Der Kaiser Hadrian - Ferdinand Gregorovius - E-Book

Der Kaiser Hadrian E-Book

Ferdinand Gregorovius

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Beschreibung

Sehr wichtig wurde für Gregorovius, dass er sich der römischen Geschichte zuwandte. Einerseits war es die Gestalt des humanen Kaisers Hadrian, andererseits die des finsteren Tiberius , welche den Historiker und den Dichter in G. reizten. 1851 veröffentlichte G., ermuntert durch den Historiker Drumann, seine Studien über die Epoche Hadrians unter dem Titel: "Geschichte des römischen Kaisers Hadrian und seiner Zeit", und diese Schrift ist, wie er selbst im Vorwort zu deren zweiter Auflage gesagt hat, für ihn "der Wegweiser nach Rom" geworden.

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Der Kaiser Hadrian

Ferdinand Gregorovius

Inhalt:

Ferdinand Gregorovius – Biographie und Bibliographie

Der Kaiser Hadrian

Vorwort

Erstes Buch. Politische Geschichte.

Erstes Capitel.

Zweites Capitel.

Drittes Capitel.

Viertes Capitel.

Fünftes Capitel.

Sechstes Capitel.

Siebentes Capitel.

Achtes Capitel.

Neuntes Capitel.

Zehntes Capitel.

Elftes Capitel.

Zwölftes Capitel.

Dreizehntes Capitel.

Vierzehntes Capitel.

Fünfzehntes Capitel.

Sechzehntes Capitel.

Siebzehntes Capitel.

Achtzehntes Capitel.

Neunzehntes Capitel.

Zwanzigstes Capitel.

Einundzwanzigstes Capitel.

Zweiundzwanzigstes Capitel.

Dreiundzwanzigstes Capitel.

Vierundzwanzigstes Capitel.

Fünfundzwanzigstes Capitel.

Zweites Buch. Staat und geistiges Leben.

Erstes Capitel.

Zweites Capitel.

Drittes Capitel.

Viertes Capitel.

Fünftes Capitel.

Sechstes Capitel.

Siebentes Capitel.

Achtes Capitel.

Neuntes Capitel.

Zehntes Capitel.

Elftes Capitel.

Zwölftes Capitel.

Dreizehntes Capitel.

Vierzehntes Capitel.

Fünfzehntes Capitel.

Sechzehntes Capitel.

Siebzehntes Capitel.

Achtzehntes Capitel.

Neunzehntes Capitel.

Zwanzigstes Capitel.

Einundzwanzigstes Capitel.

Zweiundzwanzigstes Capitel.

Dreiundzwanzigstes Capitel.

Vierundzwanzigstes Capitel.

Fünfundzwanzigstes Capitel.

Der Kaiser Hadrian, F. Gregorovius

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN:9783849640767

www.jazzybee-verlag.de

www.facebook.com/jazzybeeverlag

[email protected]

Ferdinand Gregorovius – Biographie und Bibliographie

Deutscher Geschichtschreiber und Dichter, geb. 19. Jan. 1821 zu Neidenburg in Ostpreußen, gest. 1. Mai 1891 in München, studierte in Königsberg Theologie und Philosophie, trieb aber dann poetische und historische Studien, veröffentlichte seit 1841 mehrere belletristische Werke, unter andern »Werdomar und Wladislaw, aus der Wüste Romantik« (Königsb. 1845, 2 Tle.), dann die bedeutendere Arbeit: »Goethes Wilhelm Meister in seinen sozialistischen Elementen« (das. 1849), der die kleineren Schriften: »Die Idee des Polentums« (das. 1848) und »Die Polen- und Magyarenlieder« (das. 1849), folgten. Die Frucht gründlicher historischer Studien waren die Tragödie »Der Tod des Tiberius« (Hamb. 1851) und die »Geschichte des römischen Kaisers Hadrian und seiner Zeit« (das. 1851, 3. Aufl. 1884; engl., Lond. 1898). Im Frühjahr 1852 begab sich G. nach Italien, das er seitdem vielfach durchwanderte, und wo er sich bis 1874 aufhielt. 1880 unternahm er eine Reise nach Griechenland, 1872 nach Ägypten, Syrien und Konstantinopel. Seitdem lebte er abwechselnd in Rom und in München. Interessante Ergebnisse seiner Beobachtungen und Studien in Italien enthalten das treffliche Werk über »Corsica« (Stuttg. 1854, 2 Bde.; 3. Aufl. 1878; auch ins Englische übersetzt) und die u. d. T. »Wanderjahre in Italien« (5 Bde.) gesammelten, in wiederholten Auflagen erschienenen Schriften: »Figuren. Geschichte, Leben und Szenerie aus Italien« (Leipz. 1856), »Siciliana, Wanderungen in Neapel und Sizilien« (1860), »Lateinische Sommer« (1863), »Von Ravenna bis Mentana« (1871) und »Apulische Landschaften« (1877). Daran schloss sich »Die Insel Capri« (Leipz. 1868, mit Bildern von K. Lindemann-Frommel; 3. Aufl. 1897). Auch sein idyllisches Epos »Euphorion« (Leipz. 1858, 6. Aufl. 1891; von Th. Grosse illustriert, 1872) atmet südliche Luft und klassischen Geist. Er lieferte auch eine gelungene Übersetzung der »Lieder des Giovanni Meli von Palermo« (Leipz. 1856, 2. Aufl. 1886). »Die Grabdenkmäler der römischen Päpste« (Leipz. 1857, 2. Aufl. 1881; engl., Lond. 1903) sind eine Vorstudie zu seinem Hauptwerke, der »Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter« (Stuttg. 1859–73, 8 Bde.; 5. Aufl. 1903 ff.), worin er Rom als Residenz der Päpste und als Mittelpunkt der mittelalterlichen Geschichte mit geschichtlichem Verständnis und unter Würdigung seiner Bau- und Kunstdenkmäler behandelt. Die Stadt Rom beschloss die Übersetzung des Werkes ins Italienische (»Storia della città di Roma nel medio evo«, Vened. 1874–1876, 8 Bde.) und ernannte G. zum Ehrenbürger. Auch ins Englische wurde das Werk übersetzt. Später erschienen von ihm: »Lucrezia Borgia« (Stuttg. 1874, 2 Bde.; 4. Aufl. 1906; franz., Par. 1876; engl., Lond. 1904), eine Ehrenrettung der berüchtigten Frau; »Urban VIII. im Widerspruch zu Spanien und dem Kaiser« (Stuttg. 1879, von G. selbst ins Italienische übersetzt, Rom 1879); »Athenais, Geschichte einer byzantinischen Kaiserin« (Leipz. 1882, 3. Aufl. 1891); »Korfu, eine ionische Idylle« (das. 1882); »Kleine Schriften zur Geschichte der Kultur« (das. 1887–92, 3 Bde.) und »Geschichte der Stadt Athen im Mittelalter« (Stuttg. 1889, 2 Bde.). Auch gab er die »Briefe Alexanders v. Humboldt an seinen Bruder Wilhelm« (Stuttg. 1880) und einen von ihm aufgefundenen Stadtplan Roms (»Una pianta di Roma delineata da Leonardo da Besozzo Milanese«, Rom 1883) heraus. Nach seinem Tod erschienen: »Gedichte« (hrsg. vom Grafen Schack, Leipz. 1891), »Römische Tagebücher« (hrsg. von Althaus, Stuttg. 1892; 2. Aufl. 1894), »Briefe von Ferd. G. an den Staatssekretär Herm. v. Thile« (hrsg. von H. v. Petersdorff, Berl. 1894), »Ferdinand G. und seine Briefe an Gräfin Ersilia Caetani Lovatelli« (hrsg. von Siegmund Münz, das. 1896, die Zeit 1866–91 umfassend, nebst kurzer Biographie). Nach dem Tode seines Bruders vermachte G. seiner Vaterstadt sein Vermögen.

Der Kaiser Hadrian

Vorwort

Meine ersten Studien auf dem Gebiet der Geschichte sind der Epoche des Kaisers Hadrian gewidmet gewesen. Ich sammelte und vereinigte sie, von dem berühmten Geschichtsforscher Drumann dazu ermuntert, zu einem Buche, welches im Jahre 1851 bei Bon in Königsberg erschien, unter dem etwas kühnen Titel: »Geschichte des römischen Kaisers Hadrian und seiner Zeit.« Diese Schrift wurde alsbald für mich der Wegweiser nach Rom, wohin ich mich schon im Jahre 1852 begab. Dort aber erfaßte mich nicht der antike, sondern der mittelalterliche Genius der ewigen Stadt, und ich setzte die besten Kräfte und Jahre meines Lebens an die Geschichte Roms im Mittelalter.

Nun, da seit 1851 ein Menschenalter verflossen ist, das inhaltreichste unseres Jahrhunderts, so freut es mich nicht wenig, daß ich Muße fand, gegen das Erstlingswerk meiner Jugend und die daran geknüpften Erinnerungen einen Act der Pietät zu vollziehen, indem ich dasselbe in neuer Gestalt erscheinen lasse. Dies zu thun reizten mich auch meine Reisen in Hellas und dem Orient, wo ich mich oft genug auf den Wegen des großen Weltwanderers Hadrian befunden habe. Außerdem hat dieser merkwürdige Kaiser seit dem Erscheinen meiner Monographie weder in Deutschland noch im Auslande einen andern Biographen gefunden. Aber die rastlose Forschung der Wissenschaft hat neues Urkundenmaterial gesammelt und manches neue Licht auf jene römische Epoche geworfen, so daß heute die sehr trümmerhafte Ueberlieferung von dem Leben Hadrians vielfach ergänzt werden kann.

