Corsica - Ferdinand Gregorovius - E-Book

Corsica E-Book

Ferdinand Gregorovius

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Beschreibung

Während einer Italienreise fasste der Autor den Entschluß, von Livorno aus nach der Insel Korsika überzusetzen, die ihn, wie er bemerkt, schon "als Kind mächtig gereizt" hatte, insbesondere aber, was er dort sah, mit der Feder für sich und die Mitwelt in eigener, neuer Weise festzuhalten. Land und Leute auf historischem Hintergrund zeichnend, hat er so die "historische Landschaft" als ein neues Genre in die Literatur eingeführt. Er hat selbst später dankbar bekannt: "Corsica hat mir den festen Boden unter die Füße gestellt". So ist das Buch "Corsica" entstanden, welches mit seinem reichen, vielseitigen Inhalt entschieden zu den besten Arbeiten von G. gehört.

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Corsica

Ferdinand Gregorovius

Inhalt:

Ferdinand Gregorovius – Biographie und Bibliographie

Corsica

Erster Band - Geschichte der Corsen.

Erstes Buch.

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel.

Achtes Kapitel.

Neuntes Kapitel.

Zehntes Kapitel.

Elftes Kapitel.

Zwölftes Kapitel.

Dreizehntes Kapitel.

Vierzehntes Kapitel.

Fünfzehntes Kapitel.

Sechzehntes Kapitel.

Siebenzehntes Kapitel.

Achtzehntes Kapitel.

Neunzehntes Kapitel.

Zweites Buch.

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel.

Achtes Kapitel.

Neuntes Kapitel.

Zehntes Kapitel.

Elftes Kapitel.

Zwölftes Kapitel.

Corsica. Aus meiner Wanderschaft im Sommer 1852.

Erstes Buch.

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel.

Achtes Kapitel.

Neuntes Kapitel.

Zehntes Kapitel.

Elftes Kapitel.

Das Gelübde des Petrus Cyrnäus.

Zweites Buch.

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel.

Achtes Kapitel.

Neuntes Kapitel.

Drittes Buch.

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel.

Achtes Kapitel.

Neuntes Kapitel.

Zehntes Kapitel.

Elftes Kapitel.

Zwölftes Kapitel.

Zweiter Band.

Erstes Buch.

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel.

Vôcero.

Weihe.

Vôcero auf den Tod eines Mädchens von Pietra di Verde.

Vôcero eines Mädchens an der Leiche ihres ermordeten Vaters.

Vôcero der Nunziola auf den Tod ihres Mannes.

Vôcero eines Mädchens auf den Tod ihrer zwei Brüder, welche an einem Tag erschlagen wurden.

Vôcero der Maria Felice von Calacuccia auf den Tod des Bruders.

Vôcero einer Hirtin von Talavo auf den Tod ihres Mannes, eines Rinderhirten.

Vôcero auf den Tod des Banditen Canino.

Vôcero auf den Tod der Romana, Tochter der Dariola Danesi von Zuani.

Vôcero eines Weibes von Niolo auf den Tod des Abbate Larione.

Vôcero auf den Tod des Cesario und des Cappato.

Vôcero eines jungen Mädchens auf den Tod ihrer Gespielin, welche im Alter von vierzehn Jahren starb.

Vôcero auf den Tod des Giovanni von Vescovato.

Vôcero auf den Tod des Matteo.

Vôcero auf den Tod des Matteo eines Arztes.

Vôcero auf den Tod der Chilina von Carcheto d'Orezza.

Text des zweiten Vôcero in dieser Reihe.

Zweites Buch.

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Drittes Buch.

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel.

Achtes Kapitel.

Neuntes Kapitel.

Viertes Buch.

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel.

Achtes Kapitel.

Neuntes Kapitel.

Zehntes Kapitel.

Fünftes Buch.

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Note.

Corsica, F. Gregorovius

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN:9783849640750

www.jazzybee-verlag.de

www.facebook.com/jazzybeeverlag

[email protected]

Ferdinand Gregorovius – Biographie und Bibliographie

Deutscher Geschichtschreiber und Dichter, geb. 19. Jan. 1821 zu Neidenburg in Ostpreußen, gest. 1. Mai 1891 in München, studierte in Königsberg Theologie und Philosophie, trieb aber dann poetische und historische Studien, veröffentlichte seit 1841 mehrere belletristische Werke, unter andern »Werdomar und Wladislaw, aus der Wüste Romantik« (Königsb. 1845, 2 Tle.), dann die bedeutendere Arbeit: »Goethes Wilhelm Meister in seinen sozialistischen Elementen« (das. 1849), der die kleineren Schriften: »Die Idee des Polentums« (das. 1848) und »Die Polen- und Magyarenlieder« (das. 1849), folgten. Die Frucht gründlicher historischer Studien waren die Tragödie »Der Tod des Tiberius« (Hamb. 1851) und die »Geschichte des römischen Kaisers Hadrian und seiner Zeit« (das. 1851, 3. Aufl. 1884; engl., Lond. 1898). Im Frühjahr 1852 begab sich G. nach Italien, das er seitdem vielfach durchwanderte, und wo er sich bis 1874 aufhielt. 1880 unternahm er eine Reise nach Griechenland, 1872 nach Ägypten, Syrien und Konstantinopel. Seitdem lebte er abwechselnd in Rom und in München. Interessante Ergebnisse seiner Beobachtungen und Studien in Italien enthalten das treffliche Werk über »Corsica« (Stuttg. 1854, 2 Bde.; 3. Aufl. 1878; auch ins Englische übersetzt) und die u. d. T. »Wanderjahre in Italien« (5 Bde.) gesammelten, in wiederholten Auflagen erschienenen Schriften: »Figuren. Geschichte, Leben und Szenerie aus Italien« (Leipz. 1856), »Siciliana, Wanderungen in Neapel und Sizilien« (1860), »Lateinische Sommer« (1863), »Von Ravenna bis Mentana« (1871) und »Apulische Landschaften« (1877). Daran schloss sich »Die Insel Capri« (Leipz. 1868, mit Bildern von K. Lindemann-Frommel; 3. Aufl. 1897). Auch sein idyllisches Epos »Euphorion« (Leipz. 1858, 6. Aufl. 1891; von Th. Grosse illustriert, 1872) atmet südliche Luft und klassischen Geist. Er lieferte auch eine gelungene Übersetzung der »Lieder des Giovanni Meli von Palermo« (Leipz. 1856, 2. Aufl. 1886). »Die Grabdenkmäler der römischen Päpste« (Leipz. 1857, 2. Aufl. 1881; engl., Lond. 1903) sind eine Vorstudie zu seinem Hauptwerke, der »Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter« (Stuttg. 1859–73, 8 Bde.; 5. Aufl. 1903 ff.), worin er Rom als Residenz der Päpste und als Mittelpunkt der mittelalterlichen Geschichte mit geschichtlichem Verständnis und unter Würdigung seiner Bau- und Kunstdenkmäler behandelt. Die Stadt Rom beschloss die Übersetzung des Werkes ins Italienische (»Storia della città di Roma nel medio evo«, Vened. 1874–1876, 8 Bde.) und ernannte G. zum Ehrenbürger. Auch ins Englische wurde das Werk übersetzt. Später erschienen von ihm: »Lucrezia Borgia« (Stuttg. 1874, 2 Bde.; 4. Aufl. 1906; franz., Par. 1876; engl., Lond. 1904), eine Ehrenrettung der berüchtigten Frau; »Urban VIII. im Widerspruch zu Spanien und dem Kaiser« (Stuttg. 1879, von G. selbst ins Italienische übersetzt, Rom 1879); »Athenais, Geschichte einer byzantinischen Kaiserin« (Leipz. 1882, 3. Aufl. 1891); »Korfu, eine ionische Idylle« (das. 1882); »Kleine Schriften zur Geschichte der Kultur« (das. 1887–92, 3 Bde.) und »Geschichte der Stadt Athen im Mittelalter« (Stuttg. 1889, 2 Bde.). Auch gab er die »Briefe Alexanders v. Humboldt an seinen Bruder Wilhelm« (Stuttg. 1880) und einen von ihm aufgefundenen Stadtplan Roms (»Una pianta di Roma delineata da Leonardo da Besozzo Milanese«, Rom 1883) heraus. Nach seinem Tod erschienen: »Gedichte« (hrsg. vom Grafen Schack, Leipz. 1891), »Römische Tagebücher« (hrsg. von Althaus, Stuttg. 1892; 2. Aufl. 1894), »Briefe von Ferd. G. an den Staatssekretär Herm. v. Thile« (hrsg. von H. v. Petersdorff, Berl. 1894), »Ferdinand G. und seine Briefe an Gräfin Ersilia Caetani Lovatelli« (hrsg. von Siegmund Münz, das. 1896, die Zeit 1866–91 umfassend, nebst kurzer Biographie). Nach dem Tode seines Bruders vermachte G. seiner Vaterstadt sein Vermögen.

Corsica

Erster Band - Geschichte der Corsen.

Erstes Buch.

Erstes Kapitel.

Die ältesten Nachrichten über Corsica finden sich bei den Geschichtschreibern und Geographen der Griechen und der Römer. Sie lassen uns nicht bestimmt erkennen, welche Volkstämme ursprünglich die Insel bevölkert haben, ob es Phönizier, Etrusker, Hispanier oder Ligurier waren. Alle diese alten Völker sind auf Corsica gewesen, ehe noch Carthager, phokäische Griechen und Römer dahin übersiedelten.

