Römische Tagebücher 1852-1889 - Ferdinand Gregorovius - E-Book

Römische Tagebücher 1852-1889 E-Book

Ferdinand Gregorovius

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Beschreibung

1892 gab ein langjähriger Freund von G., Friedrich Althaus, die ihm schon früher anvertrauten "Römischen Tagebücher" von heraus - einerseits eine wichtige Fundgrube für die Lebensgeschichte von G. selbst und besonders für die Entstehung seines ersten Hauptwerkes, andererseits eine Geschichtsquelle ersten Ranges für die welthistorischen Ereignisse von 1854 bis 1872 in Rom und in Italien, wie für die Kenntnis der großen Anzahl von Persönlichkeiten aus allen Kreisen und Nationen, mit denen G. während seines langen Aufenthaltes in Rom in Berührung gekommen war, deren Wesen und Art er in prägnanter Kürze scharf umrissen zeichnete - immer geistreich und interessant, wenn auch manchmal zum Widerspruch herausfordernd.

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Römische Tagebücher (Auszüge 1852 – 1889)

Ferdinand Gregorovius

Inhalt:

Ferdinand Gregorovius – Biographie und Bibliographie

Römische Tagebücher (Auszüge 1852 – 1889)

1852

1853

1854

1855

1856

1857

1858

1859

1860

1861

1862

1863

1864

1865

1866

1867

1868

1869

1870

1871

1872

1873

1874

Römische Tagebücher (Auszüge 1852 – 1889), F. Gregorovius

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN:9783849640811

www.jazzybee-verlag.de

www.facebook.com/jazzybeeverlag

[email protected]

Ferdinand Gregorovius – Biographie und Bibliographie

Deutscher Geschichtschreiber und Dichter, geb. 19. Jan. 1821 zu Neidenburg in Ostpreußen, gest. 1. Mai 1891 in München, studierte in Königsberg Theologie und Philosophie, trieb aber dann poetische und historische Studien, veröffentlichte seit 1841 mehrere belletristische Werke, unter andern »Werdomar und Wladislaw, aus der Wüste Romantik« (Königsb. 1845, 2 Tle.), dann die bedeutendere Arbeit: »Goethes Wilhelm Meister in seinen sozialistischen Elementen« (das. 1849), der die kleineren Schriften: »Die Idee des Polentums« (das. 1848) und »Die Polen- und Magyarenlieder« (das. 1849), folgten. Die Frucht gründlicher historischer Studien waren die Tragödie »Der Tod des Tiberius« (Hamb. 1851) und die »Geschichte des römischen Kaisers Hadrian und seiner Zeit« (das. 1851, 3. Aufl. 1884; engl., Lond. 1898). Im Frühjahr 1852 begab sich G. nach Italien, das er seitdem vielfach durchwanderte, und wo er sich bis 1874 aufhielt. 1880 unternahm er eine Reise nach Griechenland, 1872 nach Ägypten, Syrien und Konstantinopel. Seitdem lebte er abwechselnd in Rom und in München. Interessante Ergebnisse seiner Beobachtungen und Studien in Italien enthalten das treffliche Werk über »Corsica« (Stuttg. 1854, 2 Bde.; 3. Aufl. 1878; auch ins Englische übersetzt) und die u. d. T. »Wanderjahre in Italien« (5 Bde.) gesammelten, in wiederholten Auflagen erschienenen Schriften: »Figuren. Geschichte, Leben und Szenerie aus Italien« (Leipz. 1856), »Siciliana, Wanderungen in Neapel und Sizilien« (1860), »Lateinische Sommer« (1863), »Von Ravenna bis Mentana« (1871) und »Apulische Landschaften« (1877). Daran schloss sich »Die Insel Capri« (Leipz. 1868, mit Bildern von K. Lindemann-Frommel; 3. Aufl. 1897). Auch sein idyllisches Epos »Euphorion« (Leipz. 1858, 6. Aufl. 1891; von Th. Grosse illustriert, 1872) atmet südliche Luft und klassischen Geist. Er lieferte auch eine gelungene Übersetzung der »Lieder des Giovanni Meli von Palermo« (Leipz. 1856, 2. Aufl. 1886). »Die Grabdenkmäler der römischen Päpste« (Leipz. 1857, 2. Aufl. 1881; engl., Lond. 1903) sind eine Vorstudie zu seinem Hauptwerke, der »Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter« (Stuttg. 1859–73, 8 Bde.; 5. Aufl. 1903 ff.), worin er Rom als Residenz der Päpste und als Mittelpunkt der mittelalterlichen Geschichte mit geschichtlichem Verständnis und unter Würdigung seiner Bau- und Kunstdenkmäler behandelt. Die Stadt Rom beschloss die Übersetzung des Werkes ins Italienische (»Storia della città di Roma nel medio evo«, Vened. 1874–1876, 8 Bde.) und ernannte G. zum Ehrenbürger. Auch ins Englische wurde das Werk übersetzt. Später erschienen von ihm: »Lucrezia Borgia« (Stuttg. 1874, 2 Bde.; 4. Aufl. 1906; franz., Par. 1876; engl., Lond. 1904), eine Ehrenrettung der berüchtigten Frau; »Urban VIII. im Widerspruch zu Spanien und dem Kaiser« (Stuttg. 1879, von G. selbst ins Italienische übersetzt, Rom 1879); »Athenais, Geschichte einer byzantinischen Kaiserin« (Leipz. 1882, 3. Aufl. 1891); »Korfu, eine ionische Idylle« (das. 1882); »Kleine Schriften zur Geschichte der Kultur« (das. 1887–92, 3 Bde.) und »Geschichte der Stadt Athen im Mittelalter« (Stuttg. 1889, 2 Bde.). Auch gab er die »Briefe Alexanders v. Humboldt an seinen Bruder Wilhelm« (Stuttg. 1880) und einen von ihm aufgefundenen Stadtplan Roms (»Una pianta di Roma delineata da Leonardo da Besozzo Milanese«, Rom 1883) heraus. Nach seinem Tod erschienen: »Gedichte« (hrsg. vom Grafen Schack, Leipz. 1891), »Römische Tagebücher« (hrsg. von Althaus, Stuttg. 1892; 2. Aufl. 1894), »Briefe von Ferd. G. an den Staatssekretär Herm. v. Thile« (hrsg. von H. v. Petersdorff, Berl. 1894), »Ferdinand G. und seine Briefe an Gräfin Ersilia Caetani Lovatelli« (hrsg. von Siegmund Münz, das. 1896, die Zeit 1866–91 umfassend, nebst kurzer Biographie). Nach dem Tode seines Bruders vermachte G. seiner Vaterstadt sein Vermögen.