Mit Hilfe dieser Materialien, namentlich der Inschriften, habe ich meine Schrift erneuert, und zwar so sehr, daß eigentlich nur das Gerüste ihrer ursprünglichen Anlage stehen geblieben ist. Ich nenne diese Studien jetzt ein Gemälde der römisch-hellenischen Welt zur Zeit Hadrians, obwol ich fürchte, daß auch dieser Titel noch zu kühn sein wird. Im Angesicht der kärglichen Behandlung, welche die römische Kaisergeschichte nach den zwölf Cäsaren im Ganzen noch immer erfährt (und diese Zurückhaltung ist begreiflich genug), darf wol jeder ernsthafte Beitrag zu ihrer Aufklärung der Teilnahme aller Freunde der Geschichte versichert sein.

München, im November 1883.

Der Verfasser.

Erstes Buch. Politische Geschichte.

Erstes Capitel.

Ein altes Porträt Hadrians.

Ein römischer Geschichtschreiber aus der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts hat vom Kaiser Hadrian folgende Schilderung gemacht.

»Aelius Hadrianus war von italischem Geschlecht. Sein Vater gleichen Namens, ein Vetter Trajans, stammte aus Adria in Picenum, welches dem adriatischen Meer den Namen gegeben hat. Er regierte 22 Jahre. In der griechischen Literatur war er so gründlich unterrichtet, daß man ihn den ›kleinen Griechen‹ nannte. Die Studien, die Lebensweise, die Sprache und die gesammte Bildung der Athener hatte er sich vollkommen angeeignet. Er war Sänger und Musiker, Arzt, Geometer, Maler und Bildhauer in Erz und Marmor, fast ein zweiter Polyklet und Euphranor. Für alle diese Künste war er begabt. Einen Schöngeist so glänzender Art hat man nicht leicht unter Menschen gesehen. Unglaublich groß war sein Gedächtniß. Orte, Handlungen, Soldaten, auch abwesende, er wußte sie alle mit Namen zu nennen. Riesig seine Ausdauer. Alle Provinzen hat er zu Fuß durchwandert, seinen Begleitern vorauseilend. Da hat er die Städte im Reich hergestellt und ihren Stand gemehrt. Schmiede, Zimmerleute, Maurer, Architecten und allerlei Werkmeister zum Ausbau von Festungen und zur Verschönerung der Städte hat er wie Legionen in Cohorten abgeteilt. Er war niemals derselbe, ein vielförmiger Mensch, ein geborner Herrscher in Laster und Tugend. Seine Triebe hat er durch Kunst regiert. Neid, Bosheit und Ausgelassenheit, dreiste Schaudarstellung des eigenen Ich, wozu seine Natur geschaffen war, hat er mit Schlauheit zugedeckt und Enthaltsamkeit, Leutseligkeit und Milde geheuchelt, während er den Durst nach Ruhm verbarg, von dem er gequält wurde. Niemand war so schlagfertig, in Ernst und Scherz andre herauszufordern oder ihnen zu antworten. Verse gab er augenblicklich mit Versen, witzige Einfalle mit gleichen zurück, als ob er sich dazu vorbereitet gehabt hätte. Von vielen Königen erkaufte er in der Stille den Frieden, und laut rühmte er von sich, daß er mehr im Müßiggange, als andre mit Waffen erlangt habe.

Den Aemtern des Staates und Hofs, und auch dem Heerwesen hat er diejenige Form gegeben, welche noch heute fortbesteht, weniges abgerechnet, was Constantin verändert hat. Er lebte 62 Jahre. Sein Ende war jammervoll. So furchtbare Schmerzen an allen Gliedern quälten ihn, daß er oft seine vertrautesten Diener anflehte, ihm den Tod zu geben. Seine Teuersten bewachten ihn, damit er nicht selber Hand an sich legte.«

Ich habe dies Porträt vorangestellt wie einen Kupferstich. Es wird dem Aurelius Victor zugeschrieben. Es ist dürftig und ungeschickt, doch nicht ganz leblos, und immerhin das einzige zusammengefaßte Bildniß des Kaisers, welches uns aus alter Zeit überliefert ist. Im Ganzen enthält diese Skizze das Durchschnittsurteil der römischen Nachwelt über Hadrian, und von ihm gab es schon frühe eine günstige und ungünstige Auffassung. Sein Biograph Spartianus, welcher zur Zeit Diocletians schrieb, hat beide Ansichten ohne Kritik durcheinandergemischt. Sein »Leben Hadrians« ist die Hauptquelle der Geschichte dieses Kaisers nebst den Auszügen, welche der byzantinische Mönch Xiphilinos im elften Jahrhundert aus den Geschichtsbüchern des Dio Cassius gemacht hat.

Ueberall stehen als Charakterzüge des Kaisers fest: seine griechische Bildung, sein Universalgenie, seine Proteusnatur, sein Wissensdurst, sein Kunstenthusiasmus, dann sein rastloser Wandertrieb und seine Weisheit in der Verwaltung des Reichs.

Die moderne Auffassung der Weltgeschichte hat die Regierung Hadrians als den Beginn einer Epoche begriffen. Von den Antoninen, welche er selbst zu seinen Nachfolgern erwählt hatte, ist sie benannt worden. Man hat sie als das glücklichste Zeitalter des römischen Reichs, wenn nicht der Menschheit gepriesen. Sie glänzt noch heller durch die Summe der hellenisch-römischen Cultur, welche sie im Ramen des friedlichen Reichs zusammengefaßt hat, als durch die schwarzen Schatten, von denen sie begränzt ist. Diese Schatten sind rückwärts das ungeheuerliche Cäsarentum des ersten Jahrhunderts, und vorwärts die Barbarei, welche das Reich zerstören wird.

Die frevelhaften Despoten sind seit Nerva vom Cäsarentron verschwunden. Die Ausbrüche ihres Wahnsinns haben den innersten Grund der römischen Gesellschaft und das Gefüge des Staats erschüttert, aber die römische Virtus stellt sich mit Hilfe der stoischen Philosophie wieder her, und der römische Staat erreicht eine von Kraft strotzende Größe, deren Glanz die unheilbaren inneren Schäden verhüllt, an denen er krankt und endlich zu Grunde geht. Nach dem Tode Trajans sichern dreißig Legionen an den Gränzen des Reichs den Frieden der Welt. Die Provinzen haben sich an die Herrschaft Roms gewöhnt. Ihre Städte blühen wieder von Wolstand, und die Künste schmücken sie mit hellenischer Schönheit. Die Wissenschaften regen sich in einer Renaissance des Griechentums, und das Antlitz der christlichen Religion tritt deutlicher hervor. Ein Geist der Humanität durchweht die sich verwandelnde Welt. Die bürgerliche Gesetzgebung wird philosophischer und menschlicher. Die Privilegien der Aristokratie schwinden. Das Volk, die Sclaven, die Armen werden zum Gegenstande für die Sorge der Staatsregierung. Die Schranken der antiken Weltansicht fallen vor der Moral der Stoiker. Der Begriff der Nation erweitert sich im römischen Reich zu dem der Menschheit. Die Provinzen, in denen Octavian den Altar des Genius Roms als Symbol ihrer Dienstbarkeit aufgerichtet hatte, erlangen ihre Gleichberechtigung neben dieser furchtbaren Roma, welche sie mit Waffengewalt erobert und geknechtet hat. Das Reich der Römer ist eine Konföderation von Völkern, deren Bildung aus den majestätischen Strömen zweier Weltsprachen genährt wird. Wie die Nationen, so gehen auch die antiken Denksysteme und die Religionen eine kosmopolitische Verbindung ein. Aber diese Mischung versetzt die Geister in ruheloses Schwanken und macht sie mehr als je zur Beute des Mysterienwahns und des finstersten Aberglaubens. So grell liegen die Widersprüche in der Weltbildung des Reichs neben einander, daß diese zwischen Altertum und Christentum stehende Zeit ein römisch-hellenisches Mittelalter genannt werden könnte.

Zwei Naturen vereinigt in sich auch Hadrian. Er ist Römer und Grieche. Seine Künstlerseele schwärmt in den Schönheitsidealen der antiken Welt. Er will diese restauriren, soweit sie künstlerisch wieder herstellbar ist. Zugleich reformirt er als Römer die Institutionen der Monarchie, Verwaltung, Heer und Recht. Er legt die Grundlagen eines der veränderten Gesellschaft angemessenen Staats. Das Reich steht unter ihm im Zenith seiner Macht, und er schwelgt als ein universaler Geist in dessen Culturfülle. Eroberungen sucht er nicht. Er gibt die Provinzen Trajans den Parthern zurück. Kriege führt er nicht. Mars ruht auf seiner Waffenrüstung, und niemals ist er den Feinden Roms furchtbarer erschienen.

Die Aufgabe Hadrians ist, das Römerreich in einer starken Monarchie zusammenzuhalten und mit Wissen, Menschlichkeit und Schönheit zu erfüllen. Auf seinen Münzen steht das große Wort »Goldenes Zeitalter« und »Bereicherer der Welt«: Schmeicheleien des Senats, aber sie sind nicht ohne Wahrheit. Er selbst ist das Spiegelbild seiner Zeit, im Guten und Bösen, in Tugend und Laster. Seine rätselhafte Persönlichkeit erscheint menschlich bedeutender und psychologisch anziehender als die der philosophischen Antonine. Seiner Epoche hat er die Richtung gegeben und ihr den Stempel aufgedrückt, weniger seines Herrscherwillens, als seiner genialen, oft auch bizarren und theatralischen Leidenschaften.

