Cool und abgefahren; Ellipirelli und das große Rennen - Peter Marquardt - E-Book

Cool und abgefahren; Ellipirelli und das große Rennen E-Book

Peter Marquardt

0,0

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 89

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Cool und abgefahren; Ellipirelli und das große Rennen

Elli Poldini1. Der Kellermann2. Der preußische Gendarm3. Das große RennenImpressum

Elli Poldini

Elli Poldini

Geschichten für Kinder von Peter Marquardt

1. Der Kellermann

Ihre Mutter sagte oft zu ihr: »Elli, mit deinem Namen musst du einfach mal berühmt werden«, daraufhin hob sie meist theatralisch die Arme in die Höhe und deklamierte:»… und hier die große Elli Poldini!Na, klingt das nicht hervorragend?«

Die große Elli Poldini war allerdings grade neun Jahre alt, und deshalb hob die Mutter sie dann auch hoch und drückte sie an sich: »Aber vorher muss meine kleine Elli erst einmal groß werden.«

Sie selber hieß Ulrike, und Ulrike Poldini schien wohl zu wenig herzugeben, als dass es zu einer Berühmtheit reichte.

Na ja, jetzt war sie erst einmal krank geworden, die Mutter. Allerdings schon wieder gesund, aber trotzdem nicht da. Sie war zur Reha.

Was immer Reha auch ist, es musste gut sein. Erstens lag das irgendwo am Meer und zweitens war ihr Vater seitdem wieder glücklicher und lachte öfter. Schon mehrmals hatte er gesagt: »Nun kommt sie bald nach Hause, freust du dich schon?«

Elli nickte dann, und weil der Vater dabei meist Tränen in den Augen hatte, musste sie ebenfalls weinen.

Papa Poldini hieß mit Vornamen Antonio.

Antonio Poldini war als junger Mann von Sizilien nach Deutschland ausgewandert. Ursache dafür war wohl dessen Vater, also Ellis Großvater. Der behauptete nämlich: »Wenn man irgendwo, was werden kann, dann in Deutschland.«

So hatte es sich ergeben, dass Antonio Poldini in Deutschland Bauarbeiter geworden war. Er hatte die schönste Frau der Welt geheiratet, so empfand es jedenfalls Elli und hatte natürlich auch die beste Tochter, die es geben konnte, bekommen.

Nicht umsonst nannte er sie nie »Meine Elli« sondern: »Meine Prinzessin«.

Sie liebte ihren Vater, selbst wenn sie einmal im Jahr mit nach Sizilien in den Urlaub fahren musste. Aber dazu ein anderes Mal

Jetzt jedoch lag sie mit offenen Augen im Bett.

Weil der Wecker geklingelt hatte, war sie auch wach. Allerdings hatte sie nicht das kleinste Fünkchen Lust aufzustehen.

Die Geschirrspülmaschine ausräumen, Staub wischen, den Mülleimer runterbringen und Kartoffeln aus dem Keller holen.

»Na Superferien«, schmollte sie vor sich hin, »nur Arbeit und Sinah ist irgendwo in Ägypten.«

Sinah, das war ihre beste Freundin. Sie wohnte mit ihrer Familie, den Chanzirs, eine Etage tiefer. Die waren alle vor einigen Jahren aus Ägypten nach Berlin gekommen. Die beiden Mädchen kannten sich also seit dem Säuglingsalter.

So wie Elli einmal im Jahr nach Sizilien fahren musste, musste Sinah einmal im Jahr nach Ägypten. Beide fanden das übrigens ätzend, weil sie sich in dieser Zeit nicht sehen konnten.

Sie zog die Bettdecke etwas höher und schmiegte sich an ihren Teddy Nikki mit dem rot karierten Schal.

Für Elli stand es fest, dass sie später Rennfahrerin werden wollte. Sie liebte Autos über alles. Der Vater hatte sie sogar schon einmal sein Auto lenken lassen.

Sie hatte bereits zwei Pokale im Seifenkistenrennen gewonnen, sah die meisten Autorennen im Fernsehen und kannte jeden Rennfahrer mit Namen. Das Glanzstück ihrer Rennwagensammlung war ein Ferrari 150° Italia, der unter anderem von Fernando Alonso gesteuert worden war. Ein Modell in der Größe 1:10. Es stand auf ihrer Vitrine, und sie schauderte jedes Mal freudig, wenn sie es berührte.

Sie griff nach dem blauen Kleid mit dem gelben Gürtel und streifte es sich über den Kopf. Kleider fand sie schicker als Hosen. Sie wollte, als erste Frau, ihre Rennen nur in einem Kleid fahren. Sieht auch auf dem Siegerpodest besser aus, fand sie.