Römische Tagebücher (Auszüge 1852 – 1889)

1852

Bastia, Korsika, 4. 9. 1852

Am 2. April 1852 verließ ich die Stadt Königsberg, wo tags zuvor der letzte Sohn meines ältesten Bruders Rudolf, der herrliche Richard, im Alter von dreizehn Jahren gestorben war. Die Leiche sollte zum Vater ins Pfarrhaus nach Rogehnen gebracht werden, wohin ich zunächst ging. Auch der Bruder Julius kam von Graudenz dorthin. Es waren schwere, schmerzvolle Stunden. Wir erwarteten den Sarg. Es war Nacht. Wir gingen ins Freie auf die Chaussee, immer horchend, ob der Wagen komme. Es war Frühling in der Luft. Kraniche zogen über uns vom Süden her. Am nächsten Tage reiste ich ab von Neidenburg, wo ich von der Stiefmutter und der Schwester Abschied nahm, und ging über Posen nach Wien. Dort übergab mir Lenaus Schwester, Frau Schurz, die andere Todesnachricht. Mein Freund Ludwig Bornträger, ein junger talentvoller Maler, war zu Pisa am 5. April gestorben.

Calvi in Korsika, 22. 7. 1852

Am 19. April betrat ich das Land Italien, in Venedig. Von dort eilte ich nach Florenz, wo ich die Mutter des Freundes fand. Nach einigen Tagen brachte ich Frau Bornträger bis nach Trient, wo wir uns trennten. Ich kehrte sofort nach Florenz zurück. Ich wohnte dort in einem Privathause auf der Piazza Santa Maria Novella mehrere Wochen lang. Es war sehr heiß geworden. Alle meine Lebensgeister, so hatte ich mir eingebildet, sollten sich in diesem Lande steigern und schöpferische Ideen in Fülle sich in mir entzünden. Doch nichts regte sich in meiner Seele, und dieser öde Zustand machte mich sehr unglücklich. Ich verzweifelte daran, daß in mir noch etwas Zukunftsvolles lebe. Ich gab mich fast verloren.

Anfang Juli ging ich nach Livorno, wo mich Heinrich Hirsch empfing. Der Anblick der sonnigen Meeresweiten, der fernen Eilande und endlich die Erzählungen eines Griechen von der Schönheit seiner Heimatinseln erweckten mir das heftigste Verlangen, eine Insel zu sehen, und so beschloß ich, nach Korsika hinüberzufahren.

Am 14. Juli nachts landete ich in Bastia. Aus demselben Hafen kehrte ich am 5. September nach Livorno zurück. Korsika entriß mich meinen Bekümmernissen, es reinigte und stärkte mein Gemüt; es befreite mich durch die erste Arbeit, deren Stoff ich der großen Natur und dem Leben selbst abgewonnen hatte; es hat mir dann den festen Boden unter die Füße gestellt.

Am 23. September fuhr ich mit Hirsch nach Elba, wo ich ein paar Tage blieb.

Am Dienstag den 28. von Livorno nach Siena. Am 20. September von dort in einem Vetturinwagen nach Rom, in Gesellschaft der römischen Familie Serny. Erste Nacht in Scala, zweite in Bolsena, dritte in Ronciglione.

Capanne Timozzo, Monte Rotondo, Korsika, 28. 7. 1852

Rom, 4. Oktober 1852 Via Felice, Nr. 107

Von Ronciglione um 7 Uhr morgens abgefahren nach Monte Rosi. Um 10 Uhr erreichten wir Baccano. Man sagte mir, daß von den Hügeln droben Rom zu sehen sei. Ich stieg hinauf, allein, in großer Aufregung. Ich suchte Rom und fand es nicht, da ich den Weg verfehlte und große Schäferhunde mich zum Rückzuge nötigten. Herr Serny führte mich den rechten Weg und zeigte mir in der Feme Rom.

Weiter über La Storta, wo einst Veji lag. Ich bin in Rom eingefahren durch die Porta del Popolo, am 2. Oktober 1852, 4-1/2 nachmittags. Ich stieg ab im Hotel Cesari, am Corso.