Erst Hadrian hat die beiden Hälften der antiken Welt, Hellas und Rom, einander geistig näher gebracht. Ihre Verschmelzung war unmöglich, aber ihre kosmopolitische Verbindung im zweiten Jahrhundert ist ein wichtiges Lebenselement für die christliche Idee gewesen. Dieser Idee gab das Altertum Raum, indem es selbst zum Sterben reif geworden war. Es stralte schon im Scheiden begriffen noch einen letzten elektrischen Lichtglanz aus unter diesem geistreichen Sophisten auf dem Cäsarentron, welcher Athen erneuerte, den Tempel des olympischen Zeus, die Gründung des Pisistratus, vollendete, die griechische Beredsamkeit zu neuer Blüte brachte, und die Kunst berief, der Erde ihren vollen Schmuck zu geben. Als dann die künstliche Flamme, welche Hadrian auf dem Altar des Genius von Hellas entzündet hatte, erloschen war, entnüchterte sich die Welt. Sie wurde erst stoisch, dann christlich. Die Apotheose des Altertums aber hatte Hadrian vollzogen.

Zweites Capitel.

Lebensumstände Hadrians bis zur Tronbesteigung des Trajan.

Die Vorfahren des Publius Aelius Hadrianus sollen zur Zeit der Scipionen aus Hadria nach Italica in Spanien übergesiedelt sein. Diese Stadt der Provinz Bätica hatte Scipio im zweiten punischen Kriege gegründet, und erst Augustus zu einem Municipium gemacht. Sie blühte empor und wurde ein großer Ort. Zwei berühmte Kaiser gab sie dem Reich, Trajan und Hadrian. Ihre Ruinen zeigt man noch zu Santiponte, eine Stunde weit von Sevilla. Dort lebten die Aelier in angesehenen Verhältnissen. Ihr Geschlecht war der römischen Tribus Sergia zugeteilt.

Am 24. Januar 76, als Vespasian das Reich regierte, wurde Hadrian in Rom geboren. Sein Vater war P. Aelius Hadrianus Afer, ein vornehmer Mann senatorischen Ranges, ein Vetter Trajans. Seine Mutter Domitia Paulina stammte aus Gades, dem heutigen Cadix. Geschwister Hadrians sind nicht namentlich bekannt, außer der Paulina, die sich mit L. Julius Ursus Servianus vermälte.

In seinem zehnten Jahre verlor er den Vater und kam unter die Obhut des Ritters Cälius Attianus und des Exprätors Trajan. So brachten ihn Verwandtschaft und Vormundschaft in nahe Beziehung zu dem Glück eines künftigen Kaisers. In den Schulen Roms lernte der Knabe die Wissenschaften. Sein glänzend begabter Geist wurde besonders von der hellenischen Literatur bezaubert, so daß er darüber die lateinische Sprache vernachlässigte. Man gab ihm den Spottnamen »Gräculus«. Ob er auch in Athen studiert hat, ist ungewiß und wenig wahrscheinlich; denn schon in seinem fünfzehnten Lebensjahre kehrte er nach Spanien heim, wo er Dienste beim Heere nahm. Sein Vormund Trajan rief ihn bald nach Rom zurück, nicht nur weil er sich im Uebermaß der Jagdlust ergeben hatte, sondern wahrscheinlich wegen seiner Ausschweifungen überhaupt.

Die Jagd war eine seiner größesten Leidenschaften. Als rüstiger Fußgänger wie als Jäger fand er wenige seines Gleichen. Noch als Kaiser vermochte er zu Roß Löwen zu erlegen. Er verunglückte auf der Jagd, so daß er sich eine Rippe und das Schlüsselbein brach.

Die Leidenschaften der Jugend tödteten in Hadrian nicht den glühenden Drang nach Bildung. Er konnte diesen in Rom, der Hochschule alles Wissens, befriedigen. Er studierte hier mit den Gelehrten und Dichtern, er malte und meißelte in den Ateliers der Künstler. Kein Zweig des Wissens ist ihm fremd geblieben. Ein junger Mann von so viel sprühendem Leben, ein geistreicher Gesellschafter, mußte er in den vornehmen Kreisen Roms eine gesuchte Erscheinung sein und sich besonders die Gunst der feingebildeten Frauen des trajanischen Hauses erwerben, der Marciana, Plotina und Matidia.

Die glückliche Zeit der flavischen Kaiser Vespasian und Titus ging indeß vorüber, und das Antlitz eines brutalen Despoten, Domitians, verfinsterte nochmals die römische Welt. Da hat Hadrian die Tyrannei verabscheuen gelernt. Noch unter ihrem Druck hat er seine Laufbahn im Staat begonnen. Alle Stufen derselben hat er mühsam erstiegen. Er wurde zuerst, um das Jahr 93, Richter bei einem Tribunal in Privatsachen, bekleidete hierauf einige andre Aemter niedrigen Grades und wurde Tribun bei der von Vespasian errichteten zweiten Legion Adjutrix, welche wahrscheinlich damals in Britannien lag.

Domitian fiel am 18. September 96 unter den Dolchen der Verschwörer, und diese erhoben auf den Tron den edeln Senator Coccejus Nerva. Ein neues Zeitalter ging jetzt über der Menschheit auf. Die Majestätsprocesse wurden abgeschafft, die Kerker geöffnet, die Exilirten zurückgerufen. Was mit einander unvereinbar erschien, die Monarchie und die Freiheit, versöhnte Nerva nach dem Urteile des Tacitus. Ein Gott gab dann diesem von den Prätorianern und dem Pöbel Roms bedrängten Kaiser die einzige große Tat seiner Regierung ein: er adoptirte Trajan. In derselben Stunde wurde der Glücksstern Hadrians am Horizont sichtbar.

Er war damals Militärtribun bei der 5. Legion Macedonica im unteren Mösien. Von dort überbrachte er (im Jahre 97) die Glückwünsche des Donauheers an Trajan, welcher als consularischer Legat das obere Germanien verwaltete. Trajan behielt ihn bei sich als Tribun der 22. Legion. Der designirte Kaiser scheint die Verwaltung des ganzen Germanien übernommen zu haben, während an seiner Stelle Servianus, der Schwager Hadrians, Legat im oberen Germanien wurde.

Unterdeß starb Nerva am 27. Januar 98, und auf den Tron des Reichs sollte jetzt der erste Provinziale steigen, ein Bürger derselben spanischen Italica, welche die Vaterstadt Hadrians war. Dieser eilte nach Cöln, wo sich damals Trajan befand, um ihm als der erste die große Botschaft zu überbringen. Jedoch sein eigener Schwager hielt den Eilfertigen zurück; er ließ ihm sogar heimlich den Wagen zerbrechen, worauf Hadrian, ein schnellfüßiger Wandrer, kurz entschlossen, einen Eilmarsch nach Cöln machte, und die Boten jenes überholte. Servianus war ein ernster Mann, dem die geistreiche Art seines Schwagers nicht behagte. Dem neuen Kaiser hat er alsbald das wahrscheinlich sehr ansehnliche Schuldenregister des jungen Verschwenders vorgelegt. Vielleicht war er selbst ehrgeizig und gönnte Hadrian die Gunst Trajans nicht. Einst sollte er, noch im höchsten Alter, seinen Ehrgeiz mit dem Tode büßen.

Nur langsam hat Hadrian das Wolwollen Trajans erlangt, und dieses verdankte er hauptsächlich der Freundschaft der Kaiserin, die man dann in niedriger Weise verläumdet hat. Auch abgesehen von ihrem officiellen Preise im Panegyricus des Plinius, spricht alles dafür, daß Pompeja Plotina eine wahrhaft edle und königliche Frau gewesen ist. Als sie zuerst als Kaiserin den Cäsarenpalast betrat, wandte sie sich von den Stufen zu den Römern und sagte ihnen: »So trete ich hier ein, wie ich einst herauszugehen wünsche.« Nie hat sie als Augusta einen Tadel verdient. Ihren strengen Charakter bekunden noch heute ihre Büsten, welche ein Antlitz von finsterem, ja unnahbarem Ernste zeigen.

Der neue Kaiser verwaltete noch einige Zeit das wichtige Germanien, und erst in der zweiten Hälfte des Jahres 99 kam er nach Rom, wahrscheinlich von seinem Vetter begleitet. Daß Hadrian seine Neider und auch das Mißtrauen Trajans zu besiegen verstand, wurde bald offenbar. Denn um das Jahr 100 gab ihm dieser, von Plotina und seinem Freunde Sura dazu beredet, Sabina zum Weibe, die Enkelin seiner eigenen Schwester Marciana, deren Tochter Matidia sich mit L. Vibius Sabinus vermält hatte. So wurde Hadrian mit Trajan doppelt verwandt. Es verlautet nicht, daß Sabina jemals in die geistige Sphäre ihres Gemals eingetreten ist, und er selbst scheint sie nicht geliebt zu haben. Sie muß damals noch in sehr jugendlichem Alter gewesen sein.

Drittes Capitel.

Verhältnisse Hadrians während der Regierung des Trajan.