Die Lage der Inseln Corsica und Sardinien machte sie in dem großen westlichen Busen des Mittelmeers zum Kreuzungspunkt aller umwohnenden Völker, welche Handel trieben und Pflanzstädte anlegten. Nordwärts liegt, eine Tagereise weit, Gallien, westwärts, drei Tagereisen weit, Spanien, ostwärts ganz nahe die Küste Etruriens, südwärts endlich, wenig Tagereisen entfernt der Küstensaum Afrika's. Die Festlandvölker stießen also auf diesen Inseln zusammen und drückten ihnen ihr Gepräge auf. Diese Mannichfaltigkeit der von ihnen hinterlassenen Spuren in Bauten, Bildwerken, Münzen, Sprachen und Sitten, welche wie Erdschichtungen die ethnographische Gestaltung der Insel bestimmen, machen besonders Sardinien zu einem der merkwürdigsten Länder Europa's. Beide Inseln liegen auf der Grenzlinie, welche jenes Westbecken des Mittelmeers in eine spanische und eine italienische Hälfte trennt. Nachdem nun die Einflüsse orientalischer und griechischer Einwanderungen politisch hinweggetilgt waren, übten jene beiden Festländer ihre Bestimmungskraft auf die Inseln aus. In Sardinien überwog das spanische Element; in Corsica das italienische. Man erkennt das heute ganz einfach aus der Sprache. Für Corsica trat in der jüngeren Zeit noch ein drittes bestimmendes Element hinzu, das französische, aber dies ist nur politisch. Schon in den frühesten Zeiten waren wie spanische, so gallisch-celtische oder ligurische Völker auf die Insel hinübergegangen. Das spanische Wesen, welches noch dem Philosophen Seneca an den Corsen seiner Zeit so bedeutend auffiel, wurde überwunden, nur in dem schweigsam düstern, melancholisch-cholerischen Naturell hat es sich erhalten.

Der uralte Name der Insel ist Corsica, der spätere Cyrnus. Jener wird abgeleitet von Corsus, einem Sohn des Herkules und Bruder des Sardus, welche beide nach den von ihnen benannten Inseln Colonieen führten. Andere lassen den Corsus einen Trojaner sein und erzählen, daß er Sica eine Nichte der Dido entführt habe, woher denn der Name Corsica entstanden sei. Dies ist die Fabel des ältesten corsischen Chronisten Giovanni della Grossa.

Der Name Cyrnos war im Gebrauch der Griechen. Pausanias sagt in seiner phokischen Geographie: »Die nicht weit von Sardinien (Ichnusa) entfernte Insel wird von den eingebornen Lybiern Corsica, von den Griechen Cyrnos genannt.« Die Bezeichnung Libyer ist allgemein für Phönizier, und schwerlich dachte Pausanias an Ureinwohner. Sie waren ihm eingewanderte Colonisten, wie die in Sardinien. Denn in demselben Buch sagt er, daß zuerst Libyer nach Sardinien kamen, aber hier schon Einwohner fanden, und daß nach ihnen Griechen und Hispanier anlangten. Das Wort Cyrnos selbst ist aus dem phönizischenKir(Horn, Landhorn, vorspringendes Kap) erklärt worden. Kurzum dies sind Sagen, unbestimmbare Dinge.

So viel scheint nach den alten Ueberlieferungen, aus welchen Pausanias seine Angaben schöpfte, gewiß, daß Phönizier in sehr frühen Zeiten auf beiden Inseln Colonieen gründeten, daß sie bereits eine Bevölkerung vorfanden, welche entweder ligurisch oder etruskisch-pelasgisch war, und daß später auch Hispanier hinüber kamen. Seneca, welcher acht Jahre auf Corsica im Exil lebte, schreibt von hier aus seine Trostschrift an seine Mutter Helvia, worin sich im achten Kapitel folgende Stelle findet: »Auch diese Insel hat ihre Bebauer oft gewechselt. Das Alte ins Dunkel der Urzeit gehüllte übergehend sage ich nur, daß die Griechen, welche jetzt Massilia bewohnen, nachdem sie Phokäa verlassen hatten, zuerst auf dieser Insel sich niederließen. Es ist ungewiß, was sie von hier vertrieb, vielleicht das ungünstige Clima, der Anblick von Italiens wachsender Macht, oder die hafenlose Küste; denn daß die Wildheit der Bewohner nicht schuld war, erkennt man daraus, daß sie doch unter die damals höchst rohen und uncivilisirten Völker Galliens sich begaben. Nachher kamen Ligurier auf diese Insel, und es kamen auch Hispanier, was man aus der Aehnlichkeit der Lebensweise schließen kann, denn es finden sich dieselben Kopfbedeckungen, dieselben Fußbekleidungen wie bei den Cantabrern, selbst manche Worte; aber die ganze Sprache hat durch den Umgang mit Griechen und Liguriern ihren ursprünglichen Charakter eingebüßt.« Es ist bedauernswürdig, daß Seneca es nicht der Mühe wert hielt, mehr über den Zustand der Insel zu erforschen. Auch für ihn war die älteste Geschichte der Corsen in Dunkel gehüllt.

Aber Seneca irrt wol, wenn er Ligurier und Spanier erst nach den Phokäern auf die Insel kommen läßt. Ich zweifle nicht daran, daß ihre celtischen Stämme die ersten und ältesten Bewohner Corsica's waren; selbst die Gesichtsbildung der heutigen Corsen erscheint als eine celtisch-ligurische.

Zweites Kapitel.

Die erste geschichtlich bekannte Begebenheit auf Corsica ist jene Ankunft der flüchtigen Phokäer, welche Herodot mit klaren Worten erzählt. Man weiß, daß diese kleinasiatischen Griechen beschlossen hatten, lieber aus ihrem Vaterland in die Fremde zu wandern, als die Knechtschaft des Cyrus zu ertragen, und daß sie nach einem feierlichen Eidschwur zu den Göttern mit all' ihrem Hab und Gut sich zu Schiff begaben. Sie unterhandelten zuerst mit den Chiern wegen Abtretung der önusischen Inseln; abgewiesen segelten sie nach Corsica, nicht durch ein Ungefähr dahin getrieben, sondern weil sie schon zwanzig Jahre vorher auf jener Insel die Stadt Alalia gegründet hatten. Sie fanden hier ihre eigenen Colonisten und blieben mit ihnen fünf Jahre, Tempel bauend wie Herodot sagt: »Aber weil sie ihre Nachbaren mit Plünderung und Raub heimsuchten, brachten die Tyrrhener und die Carthager sechzig Schiffe in das Meer. Die Phokäer hatten eine gleiche Zahl ausgerüstet. Sie gewannen einen kostbaren Sieg, denn sie verloren vierzig Schiffe; die übrigen waren unbrauchbar geworden. Sie kehrten nach Alalia zurück, nahmen Weiber und Kinder und ihre Habe mit sich, verließen Cyrnos und segelten gen Rhegium.« Daß sie später Massilia, das heutige Marseille, gründeten, ist bekannt.

Wir haben also in Alalia, dem heutigen Aleria, eine unbezweifelt griechische Colonie, welche nachher in die Gewalt der Etrusker überging. Daß diese schon vor den Phokäern Colonisten nach Corsica ausgeführt haben, möchte die Geschichte dieser handeltreibenden Nation wol anzunehmen fordern. Denn wie sollte zumal das Corsica nahe gegenüber gelegene mächtige Populonia nicht schon längst den Versuch gemacht haben, sich der Ostküste Corsica's zu bemächtigen, nachdem es auch Elba in seinem Besitz hatte. Diodor erzählt im fünften Buche: Zwei ausgezeichnete Städte sind in Corsica Calaris und Nicäa. Calaris (verdorben statt Alalia oder Aleria) gründeten die Phokäer. Diese wurden, nachdem sie die Insel eine Zeitlang bewohnt hatten, von den Tyrrhenern herausgeworfen. Die Tyrrhener gründeten Nicäa, als sie sich des Meers bemächtigten.« Nicäa ist wahrscheinlich das auf derselben Küstenebne gelegene Mariana. Man darf annehmen, daß diese Colonie schon neben Alalia bestand, und daß die Einwanderung der Gesammtgemeinde Phokäa's bei den Tyrrhenern Eifersucht und Furcht erregte, daher ein Zusammenstoß zwischen ihnen und den Griechen statt fand. Ob die Carthager Besitzungen auf Corsica hatten, ist nicht ganz gewiß. Aber gleichzeitig besaßen sie solche in dem nahen Sardinien. Pausanias erzählt, daß sie sich die Libyer und Hispanier auf dieser Insel unterwarfen und zwei Städte anlegten Caralis (Cagliari) und Sulchos (Palma di Solo). Die von den Griechen drohende Gefahr bewog sie nun mit den Tyrrhenern, welche gleichfalls in Sardinien sich niedergelassen hatten, gegen die phokäischen Eindringlinge gemeinschaftliche Sache zu machen. Uebrigens erwähnen die alten Schriftsteller auch einer Einwanderung der Corsen nach Sardinien, wo sie zwölf Städte sollen gegründet haben.

Wir hören lange Zeit nichts weiter von den Schicksalen Corsica's, aus welchem die Etrusker fortfuhren Honig, Wachs, Schiffsbauholz und Sclaven zu beziehen. Ihre allmälig sinkende Macht wich den Carthagern, welche sich in den vollen Besitz beider Inseln gesetzt zu haben scheinen, das heißt ihrer Emporien und Häfen, denn die Völker des Innern hatte kein Feind bezwungen. In den punischen Kriegen entriß sodann das aufstrebende Rom beide Inseln den Carthagern. Corsica wird zuerst nicht genannt weder im Vertrag der Römer zur Zeit des Tarquinius, noch im Friedensvertrag des ersten punischen Krieges. Sardinien war den Römern abgetreten worden. Die Nähe Corsica's mußte sie reizen auch dieses Eiland zu erobern. Beide im Mittelpunkt jenes Spanien, Gallien, Italien und Afrika bespülenden Meeres waren vortreffliche Stationen nach aller Länder Küsten gewendet, welche Rom zu unterwerfen sich anschickte.