Il »Frate di Monte«, Korsika, 29.7. 1852

Mein erster Gang war aufs Kapitol und Forum; noch spät ins Kolosseum, darüber der Mond stand. Worte habe ich nicht zu sagen, was da alles auf mich einstürmte.

Napoleons Haus in Ajaccio, Korsika, 2. 8. 1852

Am Sonntag wanderte ich auf gut Glück umher, mich selbst zu überraschen, wenn ich dieses oder jenes mir aus Abbildungen bekannte Bauwerk plötzlich vor mir sah, wie die Trajanssäule, das Pantheon, den Vestatempel, die Pyramide des Cajus Cestius. Ein Teil des Tages wurde mit Suchen einer Wohnung hingebracht. Ich fand dies kleine Zimmer unter dem Dach, bei einem Bildhauer, Vincenzo. Von hier kann ich Rom übersehen. Ich bin heute darin eingezogen.

Ajaccio vom Castel Vecchio, Korsika, 10. 8. 1852

Noch eine Woche lang will ich Rom planlos durchstreifen, denn in das innere Wesen der Stadt kann ich mich noch nicht wagen.

Ich bin hier angekommen ohne Briefe an irgendeine Person, ich habe keinen einzigen Bekannten hier außer meinen Reisegefährten.

Im Kalender fand ich, daß der 2. Oktober, der Tag meiner Ankunft, demAngelo Custode, Engel-Wächter, geweiht ist. Die Straße, in der ich wohne, heißt Via Felice. Dies sind glückliche Omina.

Rom, 10. November

Zu dieser Zeit habe ich Rom unablässig durchwandert. Ich schrieb eine zweite Reihe von Artikeln über Korsika nieder, und entwarf einen Plan zu einem Drama ›Sampiero‹. Rom ist so tief still, daß man hier in göttlicher Ruhe empfinden, denken und schaffen kann. 5000 Mann Franzosen halten die Stadt besetzt. Mit dem englischen Architekten Bandcher war ich am 24. Oktober zu Fuß nach Tivoli gegangen.

30. November

Ich bin jedem Morgen in der Bibliothek der Dominikaner. Mir fehlen Materialien zur Geschichte Korsikas. Ich habe deshalb nach Florenz geschrieben.

1853

Rom, 27. Januar

Vieles gearbeitet an ›Korsika‹. Vieles gesehen. Freude und Kummer gehabt.

21. Mai

Am 2. April habe ich das Buch ›Korsika‹ beendigt. Ich schrieb es gleich ins Reine. Der Äther Roms wirkt auf mich wie Champagner. Diese sonnige Himmelsluft dringt zu mir wie aus seligen Fernen.

Am 11. April habe ich das Manuskript der Post übergeben. Es ging ab am 13. und kam glücklich in Stuttgart an. Nach langem Warten und Sorgen traf die Antwort Cottas ein.

Am 25. April habe ich an die ›Allgemeine Zeitung‹ geschickt die ›Römischen Figuren‹, am 20. Mai den ›Ghetto und die Juden in Rom‹.

Rom, 25. Mai

Ich fuhr Sonnabend nach Tivoli und ging nach Vicovaro zum Fest. Nachtigallenlieder überall, und köstliche Blütenpracht. Abends am Sonntag kehrte ich zu Fuß nach Tivoli zurück. Dort fand ich einen Frankfurter. Mit ihm ritt ich am 23. nach Monticelli. Am 24. zu Fuß nach Rom.

Villa Hadriana, 27. 5. 1853

Genzano, 4. Juni

Am 28.Mai mit Carl von Dietrichs nach Albano. Mit diesem Kurländer von der reinsten und edelsten Natur habe ich mich befreundet. Wir zogen am 29. in die Casa der Carolina Mazzoni, Via Sforza, 57, in Genzano – drei gute Zimmer, treffliche Bewirtung. Eine schöne Woche verlebt; heute wieder nach Rom zurück.

Rom, 17. Juni

Friedrich Althaus aus Detmold besuchte mich –.

Resultate von Rom: Das Buch ›Korsika‹, die Artikel Elba, Figuren, Ghetto – Entschiedener Sinn für die Plastik, weniger für die Malerei.

In Rom war der Berliner Dichter Paul Heyse, ein Jüngling von fast mädchenhafter Schönheit. In so jungen Jahren scheint er schon völlig fertig zu sein.

Neapel, 24. Juni San Lucia Nr. 28

Am Sonnabend den 18. Juni fuhr ich von Rom ab, mit einem Vetturin. Ein piemontesischer Bildhauer, ein Römer und eine wunderliche alte Gräfin Montini waren meine Reisegefährten. In Genzano besuchte ich Mazzoni und Dietrichs. Wir übernachteten in Velletri.

Die Pontinischen Sümpfe sind jetzt ein Blumenmeer. Der Blick auf das Kap der Circe zauberhaft. Mittags in For'Appio, wo die Linea Pia beginnt. Nachts in dem schönen, südlichen Terracina.

Am 20. weiter ins Neapolitanische hinein. Wüstes Wesen in Fondi, das von Bettlern wimmelt. Zyklopische Mauern. Blühende Granatbäume. In einer Höhle bei der Stadt rettete einst Sejan dem Tiberius das Leben. Itri(Urbs Mamurrarum)höchst malerisch mit vielen Türmen und alten Mauern. Mittags in Mola di Gaëta – üppige Vegetation von Reben und Orangen. Die Vorstadt Molas ist Castellone(Formiae), die Lästrygonenstadt.