In Rom hatte Hadrian jetzt Gelegenheit genug, seinem Wissenstriebe Nahrung zu geben. Seit Nerva den Druck der Despotie vom Reich genommen hatte, war ein neues Leben erwacht. Tacitus hat dasselbe mit Jubel begrüßt. Die Briefe des jüngeren Plinius an seine Freunde lehren, wie zahlreich die Männer hoher Bildung waren und wie lebhaft die wissenschaftlichen Studien in Rom betrieben wurden. Hadrian hat noch die letzten namhaften Autoren der lateinischen Literatur persönlich gekannt, welche dann den Griechen das Feld räumte, Juvenal und Martial, Statius und Silius Italicus, und dieser ist, wie es scheint, sein eigener Landsmann von Italica her gewesen. Der große Tacitus lebte, nachdem sein Schwiegervater Agricola im Jahre 93 gestorben war, wieder in Rom, mit der Ausführung seiner literarischen Arbeiten beschäftigt, und hier schrieb er im Jahre 98 seine Germania. Er erlebte wahrscheinlich noch die Tronbesteigung Hadrians, und daß dieser schon lange vorher die Bekanntschaft eines solchen Mannes gesucht hatte, ist selbstverständlich.

So oft Hadrian in Rom war, hat er mit geistig hervorragenden Männern verkehrt, wie Caninius Rufus, Augurinus, Spurinna, Calpurnius Piso, Sossius Senecio, und Arrius Antoninus. Er befreundete sich mit dem Geschichtschreiber Sueton und mit dem Dichter Florus. Er hörte den Redner Quintilianus, einen Spanier von Geburt, und Dio Chrysostomus, welcher, von Domitian verbannt, als Freund Nervas und dann Trajans nach Rom zurückkehrte, wo er im Jahre 117 starb. Auch den edeln Plutarch hat erkennen gelernt, als derselbe zur Zeit Domitians in Rom Vorträge hielt.

Wie alles literarisch Bedeutende zog ihn auch die Kunst an, und für sie erblühte gerade unter der Regierung Trajans ein reiches Leben. Zum Kunstenthusiasten hatte sich Hadrian schon in seiner Jugend ausgebildet und dann später an den großartigen Schöpfungen Trajans mit Leidenschaft Teil genommen. Ihre Seele war der Architect Apollodorus, ein Grieche aus Damascus. Eine Anekdote ist uns aufbewahrt, welche erzählt, daß sich Hadrian einmal in ein Gespräch dieses großen Meisters mit dem Kaiser Trajan über einen Bauplan gemischt und der Künstler ihm spöttisch gesagt habe: »Gehe du lieber Kürbisse malen, denn von diesen Sachen verstehst du nichts.« Die Anekdote beleuchtet zu gleicher Zeit die künstlerischen Neigungen Hadrians, welcher damals Stillleben malte, sein persönliches Verhältniß zu den Bauplanen Trajans, und den Künstlerstolz Apollodors, des Bramante oder Michelangelo jener Zeit.

Im Jahre 101 erhielt Hadrian das Amt der Quästur. Dies war ein Schritt weiter in seiner Laufbahn wie in der Gunst Trajans; denn er wurde jetzt der Person des Kaisers beigegeben, dessen Reden er vor dem Senat zu lesen hatte. Da sein spanischer Accent belacht wurde, gab er sich Mühe, ihn zu verbessern, und er brachte es bald auch in der lateinischen Sprache zur Meisterschaft. Die glückliche Jugendzeit voll Studium und Genuß endete für Hadrian in demselben Jahre 101, in welchem Trajan eine neue Periode seiner Regierung begann, die der Kriege und Eroberungen. Die Dacier, denen er den von Domitian bewilligten Tribut verweigerte, fielen in das römische Gebiet ein, und Trajan brach von Rom auf, jene Völker zu züchtigen. Hadrian begleitete ihn in diesen ersten Krieg. Er nahm daran mit so viel Auszeichnung Teil, daß er zweimal militärische Ehrengaben erhielt.

Aus diesem siegreichen Feldzuge nach Rom im Jahre 103 zurückgekehrt, wurde er Curator der Acta des Senats, sodann im Jahre 105 Volkstribun, doch nur für wenige Monate, da er den Kaiser auch in den zweiten dacischen Krieg begleiten mußte, und hier befehligte er als Legat die erste minervische Legion. Der Feldzug endete mit der Eroberung Daciens, dessen mannhafter König Decebalus sich selber den Tod gab. Hadrian hatte seine Legion mit persönlicher Tapferkeit und Geschick geführt, und vielleicht sogar Feldherrntalente gezeigt, die man von ihm kaum erwartete.

Zum Zeugniß seiner Zufriedenheit schenkte ihm Trajan einen Demantring, welchen er selbst bei seiner Adoption von Nerva empfangen hatte, und diese Auszeichnung gab dem Günstlinge die erste begründete Hoffnung auf eine glänzende Zukunft.

Noch im Kriege abwesend, wurde er Prätor, und als solcher gab er nach seiner Rückkehr aus dem Donaulande im Jahre 106 dem römischen Volk Spiele auf Kosten des Kaisers, während dieser selbst seine dacischen Triumfe mit einer Verschwendung feierte, welche an die Zeiten des Domitian erinnerte. Die durch hundert drei und zwanzig Tage fortgesetzten Feste, wobei elftausend wilde Thiere gejagt wurden und zehntausend Gladiatoren in der Arena bluteten, werden Hadrian nachdenklich gemacht haben. Als Kaiser hat er dieses Beispiel nicht nachgeahmt.

Trajan ernannte ihn alsbald zum prätorischen Legaten des unteren Pannonien. Er sollte also eine große Provinz regieren und Zeugniß davon ablegen, daß er für die höchsten Aemter des Staates geeignet sei. Diese Probe fiel zur Zufriedenheit des Kaisers aus, denn Hadrian hielt die Sarmaten in Zaum, und erwarb sich durch militärische Zucht und Strenge gegen die Procuratoren solches Ansehen, daß er im Jahre 108 die Consulwürde erhielt.

Seither galt er als wahrscheinlicher Nachfolger des kinderlosen Trajan, welcher schon damals an seine Adoption gedacht zu haben scheint. Da sein Gönner L. Licinius Sura, der Generaladjutant des Kaisers, um diese Zeit starb, so erhielt Hadrian seine Stelle. Trajan zeichnete ihn mit Beweisen des Vertrauens aus, die Augusta Plotina begünstigte ihn, mächtige Freunde, die Senatoren Sosius Papus und Platorius Nepos, der Ritter Livianus und sein ehemaliger Vormund Attianus mühten sich für seine Größe, während andre seine Neider waren, wie Celsus, Nigrinus, Palma und Lusius Quietus, berühmte Staatsmänner und Generale Trajans. Die hergebrachte Laufbahn im Civil- und Militärdienst, welche zu den Gipfeln des Staates führte, hatte Hadrian durchgemacht, im Felde sich Achtung erworben, eine Legion mit Auszeichnung geführt, eine schwierige Provinz gut verwaltet. Die Zeit, in der er sich zum Regenten ausbildete, war groß, wie der Herrscher des Reichs, sein Meister, dessen Handlungen er aus der Nähe betrachtete. Eine Menge bedeutender Männer, welche die Regierung Trajans hervorgerufen hatte, umgab ihn.

All das wüste Wesen wahnsinniger Selbstsucht, welche ehedem die Despotenlaune an die Stelle der Staatszwecke gesetzt hatte, war unter Trajan von der Strömung mächtiger politischer Leidenschaften hinweggeschwemmt worden, denn dieser Herrscher hatte die Weltgeschichte wieder in hohe Wogen gebracht. Der Römergeist ging noch einmal triumfirend über die Erde, wie zur Zeit des Julius Cäsar und Octavian. Die römische Virtus stralte von Waffenruhm über fremde Völker, aber dieser wurde doch von dem Geiste einer weisen, die Welt umfassenden Verwaltung begleitet, während die Freiheit des Bürgers erhalten blieb. Nie hatte sich die Herrschaft der Römer weiter ausgedehnt; die sarmatische Donau hatte Trajan unterjocht, das Reich des Decebalus zerstört und Dacien zur Provinz gemacht. Im Morgenlande hatte er fabelhafte Länder bis zum roten Meer erobert und als Provinz Arabia dem Reiche hinzugefügt. Gefangene Barbarenfürsten zierten wieder die römischen Triumfe. Ihre plumpen Marmorgestalten mit Angesichtern voll düsteren Trotzes erinnern noch heute in Rom an die trajanische Zeit. Tausende von Künstlern stellten die neue Herrlichkeit der Monarchie in Prachtbauten dar. Im Jahre 113 wurde die Siegessäule auf dem Forum Trajans enthüllt, das unerreichte Muster für die Nachahmung ehrgeiziger Kriegsfürsten noch in der spätesten Nachwelt.

Es ist fraglich, ob die Lorberen des Eroberers jemals die Seele Hadrians mit Eifersucht erfüllt haben. Er hatte andere Ideale. Wenn er zwischen dem Ruhme Homers und Achills hätte wählen können, so würde er den des ersten vorgezogen haben. Die Ehre, welche er eben vom Volk der Athener empfangen hatte, wird er einem Triumfe gleich geachtet haben. Denn wie angesehen Hadrian als mutmaßlicher Tronerbe schon außerhalb Rom war, und wie er sich im besondern den Griechen als Philhellene wert gemacht hatte, bewies die Thatsache, daß ihn die Stadt Athen im Jahre 112 zu ihrem Archon erwählte. Sie stellte zugleich seine Ehrenbildsäule im Dionysostheater auf. Ihr Postament mit den Inschriften in griechischer und lateinischer Sprache ist dort noch heute erhalten, und es ist diese Urkunde, welcher wir die bestimmtesten Nachrichten über die staatsmännische Laufbahn Hadrians bis zu seinem Consulat verdanken.