Es wird erzählt, daß im Jahr 260 vor Christi Geburt der Consul Lucius Cornelius Scipio nach Corsica hinüberging und die Stadt Aleria zerstörte, daß er Corsen und Sarden zugleich und den Carthager Hanno bekriegte. Die verstümmelte Grabschrift des Scipio hat die Worte: Hec cepit Corsica Aleriaque vrbe. Aber die Unterwerfung der wilden Corsen war nicht leicht. Sie leisteten einen eben so heldenmütigen Widerstand als die Völkerschaften in den samnitischen Bergen. Die Römer wurden mehrmals geschlagen. Im Jahre 240 führte M. Claudius ein Heer gegen sie. Besiegt und in verzweifelter Lage bot er ihnen günstigen Vertrag. Sie nahmen ihn an, der Senat jedoch bestätigte ihn nicht. Er befahl dem Consul C. Licinius Varus die Corsen mit Gewalt zu strafen, den Claudius aber lieferte er ihnen aus. Dies war ein Verfahren, welches die Römer anwandten, so oft sie religiöse Scrupel um einen Eidbruch beschwichtigen wollten. Wie Spanier und Samniten in gleichem Falle handelten, thaten auch die Corsen. Sie weigerten sich, den schuldlosen General anzunehmen und sandten ihn ungekränkt zurück. In Rom erwürgte man ihn und warf ihn auf die gemonischen Treppen.

Obwol von den Römern unterdrückt erhoben sich die Corsen immer von neuem, und schon damals lassen sie jene Freiheitsliebe erkennen, welche in viel spätern Zeiten die Augen der Welt auf dieses im Meer verlorne kleine Volk gezogen hat. Sie erhoben sich zusammen mit den Sarden; aber nachdem diese geschlagen waren, erlagen auch die Corsen dem Consul Caius Papirius, welcher ihnen auf dem Mirtenfeld eine blutige Niederlage beibrachte. Doch faßten sie wieder in den Bergen festen Fuß; es scheint, daß sie den römischen General zu einem vorteilhaften Vertrage nötigten.

Aufs neue erhoben sie sich im Jahr 181. Marcus Pinarius, Prätor von Sardinien, ging mit einem Heer nach Corsica und schlug die Insulaner in einer Vernichtungsschlacht, von welcher Livius erzählt. Das Volk unterwarf sich, gab Geißeln und einen Tribut von 100000 Pfunden Wachs. Sieben Jahre später ein neuer Aufstand und neue blutige Kämpfe. 7000 Corsen wurden erschlagen, 2000 gefangen. Der Tribut ward auf 200000 Pfund Wachs erhöht. Zehn Jahre später steht das tapfere Volk wieder in Waffen und zwingt die Römer, ein consularisches Heer gegen es auszusenden. Juventius Thalna und darauf Scipio Nasica unterwarfen die Insel völlig im Jahre 162.

Mehr als hundert Jahre hatten also die Römer mit diesem Inselvolk zu kämpfen gehabt, ehe sie es bezwangen. Sie verwalteten Corsica gemeinschaftlich mit Sardinien durch einen Prätor, welcher in Cagliari wohnte und einen Legaten nach Corsica sandte. Aber erst in der Zeit des ersten Bürgerkrieges dachten die Römer ernstlich daran, Colonieen nach der Insel auszuführen. Der berühmte Marius legte auf der Ostküste Mariana an, und Sulla später auf derselben Ebene Aleria, das ehemalige Alalia der Phokäer wiederherstellend. Nun begann Corsica sich zu romanisiren, nach und nach die celtisch-spanische Sprache umzuwandeln und römische Gebräuche anzunehmen. Wir hören nicht, daß sich die Corsen seither gegen ihre Herren zu erheben wagten, und nur einmal wird die Insel wieder geschichtlich namhaft, als Sextus Pompejus sich eine Herrschaft auf dem Mittelmeer gründete und Corsica, Sardinien und Sicilien an sich riß. Sein Reich war nicht von langer Dauer.

Drittes Kapitel.

Daß der Zustand der Insel unter der langen Herrschaft der Römer keineswegs so blühend war, als man annehmen will, lehrt die Beschaffenheit ihres Innern, welches die Römer wahrscheinlich nie unterworfen hatten. Sie begnügten sich mit jenen beiden Colonieen und einigen Häfen. Sie legten nur eine einzige Straße in Corsica an. Nach dem Itinerarium des Antonin führte sie von Mariana längst der Küste südwärts nach Aleria, nach Präsidium, nach Portus Favoni, nach Palä, neben dem heutigen Bonifazio an der Meerenge. Von hier war der Ueberfahrtsort nach Sardinien, wo sich die Straße von Portus Tibulä (castrum Aragonese) einem ansehnlichen Ort nach Caralis dem heutigen Cagliari fortsetzte.

Plinius zählt 33 Städte in Corsica, nennt aber nur die beiden Colonien namentlich. Strabo, welcher nicht lange vor ihm schrieb, sagt: »Es gibt dort einige kleine Städte, wie Blesino, Charax, Eniconiä und Vapanes.« Diese Namen finden sich sonst nirgend. Plinius hat wahrscheinlich unter jedem Castell eine Stadt verstanden. Ausführlich aber nennt Ptolemäus die Ortschaften und auch die Völker Corsica's; viele von seinen Benennungen sind noch heute wol erhalten oder leicht erkenntlich.

Auch haben die alten Schriftsteller über Charakter und Art des corsischen Landes wie Volks aus jener Periode einige Notizen. Ich stelle sie einfach hier zusammen, weil es merkwürdig sein muß, was sie sagen mit dem zu vergleichen, was im Mittelalter und heute von den Corsen berichtet wird.

Strabo sagt von Corsica: »Es wird schlecht bewohnt. Weil es rauh und meist unwegsam ist. Daher kommt es, daß diejenigen, welche die Berge bewohnen, vom Raube leben und unzähmbarer sind, als die wilden Thiere. Wenn die römischen Feldherren eine Unternehmung gegen die Insel machen und ihre festen Orte angegriffen haben, führen sie eine große Zahl von Sclaven mit sich hinweg; dann kann man in Rom mit Staunen sehn, welche Wildheit und Thierheit ihnen eigen ist. Denn sie nehmen sich entweder das Leben oder ermüden ihre Herren durch Trotz und Stumpfheit; so daß das Kaufgeld reut, auch wenn man sie um einen Spottpreis erstanden hat.«

Diodorus: »Als die Tyrrhener die corsischen Städte eine Zeit lang im Besitz hatten, forderten sie von den Eingebornen Tribut, Harz, Wachs, Honig, welche hier in Menge erzeugt werden. Die corsischen Sclaven von ausgezeichneter Natur, scheinen andern zum Lebensgebrauch vorzuziehn. Die ganze Insel ist großen Teils bergig, reich an schattigen Wäldern, von kleinen Flüssen bewässert. Die Einwohner leben von Milch, Honig und Fleisch. Das Leben bietet das Alles in Fülle. Die Corsen sind gerecht unter sich und menschlicher als alle anderen Barbaren anderswo. Denn findet man in den Bäumen der Berge Honigwaben, so gehören sie ohne Widerstreit dem ersten Finder. Die Schafe durch gewisse Merkmale gezeichnet, bleiben ihrem Herrn auch ohne daß er sie hütet. Auch in der übrigen Lebensordnung bewahrt ein jeder an seinem Platz die Regel des Rechtthuns auf bewundernswürdige Weise. Ungewöhnlich und neu ist bei ihnen die Sitte bei Kindergeburten. Denn um ein gebärendes Weib trägt man keinerlei Sorge. Sondern ihr Mann legt sich wie krank und leibesangestrengt an Stelle der Gebärenden für einige Tage ins Bett. Es wächst dort auch viel Buchsbaum und zwar nicht gemeiner. Davon schreibt sich die große Bitterkeit des Honigs her. Die Insel wird von Barbaren bewohnt, deren Sprache fremdartig und schwer verständlich ist. Die Zahl der Einwohner beläuft sich auf mehr als dreißig Tausend.«

Seneca: – »Denn von solchen absehend, deren anmutige Gegend und vorteilhafte Lage gar Viele anlockt, gehe an abgelegene Orte, auf rauhe Inseln, gehe nach Sciathus und Seriphus und Gyarus und Corsica: du wirst keinen Verbannungsort finden, wo nicht Einer oder der Andere aus Liebhaberei weilte. Wo kann man etwas so Nacktes, so auf allen Seiten Abgerissenes finden, als dieses Felseneiland? wo ist eines, das wenn man an Produkte denkt, nüchterner; wenn man auf die Menschen sieht, unwirtlicher; wenn man die Lage berücksichtigt, schauerlicher, oder wenn man auf das Clima sieht, unfreundlicher wäre? Und doch halten sich hier mehr Fremde als Einheimische auf.«

Nach allen Nachrichten der ältesten Schriftsteller muß man annehmen, daß Corsica damals ziemlich unbebaut, und an Naturprodukten außer seinen Urwäldern arm war. Daß Seneca übertreibt, ist offenbar und geht aus seiner Lage hervor. Strabo und Diodor sind entgegengesetzter Ansicht über das Naturell der corsischen Sclaven. Jener hat für sich die Geschichte und den bewährten Charakter der Corsen, welche sich immer als im höchsten Grade unfähig zur Sclaverei gezeigt haben, und kein schöneres Lob konnte ihnen Strabo nachrühmen. Was Diodor, welcher kenntnißreicher redet, von dem Rechtssinn der Corsen erzählt, ist so wahr, daß es durch alle Zeiten bestätigt wird.