Den Liris oder Garigliano auf einer Kettenbrücke passiert bei Minturnae. Malerische Ruinen – antike Wasserleitung. Nachts zu S. Agata, in einem Gasthause unterhalb Sessa. Die neapolitanischen Städte sind heiterer als die römischen; überall weiße Häuser, von Blumenschmuck lachend.

Am folgenden Tage nach Capua. Freundliche Stadt am Volturnus, in einer reichen Ebene. Ländlicher Stadtplatz mit grünen Bäumen. Unansehnliche Kirchen. Viel Militär. Nachmittags über Aversa nach Neapel. Hier angelangt um ½6 Uhr abends. Es stand ein strahlender Regenbogen über dem Vesuv. Zaubervolle Mondnacht auf dem dunkeln Golf.

Vesuv, 2. 7. 1853

Am 23. in Pompeji. Dies ist ein Wesen, welches entzückt und abstößt. Die Häuser stehen da wie leere Särge; Straßenreihen, Tempel, Theater, Forum – alles totenstill, vom Sommerzauber flimmernd. Nie fühlte ich solche Wehmut. Nur Dichter können sie sagen.

Abends zurück zu Fuß nach Torre dell'Annunziata. Dann nach Torre del Greco und weiter nach Neapel.

Am 2. Juli auf Monte Somma; am 5. auf Monte Barbaro, in heiterer Gesellschaft; am 7. in Herculaneum.

Bajae, 11. 7. 1853

Am 10. mit Althaus in Pozzuoli und Cumae. Wir ruderten nach Cap Miseno, dann über Procida nach Ischia, wo wir eine Nacht blieben. Inselparadiese ganz namenlosen Zaubers – Trunkenheit von Licht, das man statt der Luft einzuatmen glaubt.

Der Ceres-Tempel in Paestum, 20. 7. 1853

Am 18. mit Jacob Burckhardt aus Basel, dem Freunde Kuglers, mit dem Hofbaurat Demmler aus Schwerin und Althaus nach Castel a Mare. Dort nächtigten wir. Am 19. über Pompeji nach Nocera, La Cava, Salerno. Hier zu Nacht. Am 20. in Paestum. Die drei Tempel herrlich und groß, wie eine Trilogie des Äschylus. Ringsum eine feierlich erhabene Landschaft und das purpurblaue Meer.

Säulen im Neptun-Tempel in Paestum, 20. 7. 1853

Mit Althaus weiter nach Amalfi und Sorrent zu Fuß gewandert. Am 24. schifften wir nach Capri.

Blick von Anacapri auf Capri, 27. 7. 1853

Aufenthalt in Capri bis zum 22. August. Ich schrieb hier die Beschreibung der Insel nieder.

Capri, San Giacomo 8. 8. 1853

Neapel, Bella Venezia, 30.August

Am Montage, den 22. August, mit der Barke des Felice nach Neapel zurückgekehrt von Capri, das tags zuvor auch der Professor Enver und Maler Stökler verlassen hatten. Heiße und fruchtlose Tage in Neapel verlebt.

Capri, Arco Naturale, 8. 8. 1853

Am 26. in der Villa Carfoli, beim Professor der Chemie, eine köstliche Wohnung am Fuße des Vesuv.

Am 28. sonntags mit dem Pharmazeuten Becker aus Breslau auf dem Vesuv. Wir nahmen in Resina Pferde, brauchten zwei Stunden, um an den Kegel zu kommen; erstiegen den Kegel leicht in ¾ Stunden; sahen den alten und den neuen Krater – ein ungeheurer Anblick, diese gelben, roten, blauen weißlichen Schwefelwände rauchend zu sehen. Groß ist der Blick auf Kampanien, Neapel und das Meer. Wir sahen nicht über das Sorrenter Ufer hinaus. Sonnenuntergang mit Scirocco. Nachts Heimkehr. Das Pferd warf mich ab, doch nicht gefährlich; ging meist zu Fuß auf der Fahrstraße. Sah deutlich den Kometen, meinen Zwillingsbruder. Zuletzt fand ich noch eine Vettura und schöne Gesellschaft des Arztes, des Freundes von Poërio.

Capri, Porto Tragara, 10. 8. 1853

Gestern, am 29., montags, war das Fest Centesimo, hundertjähriger Besuch der Madonna beim König, der sich vertreten ließ. Große Prozession von Piedigrotta aus, bunt und schreiend. Wundervoller Blick auf das Menschengewühl der Chiaja und der Villa Reale und den Golf, auf welchem sechs aufgeflaggte Kriegsschiffe feuerten.

Heute war ich in der Incoronata – schöne Fresken Giottos – und in S. Martino – schöne Grablegung des Spagnoletto.

Ich schreibe ungern von den Vasen des Museums, gern von Neapel.

Morgen fahre ich nach Palermo mit dem »Polyphem«. Bald sehe ich Syrakus – ich freue mich wie ein Kind, griechische Luft zu atmen.