Viertes Capitel.

Hadrian begleitet den Kaiser in den parthischen Krieg. Erhebung der Judenvölker. Lusius Quietus. Tod des Trajan und Adoption Hadrians.

Hadrian begleitete den Kaiser auch in den parthischen Krieg, aus welchem Trajan nicht wiederkehren sollte. Er war sein Legat im Generalstabe, und auch diese Auszeichnung verdankte er dem Wolwollen Plotinas. Die Ruhmsucht und der Ehrgeiz, sich den größten Königen der Welt gleich zu stellen, hatten sich des ehedem so maßvollen Trajan bemächtigt, und sie rissen ihn zu den gewagtesten Unternehmungen fort. Er nahm sich vor, die orientalische Frage zu lösen, das mächtige Partherreich, welches an die Stelle der Perserherrschaft getreten war, hinter den Tigris zurückzuwerfen und die Handelsstraßen nach Indien in Besitz zu nehmen. Es war ein Krieg der hellenisch-römischen Cultur gegen Altasien, eine Renaissance der Ideen Alexanders des Großen; aber am Orient ist Trajan gescheitert.

Vielleicht war dieser die damalige Welt aufregende Feldzug der einzige, welchem der Philhellene Hadrian eine ideale Seite abgewonnen hat. Der Kaiser brach von Italien im October 113 auf. Als er im Frühling 114 bei Antiochia, welches er zum Sammelplatz des Krieges bestimmt hatte, dem Zeus Kasios aus der dacischen Beute Weihgeschenke darbrachte, schrieb Hadrian dazu griechische Verse, worin er den Gott anrief, dem Kaiser den Sieg gegen die Achämeniden zu verleihen, damit er ihm zur Beute der Geten auch die der Arsaciden gesellen könne.

Nachdem erst Armenien und dann im Jahre 115 Mesopotamien erobert waren, überwinterte Trajan wieder in Antiochia, und diese Stadt zerstörte während seiner Anwesenheit ein Erdbeben am 13. December 115. Glänzende Siege unterwarfen ihm hierauf die Euphratländer. Er drang bis Babylon, nahm Seleucia am Tigris ein und die zweite parthische Hauptstadt Ktesiphon, schiffte den Strom herab bis in den persischen Golf, und verzichtete hier auf den verlockendsten aller Träume abendländischer Eroberer, Indien zu erreichen. Fast mehr als sechzehn Jahrhunderte sollten nach Trajan verfließen, bis dies Wunderland durch kühne und räuberische Abenteurer aus dem fernen Britannien unterjocht und geknechtet wurde.

Als Trajan im Winter 116 wieder in Babylon war, wandte sich das ungeheure Glück von ihm ab. Die in beiden Stromgebieten bezwungenen Völker erhoben hinter seinem Rücken die Waffen. Die Flammen dieses Aufstandes hatten die Judenstämme entzündet, welche seit lange in Mesopotamien und Babylonien saßen, zum Teil unter eigenen Fürsten, aber Vasallen der Parther, wie in Gordyene und Adiabene am Tigris, wo die Izaten regierten, ein zum Mosaismus übergetretenes Dynastengeschlecht, in Osroene, Naarda und Nisibis, und bis nach Arabien hin. Judenvölker erfüllten seit den Ptolomäern auch Aegypten und Cyrene, nicht minder die Insel Cyprus, seitdem Augustus die dortigen Kupfergruben dem Könige Herodes verpachtet hatte. In allen diesen Ländern erhoben sich die Judäer, von Messiashoffnungen trunken, und von der günstigen Gelegenheit des Partherkrieges aufgereizt zum Kampf wider die römischen Unterdrücker. Der Haß gegen die Zerstörer Jerusalems machte sie zu rasenden Kannibalen.

Die Landschaft Cyrene, welche schon unter Vespasian einen Judensturm erlebt hatte, wurde mit dem Blute der Griechen überschwemmt und zur Einöde gemacht. Die Empörer führte hier ein kühner Mann mit Namen Lukuas. In Aegypten selbst mußte sich das von den Aufständischen geschlagene Heer des Procurators Lupus nach Alexandrien zurückziehen, welche Stadt bei dieser Gelegenheit durch Feuer verwüstet wurde. Trajan war genötigt, den Marcius Turbo, einen der besten Freunde Hadrians, nach Aegypten mit Truppen abzuschicken. Der tapfere General erstickte hier mit vieler Mühe und furchtbarer Strenge die Rebellion der Juden und schiffte dann nach Cyprus, wo die gleichfalls empörten Hebräer unter ihrem Führer Artemion fast Herren der Insel geworden waren. Sie hatten sogar die Stadt Salamis zerstört, und, wenn dies glaublich ist, waren in diesem Aufstande 240,000 Griechen und Römer erschlagen worden. Auch dort wurde die Rebellion von Turbo bewältigt. Fortan blieb jedem Juden der Eintritt in Cypern bei Todesstrafe untersagt.

Es verlautet nicht, daß Hadrian an diesen Judenkriegen persönlich Teil genommen hat; vielmehr wird er in seiner Stellung als Generaladjutant in der Nähe des Kaisers geblieben sein. Dem kühnsten seiner Generale, Lusius Quietus, hatte Trajan in derselben Zeit die Bändigung der Judäer in den Euphratländern übertragen. Dieser furchtbare Krieger war einer der Häuptlinge der Berber oder Maurenstämme Africas, die im Schutzverhältniß zu Rom standen, und deren Dienste sich die kaiserliche Regierung durch Sold und Gunstbezeugungen zu versichern suchte. Es gab zu diesem Zweck in derMauretania Caesariensiseinen eigenen Procurator unter dem Titelad curam gentium. Der Berbernfürst war vollkommen romanisirt, wie das schon sein Name zeigt, er brannte von Ehrgeiz, unter der Fahne des Kaisers groß zu werden. Erst von den Römern mit Geringschätzung abgewiesen, hatte er Trajan im dacischen Feldzuge seine maurische Reiterei als Hilfstruppe zugeführt und sich durch Waffenthaten hervorgethan. Man glaubt ihn mit seinem wilden Kriegsvolk auf einem Relief der Trajanssäule abgebildet zu sehen.

Lusius Quietus vollzog seinen Auftrag in Mesopotamien mit africanischer Grausamkeit. Er nahm Nisibis wieder und Edessa, welches er zerstörte, und metzelte die Judäer zu Tausenden nieder. Die rabbinischen Schriftsteller haben deshalb den ganzen Judenkrieg Trajans nach dem Namen des Quietus benannt, und wie es scheint, auch auf das Land Judäa selbst ausgedehnt. Denn Trajan schickte, nachdem die Empörung in den Euphratländern bezwungen war, denselben General auch nach Palästina, und zwar nicht als Procurator, sondern mit der Vollmacht eines proconsularischen Legaten, und diese Auszeichnung des maurischen Abenteurers, welcher auch zumConsul suffectusernannt worden war, soll die Eifersucht Hadrians erregt haben.

Die Sendung des Quietus dorthin im Beginne des Jahres 117 stand im Zusammenhang mit den vom Kaiser genommenen Maßregeln zur Unterdrückung des Aufstandes in Aegypten und Mesopotamien. Denn Palästina war der geschichtliche und ideale Mittelpunkt des gesammten Judentums und Jerusalem das Ziel der jüdischen Erhebung im ganzen Osten, deren Endzweck doch nur die Wiederherstellung des Tempels und die Befreiung Israels vom Joch der Römer sein konnte. Auch war kaum daran zu zweifeln, daß gerade in Judäa der Hohepriester und sein Synhedrin die Fäden der Rebellion der Judenvölker gesponnen hatten. Als nun Trajan den Partherkrieg begann, wird er dazu auch aus den festen Plätzen Palästinas Truppen, wenn auch nur teilweise, abgerufen und so das Land entblößt haben. Das scheint wirklich mit der zehnten Legion Fretensis der Fall gewesen zu sein, welche noch von der Zeit des Titus dort ihre Garnison hatte.

Kein glaubwürdiger Geschichtschreiber redet von einem tatsächlichen Aufstande Judäas in jener Zeit, doch deutet Spartian die rebellische Gesinnung des von seinen Unterdrückern gepeinigten Landes an, und die Absendung des Quietus, des Würgengels der Juden in Mesopotamien, nach Palästina beweist mehr als die bloße Neigung dieser Provinz zum Aufstande. Der Maurenfürst kam nach Judäa, diesen wichtigen Schlüssel zwischen den Euphratländern und Aegypten fest zu halten, und sicherlich kam er mit Truppenmacht. Auch die zehnte Legion, oder was von ihr zum parthischen Kriege abcommandirt gewesen war, hat er dorthin zurückgeführt und sie als Legat befehligt.

Unterdeß war Trajan nach dem Euphrat zurückgekehrt. Erschüttert durch Mißerfolge, von der Felsenfeste Atra (ein berühmter Sonnentempel stand in ihr) zurückgeschlagen, krank von Mißmut und Anstrengung, am Orient verzweifelnd, dessen Bewältigung jenseits des Euphrat sich für die Römer als unmöglich herausstellte, trat der Kaiser im Frühjahr 117 seine Rückreise nach Italien an. Er ließ Hadrian in Antiochia, übertrug ihm als Legaten den Oberbefehl über Syrien und das orientalische Heer, und schiffte sich nach dem Westen ein. Unterweges aber zwang ihn sein Zustand, in Cilicien zu landen; er legte sich zu Selinus (dem heutigen Selindi) am Anfange des August zum Tode nieder.