Unter den Epigrammen aus Corsica, die Seneca zugeschrieben werden, befindet sich auch eins, welches von den Corsen sagt: »Ihr erstes Gesetz ist sich zu rächen, das zweite vom Raube zu leben, lügen das dritte, die Götter leugnen das vierte.«

Dies sind die wichtigsten Nachrichten der Griechen und Römer über Corsica.

Viertes Kapitel.

Corsica war im Besitz der Römer geblieben, von welchen es auch in späterer Zeit das Christentum empfing; bis der Sturz Roms die Insel aufs neue zu einer Beute meer- und landdurchfahrender Völker machte. Hier gibt es denn neue Völkeranschwemmungen und ein buntes Gemisch von Sprachen und Sitten, wie in der ältesten Zeit.

Es sind Germanen, byzantinische Griechen, Mauren, Romanen, welche die Insel überziehn. Doch hat sich das Romanische, ausgeprägt durch die Römer, verstärkt durch Scharen flüchtiger Italiener, als Grundcharakter der Corsen schon festgestellt. Die Vandalen kamen unter Genserich und behaupteten die Insel lange Zeit, bis sie Belisar vertrieb. Nachdem auch Gothen und Longobarden eingedrungen waren, fiel sie mit Sardinien in die Gewalt der Byzantiner und blieb beinahe zweihundert Jahre lang in ihrem Besitz. Aus dieser Zeit schreiben sich viele griechische Namen und Wurzeln her, welche Land und Sprache noch heute aufweist.

Die Herrschaft der Griechen war von türkischer Art. Sie schienen die Corsen als eine Heerde von Wilden anzusehn: sie belasteten sie mit unerschwinglichen Abgaben und zwangen sie um die Geldsummen aufzubringen selbst ihre Kinder zu verkaufen. Es beginnt nun für Corsica die Zeit unablässiger Kämpfe um die Freiheit des vaterländischen Bodens.

Im Jahre 713 erschienen die ersten Saracenenschwärme auf der Insel. Seit Spanien maurisch geworden war, überzogen die Muhammedaner alle Inseln des Mittelmeers mit Raub und Plünderung und gründeten an vielen Stellen langdauernde Herrschaften. Die griechischen Kaiser gaben den Westen preis, welcher hierauf an den Franken neue Schutzherren fand. Daß Carl der Große mit Corsica oder mit den Mauren daselbst zu thun hatte, geht auch aus seinem Geschichtschreiber Eginhard hervor, welcher erzählt, daß der Kaiser seinen Grafen Burkhard mit einer Flotte ausschickte, um Corsica gegen die Saracenen zu verteidigen. Auch sein Sohn Carl schlug sie bei Mariana aufs Haupt. Diese Kämpfe mit den Mauren haben sich in Sagen des Landes erhalten. In ihnen glänzt namentlich der römische Edle Hugo Colonna, Rebell gegen den Papst Stefan IV., welcher ihn nach Corsica schickte, um ihn und seine Genossen Guido Savelli und Amondo Nasica los zu werden. Colonna eroberte zuerst Aleria nach einem ritterlichen Kampf zwischen drei Paladinen und drei Mauren. Darauf schlug er den Mohrenkönig Nugalon bei Mariana und zwang alles heidnische Volk der Insel zur Taufe. Der corsische Chronist gibt diesem Hugo Colonna einen Neffen des Ganelon von Mainz zum Begleiter, und läßt ihn nach Corsica kommen, um die Schuld seines Hauses im Mohrenblut abzuwaschen.

Nun heißt es, daß der toscanische Markgraf Bonifacius, nachdem er die Saracenen bei Utica vernichtet hatte, heimkehrend an der Südspitze Corsica's landete und auf dem Kreidefelsen daselbst eine Festung baute, welche von ihm den Namen Bonifacio erhielt. Dies geschah im Jahre 833. Ludwig der Fromme übertrug ihm Corsica als ein Lehn. So macht die etrurische Küste zum zweiten Mal ihre Herrschaft über die nahe Insel geltend. Es steht fest, daß die toscanischen Markgrafen bis auf Lambert, den letzten in ihrer Reihe, Corsica verwaltet haben. Lambert starb im Jahre 951.

Nachdem hierauf Berengar und Adalbert von Friaul über die Insel geherrscht hatten, gab sie der Kaiser Otto der zweite dem Markgrafen Hugo von Toscana, seinem Anhänger. Die weiteren Umstände sind dunkel und bis auf die Herrschaft der Pisaner unentwirrbar.

In dieser Zeit etwa bis auf den Anfang des elften Jahrhunderts hat sich auch in Corsica, wie in den italienischen Ländern, ein trotziger Adel ausgebildet und in vielen Herrschaften verbreitet. Nur zum geringsten Teil mochte er corsischen Ursprunges sein. Vor den Barbaren geflüchtete italienische Große, longobardische, gothische, griechische oder fränkische Vasallen, Krieger die als Lohn für den Kampf gegen die Mauren Land und Lehenstitel sich erworben hatten, bildeten sich nach und nach zu erblichen Dynasten aus. Der corsische Chronist leitet alle diese Signoren von jenem Römer Hugo Colonna und seiner Genossenschaft her. Er macht ihn zum Grafen Corsica's und läßt von seinem Sohn Cinarco die berühmteste Signorenfamilie, die Cinarchesi, abstammen, von einem anderen Sohne Bianco die Biancolacci, von Pino einem Sohne Savelli's will er die Pinaschi ableiten, und so gibt es Amondaschi, Rollandini, Nachkommen des Ganelon und andere. Aus diesem Gewühl kleiner Tyrannen traten später einige Familien mächtig hervor, auf dem Cap Corso die Gentili und die Herren da Mare, jenseits der Berge die Herren von Leca, von Istria und Rocca, die von Ornano und von Bozio.

Fünftes Kapitel.

Lange Zeit ist die Geschichte der Corsen nichts als das blutige Gemälde der Tyrannei ihrer Barone und ihrer Kämpfe mit einander. Die Küsten wurden öde, die alten Städte Aleria und Mariana verlassen; die Strandbewohner flohen aus Furcht vor den Saracenen höher hinauf in die Berge, wo sie feste Castelle anlegten. In wenigen Ländern konnte es einen so grausamen und so rohen Adel geben, als in Corsica. Mitten in einer barbarischen und armen Bevölkerung, in einer rauh-felsigen Natur, ungebändigt durch das Gegengewicht bürgerlicher Thätigkeit, ungezügelt durch die Kirche, von der Welt und ihrem mildernden Verkehr abgeschnitten – man denke sich diese Herren in ihren Felsen hausen und die einmal auf Bewegung angewiesene Natur in Sinnenlust und Rauferei austoben lassen. In andern Ländern sammelte sich dem Adel gegenüber alles Gesetzliche, menschlich sich Entwickelnde in den Städten, gliederte sich in Zünfte, Rechte, Gemeinschaften und schloß sich zu einem Bürgerverband zusammen. Unendlich schwieriger war dies auf Corsica, wo es weder Handel noch Industrie, weder Städte noch einen Bürgerstand gab. Um so merkwürdiger ist die Erscheinung, daß ein Volk von rohen Bauern zu einer demokratischen Verfassung sich aufhilft, man möchte sagen auf patriarchalische Weise.

Die Barone des Landes, im fortwährenden Krieg mit dem gedrückten Volk der Dörfer und unter sich um die Herrschaft streitend, waren am Anfang des elften Jahrhunderts dem Herrn von Cinarca erlegen, welcher sich zum Tyrannen der Insel aufzuwerfen gedachte. So sparsam die Nachrichten sind, so müssen wir aus ihnen entnehmen. daß die Corsen im innern Lande den Baronen hartnäckigen Widerstand geleistet hatten. In Gefahr dem Cinarca zu erliegen, versammelte sich das Volk zu einem Landtage. Dies erste Volksparlament von dem wir in der corsischen Geschichte hören, wurde in Morosaglia abgehalten. Hier erwählten die Corsen einen tapfern Mann Sambucuccio von Alando zu ihrem Haupt, und mit ihm beginnt die lange Reihe corsischer Helden, welche durch Vaterlandsliebe und heroischen Mut groß gewesen sind.

Sambucuccio schlug den Herrn von Cinarca und warf ihn in sein Lehn zurück. Den Erfolg zu sichern errichtete er einen Landesbund, eine Eidgenossenschaft, wie unter ähnlichen Verhältnissen die Bergvölker in der Schweiz, doch ungleich später thaten. Alles Land von Aleria bis Calvi und bis Brando vereinigte sich zu einer freien Gemeinde und nahm den Titel Terra del Commune an, welcher ihm bis auf die jüngste Zeit geblieben ist. Die Einrichtung dieser Gemeine ging aus der natürlichen Einteilung des Landes hervor. Denn dieses wird durch sein Gebirgssystem in Täler gesondert, ähnlich einem Zellengewebe. In der Regel bilden alle in einem Tal stehenden Ortschaften einen kirchlichen Gemeindebezirk, welcher noch heute wie in ältesten Zeitenpieve(plebs) genannt wird. Jedepieveumfaßte eine gewisse Zahl von Communen oder Ortschaften (paese). Nun wählte zunächst jede Commune in ihrer Volksversammlung vor der Kirche einen Ortsvorstand oderpodestàund zwei oder mehrere Väter der Gemeine (padri del commune), wahrscheinlich wie es später Regel war auf ein Jahr. Diese Väter sollten ihrem Begriff gemäß für das Wol der Communen sorgen, Frieden stiften und die Schwachen beschirmen. Sie traten zusammen und ernannten einencaporale,welcher die Befugniß eines Tribuns hatte und ausdrücklich dazu bestellt war, die Rechte des Volkes zu vertreten. Wiederum kamen die Podestà zusammen und erwählten die »Zwölfmänner,« den höchsten gesetzgebenden Rat des Landesbundes.