Palermo, 1. September

Gestern abgefahren mit dem Dampfer »Polyphem«, um 4 Uhr nachmittags, in Gesellschaft des Dr. Bursian. Wir hatten auf dem Schiffe Schauspieler aus Oberitalien, eine beständig in Krämpfen liegende Ballettänzerin, einen Sänger, der aussah wie Franz Moor, und seine zwei reizenden Töchter, welche sich nachher als Marie Piccolomini nebst Schwester entdeckten – sie sind für sechs Monate in Palermo engagiert – eine Familie aus der Insel Ustica, die eines Prozesses wegen vier Jahre in Neapel zugebracht hatte und nun fröhlich heimkehrte. Es war in Angelegenheiten einer Erbschleicherei. Im Angesicht von Ustica war die Freude dieser Menschen rührend anzusehen. Die Mutter hatte, wie sie sagte, der heiligen Rosalie eine Wallfahrt gelobt und heute wollte sie das Gelübde einlösen.

Das Schiff war überfüllt von Soldaten, die Nacht böse in der Koje. Das Morgenrot erheiternd. Wir sahen Ustica, wo auch Exilierte leben, nahe vor uns. Später tauchten die Berge Siziliens auf, in weißem Lichtnebel schimmernd. Ich unterschied Kap Gallo und Pellegrino. Um 2 Uhr waren wir im Hafen. Durch drei Doganen durchgearbeitet. Abgestiegen in der »Fortuna« im Toledo. Der Eindruck Palermos von der See aus war unter dem Erwarten, da Genua und Neapel großartiger sind; doch weit über jenen stehen die Formen der Berge. Kap Gallo ist muschelförmig, für den klassischen Pellegrino war mir Capri Vorstudie. Ich durchwanderte gleich den Toledo, aß zum erstenmal dieses Jahr Weintrauben, sah einen großen Thunfisch vorbeitragen. Palermo überraschte mich durch seine maurisch originelle Bauart, oder vielmehr den arabisch-normannischen Stil der Paläste und Kirchen. Alles ist hier fremd, märchenhaft schön. Grazie vorherrschend. Die Umgebung klassisch groß – die braunen Berge ringsum dorisch stilvoll. Man merkt den Zug, den die Dorer für diese Natur haben mußten, wie in Paestum. Mein erster Blick ins Innere war der Dom, und ich stand am Grabe des größten deutschen Kaisers, Friedrich II. Ich ging hinaus bis durch das Tor am Ende des Toledo – der Blick in die braunen Berge ist ganz unsagbar. Sieht man den Toledo hinab, endigt er im Meere. Gegen Neapel fiel mir auf die Stille, die Reinlichkeit – man fühlt sich doch auf der Insel, und weit weg. Abends machte ich einen Gang auf den herrlichen Kai nach der Flora – rechts und links Berge: links Kap Gallo und Pellegrino, rechts die Punta Mongerbina und Capo Zaffarano, welche den Golf schließen. Der Himmel wie ein bläuliches Milchglas – Lichtnebel – das Abendglühen der Berge in feinerem Ton als in Neapel und länger anhaltend, die Formen abgemessener. Hier ist das Ufer gruppiert, in Gestalten gesondert, die alle mächtig und schön sind; nicht so in Neapel.

Viele Pfaffen. Keine Bettler. Kein Zudrang von Lazzaroni.

Itinerarium

Am 4. September in Begleitung des Dr. Bursian von Palermo abgeritten nach Segesta.

Nachts in Alcamo.

Am 8. Ankunft in Agrigent. Am 10. zurückgeritten nach Palermo. Am 15. abends mit der Post über Castro Giovanni (Enna) nach Catania. Am 18. nach Syrakus. Am 23. Ätnafahrt von Catania aus über Nicolosi. Am 24. morgens auf dem Ätnagipfel. Am 26. in Taormina. Am 27. in Messina. Am 29 abends Abfahrt auf dem Schiff »Duca di Calabria« nach Neapel.

Fahrt von Palermo nach Catania

Am 15. September, Donnerstag abends, fuhr ich mit zwei Franzosen von Palermo ab, mit der Corriera (170 Miglien). Es ging über Misilmeri. Ödes und kahles Land, wenig Orte: Valle Longa, S. Caterina. Durch den Salso (Himera) durchgaloppiert. Villa Rosa mit dampfenden Schwefelminen. Castro Giovanni, das alte Enna, liegt schön auf einem Hügel. Mein Gefährte fand die Ähnlichkeit mit der Akropolis von Athen überraschend. Gegenüber liegt Calascibetta. Der ganze Berg ausgehöhlt, Höhlen über Höhlen – ein wunderbarer Anblick. Ebenso, doch weniger, bei Castro Giovanni. Unten ein einsames Posthaus, Misericordia.

Abends prächtiges Glühen der Berglandschaft. Dann Leonforte, ein höchst malerisch auf einem Hügel gelegener schwarzer Ort – Wildheit der Einwohner, Schmutz, Ärmlichkeit, Einsamkeit. Weiter hinauf liegt Assoro, uralt, schwarz aussehend. Heller Mondschein. Schon abends großer Blick auf den Ätna. Nachts am Ätna hingefahren.