Der nach so vielen Heldenkämpfen unter kühnen, wenn auch fantastischen Entwürfen in Asien sterbende Trajan hat an Alexander erinnert, zumal auch er keinen Nachfolger ernannt hatte. Seine berühmtesten Generale kämpften noch gegen die aufständischen Völker, und keiner kannte die Absichten des Kaisers. Sein Schwert konnte Priscus, Palma oder Quietus, oder Hadrian selbst aufnehmen, wenn einer und der andre der Stimme der Legionen versichert war. Der Augenblick war kritisch. Leicht konnte das Reich wieder in Anarchie stürzen, wie nach dem Tode des Nero. Immer scheint es rätselhaft, daß Trajan einer möglichen Katastrophe nach seinem Hinscheiden nicht längst durch eine Adoption vorgebeugt hatte, wie das von Nerva mit so glücklichem Erfolge geschehen war. Wenn er Musterung über seine Großen hielt, so konnte er nicht zweifeln, daß nur sein eigener Verwandter ihm nachfolgen dürfe. Er wußte, daß dieser eine starke Partei am Hofe besaß, und sicherer dastand als jeder andre Kronprätendent. Schwankte er noch in seinem Entschluß, Hadrian zu adoptiren, dessen unberechenbares Wesen ihm wahrscheinlich kein Vertrauen einflößte? Geliebt hat er ihn schwerlich, wenn auch die Macht, die er selbst in seine Hände legte, erkennen ließ, daß ihm keine andre Wahl übrig blieb, als diese. Gegner Hadrians, wie Laberius Maximus und Frugi Crassus, hatte Trajan exilirt und dem Palma und Celsus seine Gunst entzogen, während er jenem die höchste Auszeichnung, den Oberbefehl Syriens und des Heeres verlieh. Vielleicht zögerte er mit der Adoption, weil er sie in Rom selbst durch einen Act des Senats wollte vollziehen lassen. Jedoch seine Krankheit überraschte ihn, und der sterbende Kaiser hat dann zu Selinus den Vorstellungen der Augusta Plotina, der älteren Matidia und des Attianus, welche bei ihm waren, nachgegeben, und Hadrian wirklich adoptirt.

Trajan starb am 7. oder 8. August 117. Am 9. erhielt Hadrian in Antiochia eine Adoptionsurkunde und dann wurde am 11. desselben Monats der Tod des Kaisers kund gemacht.

Alsbald ist das Gerücht entstanden, daß zu Selinus ein betrügerisches Spiel durchgeführt worden sei. Dio behauptet, Hadrian sei von Trajan nicht adoptirt worden, sondern habe dem Attianus und der Liebe Plotinas sein erschlichenes Glück verdankt. Von seinem Vater Apronianus, welcher lange nach dem Tode Trajans Präfect Ciliciens gewesen war, will er vernommen haben, daß man den Tod des Kaisers absichtlich verhelte, bis die Urkunde geschmiedet und bekannt gemacht war. Auch Spartian kennt Gerüchte von Ränken Plotinas, die nach dem Tode des Kaisers Jemand unterschoben, der mit sterbender Stimme die Adoption ausgesprochen habe. Ist diese Urkunde wirklich gefälscht worden? Hat die Kaiserin sich zu einem ihrer unwürdigen Betruge hergegeben? Die Frage ist streitig, aber die glaubwürdigste Ansicht wird immer diese sein, daß Trajan noch in seiner letzten Stunde in die Adoption seines Vetters gewilligt hat.

Weil Hadrian am 9. August die Urkunde empfangen hatte, ist dieser Tag sein Adoptionsgeburtstag. Erst am 11. wurde der Tod Trajans bekannt gemacht. Dieser Tag ist daher derdies imperii, der Jahrestag seiner Tronbesteigung. Die Legionen, welche er als Legat Syriens, der damals wichtigsten Provinz des Reichs, befehligte, riefen ihn in Antiochia sofort zum Imperator aus, und er beschenkte sie mit einem doppelten Donativum, was ebensosehr als ein Geständniß seiner Freude, wie seiner Unsicherheit erscheinen konnte.

In derselben Stunde erließ Hadrian ein ehrfurchtsvolles Schreiben an den Senat, sich entschuldigend, daß er das Imperium ohne weiteres auf den Zuruf des Heeres angenommen habe, da doch das Reich nicht ohne Kaiser bleiben könne. Er bat um die Bestätigung seiner Wahl. Uebrigens war es rechtlich gleichbedeutend, ob das Imperium vom Heer oder vom Senat erteilt wurde.

Da die Asche Trajans in Selinus eingeschifft werden sollte, unter dem Geleit der Kaiserinwittwe, der Matidia Augusta und des Attianus, so begab sich Hadrian nach jenem Hafen. Das Trauerschiff ging in See, und er kehrte nach Antiochia zurück. Hier blieb er noch Monate lang, um die ganz verworrenen Angelegenheiten des Orients zu ordnen.

Fünftes Capitel.

Hadrian gibt die neu erworbenen Provinzen Trajans auf. Die Verhältnisse Judäas. Der Sturz des Lusius Quietus.

Rom hatte jetzt einen Kaiser, welcher Trajan, dem »Beßten« der Fürsten, blutsverwandt, aber nicht geistesverwandt war. Im Staat hatte man Hadrian bisher nicht als große Persönlichkeit hervortreten sehen. Die ganze Zeit von Nerva bis zum Ende der Antonine konnte freilich keinen Mann mehr aufweisen, der mit gewaltiger Kraft die Herrschaft errungen hätte, denn der Tron wurde zum Glück des Reichs durch Adoption besetzt, und der Glanz der Kaisermacht verdunkelte jede andre Persönlichkeit. Die politische Laufbahn hatte Hadrian mit Ehren, aber ohne besondern Ruhm durchgemacht. Lorbern, wie sie die Generale Trajans erworben hatten, zierten nicht sein Haupt. Man kannte ihn als einen der geistreichsten Männer Roms, als vornehmen Herrn von feinster Bildung, mit ausgesprochener Neigung für die hellenische Cultur, anscheinend mehr geschaffen, die Welt zu genießen, als sie zu regieren. Welche Charaktereigenschaften dieser »Grieche« auf dem Cäsarentrone entfalten werde, war Niemanden bewußt, aber dies wol offenbar, daß der neue Kaiser nicht der Mann sei, um die Reichsidee Trajans mit dem Schwert in der Hand fortzusetzen. Er wandte sich schon in der ersten Stunde davon ab. Er zeigte, daß er eine andre Richtung nehmen wolle, diejenige nämlich auf die Entwicklung der inneren Blüte des Reichs ohne Kriege und Eroberungen, innerhalb fester, durch die Legionen gedeckter Gränzen, die nicht weiter in das Schrankenlose auszudehnen seien.

In der Natur Hadrians lebte kein Trieb zu kriegerischer Größe. Wenn er die maßlosen Eroberungen seines Vorgängers fortsetzte, so würde er seine eigene Regierung mit unabsehbaren Kriegen begonnen und die schon stark geleerten Schätze des Reichs erschöpft haben, um am Ende den Ruhm doch nur den ehrgeizigen Generalen Trajans zu überlassen. Er entwarf das Programm seiner Friedenspolitik schon in Antiochia. Er verschmähte es, die orientalische Erbschaft seines Vorgängers anzutreten. Die neu erworbenen, aber unhaltbaren Provinzen jenseits des Euphrat beschloß er aufzugeben. Dieser Entschluß, den großen Impulsen Trajans Halt zu gebieten, war an sich von der Lage der Dinge geboten. Denn noch sein Vorgänger hatte es erleben müssen, daß es leichter sei, ferne Länder zu erobern, als sie zu behaupten; er hatte ihren Abfall erfahren, und als Hadrian die Regierung übernahm, befanden sich die Mauren, die Sarmaten, die Briten in Aufruhr, und Palästina, Cyprus und Cyrene mußten beruhigt werden. Trotzdem war die Verzichtleistung Hadrians kühn genug, weil sie unrömisch erscheinen mußte. Sie beleidigte die Kriegspartei, nach deren Ansicht das Reich nur durch Ausdehnung zu einem Weltreich erhalten werden konnte. Sie erbitterte die Generale und Officiere Trajans, welche von der Fortsetzung des Krieges im Orient Ehren und Reichtümer erwarteten, und jetzt die Adler Roms wie Besiegte zum Rückzug sich wenden sahen. Hier hat Hadrian gleich bei seinem Regierungsantritt sich als Mann von selbständigem und besonnenem Geist gezeigt. Die Mißstimmung seiner Gegner aber spiegelt sich noch in den Urteilen späterer römischer Geschichtschreiber ab, welche den Verzicht Hadrians auf die Eroberungen seines Vorgängers dem gemeinen Neide über dessen Größe zugeschrieben haben. Indeß hatte nicht schon Augustus es für zweckmäßig erkannt, die Wolfahrt des Reiches nach so vielen kriegerischen Erwerbungen nur im Zusammenhalten seines Besitzstandes zu suchen? Hatte er nicht auf die Provinz Großarmenien freiwillig verzichtet und sie dem Sohne des Artavasdes überlassen?

Hadrian machte den Euphrat zur Gränze der römischen Herrschaft in Asien, indem er Armenien, Mesopotamien und Assyrien aufgab, und nach getroffener Uebereinkunft mit den Parthern die Legionen von dort zurückzog. Er anerkannte Kosroes als König Parthiens; den Arsaciden Partamaspates, welcher von Trajan jenem Lande zum Fürsten aufgedrungen, aber von Kosroes bereits vertrieben worden war, entschädigte er durch die Herrschaft über andre Gebiete. Denn den Einfluß Roms hat er doch in jenen Euphratgebieten zu sichern gesucht. Auch jenseits des Stromes scheinen einige Könige die Oberhoheit des Kaisers anerkannt zu haben.