So dürftig auch diese Nachrichten über Sambucuccio und seine Einrichtungen sind, so geht doch daraus hervor, daß die Corsen schon in so früher Zeit und aus eigner Kraft ein demokratisches Gemeindewesen zu schaffen vermochten. Diese Keime bildeten sich unter allen Stürmen fort, veredelten die rohe Kraft einer eiferartig geschaffnen Nation, erzeugten eine beispiellose Vaterlandsliebe und heroischen Freiheitssinn, und machten es möglich, daß zu einer Zeit, wo die großen Culturvölker des Festlandes in despotischen Staatsformen gebannt lagen, Corsica die demokratische Verfassung des Pasquale Paoli erzeugen konnte, welche entstand ehe Nordamerika sich befreite und ehe Frankreich seine Revolution begann. Corsica hatte keine Sclaven, keine Leibeigene; jeder Corse war frei, mitbeteiligt am Leben des Volkes durch die Selbstregierung seiner Commune und die Landesversammlung – und das ist nebst dem Rechtsgefühl und der Vaterlandsliebe der Grund der politischen Freiheit überhaupt. Die Corsen besaßen, wie schon Diodor es gerühmt hat, Rechtsgefühl, aber die verworrenen Verhältnisse ihrer Insel und die Fremdherrschaft, welcher sie bei ihrer Lage und Zahl sich nie entziehen konnten, ließen das Volk nicht zum Glück gedeihen.

Sechstes Kapitel.

Es erging Sambucuccio wie vielen andern Gesetzgebern. Seine Einrichtungen erlitten durch seinen Tod einen plötzlichen Stoß. Die Signoren kamen aus ihren Burgen hervor und warfen Krieg und Hader in das Land. Da wandte sich das Volk an den toscanischen Markgrafen Malaspina und stellte sich unter dessen Schutz. Malaspina kam nach der Insel, überwand die Barone und stellte die Ruhe wieder her. Dies geschah etwa um das Jahr 1020, und bis 1070 scheinen die Malaspina die Rectoren der Terra del Commune geblieben zu sein, während im übrigen Lande die Signoren herrschten. Auch der Papst, welcher seine Rechte auf Corsica von den fränkischen Königen ableiten wollte, griff in dieser Zeit in die Angelegenheiten der Insel ein. Es scheint sogar, daß er sie als Lehn austeilte und daß Malaspina mit seiner Bewilligung Graf von Corsica war. Den nächsten Anlaß sich ihrer zu bemächtigen nahm er dann von den corsischen Bistümern, deren mit der Zeit sechs eingesetzt worden waren, Aleria, Ajaccio, Accia, Mariana, Nebbio und Sagona.

Gregor der Siebente sandte den Bischof von Pisa, Landulph, nach Corsica, das Volk zu dem Beschlusse zu vermögen, sich der Kirche zu unterwerfen. Als dies geschehn war stellte er und sodann Urban der Zweite im Jahr 1098 Corsica als ein Lehn für ewige Zeiten unter das Bistum von Pisa, welches zum Erzbistum erhoben worden war. So hatten sich die Pisaner zu Herren der Insel gemacht und behaupteten sie, wenn auch unter fortwährenden Kämpfen und als ein sehr ungewisses Besitztum beinahe hundert Jahre hindurch.

Ihre Herrschaft war weise und gerecht; sie wird von allen Geschichtschreibern der Corsen gerühmt. Sie pflegten den Anbau des Landes, richteten Städte wieder auf, bauten Brücken und Straßen und Türme an den Küsten, und verpflanzten nach der Insel selbst ihre Kunst, wenigstens in der Architectur der Kirchen. Die besten alten Kirchengebäude Corsica's sind pisanischen Ursprungs. Alle zwei Jahre schickte die Republik Pisa einen Beamten nach der Insel, welcher unter dem Titel eines Richters (Giudice) Recht und Gesetz handhabte. Die von Sambucuccio eingerichtete Gemeindeverfassung blieb bestehen.

Indeß hatte Genua die pisanische Herrschaft aus dem benachbarten Corsica mit Eifersucht verfolgt und konnte seiner Nebenbulerin einen so vorteilhaften Besitz im Mittelmeer nicht lassen wollen. Schon als Urban der Zweite die Bischöfe Corsica's unter die Metropole Pisa stellte, protestirten die Genuesen, und mehrmals nötigten sie die Päpste jene pisanische Investitur wieder zurückzunehmen. Endlich gab Innocenz der Zweite im Jahre 1133 den Forderungen Genua's nach; er teilte die Investitur, indem er dem ebenfalls zum Erzbistum erhobnen Genua die corsischen Bischöfe von Mariana, Accia und Nebbio unterordnete, die Bistümer Aleria, Ajaccio und Sagona aber den Pisanern ließ. Die Genuesen begnügten sich mit diesem Abkommen nicht, sie trachteten vielmehr nach der ganzen Herrschaft über die Insel. Immer im Krieg mit Pisa benutzten sie eine günstige Gelegenheit, Bonifazio zu überfallen, als die Einwohner dieser Stadt bei einer Hochzeit sich belustigten. Honorius der Dritte mußte ihnen den Besitz des wichtigen Orts im Jahre 1217 bestätigen. Sie befestigten den unbezwinglichen Felsen, machten ihn zum Stützpunkt ihrer Herrschaft, gaben der Stadt Handelsfreiheiten, und bewogen dadurch viele genuesische Familien dorthin überzusiedeln. Bonifazio wurde die erste genuesische Colonie in Corsica.

Siebentes Kapitel.

Die Insel zerfiel bald in Parteien. Ein Teil der Einwohner war pisanisch gesinnt, ein anderer genuesisch; viele Signoren standen für sich; und wiederum behauptete die Terra del Commune ihre gesonderte Stellung. Die Pisaner von ihren mächtigen Feinden in Italien angegriffen und in die größeste Not gebracht, waren doch nicht willens Corsica preis zu geben. Sie ernannten einen Corsen aus der alten Familie Cinarca zu ihrem Leutnant und Giudice, und übergaben ihm die Verteidigung der Insel gegen Genua.

Dieser Mann hieß Sinucello und ist unter dem Namen Giudice della Rocca berühmt worden. Seine Vaterlandsliebe und sein Heldenmut, seine Weisheit und Gerechtigkeit haben ihm eine Stelle unter den Männern gegeben, welche in barbarischen Zeiten durch persönliche Tugend hervorragten. Die Cinarchesen waren, wie es heißt, von einem der päpstlichen Markgrafen nach Sardinien vertrieben worden. Einer ihrer Nachkommen war Sinucello. Nach Pisa ausgewandert, hatte er sich in Diensten der Republik hervorgethan. Auf ihn nun hofften die Pisaner. Sie ernannten ihn zum Grafen der Insel, gaben ihm Schiffe und sandten ihn im Jahr 1280 nach Corsica. Es gelang ihm mit Hülfe seiner Anhänger die genuesische Partei unter den Signoren zu überwältigen und die pisanische Oberhoheit herzustellen. Die Genuesen sandten vergebens Thomas Spinola mit Truppen ab; er wurde aufs Haupt geschlagen. Viele Jahre währte der Krieg; unermüdlich setzte ihn der tapfre Mann im Namen der Republik Pisa fort, auch nachdem diese die große Seeschlacht bei Meloria gegen Genua verloren hatte, in deren Folge die Macht der Pisaner unterging und auch Corsica nicht mehr zu behaupten war.

Die Genuesen bemächtigten sich jetzt auch der Ostküste der Insel. Sie übertrugen ihrem General Luchetto Doria deren Unterwerfung und die Vertreibung Giudice's. Aber auch Doria wurde von ihm geschlagen, und lange Jahre wußte sich der Held zu behaupten, im unausgesetzten Kampf mit den genuesischen Truppen und den Signoren des Landes, welches in Anarchie aufgelöst lag. Die Chronisten haben die nationalcorsische Gestalt des Giudice, eine Lieblingsfigur, mit vielen Sagen ausgestattet und seinen Kämpfen einen romantischen Charakter gegeben. So wenig das die Geschichte angehen mag, so bezeichnet es doch die Zeit, die Landesart oder die Menschen. Giudice hatte sechs Töchter an die angesehensten Männer des Landes verheiratet, sein erbitterter Feind Giovanninello ebenfalls sechs gleich wol versorgte Töchter. Dessen sechs Eidame verschwören sich gegen Giudice und tödten in einer Nacht siebenzig Streiter seines Gefolges. Dieses wird der Grund zu einer Spaltung der ganzen Insel in zwei Parteien, welche nun wie Guelfen und Ghibellinen sich befehden und 200 Jahre im Streit mit einander liegen. Giovanninello wurde nach Genua vertrieben; bald wieder zurückgekehrt baute er die Festung Calvi, die sich darauf den Genuesen ergab und ihre zweite Colonie auf der Insel wurde. Von der Gerechtigkeit Giudice's und von seiner Milde wissen die Chronisten Manches zu erzählen, wie folgenden Zug. Er hatte einst viele Genuesen gefangen und versprach allen denen unter ihnen die Freiheit, welche beweibt wären, nur sollten ihre Weiber selbst herüberkommen, sie zu holen. Es kamen die Weiber; einer seiner Neffen zwang eine Genuesin ihm eine Nacht zu schenken. Giudice ließ ihn auf der Stelle enthaupten und schickte seinem Versprechen gemäß die Gefangenen heim. So führt dieser Mann vorzugsweise den Namen »Giudice,« weil bei einem barbarischen Volk und in barbarischen Zeiten die Richtergewalt alle andere Macht und Tugend in sich vereinigt.