Morgens am 17. September in Catania. Offene Stadt, mit geraden breiten Straßen, wie Palermo im Kreuz durchschnitten vom Corso, der auf das Tor der Marina und die Säule der Madonna an der anderen Seite der Marina geht, und von der besten Straße Stesicorea, deren Fortsetzung gegen den Ätna die Strada Etnëa ist. Die Mauern und der Hafen von wüstem Anblick, da das Ufer von schwarzer felsig aufgetürmter Lava umfaßt ist; auch das Wasser ist schwarz von Lavafarbenteilen. Wenig grün die Marina am Elemora-Hafen, wo ein Spaziergang. Es ist eine Lavastadt, Lavapflaster, Lavamauern – die Fassaden der Häuser und Kirchen oft unvollendet, auf einer halbzerstörten Vorderseite aufgesetzt. Wüstheit und Zerstörung überall.

Wir besahen die Kirchen. Alle restauriert, ohne eigentliche Architektur, die Fassaden ähnlich den römischen, aus Travertin.

Am interessantesten ist der Konvent der Benediktiner am Ende der Stadt, gegen den Ätna hin, mit Rokoko-Garten auf Lava, großer, schöner, doch moderner Kirche mit halber Fassade, über die ein Lavamauerwerk blickt und wo oben ein Telegraph und Telegraphenhäuschen steht. Schöne Aussicht auf Meer und Ätna aus dem Garten.

Das griechische Theater aus Lava gebaut. Drei Korridore; die Stufen waren einst mit Marmor belegt. Eine Wasserleitung, die vom Ätna kommt, tief, klar, schönes Wasser, woraus wir schöpften, denn mit einem Strick läßt man oben einen Krug hinab. Biscari hat es ausgegraben vor 70 Jahren. Sein Enkel hat nicht gleiche Liebe zu den Altertümern.

Vom Amphitheater nur ein Korridor und Stück Außenmauer erhalten. Die Arena liegt bedeckt. Gesimse von Lava. Der äußerste Korridor etwa ¼ Miglie im Umfang. Oben über dem Amphitheater die Kapuziner und die modernen Katakomben.

Trauriger Eindruck der Altertümer von Catania.

Syrakus, Latomien der Kapuziner, 21. 9. 1853

Fahrt von Catania nach Syrakus

Ich fuhr mit drei Franzosen am 18. September, morgens 2 Uhr, von Catania ab, in einer Vettura di Posto. Acht Miglien vor der Stadt fließt der Sebetus, der auch im Sommer Wasser hat. Wir setzten auf einer Fähre über. Der Übergang erinnerte mich an den Silarus, nur ist der Sebetus nicht so breit. Die Landschaft ist kornreich, doch öde; hügelig, dann hinter Lentini eben, jetzt ganz kahl. Viel Baumwollpflanzung, Öl, Kaktus. Man passiert auf der ganzen Tour kaum fünf Orte. Zuerst Lentini, am Sumpf Biviere, in ungesunder Gegend und etwas auf Hügeln. Das alte Lentini lag höher. Die schöne blauweiß gemalte Kirche. Es war Sonntag. Alle Einwohnerschaft draußen, in weißen Schleiern und Mützen.

Ich ging nach dem alten Lentini. Zwei Hügel, getrennt durch ein Tor, das mächtig in den Fels gehauen, größer als die Porta aurea bei Girgenti. Von dem einen Hügel sind die Ruinen verschwunden; ein Kaktuswald, wie ich ihn nie schöner sah, bedeckt ihn. Der andere Hügel ist kahl: Umfassungsmauern des alten Kastells aus Quadern aufrecht, der natürliche Fels zum Teil in kolossaler Dimension behauen, ein Stück davon heruntergefallen, wie in Girgenti. Hie und da Gemäuer des Kastells – in der Mitte Gräber und ein Gewölbe aus den schönsten Quadern, herrlich hineinragender Efeu – viele Kammern. Unter dem Hügel ein Bach – Wäscherinnen. Auf der einen Seite ein tiefes Tal, voll Gärten üppigster Vegetation, ganz von Hügeln umschlossen. Überall zyklopische Mauern, Gräber mit Nischen – eine besonders groß, mit Malereien, Heiligen in ganzen Figuren, Santo Mauro.

Wenig höher hinauf ein neuer Ort, Carlentini, wo wir frühstückten. Karl V. hat die Mauern gebaut.

Dann steigt die Straße wieder gegen das Meer. Man sieht Augusta und seine Kastelle im Wasser – die ganze Küste flach, kalkig, das Meer zurückgezogen. Man erkennt noch die alten Ufer.

Hierauf Príolo, oderPaese novo, ein 40 Jahre altes, elendes Paese, gegründet vom Marchese Gargallo, Übersetzer des Juvenal und Horaz, dessen Denkmal aus Marmor in der Kirche, von einem neapolitanischen Künstler, uns der Geistliche zeigte. Der Wirt unserer Locanda nannte es »Museum«. Derselbe hielt eine Flasche Wein für 13 Bajocchi so teuer, daß er uns nichts davon sagen wollte. Als wir um die Rechnung baten, meinte er, wir sollten geben, was wir wollten, worauf er 15 Groschen verlangte. Wir gaben ihm 30, er war sehr zufrieden. Das Volk ist hier ganz unverdorben.

Theater Taormina, 26. 9. 1853

Salinen und Salzberge vor der Halbinsel Magnisi. Nun immer längs der Küste. Man sieht vor sich die Hochebene, worauf Syrakus stand. Man sieht die Stadt zuerst von einem Casale, einem pittoresken Hause oben mit Garten, auf dessen Balkon zwei Liebende standen.

