17,99 Euro pro Monat kostet, mit halbjährlicher Kündigungsfrist.“

Der größte Vorteil, den Gloria hat, scheint mir mittlerweile, dass man sie abschalten kann. Und dann werde ich wieder Tätowierte daten. Oder ich lasse es ganz und suche mir ein Hobby. Vielleicht wäre Malen nach Zahlen das richtige für mich.

Facebooks Wille geschehe – ein Drama in neun Tagen

Tag 1

Diese ganze Geschichte hat mir mein Facebook-Freund Tobi eingebrockt, der aus unerfindlichen Gründen auf besagter Plattform darum gebeten hat, Liebeskummer-Songs zu posten. Nun ist mein letzter Liebeskummer schon eine Weile her und ich bin inzwischen ganz sicher, dass ich keinen mehr haben werde, weil ich a) mich nicht mehr verliebe und b) gelesen habe, dass Aspirin gegen Liebeskummer hilft – das stand in einer Anzeige auf Facebook –, aber trotzdem fällt mir sofort ein Liebeskummer-Song ein, nämlich „Am Ende denk ich immer nur an dich“ von Element of Crime, das ist mein Lieblings-Liebeskummer-Song, und sobald ich den gepostet habe, bekomme ich acht Likes und bin so stolz darauf, dass ich mir den Song nochmal anhöre, und irgendwie bekomme ich dann tatsächlich Liebeskummer, obwohl ich gar niemanden liebe, und ich nehme eine Aspirin, das hilft total, woran man schon mal sieht, dass Facebook meistens recht hat.

Tag 2

Am nächsten Tag habe ich noch mehr Likes bekommen für meinen Lieblings-Liebeskummer-Song, aber bevor ich mich so richtig darüber freuen kann, erscheint eine riesige Werbeanzeige: „Gewinne deinen Ex zurück!“, steht da, „Dein Liebeskummer ist Vergangenheit.“ Okay, mal reingucken, vielleicht gibts ja noch was Besseres als Aspirin. Ja, tatsächlich: Man bekommt eine digitale Voodoo-Puppe, die man als seinen Ex verkleiden kann – was dann damit passiert, erfährt man erst, wenn man seine E-Mail-Adresse angibt, und das will ich gerade tun, als mir einfällt: Ich habe ja gar keinen Liebeskummer und will auf keinen Fall meinen Ex zurück! Welchen Ex überhaupt, ich weiß gar nicht mehr, welcher der letzte war, vielleicht fällt es mir wieder ein, wenn ich den Song nochmal anhöre, aber da ploppt schon die nächste Werbung auf: „Spirituelle Partnerrückführung mit Dualseelenverbindung“. Dualseelen, was ist das? Hat das was mit dem Dualen System zu tun? Ich kann ja mal fragen, denke ich, und schreibe einen Kommentar drunter: Wird die Seele meines Ex mit dem Müll nach China gebracht zum Sortieren? Kommt er recycelt wieder? Vielleicht will ich ihn dann ja doch zurück.

Tag 3

Ich gucke gleich morgens in Facebook, habe noch mehr Likes bekommen, sogar für meinen Müll-Kommentar, wenn auch niemand geantwortet hat, und sehe gleich eine neue Werbeanzeige: „Wie toxisch ist dein Ex? Melde dich an und finde es heraus“. Naja, denke ich, meine ganzen Exen haben schon ziemlich gesoffen, und einer war Dauerkiffer, aber warum sollte mich das jetzt noch interessieren? An die Sache mit dem Recycling glaube ich, ehrlich gesagt, ohnehin nicht. Also klicke ich das Angebot weg, aber stattdessen kommt gleich die nächste Werbung: „Online-Scheidung, in 16 Minuten zur Freiheit“ – das hört sich gut an, nach Freiheit ist mir gerade zumute. Aber: Ich bin ja gar nicht verheiratet. Soweit ich weiß. Also kann ich so auch nicht frei werden, zumindest nicht freier als jetzt, also was soll ich tun? Vielleicht sollte ich Dauerkifferin werden wie mein toxischer Ex, aber das bringt mich sicher nur noch mehr durcheinander, also poste ich, um mich freier zu fühlen, in meinem Status: „Liebe Ex-Freunde, ich bin jetzt online geschieden und will keinen von euch zurück, egal ob er toxisch ist oder recycelt. Macht es gut!“

Tag 4