Im hohen Alter wurde Giudice blind. Er geriet in Zwist mit seinem Bastardsohn Salnese, welcher ihm einen Hinterhalt stellte, ihn gefangen nahm und an die Genuesen auslieferte. Als der alte Mann auf das Schiff gebracht werden sollte, warf er sich am Meeresstrand auf die Kniee und verfluchte feierlich seinen Sohn und dessen Nachkommenschaft. Giudice della Rocca starb zu Genua im Turm Malapaga im Jahr 1312. Der corsische Geschichtschreiber Filippini sagt von ihm, daß er einer der merkwürdigsten Menschen gewesen sei, welche die Insel hervorgebracht habe. Er war tapfer und geschickt in den Waffen, bewundernswürdig rasch im Ausführen seiner Unternehmungen, Vollstrecker der Gerechtigkeit, freigebig gegen die Seinigen und fest im Unglück – Charakterzüge, welche fast alle ausgezeichnete Corsen besessen haben. Mit Giudice zerfiel die Herrschaft der Pisaner in Corsica.

Achtes Kapitel.

Pisa trat die Insel an Genua ab, und dreißig Jahre nach dem Tode Giudice's fügten sich auch die Terra del Commune und der größte Teil der Signoren in diese Oberhoheit. Das Gemeindeland schickte Boten an den genuesischen Senat und sprach seine Unterwerfung mit der Bedingung aus, daß die Corsen keine andere Abgabe als zwanzig Soldi für jede Feuerstelle zahlen durften. Der Senat nahm dies an, und so ging im Jahr 1348 der erste genuesische Landpfleger auf die Insel. Es war Boccanera, ein Mann dessen Kraft und Einsicht gerühmt wird, und welcher während seiner einjährigen Verwaltung dem Lande Ruhe gab. Kaum aber war er von seinem Posten zurückgekehrt, als die Factionen aufs neue ihr Haupt erhoben. Denn die Herrschaftsrechte Genua's waren nicht unbestritten, weil der Papst Bonifazius der Achte schon im Jahre 1296, in Kraft der vorgeblichen Lehnsrechte des päpstlichen Stuls, Corsica und Sardinien dem König Jacob von Aragon zuerteilt hatte. Eine neue Macht, Spanien, in grauen Zeiten an Corsica beteiligt, schien ihren Einfluß auf die Insel geltend machen zu wollen, und so fanden diejenigen Corsen an dem Hause Aragon einen Rückhalt, welche die Herrschaft Genua's nicht anerkennen wollten.

Die nächste Periode zeigt auch die blutigsten Kämpfe der Signoren gegen Genua. Gleich nach dem Tode des Giudice war so viel Verwirrung entstanden und das Volk in so große Not geraten, daß der corsische Chronist sich verwundert, wie es sich nicht allgesammt erhob und auswanderte. Die Barone übten tyrannische Gewalt, einige auf ihre Faust, andere indem sie an Genua Tribut zahlten. Alle suchten zu herrschen, zu erpressen. Die Auflösung der Ordnung erzeugte damals eine schwärmerische Secte von Communisten, eine merkwürdige Erscheinung auf dem wilden Corsica, welche zu gleicher Zeit auch in Italien sichtbar wurde. Diese Secte machte sich unter dem Namen der Giovannali furchtbar. Sie entstand in dem Ländchen Carbini jenseits der Berge. Ihre Urheber waren Bastarde des Guglielmuccio, zwei Brüder Polo und Arrigo, Herren von Attalà. »In ihr, so erzählt der Chronist, waren die Weiber wie die Männer, und ihr Gesetz enthielt, daß alle Dinge gemein sein sollten, sowol die Weiber als die Kinder als Hab und Gut. Vielleicht wollten sie jenes goldne Zeitalter erneuern, von dem die Poeten dichteten, daß es zur Zeit des Saturn bestanden habe. Diese Giovannalen übten gewisse Büßungen auf ihre Weise aus und kamen Nachts in den Kirchen zusammen um ihre Opfer zu verrichten, wobei sie denn gemäß gewisser abergläubischer Vorstellungen und falscher Ceremonien, welche sie verrichteten, die Lichter verbargen und auf die unanständigste Weise sich ergötzten der eine mit dem andern, so mit dem Weib wie mit dem Mann, je nachdem sie Lust hatten. Polo war derjenige, welcher dies teuflische Volk leitete, das sich wunderbar zu vermehren anhob, nicht allein diesseits sondern auch jenseits der Berge allenthalben.«

Der Papst schickte Truppen nach Corsica; die Giovannalen, denen viele Signoren beigetreten waren, erlagen in ihrer Veste Alesani. Wo man einen Sectirer antraf, ward er todtgeschlagen. Gewiß ist diese Erscheinung merkwürdig; es ist möglich, daß die Idee von Italien herübergebracht wurde, und nicht auffallend, daß sie unter den zerrütteten Corsen, welche die Gleichheit der Menschen als etwas Natürliches betrachteten, eine so wunderbare Verbreitung fand, wie der Chronist sagt. Niemals schlug sonst kirchliche Schwärmerei oder gar Pfaffenherrschaft im Volk der Corsen Wurzel, und wenigstens von diesen Plagen blieb ihre Insel verschont.

Neuntes Kapitel.

Das von den Signoren zur Verzweiflung getriebene Volk wandte sich nach Boccanera's Abgange hülfesuchend nach Genua. Die Republik sandte Tridano della Torre auf die Insel. Er zwang die Barone und regierte sieben volle Jahre kräftig und in Frieden.

Hier tritt der zweite bedeutende Mann aus dem Geschlecht der Cinarca auf, Arrigo della Rocca, jung, kräftig, ungestüm, zum Herrschen geboren, hartnäckig wie Giudice, ebenso unerschöpflich in Ratschlüssen und gleich gewaltig in Waffen. Schon sein Vater Guglielmo hatte mit den Genuesen in Kampf gelegen, war aber von ihnen erschlagen worden. Der Sohn nahm den Kampf auf. Erst unglücklich verließ er sein Vaterland und wanderte nach Spanien, dem Hause Aragon seine Dienste anzutragen und es aufzustacheln, die Rechte in Anspruch zu nehmen, welche ihm der Papst zuerkannt hatte. Während Arrigo's Abwesenheit war Tridano umgebracht worden, die Signoren hatten sich empört, die Insel sich in zwei neue Parteien Caggionacci und Ristagnacci gespalten, und der blutigste Krieg war ausgebrochen.

Da erschien im Jahre 1392 Arrigo della Rocca so gut wie gar nicht gerüstet und gleichsam auf seine eigne Hand in Corsica, und wie er sich zeigte, lief ihm das Volk zu. Lionello Lomellino und Aluigi Tortorino waren damals Governatoren, in drangvoller Zeit zwei auf einmal. Sie versammelten einen Landtag in Corte, ratend und abmahnend. Arrigo indeß war schnell auf Cinarca gerückt, hatte die genuesischen Truppen geschlagen, stand vor Biguglia der Residenz des Gouverneurs, stürmte den Ort, versammelte das Volk und ließ sich zum Grafen von Corsica ausrufen. Bestürzt wichen die Befehlshaber nach Genua zurück, alles Land in den Händen der Corsen lassend mit Ausnahme von Calvi, Bonifazio und San Columbano.

Arrigo regierte die Insel vier Jahr lang unbestritten, kraftvoll, gerecht, doch grausam. Vielen, selbst seinen eigenen Verwandten ließ er die Köpfe abschlagen. Vielleicht erbitterte diese Härte, vielleicht war es der corsische Parteigeist, der ihm einen Teil des Volkes abwendig machte. Die Herren vom Cap Corso erhoben sich zuerst, im Einvernehmen mit Genua; doch zwang sie Arrigo mit den Waffen und drückte mit eisernem Arm jede Empörung nieder. Er führte in seinem Banner einen Greifen über dem Wappen von Aragon, ein Zeichen, daß er die Insel in den Schutz Spaniens gestellt habe.

Genua war in Verlegenheit. So viele Jahre hatte es um Corsica gekämpft und nichts gewonnen. Die Zeitumstände banden der Republik die Hände, so daß sie Corsica aufgeben zu wollen schien. Da vereinigten sich fünf Nobili zu einer Actiengesellschaft und machten dem Senat den Antrag, ihnen die Insel zu überlassen mit allem Vorbehalt der Oberhoheit von Seiten der Republik. Es waren die Herren Magnera, Tortorino, Fiesco, Taruffo, Lomellino. Sie nannten sich die Gesellschaft Mahona, ein jeder von ihnen Governator von Corsica, denn der genuesische Senat hatte in den Vertrag gewilligt.

Mit tausend Mann kamen sie auf die Insel, wo ihrer schon die mit Arrigo mißvergnügte Partei wartete. Sie richteten wenig aus, wurden vielmehr von dem tapfern Manne so sehr in die Enge getrieben, daß sie daran dachten sich gütlich mit ihm zu vergleichen. Arrigo ging auf den Vorschlag ein, ergriff aber nach kurzer Zeit wiederum die Waffen, weil er sich getäuscht sah, und nach einem blutigen Kampf schlug er die Mahona aus der Insel heraus. Eine Streitmacht, welche Genua darauf abschickte, war glücklicher. Sie nötigte Arrigo zum zweiten Mal auszuwandern.