Rückkehr von Syrakus nach Catania, Besteigung des Ätna und Fahrt nach Messina

Catania, 23. September Locanda del Etna

Abgefahren von Syrakus mit einer Vettura di Ritorno, nachmittags 2 Uhr am 21. September. Von hier rechne ich auch meines Lebens Herbst. Wir nächtigten in einer Locanda an der Straße. Ich schlief in einem Heuschober. Morgens weiter. Zu Mittag in Lentini, wo die Wirtin für ein Weniges 8 Carlini haben wollte. Mir schenkten zwei Lentineserinnen drei Granatäpfel. Ich besah noch das Kastell nach der anderen Seite. Seine Mauern sind aus Quadern, doch mit Mörtel. Mächtig ist die Vegetation im Tal. Auch Lentini hat Steinbrüche.

Über den Sebetus halb gefahren, halb huckepack getragen. Angekommen in Catania am 22. September, eine Stunde nach Ave Maria.

Messina, 29. September

Am 23. zu Maultier von Catania geritten bis Nicolosi, durch blühendes Weingartenland, durch drei oder vier kleine blühende Örter, wie Sofia, Gravina, Mascalucia etc. Merkwürdige Architektur derselben und Nicolosis, aus Lava, wovon selbst die Kirchen – der Boden schwarz. Mich unterhalten mit Dr. Gemmellaro, – sein Haus und Sammlung von Laven, seine Modelle der Ätnahäuser, seine Bibliothek, seine Manuskripte über den Ätna und sein sizilianisches Wörterbuch. Unglücklichste Position eines Schriftstellers auf der Lava!

Um 8 Uhr abends bei Regen zu Maultier bis zum Bosco, wo ich den eigentlichen Führer traf. Dann weiter in der Nacht bis Casa Inglese. Den Aschenkegel vor Sonnenaufgang erstiegen; mehr Schwierigkeit als bei dem des Vesuv: Gasausströmungen, heiße Dämpfe, Schwefelgestank. Oben zwei Krater-Trichter. Malerische Farbenbildungen, diabolisch namentlich der Anblick der Montagnola im schönsten Schwarz. Wolken, halbe Blicke in das rotglühende Meer, auf die Küste von Palermo, den Golf von Cefalù, ins Innere – die Schattenpyramide des Ätna, unsere eigenen Schatten, Lava- und Aschenwüsten. Nun hinab durch die Wüste. Ermüdung, Fieber, Halt am Bosco, endlich Nicolosi, wo ich drei Stunden schlief. Dann wieder zu Maultier. Ein flammendes Gewitter hinter mir; rettete mich in eine Kapelle, wo das Volk betend auf den Knien lag. Weiter in ein Landhaus große Gastlichkeit. Bei Sternenschein nach Catania zurück.

Ich blieb noch Sonntag den 25. in Catania und fuhr dann am 26. in der Frühe nach Taormina. Schöne Fahrt an der Küste, viele Örter, Lava-Ufer. Dann das reizende Acireale. Vorher jenes Kastell Acicastello und der kleine Hafen Porto Ulisse, wo die drei Klippen des Zyklopen, welche der Zyklop dem Ulysses nachwarf. Mittags in Taormina.

Am 27. morgens ritt ich zu Maultier von Taormina bis Forza, 14 Miglien weit. Immer längs der Küste, durch viele neue Orte. Köstlich die Lage von Alessio, an einem Kastell mit runden Türmen, eine Art Engelsburg hoch am Meere. In Forza setzte ich mich auf die Diligenza. Durch viele Orte gekommen. Blick auf Kap Spartivento, den Ätna und Reggio. Ankunft in Messina abends den 29.

Morgen nach Neapel.

Genzano, Sonntag den 9. Oktober

Den 29., Donnerstag abends, von Messina abgefahren mit dem »Duca di Calabria« in Begleitung der drei Franzosen, um 7 Uhr. Nur in der Nacht den Faro gesehen. Morgens den 30. in Paola angehalten. Die Küsten Kalabriens sind schön gefaltet, oft herrlich grün. Sonnabend, um 3 Uhr morgens, mit dem Stern Orion in den Hafen eingelaufen, die Sonne aufgehen sehen.

Sonntag früh den 1. Oktober abgefahren mit einer Vettura, in Begleitung des Malers Stöckel, des Malers Catell und seiner Frau und Fräulein Giuditta Arnoldis. Genächtigt in S. Agata, die zweite Nacht in Terracina, die dritte in Velletri.

Pontinische Sümpfe, Foro Appio, 4. 10. 1853

Am 4. Oktober, morgens früh, in Genzano eingetroffen und eingezogen in die Casa Mazzoni.

Habe am 6. die ›Eumeniden‹ fortgesetzt und heute 80 Verse geschrieben; hoffe das Gedicht hier zu beendigen.

Aufenthalt in Genzano bis zum 24. Oktober, wo ich wieder mein Quartier in Rom bezog.

1854

Pinien der Villa Borghese, Rom, 30. 3. 1854

Am 16. Januar begann ich die Abhandlung: ›Die Grabmäler der römischen Päpste‹

Rom, 31. Januar

Ich habe in dieser Zeit eine pompejanische Novelle zu schreiben angefangen: ›Der bronzene Kandelaber‹, wozu mich der Anblick eines solchen im Museum Neapels begeistert hatte.