Von allen Erwerbungen Trajans behielt Hadrian nur Arabia Peträa, weil diese neue Provinz wegen ihrer Lage an den Gränzen Syriens und Judäas, am roten Meer und in der Nähe Aegyptens von großer militärischer und commerzieller Bedeutung war.

Der Aufstand der Judenvölker war bereits durch die Generale Trajans in Aegypten und Cyprus erdrückt worden. In Palästina jedoch dauerte die Aufregung fort, und hier schaltete noch mit eiserner Strenge als Statthalter Lusius Quietus. Man hat aus den Talmudisten und dem Buche Judith nachzuweisen gesucht, daß Quietus mit den Rebellen in Judäa wirklich Krieg geführt habe. Denn jenes merkwürdige Buch, die Verherrlichung des Judenvolkes und seines endlichen Sieges über die Feinde Israels, soll, wie man glauben will, aber nicht erweisen kann, in der hadrianischen Zeit entstanden sein. Ninive soll Antiochia, Judith Judäa, Nebukadnezar soll Trajan und Holofernes jenen grausamen Quietus vorstellen.

Die ganz unzuverlässigen talmudischen Quellen behaupten nun, daß Quietus Judäa zwar im Kriege bezwungen, aber daß der neue Kaiser seinem Wüten dort Halt geboten habe, worauf erst die Juden die Waffen gestreckt hätten, doch unter der Bedingung, den Tempel wieder aufbauen zu dürfen. Indeß keine Thatsache spricht für die Richtigkeit dieser rabbinischen Fabel, welche ein so großes Zugeständniß dem Kaiser von den Juden sogar mit den Waffen in der Hand abdrängen läßt. Nur die Friedensliebe Hadrians ist unzweifelhaft. Man darf glauben, daß ihn Gesandte auch des Synhedrin in Antiochia aufgesucht haben, um die Klagen und Wünsche ihres Landes ihm vorzutragen. Daß er aber selbst in Person von dort nach Jerusalem gereist sei, ist nicht glaublich, denn weder hatte er Zeit dazu, noch besaß Judäa nach dem Friedensschluß mit den Parthern eine so große politische Wichtigkeit, um Hadrian von allen seinen dringenden Geschäften abzuziehen.

Den Lusius Quietus aber hat er aus Palästina entfernt. Dio und Spartian haben gerade diesen Günstling Trajans als Gegenstand seines Hasses bezeichnet, und wol darf man glauben, daß der mächtige Mann sich in keinem Falle beeilt haben würde, die Proclamation Hadrians zum Kaiser anzuerkennen. Dieser nahm ihm, wie es scheint in der ersten Stunde seiner Regierung, die Legation Judäas, wie auch das Commando nicht nur über die dortigen römischen Truppen, sondern auch über sein eigenes maurisches Kriegsvolk, welches er mit sich geführt hatte. Er verbannte ihn aus Palästina. Vielleicht schickte er ihn nach Rom, um sich vor dem Senat zu verantworten, da er, wie Spartian sagt, ehrgeiziger Absichten auf den Tron verdächtig war. Nach Mauretanien aber, welches Land damals im Aufstande begriffen war, schickte er als Präfecten den Marcius Turbo, den Besieger der ägyptischen Juden, einen Mann von erprobtem militärischen Pflichtgefühl und unermüdlichem Eifer. Es ist unbekannt, welchem neuen Statthalter Hadrian die Stelle des Quietus in Palästina gegeben hat.

Der Sturz des verhaßten Maurenfürsten, welcher vom Blute Israels triefte, konnte von den Juden, wenn auch irrig, als ein Pfand des Wolwollens des neuen Kaisers aufgefaßt werden, zumal sein unrömischer Rückzug von der Politik Trajans ihre Messiashoffnungen beleben mußte. Sie jubelten; die blutigen Siege des Quietus in Mesopotamien waren nutzlos erfochten worden, denn sie sahen ihre Brüder dort vom Joch des »Tyrannus Trajanus« erlöst, nachdem Hadrian den Besitz jenes Landes aufgegeben hatte. Der Judenwürger selbst war entfernt worden, und bald erfuhren sie sogar seinen schmählichen Tod. Sie setzten ein Fest zum Andenken der Befreiung Israels ein. Daß sie auf Hadrian im Beginne seiner Regierung mit Hoffnung und Sympathie blickten, und von ihm eine bessere Wendung der Geschicke Judäas erwarteten, lehren Stellen der sibyllinischen Bücher, worin der Dichter, vielleicht ein alexandrinischer Jude, den Nachfolger Trajans verherrlicht, den trefflichen Herrscher, der von einem Meer den Namen hat; mit ihm werde ein neues Zeitalter des Glücks für Israel und Jerusalem beginnen.

Die Talmudisten behaupten nun, daß Hadrian den Juden wirklich das Versprechen gegeben habe, ihren Tempel als nationales Heiligtum wieder aufbauen zu lassen und die von Titus zerstörte Stadt wiederherzustellen. Die Entstehung dieser Sage unter den Juden ist erklärlich; aber einem römischen Kaiser nach Titus ein solches Versprechen an verachtete Judenrebellen zuzumuten, ist ganz sinnlos, denn dies wäre gleichbedeutend gewesen mit der Anerkennung der jüdischen Nation, welche Rom aus Staatsgründen vernichtet hatte. Derselbe Hadrian hat schließlich den Mittelpunkt des Judentums für ewige Zeiten ausgetilgt, indem er auf den Trümmern Jerusalems die römische Colonie Aelia Capitolina gründete. Den Plan dazu kann sogar schon Trajan gefaßt haben. Wenigstens muß er in Verbindung mit den letzten Rebellionen der Judenvölker des Ostens und im Zusammenhange mit dem Entschlusse Hadrians gedacht werden, die parthischen Eroberungen aufzugeben. Jerusalem war die stärkste aller Festungen Syriens gewesen. Titus hatte sie zerstört, und erst Hadrian hat diese Zerstörung als einen Fehler erkannt. Sobald er die Reichsgränzen hinter den Euphrat zurückzog und von den neuen Provinzen Trajans nur Arabia behielt, mußte er darauf bedacht sein, vom Euphrat bis zum roten Meere feste Plätze zu schaffen, welche Stützen der römischen Kriegsmacht gegen die Parther, die Beduinen Arabiens und die Judenvölker werden, und zugleich als Handelsemporien dienen konnten. Die neue Blüte der Städte Baalbek, Damascus, Palmyra, Bostra, Gerasa und anderer in der Trachonitis und dem transjordanischen Lande schreibt sich in der That von der Zeit Hadrians her. Es ist unnötig darzuthun, wie wichtig hier die Lage Jerusalems war auf der Hochfläche, welche die Pässe zum phönizischen Meer, zum Jordantal, dem Asphaltsee und zu den Karavanenstraßen Arabiens beherrscht. Hadrian also faßte den Plan, Jerusalem als römische Colonie herzustellen, aber erst spät hat er ihn zur Ausführung gebracht.

Von Rom empfing der Kaiser noch in Antiochia Gratulationsschreiben des Senats, welcher ihm nicht nur die Götterehren zum Gedächtniß seines Adoptivvaters, um die er gebeten hatte, bewilligte, sondern auch den parthischen Triumf an Stelle Trajans zuerkannte. Diesen lehnte er ab.

Die Partei der Opposition unter den Aristokraten, welche im Dienste Trajans groß geworden waren, konnte dem neuen Herrscher gefährlich werden. Es schien daher seinen Freunden gut, ihr sofort zu begegnen. Attianus hatte ihm schon in Selinus den Rat gegeben, verdächtige Gegner unschädlich zu machen. Als solche hatte er ihm den Stadtpräfecten Bebius Macer, den Laberius Maximus und Frugi Crassus bezeichnet. Aber Hadrian zeigte sich edler als seine Anhänger: er ging darauf nicht ein. Zu Präfecten des Prätorium machte er Attianus und Similis, einen der rechtschaffensten Männer seiner Zeit.

Sechstes Capitel.

Rückkehr Hadrians nach Rom über Illyricum. Krieg mit den Roxolanen. Ordnung der Verhältnisse in Pannonien und Dacien. Die Verschwörung und Hinrichtung der vier Consularen. Ankunft Hadrians in Rom, im August 118.

Nachdem Hadrian den Frieden im Orient gesichert und L. Catilius Severus zum Legaten Syriens ernannt hatte, verließ er Antiochia, um nach Italien zurückzukehren. Spartian sagt, daß er seinen Weg nach Rom über Illyrien nahm. Unter Illyricum begriff man zunächst die östlichen Küsten am adriatischen Meer, doch seit Trajan das große Ländergebiet längs der Donau bis nach Macedonien, Mösien, Pannonien, Dalmatien, Dacien und selbst Rhätien und Noricum. Hadrian schenkte diesen Provinzen schon deshalb seine Aufmerksamkeit, weil er in Mösien als Tribun gedient, Pannonien als Legat verwaltet und in Dacien an der Seite Trajans gekämpft hatte.