Er ging wieder nach Spanien vom aragonischen König Unterstützung zu erlangen. Johann gab ihm bereitwillig zwei Galeeren und einiges Kriegsvolk, und so erschien der kühne Krieger nach zwei Monaten wiederum in Corsica. Er überwand und fing den genuesischen Governator Zoaglia und bemächtigte sich der ganzen Insel bis auf die festen Plätze Calvi und Bonifazio. Dies geschah im Jahr 1394. Die Republik schickte neue Befehlshaber und neue Truppen. Was nicht dem Schwert gelang, gelang dem Gift. Arrigo della Rocca starb plötzlich im Jahre 1401. Zu eben dieser Zeit erlag Genua dem französischen Könige Carl dem Sechsten. Er ernannte Lionello Lomellino zu seinem Lehnsgrafen der Insel. Es ist derselbe, welchem Corsica die Gründung seiner größten Stadt Bastia verdankt. Diese wurde Sitz der Governatoren, nachdem es vorher das nahegelegene Schloß Biguglia gewesen war.

Zehntes Kapitel.

Die Stelle Arrigo's begann jetzt ein Mann derselben Art einzunehmen. Bei sich gleich bleibenden Verhältnissen des Landes gleichen einander auch diese kühnen Menschen; sie bilden bis auf Paoli und Napoleon eine fortlaufende Reihe unermüdlicher, tragischer Helden, deren Geschichte mit Ausnahme des einen Mannes in Mitteln und Schicksalen so dieselbe ist, wie der Jahrhunderte lange Kampf der Insel gegen die Herrschaft der Genuesen ein und derselbe ist. Der Beginn der Laufbahn dieser Männer, welche alle aus der Verbannung hervorkommen, trägt jedesmal den Charakter des Abenteuerlichen.

Vincentello d'Istria war ein Neffe Arrigo's, Sohn einer seiner Schwestern und Ghilfuccio's, eines edlen Corsen. Auch er war in seiner Jugend an den Hof von Aragon gegangen, hatte dort Dienste genommen und durch glänzende Waffenthaten sich ausgezeichnet. Später hatte er mit aragonischen Schiffen einen glücklichen Corsarenkrieg gegen die Genuesen geführt und seinen Namen auf dem Mittelmeer schrecklich gemacht. Er beschloß eine Landung in seiner Heimat zu versuchen, wo der Graf Lomellino durch eine harte Regierung sich verhaßt gemacht hatte, und wo Francesco della Rocca, natürlicher Sohn Arrigo's, welcher im Namen Genua's die Terra del Commune als Vicegraf regierte, eine starke Gegenpartei fruchtlos bekämpfte.

Vincentello landete unvermutet in Sagona, zog schnell auf Cinarca, nahm Biguglia, versammelte das Volk und machte sich zum Grafen Corsica's. Francesco fiel durch Meuchelmord, aber seine Schwester Violanta, ein männliches Weib, griff zu den Waffen, bis sie von Vincentello überwunden ward. Auch Bastia ergab sich. Nun schickte Genua schleunig Truppen; nach zwei Jahren wurde Vincentello genötigt, Corsica zu verlassen, weil ein Teil der selbstsüchtigen Signoren mit Genua gemeine Sache machte.

Nach kurzer Zeit kehrte er mit aragonischen Völkern zurück, und wieder entriß er den Genuesen die ganze Insel bis auf Calvi und Bonifazio. Als ihm dies gelungen war, machte sich auch der junge König Alfonso von Aragon, unternehmungslustiger als seine Vorgänger, mit einer Flotte auf, die vermeintlichen aragonischen Rechte an die Insel mit Waffengewalt durchzusetzen. Er kam im Jahr 1420 von Sardinien her, legte sich vor Calvi und zwang diese genuesische Stadt sich ihm zu ergeben. Sodann segelte er vor Bonifazio. Während die Corsen seiner Partei diese unbezwingliche Festung von der Landseite bestürmten, griff sie die Flotte von der Seeseite an. Die Belagerung Bonifazio's ist durch den Heldenmut der Bürger berühmt geworden. Genua treu, meist selbst genuesischer Abkunft, blieben sie unerschütterlich wie ihre Felsen, und weder Hunger noch Pest, noch Feuer und Schwert beugten sie in langer Not. Alle Stürme wurden abgeschlagen. Lange Monate kämpften sie, auf Entsatz hoffend, und beugten den Stolz der Spanier, bis Alfonso endlich müde wurde und beschämt hinweg ging, indem er Vincentello die Fortführung der Belagerung überließ. Aber es kam der genuesische Entsatz und befreite die erschöpfte Stadt am Vorabend ihres Falles.

Vincentello ging zurück, und weil zu der Zeit auch Calvi wieder in genuesische Gewalt gefallen war, konnte sich die Republik noch auf beide Festungen stützen. Der König Alfonso machte seitdem keinen Versuch mehr, in den Besitz Corsica's zu gelangen. Vincentello auf seine eigne Mittel beschränkt, verlor nach und nach den Boden, weil die Ränke Genua's mehr ausrichteten als die Waffen, und der Hader der Signoren eine gemeinsame Erhebung verhinderte.

Die genuesische Partei war besonders auf dem Cap Corso stark, wo die Herrn da Mare viel Macht besaßen. Mit ihrer und der Caporali Hülfe, welche aus Volkstribunen allmälig zu Tyrannen ausgeartet waren und einen neuen Geschlechteradel gebildet hatten, warf Genua Vincentello zurück und beschränkte ihn auf sein Lehn Cinarca. Der tapfere Mann stürzte sich zum Teil durch eigne Schuld; wollüstig wie er war, entführte er ein junges Mädchen aus Biguglia, was zur Folge hatte, daß die Sippschaft derselben zu den Waffen griff und der Ort in die Hände des Simon da Mare fiel. Der unglückliche Vincentello beschloß nun, aufs neue die Hülfe Arragons anzugehen, aber Zacharias Spinola nahm die Galeere, welche ihn nach Sicilien bringen sollte, und brachte den schrecklichen Feind gefangen vor den Senat in Genua. Auf der großen Treppe des Gemeinde-Palasts schlug man Vincentello d'Istria das Haupt ab, im Jahr 1434. Er war ein ruhmreicher Mensch gewesen, wie der Chronist der Corsen sagt.

Elftes Kapitel.

Nach dem Tode Vincentello's stritten die Signoren um die Herrschaft. Simon da Mare, Giudice d'Istria, Renuccio de Leca, Paolo della Rocca, bald der eine, bald der andre, nannten sich Graf von Corsica. Von Genua her, wo die Fregosi und die Adorni die Republik zerspalten hatten, suchten beide Familien Corsica zum Besitztum ihres Hauses zu machen. Dies gab neue Kriege und neues Elend. Das Volk hatte kein Friedensjahr. Alles stand fortdauernd in Waffen, griff an oder verteidigte sich. Die ganze Insel war nichts als Brand, Empörung und Krieg.

Im Jahr 1443 trug ein Teil der Corsen die Herrschaft ihres Landes Eugen dem Vierten an, vielleicht daß die Kirche die Parteien bändigen und Ruhe stiften möchte. Der Papst schickte seine Bevollmächtigten mit Truppen, aber sie vermehrten nur die Verwirrung. Da sammelte sich das Volk zu einem Tage in Morosaglia und ernannte einen großherzigen Mann Mariano da Gaggio zu seinem Generalleutnant. Mariano überwand die verwilderten Caporali, warf sie aus ihren Felsentürmen, zerstörte deren viele und erklärte ihre Würde für abgeschafft. Ihrerseits riefen die Caporali den Genuesen Adorno ins Land. Das Volk stellte sich nun von neuem unter den Schutz des Papstes, und Nicolaus der Fünfte übertrug die Regierung der Insel dem Lodovico Campo Fregoso im Jahre 1449. Vergebens lehnte sich das Volk unter Mariano dagegen auf. Die Verwirrung noch zu mehren, erschien auch der Vicekönig Imbisora, im Namen Aragons Unterwerfung fordernd.

Das verzweifelnde Volk versammelte sich hierauf am Lago Benedetto und faßte den verhängnißvollen Beschluß, sich unter die Bank des heiligen Georg von Genua zu stellen. Diese berühmte Gesellschaft war im Jahre 1346 als eine Companie von Capitalisten gestiftet worden, welche der Republik Geld darlieh und dafür gewisse öffentliche Einkünfte empfing. Auf den Antrag der Corsen trat der genuesische Senat Corsica an jene Bank ab, und gegen ein Verzichtungsgeld gaben die Fregosi ihre Titel auf.

So übernahm die Companie des heiligen Georg im Jahr 1453 Corsica als eine Domäne, aus welcher möglichst große Einkünfte zu erzielen seien.

Aber es vergingen Jahre, ehe es ihr glückte, Herrin der Insel zu werden. Die Signoren jenseits der Berge leisteten im Bunde mit Aragon verzweifelten Widerstand. Mit Strenge verfuhren die Befehlshaber der Bank; viele Köpfe fielen, andere Edle wanderten ins Exil und sammelten sich um Tomasino Fregoso, welcher sich, seitdem sein Oheim Lodovico Doge geworden war, an die Ansprüche seiner Familie lebhaft zu erinnern begann. Er kam, begleitet von den Emigranten, warf die Truppen der Bank über den Haufen und setzte sich in Besitz eines großen Teils der Insel, nachdem ihn das Volk zum Grafen ausgerufen hatte.