Ihre Lehrerin, Frau Liebig, hatte die Kinder in der Klasse einmal gefragt, was sie werden wollten, wenn sie groß waren. Als Elli ihren Berufswunsch genannt hatte, war es ganz still in der Klasse geworden. Nur der bekloppte Bromenius Hagen hat dazwischen gekräht: »Ellipirelli ist schnelli!«

›So ein Idiot‹, sie hasste diesen fetten Typen. Obendrein hatte der einen Pokal mehr als sie, aber von nichts eine Ahnung.

Trotzdem wurde sie seither von allen Ellipirelli genannt. Inzwischen war sie daran gewöhnt, und wenn sie mal jemand nach dem Namen fragte, war es schon vorgekommen, dass sie anstatt Elli Poldini, Ellipirelli zur Antwort gab.

Die Zahnpasta schmeckte widerlich. Ihr Vater hatte die Falsche gekauft.

Sie würde als Erstes den Müll runterbringen und Kartoffeln aus dem Keller holen.

Keller war auch so ein Thema. Ellipirelli war davon überzeugt, dass da unten der Kellermann hauste.

Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wer das war und was der da machte, aber es gab ihn dort. Und schon der Gedanke war gruselig genug.

»Rennfahrer haben keine Angst«, seufzte sie und knotete die Mülltüte zusammen.

Die Müllcontainer erwiesen sich mal wieder als übervoll. Ellipirelli war einfach zu klein, um oben ranzukommen und den Beutel auf den Berg, der sich dort schon angesammelt hatte, zu bugsieren. Sie stellte ihn also daneben.

Sie war nicht die Erste. Da standen bereits einige Beutel.

So und nun in den Keller.

›Komm Ellipirelli, jetzt keine Feigheit, du bist schon so oft in den Keller gegangen. Nie war da der Kellermann. Aber wenn er ausgerechnet heute da ist?‘

Sie schlich formlich, als sie zurück zum Haus ging.

›Papa ist auch nicht da‹,fiel ihr dabei ein. Sie blieb erschrocken stehen, ›Es ist überhaupt niemand in dem Haus außer mir.‹

Ihre Hand zitterte ein wenig, als sie versuchte, den Schlüssel in das Schloss zu stecken. Deshalb gelang es ihr auch nicht gleich.

Als er endlich drin war, legte sie das Ohr an die Tür und lauschte. Alles war still.

Zu still?

Unendlich langsam drehte sie den Schlüssel herum, ohne das Ohr von der Tür zu nehmen.

Als sie aufschwang drang ihr muffiger Kellergeruch entgegen. Außerdem quietschte die Tür. Wenn da jemand wartete, wusste der bestimmt schon Bescheid, dass sie hier war. Rechts an der Wand befand sich der Lichtschalter.

Sehr hell leuchtete das Licht nicht. Sie ging vorsichtig die ersten zwei Stufen hinunter. Ein Knall hinter ihr. Die Tür war zugefallen. Nun gab es auch kein Tageslicht mehr.

Sie spürte ihr Herz wie wild schlagen. Außerdem rauschte es in ihren Ohren.

»Ist da jemand?«, rief sie in den schummrigen Keller, erhielt jedoch keine Antwort.

»Ellipirelli, sei jetzt nicht feige«, schnauzte sie sich selbst an und ging zwei weitere Stufen.

Ein paar Verse fielen ihr ein, die sie laut aufzusagen begann:

»Mutter, ach Mutter, es hungert mich,

Gib mir Brot, sonst sterbe ich.

*Warte nur mein liebes Kind,

Morgen wollen wir ackern geschwind.

Als das Feld geackert war,

Schreit das Kind noch immerdar ...«

Sie war unten angekommen und wandte sich nach rechts.

Er stand plötzlich, wie aus dem Nichts vor ihr. Sie war glatt in ihn hineingelaufen.

Ellipirelli schrie auf vor Schreck, und er grinste sie an.

»Du weist, wer ich bin«, fragte er.

Ellipirelli nickte, drehte sich um und wollte davonlaufen, doch eine Hand griff fest nach ihrer Schulter und zog sie zurück.

Er war ganz dünn. Sie schaute zu ihm hoch, und alt. Er hatte kaum Haare auf dem Kopf, eine lange, spitze Nase und wässrig graue Augen, die sie mit stechendem Blick musterten. Schmutzige Hosen und ein verwaschener, ehemals blauer Kittel schlotterten um seine Gestalt.

»Vor dem Kellermann rennt niemand weg«, sagte er mit knarrender Stimme und schob sie vorwärts.

Ellipirelli sträubte sich, wollte ihn beißen, nach ihm treten und schlagen, aber sie traf ihn nicht. Ja es schien ihr, als würde sie durch ihn hindurchschlagen und treten. Wie durch Luft.