Die Zeit seines Aufbruchs von Syrien läßt sich nicht genau feststellen. Nur dies ist gewiß, daß von seinem Regierungsantritt bis zu seiner Ankunft in Rom ein ganzes Jahr verfloß. Deshalb erscheint die Vermutung gerechtfertigt, daß der Kaiser auf seiner Rückkehr aus Syrien einen Kriegszug gegen die Sarmaten und Roxolanen unternommen hat. Wenn diese Voraussetzung richtig ist, so ist Hadrian, nachdem er seine Truppen nach Mösien vorausgeschickt hatte, durch den Hellespont und Bosporus in die Donauländer gezogen, und nach Beendigung des Feldzuges aus irgend einem illyrischen Hafen nach Brundisium gesegelt.

Mösien, eine in zwei Verwaltungsbezirke geteilte kaiserliche Provinz, welche die Donau von Dacien und der Hämus von Thracien trennte, hatte für das Reich nicht geringe Wichtigkeit als Gränzland am schwarzen Meer, wo die unruhigen sarmatischen Völker vom Dniepr nach den Donaumündungen vorzudringen suchten. Sie reichte seit Nero über Tyras, die Colonie Milets, bis zu den Gebieten der bosporanischen Könige, gegen deren Angriffe die Reste der freien Griechenstädte am Nordrande des Pontus Euxinus nur durch die benachbarten römischen Truppen verteidigt werden konnten. In Trösmis deckte die 5. macedonische Legion die Donaumündung, während in Tomi und Odessus (Varna) eine kleine Flotte von Kriegsschiffen aufgestellt war.

Die Roxolanen hatten damals mit den Jazygen gemeinschaftliche Sache gemacht, um in die Provinzen Mösien und Dacien einzufallen, und deshalb sah sich Hadrian gezwungen, einen Feldzug gegen sie zu unternehmen. Indeß zu einem ernstlichen Kriege ist es nicht gekommen; vielmehr scheint der Kaiser jene Barbaren durch das bloße Schauspiel seiner Heeresmacht und ihre taktische Fertigkeit – die batavische Reiterei ließ er in Waffen durch die Donau schwimmen – so geschreckt zu haben, daß sie sich unterwarfen und ihn zum Schiedsrichter ihrer eigenen Streitigkeiten annahmen. Der Grundsatz, welchem Hadrian in seinem Verhalten zu Barbarenfürsten immer gefolgt ist, war dieser, sie nicht durch Kriegsgewalt, sondern durch Unterhandlungen zur Ruhe zu bringen. Er bewilligte ihre Forderungen, wo er sie als gerecht erkannte, und schon seit langer Zeit hatte sich die römische Regierung dazu bequemt, solchen Fürsten Pensionen zu zahlen. Der Roxolanenkönig Rasparasanus, einer dieser von Rom besoldeten Häuptlinge, hatte sich beschwert, daß ihm seine Stipendien verringert worden seien; Hadrian gewährte ihm die Fortsetzung der Zahlungen, aber er machte ihn auch für immer unschädlich. Der sarmatische König mußte um die Ehre bitten, in dieGens Aeliaaufgenommen zu werden, und fortan scheint er als römischer Staatspensionar mit seiner ganzen Familie zu Pola in Istrien in der Verbannung gelebt zu haben.

Hadrian verstärkte die römischen Standlager in Untermösien, aber es bleibt ungewiß, ob er dies schon im Jahre 118 oder erst später gethan hat. Münzen und Inschriften beziehen sich auf die dortige Thätigkeit des Kaisers. Mösien wurde unter seiner Regierung von Dalmatien abgetrennt und zu einem besondern Verwaltungsbezirk gemacht.

Auch mit der Ordnung der Dinge in Pannonien und Dacien jenseits der Donau war der Kaiser damals beschäftigt. Er rief den Marcius Turbo aus Mauretanien ab und übertrug ihm die zeitweilige Verwaltung dieser consularischen Provinzen, indem er ihm zugleich die Würde eines Präfecten Ägyptens verlieh, um seine Autorität zu erhöhen. Dacien hat Hadrian, ungewiß in welcher Zeit, in zwei Bezirke (inferiorundsuperior) geteilt und einem prätorischen Legaten übergeben. Und doch hat man ihm den Plan zugeschrieben, auch diese Provinz, die wichtigste aller von Trajan gemachten Eroberungen, aufzugeben, und zur alten Donaugränze zurückzukehren. Nur die Vorstellungen seiner Freunde, daß die römischen Colonisten, welche sein Vorgänger dort in großer Zahl angesiedelt hatte, rettungslos der Wut der Barbaren zum Opfer fallen würden, sollen ihn bewogen haben, Dacien festzuhalten.

Indeß ein Blick auf das so schnell romanisirte und von mehreren Legionen gedeckte Land würde hingereicht haben, Hadrian zu überzeugen, daß diese Donauprovinz als ein Bollwerk des Reichs und namentlich Italiens römisch bleiben müsse. Deshalb ist auch die Sage nicht glaublich, daß er die große Donaubrücke Trajans bei Turn Severin und Arsova, den bewunderten Bau des Architecten Apollodorus, bis auf die Pfeiler habe abtragen lassen, um die barbarischen Völker von Einfällen in die Länder am rechten Stromufer abzuhalten.

Das Werk der Colonisirung des großen Donaulandes wurde auch unter der Regierung Hadrians eifrig fortgesetzt, und das beweisen dortige Denkmäler. Die von Trajan gegründete Colonie Ulpia Sarmizegethusa (ihre Ruinen zeigt man heute bei Varhely in Siebenbürgen), die Hauptstadt Daciens und der Sitz des Augustuscultus, setzte dem Kaiser Hadrian eine Ehrenstatue, deren Inschrift seinen zweiten Consulat (118) verzeichnet.

Während er noch in den Donauländern beschäftigt war, bildete sich eine Verschwörung gegen seinen Tron und sein Leben. Getäuschter Ehrgeiz verführte einige der bedeutendsten Männer Roms zu dem Versuch, den Nachfolger Trajans durch eine Umwälzung zu stürzen, welche, wenn sie gelungen wäre, die Welt um das glückliche Zeitalter der Antonine würde gebracht haben. Als Häupter dieser Mißvergnügten galten die Consularen Lusius Quietus, Publilius Celsus, Avidius Nigrinus, und Cornelius Palma, der ruhmgekrönte Eroberer der Provinz Arabia. Sie vertraten die militärische und politische Schule Trajans, deren Grundsätze der neue Kaiser, ein Emporkömmling ohne Kriegsruhm und ein Günstling der Weiber, verläugnete. Diese Großen, alte Nebenbuler Hadrians, waren durch ihre Dienste wol berechtigt ehrgeizige Hoffnungen zu nähren. Wenn auch Trajan niemals den Gedanken hatte, dem maurischen Abenteurer Quietus die Nachfolge im Reiche zu bestimmen, so hatte er den kühnen Mann doch so groß gemacht, daß Hadrian ihn fürchtete und exilirte. Im besondern war Nigrinus als möglicher Tronerbe Trajans bezeichnet worden. Noch in der letzten Zeit dieses Kaisers hatte er Achaja als Proconsul verwaltet. Seine Tochter war mit Ceionius Commodus vermält, welcher einst als Aelius Verus der Adoptivsohn Hadrians und der Vater des Kaisers Lucius Verus werden sollte.

Keiner dieser Großen stand an der Spitze trotzender Legionen, keiner hatte die Prätorianer für sich, noch den Senat, welcher im Gegenteil von den Versprechungen und Schmeicheleien Hadrians bezaubert war. Da alle thatsächlichen Umstände dieser Opposition für uns dunkel geblieben sind, erscheint sie aus der Ferne gesehen so ohnmächtig oder so sinnlos, daß es aussieht, als hätten erst die guten Freunde des Kaisers dem Mißvergnügen jener Männer den Charakter einer Staatsverschwörung angedichtet. Es hieß, daß Hadrian auf der Jagd oder beim Opfer sollte ermordet werden, und daß der Plan verraten ward. Der dienstfertige Senat beeilte sich, dem Kaiser ein Zeugniß seiner Ergebenheit abzulegen, indem er die Unglücklichen ergreifen und sofort hinrichten ließ. Palma fand den Tod in Tarracina, Celsus in Bajä, Quietus an einem ungenannten Ort auf der Reise, und Nigrinus in Faventia. Auch die Verschiedenheit des Orts ihrer Hinrichtung muß Verdacht erregen, denn entweder ergriff man die Consularen, als sie sich auf der Flucht zerstreut hatten, oder man überraschte jeden einzeln da, wo er sich eben befand.

Als Hadrian die Kunde dieser Vorgänge empfing, konnte er dem Senat danken, weil er ihm selbst eine Blutschuld erspart oder doch die Möglichkeit geboten hatte, solche von sich abzuwälzen. In seiner verlorenen Selbstbiographie soll er behauptet haben, der Senat habe wider seinen Willen den Tod jener Großen anbefohlen. Dies konnte möglich sein; unter Trajan war nur ein einziger Senator verurteilt worden, und dieser vom Senat selbst ohne Wissen des Kaisers. Ganz besonders hat Hadrian die Blutschuld den Ratschlägen des Präfecten Attianus zugeschrieben. Ob aber diese Ratschläge dem Senat oder ihm selber gegeben waren, ist zweifelhaft geblieben. Spartian spricht sich darüber nicht aus, während Dio durchblicken läßt, daß er den Kaiser nicht für unschuldig hält. Die Mächtigsten der Gegner hatten ihm seine diensteifrigen Freunde hinweggeräumt, und dieser blutige Act warnte die Uebrigen. Grausamkeit lag sonst nicht in der Natur Hadrians. Er ist bis an sein Ende, wo seinem Argwohn wieder einige Große zum Opfer fielen, der humanste Fürst gewesen.