Da fiel Genua im Jahre 1464 in die Gewalt des Franzesco Sforza von Mailand, und eine Macht, welche mit Corsica niemals etwas zu thun gehabt hatte, betrachtete jetzt die Insel als ihr Besitztum. Die Corsen, denen jeder andere als der genuesische Herr genehm war, schworen auf dem Tage in Biguglia den Eid in die Hände des mailändischen Hauptmanns Antonio Cotta. Aber auf demselben Tage gab ein Zwist die Veranlassung ganz Corsica wieder in Flammen zu setzen. Ein paar Bauern aus Nebbio waren mit den Leuten der Signoren von jenseits der Berge in Zank geraten; der mailändische Befehlshaber strafte die Schuldigen, und die dadurch in ihrem Herrenrecht gekränkten Signoren ritten wütend nach Hause, ohne ein Wort zu sagen. Man rüstete den Krieg. Diesen abzuwenden, versammelte sich das Volk des Gemeinlandes in der Casinca und ernannte Sambucuccio d'Alando, einen Abkommen jenes ersten corsischen Gesetzgebers, zum Vicar mit der Vollmacht, die Ruhe wiederherzustellen. Sambucuccio's Dictatur schreckte; man hielt sich ruhig; eine neue Versammlung sandte ihn und andere nach Mailand, die Lage der Dinge dem Herzog vorzustellen und um Abberufung Cotta's zu bitten.

Cotta wurde abgelöst durch den schlimmeren Amelia, welcher einen jahrelangen Krieg hervorrief. In allen diesen Stürmen hielt jene demokratische Terra del Commune, rings von den Signoren umgeben, fest zusammen, und sie stellte eigentlich das Volk der Corsen dar. Schon seit fast zweihundert Jahren geschah nichts Entscheidendes ohne die Volkstage (veduta).

Als nun der Krieg zwischen Corsen und Mailändern im vollen Gange war, erschien jener Tomaso Campo Fregoso wieder, sein Glück zu versuchen. Die Mailänder schickten ihn gefangen nach ihrer Stadt. Wunderlicher Weise kehrte er von hier zurück mit Diplomen, welche ihm im Wege des Rechts Corsica zusprachen, im Jahr 1480. Seine wie seines Sohns Janus Regierung war so grausam, daß sie nicht von Dauer sein konnte, obwol sie sich mit dem angesehensten Manne der Insel mit Giampolo da Leca verwandtschaftlich verbunden hatten.

Das Volk indeß ernannte Renuccio da Leca zu seinem Führer; dieser wandte sich an den Herrn von Piombino, Appiano den Vierten, und trug ihm Corsica unter der Bedingung an, daß er hinreichende Truppen schickte, um die Insel von allen Tyrannen zu befreien. Wie elend war die Lage des Volks, da es bald diesen bald jenen Despoten hereinrief, die eigenen Tyrannen noch durch Fremde vermehrend. Dem Herrn von Piombino schien es gut sein Glück auf Corsica zu versuchen, da er schon einen Teil Elba's in seiner Gewalt hatte. Er schickte seinen Bruder Gherardo di Montagnara mit einem kleinen Heer. Gherardo war jung und schön, von glänzender Art, von theatralischem Anstande. Er kam mit köstlichen Gewändern angethan, mit einem prächtigen Gefolge, mit herrlichen Pferden, Hunden, Musikanten und Gaukelspielern. Er that, als wollte er die Insel mit Musik erobern. Die Corsen, welche kaum das liebe Brod hatten, staunten ihn wie ein fremdes Wesen an, führten ihn auf ihre Volksversammlung an den Lago Benedetto und machten ihn mit großem Jubel zum Grafen von Corsica, im Jahr 1483. Die Fregosi verloren jetzt den Mut; ihre Sache aufgebend verkauften sie nach kurzer Zeit ihre Ansprüche an die genuesische Bank für zweitausend Goldscudi. Die Bank rüstete nun energisch den Krieg gegen Gherardo und Rinuccio. Rinuccio wurde geschlagen. Das erschreckte den Herrn von Piombino dermaßen, daß er eilig die Insel verließ.

Zwölftes Kapitel.

Wiederum erheben sich nach einander zwei kühne Männer, Genua zu bekämpfen. Giampolo da Leca war, wie wir gesehen haben, mit den Fregosi in Verwandtschaft getreten. Obwol diese Herren ihre Titel der Bank übertragen hatten, konnten sie doch den Verlust ihrer Herrschaft nicht verschmerzen. Janus reizte seinen Verwandten zur Empörung gegen den Governator Matia Fiesco. Giampolo begann den Krieg. Aber er sah sich genötigt die Waffen niederzulegen und mit Weib und Kind und Freunden nach Sardinien auszuwandern, im Jahre 1487.

Kaum verging ein Jahr, als er wieder erschien, gerufen von seinen Anhängern. Wiederum unglücklich entwich er zum zweiten Mal nach Sardinien. Mit Grausamkeit bestraften jetzt die Genuesen die Aufständischen; die Gährung wuchs; zehn Jahre lang schwoll der Haß. So lange saß Giampolo in seinem Exil, rachesinnend, die Augen immer auf seine mit Gewalt erdrückte Heimat gerichtet. Dann kam er wieder. Er hatte nicht Geld noch Waffen, vier Corsen und sechs Spanier waren sein alleiniges Heer, und mit demselben landete er. Das Volk liebte ihn, weil er edel und tapfer, und von großer Schönheit der Gestalt war. Es liefen ihm die Corsen sofort zu. die von Cinarca, von Vico, von Niolo und Morosaglia. Bald hatte er 7000 Mann zu Fuß und 200 zu Pferde, eine Macht, welche der Bank in Genua Schrecken einflößte. Sie schickte Ambrosio Negri, einen bewährten Feldhauptmann, auf die Insel. Negri wußte einen Teil der Partei Giampolo's an sich zu ziehn und namentlich Renuccio della Rocca, einen kühnen Edeln, zu fesseln. Giampolo's Macht zerrann, der Rest wurde am Paß del Sorbo geschlagen. Nachdem auch sein Sohn Orlando gefangen war, schloß er einen Vertrag, welcher ihm gestattete, auszuwandern. Mit fünfzig Corsen ging er wieder nach Sardinien, im Jahr 1501, im bittern Schmerz sein Leben zu vertrauern.

Giampolo's Fall war hauptsächlich die Schuld des Renuccio della Rocca. Dieser Mann, das Haupt der stolzen Familie Cinarca, erkannte, daß die genuesische Bank den Plan verfolgte, die Macht der Signoren, die besonders jenseits der Berge ihren Sitz hatten, auch im letzten Rest und für immer zu brechen, und daß an ihn selber die Reihe kommen werde. Dies erkennend stand er plötzlich in Waffen, im Jahr 1502. Der Kampf war kurz und für Genua glücklich, dessen Befehlshaber damals einer der Doria war, welche sich durch Kraft und Grausamkeit auszeichneten und denen allein es die Republik verdankte, daß der Adel Corsica's endlich gebrochen wurde. Nicola Doria zwang Renuccio zu einem Vergleich und legte ihm die Verpflichtung auf, mit Weib und Kindern fortan in Genua zu wohnen.

Noch immer saß Giampolo in Sardinien. Ihn fürchtete Genua vor allen und machte mehrmals Versuche, sich gütlich mit ihm zu vertragen. Sein Sohn Orlando war gerade aus dem Kerker entflohen und nach Rom gegangen, von wo aus er in seinen Vater drang, der stummen Thatlosigkeit sich zu entreißen. Dieser aber verharrte in seinem Schweigen und hörte weder auf die Einflüsterungen seines Sohnes noch auf die Genua's. Da verschwand plötzlich Renuccio von dort im Jahre 1504; Weib und Kinder ließ er dem Feind und ging heimlich nach Sardinien Giampolo aufzusuchen, welchen er ehedem in das Elend gestürzt hatte. Doch dieser ließ ihn nicht vor sich. Er wehrte auch den Bitten der Corsen, welche alle ihn erwarteten. Seine eigenen Verwandten hatten unterdeß seinen Sohn ermordet. Der Vicekönig hatte die Mörder gefangen und wollte sie hinrichten lassen, um Giampolo ein Zeichen der Freundschaft zu geben. Aber der edle Mann verzieh ihnen und bat um ihre Freilassung.

Renuccio sammelte indeß achtzehn entschloßne Männer und landete in Corsica, nicht zurückgehalten durch das Schicksal seiner Kinder, welche man gleich nach seiner Flucht in einen finstern Turm geworfen hatte. Nicola Doria säumte nicht ihn zu treffen und im ersten Anlauf zu überwältigen. Um ihn zu erschüttern ließ er seinem ältesten Sohne den Kopf abschlagen und drohte dem jüngsten ein gleiches zu thun, nur die flehentlichen Bitten des Knaben verhinderten die Unthat. Der unglückliche Vater, überall geschlagen, floh nach Sardinien, weiter nach Aragon. Doria aber wütete gegen alle die ihm angehangen; weite Strecken der Insel legte er wüst, die Dörfer niederbrennend und die Einwohner zerstreuend.

Renuccio della Rocca kam wieder im Jahr 1507. Er wollte eher sterben, als die Herrschaft Genua's auch nur von weitem sehn. Der unbeugsame Mann war ganz der Widerspruch zu dem verschlossenen, schmerzvollen Giampolo. Mit nur zwanzig Menschen betrat er sein Vaterland. Diesmal kam ihm ein anderer Doria entgegen, Andrea, der nachmals große Doge, welcher unter seinem Vetter Nicolò gedient hatte. Der corsische Geschichtschreiber Filippini verschweigt die Grausamkeiten nicht, welche Andrea in diesem kurzen Kampf beging. Es gelang ihm schnell, Renuccio zu erdrücken und ihn zu zwingen mit freiem Geleit sich ein zweites Mal nach Genua einzuschiffen. Als der Corse dort ankam wollte ihn das Volk zerreißen; schnell barg ihn der französische Gouverneur in sein Castell.