Schließlich blieb er vor einem der hölzernen Kellerverschläge stehen. Das Mädchen erkannte, dass es ihr eigener Keller war. Der Kellermann hatte einen Schlüssel. Wahrscheinlich hatte er für alle Türen einen Schlüssel. Er öffnete den Verschlag und stieß sie hinein. Sie fiel auf die Kartoffeln.

Er bückte sich, nahm einen Sack und stülpte in ihr über den Kopf. Sofort war es dunkel um sie. Sie hörte, wie er die Tür zuschlug und abschloss. Dann, davon schlurfende Schritte.

Ellipirelli weinte. Eine solche Angst hatte sie erfasst, dass sie auf die Kartoffeln pinkelte. Es war ihr egal, sie hätte es sowieso nicht verhindern können.

»Mama hilf mir doch«, schluchzte sie.

Etwas unter ihr bewegte sich. Ein neuerlicher Schreck durchfuhr sie. Es piepste.

»Hilfe eine Maus«, sie zog die Beine bis an den Körper.

Dann bemerkte sie, dass es in dem Sack heller wurde.

›Blödsinn‹, schoss es ihr durch den Kopf, ›irgendwer hat den Sack heruntergezogen.‹

»Du bist also die Rennfahrerin Elli Poldini?«, piepste jemand.

Sie spürte, dass ihr die Nase lief, und sie wischte sie mit dem Ärmel ab: »Wer ist da und vor allem wo?«

»Wenn du mal nach unten schauen würdest«, sagte die Stimme, diesmal klang sie etwas ungeduldig.

Ellipirelli sah auf den Kartoffelhaufen und gewahrte dort tatsächlich eine Maus.

»Bist du das gewesen, der da eben gesprochen hat?«

Die Maus richtete sich auf die Hinterbeine auf, verschränkte die Vorderpfoten hinter dem Rücken und sagte: »Siehst du hier vielleicht noch jemanden andres, dummes Kind?«

»Entschuldigung, nein, sehe ich nicht.« Sie schniefte, weil ihr die Nase immer noch lief.

»So«, fuhr die Maus fort, »nachdem das geklärt ist, kommen wir zum eigentlichen Grund meines Besuchs.

Wir brauchen Hilfe. Genau genommen Deine Hilfe.« Ihre Barthaare zitterten, als wäre sie aufgeregt. Sie nahm auf einer besonders großen Kartoffel platz und ließ die kurzen Beinchen herunterbaumeln. Dann strich sie sich die Haare an der Schnauze glatt und und schaute herausfordernd zu dem Mädchen auf.

Ellipirelli war einigermaßen überrascht. »Wobei braucht ihr meine Hilfe?«

Erneut strich sich die Maus über ihre Barthaare und begann mit gewichtiger Stimme: »Unser König Muridan XXXII., die große Göttin Mammalia schenke ihm ein langes und fallenfreies Leben, hat befohlen, dass sein Hofstaat und das gesamte Volk ins Nachbarhaus umziehen. Groß ist es dort, und viel Platz gibt es dort, die Luft ist gut dort, und überhaupt ist alles schöner dort, sagt er…«

Während die Maus sprach, sank ihr Kopf jedoch immer tiefer, und sie saß am Ende da wie ein Häufchen Unglück.

»Du scheinst mir alles Andre als erfreut über die Pläne deines Königs zu sein«, bemerkte Ellipirelli.

Die Maus fuhr hoch: »Es ist nicht an mir, die Pläne meines Königs, die große Göttin Mammalia schenke ihm ein langes und fallenfreies Leben, in irgendeiner Form zu kommentieren.«

»Ja und was denkst du nun, was ich dabei zu tun habe? Soll ich vielleicht eure Koffer tragen?«

Die Maus beruhigte sich ein wenig und fuhr dann fort: »Tja, das Problem wurde durch die Tatsache zu einem solchen, dass ausgerechnet der Präsident der hiesigen Ratten, mit denen wir dieses Kellergewölbe seit einer Ewigkeit teilen müssen, genau den gleichen Beschluss gefasst hat.

Nun drohen die alten Feindschaften zwischen unseren Völkern wieder auszubrechen, und das will König Muridan XXXII., die große Göttin Mammalia schenke ihm ein langes und fallenfreies Leben, genauso wenig wie der Präsident dieser unseligen Ratten.

Beide Parteien haben deshalb beschlossen, ihre Differenzen mit einem Wettkampf aus der Welt zu schaffen.«

»Ich verstehe immer noch nicht.«

»Gemach, gemach. Die einzige Berühmtheit, die wir kennen, bist du, die große Elli Poldini.«

»Aber das sagt doch meine Mutter nur so im Scherz«, rief sie aus.

Die Maus wischte diesen Einwand mit einer Handbewegung beiseite: »Hast du zwei Pokale in deinem Schrank zu stehen?«

Sie nickte verwirrt.

»Hast du ein großes Rennauto auf der Kommode?«

»Ja, aber …«