Morgen fange ich die ›Kulturfragmente aus Sizilien‹ niederzuschreiben an.

Roma Torre de' Schiavi 23. 5. 1854

Rom, 9.Mai

Der Frühling ist über mich gekommen, ehe ich dessen gewahr wurde. Die Mandeln haben abgeblüht, die Akazie steht voll. Ich war wochenlang krank.

Unterdeß erschien ›Korsika‹.

Einige Poesien des Sizilianers Meli habe ich übersetzt. Die ›Grabmäler der Päpste‹ am 2. Mai an Cotta abgeschickt. Ich lebe ganz einsam, muß tüchtig schaffen, um mich über dem Wasser zu erhalten.

Es kam Hofbaurat Demmler aus Schwerin, liberaler Mecklenburger; auch der Dichter Titus Ulrich aus Berlin, ein fein organisierter, geistreicher Mensch.

Gianicolo bei der Acqua Paola, Rom, 9. 5. 1854

Rom, 15.Juli

Am 8. suchte ich mir eine Sommerwohnung in Genzano – Casa Mazzoni.

Genzano, 3. Oktober

Cholera überall. Drei Monate lang war ich hier. Ich übersetzte viele Lieder Melis, wovon ich Proben in das Cotta'sche ›Morgenblatt‹ gab. Am 10. August begann ich die Novelle vom Kandelaber in Hexameter umzuwandeln. ›Euphorion‹ soll der Name des Gedichts sein.

Ich schrieb die ›Idyllen vom Lateinischen Ufer‹ für die ›Königsberger Zeitung‹, und für die ›Allgemeine Zeitung‹ die ›Fragmente aus Syrakus‹.

Russell Martineau schrieb aus Schottland und bat mich um Autorisation seiner Übersetzung des Buchs »Korsika«, welches Lord Ellesmere in der ›Quarterly Review‹ sehr günstig besprochen und wovon er Stücke selbst übersetzt hatte.

Ariccia, 13. 10. 1854

Ich beabsichtigte, die Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter zu schreiben. Für diese Arbeit bedarf es, so scheint mir, einer höchsten Disposition, ja, so recht eines Auftrags vom Jupiter Capitolinus selbst. Ich faßte den Gedanken dazu, ergriffen vom Anblick der Stadt, wie sich dieselbe von der Inselbrücke S. Bartolomeo darstellt. Ich muß etwas Großes unternehmen, was meinem Leben Inhalt gäbe. Den Plan teilte ich dem Dr. Braun mit, dem Sekretär des Archäologischen Instituts. Er wurde aufmerksam und sagte dann: »Dies ist ein Versuch, an dem jeder scheitern muß.«

Übermorgen fahre ich nach Rom zurück.

Cestius-Pyramide, Rom , 25. 11. 1854

Rom, 31. Dezember Via della Purificazione Nr. 63 Casa der Signora Marzia Pellicani

Am 5. Oktober kam ich nach Rom, am 9. bezog ich die neue Wohnung. Die Straße ist schlecht, das Logis gut, zwei Zimmer, dürftig möbliert.

Carl von Dietrichs kam bald darauf aus Neapel zurück. Er ist sehr leidend.

Der Dichter Salvator Viale aus Bastia schrieb an mich. Abgedruckt wurden die ›Grabmäler der Päpste‹, das ›Fest in Nola‹ und ›Syrakus‹.

Am ›Euphorion‹ weiter gearbeitet.

Am 8. Dezember war die feierliche Verkündigung des absurden Dogmas von der unbefleckten Empfängnis. Ich sah im St. Peter die Prozession von 250 Bischöfen. Täglich Feste und Kirchenmusik.

Gestern wurde die große Säule, welche auf Piazza di Spagna errichtet werden soll, von Galeerensklaven auf den Platz gezogen.

Man entdeckte vor dem nomentanischen Tor die Basilika des Papsts Alexander.

1855

Rom, Ponto Rotto

Rom, 10. Februar

In das neue Jahr trat ich mit frischer Kraft ein. Ich war sehr tätig.

Zweimal zu Tisch beim Geheimrat Alertz, dem Leibarzt Gregors XVI., einem schönen, gebildeten Manne. Er gleicht in seiner imposanten Gestalt eher einem Staatsmann als einem Arzt. Ich nehme viele Bücher aus seiner Bibliothek.

Rom, 30. Mai

Der arme Dietrichs starb am 27. April um 5 Uhr nachmittags. Ich war bei ihm mit David Grimm aus Petersburg. Kurz vor dem Sterben forderte er von mir, ihm etwas aus der Bibel zu lesen. Ich las ihm den 90. Psalm. Er horchte darauf mit Anstrengung, dann verschied er. Ein herrlicher und edler Mensch ist hingegangen, mir ein treuer Freund.

Den ganzen Mai über arbeitete ich an den ›Figuren‹, für Brockhaus, der mich in seinen Verlag ziehen zu wollen scheint. Ich schrieb auch auf seine Aufforderung ›Die letzten zehn Jahre des Königreichs Neapel‹, für die Zeitschrift ›Gegenwart‹.

Ich war beim Enkel Goethes, der hier Legationsrat ist. Er ist im Gespräch gar nicht so verschroben, wie es seine ganz unglaublichen Gedichte sind. Aber auf seiner Stirn steht der Vers seines Großvaters: Weh dir, daß du ein Enkel bist!

Den König Ludwig von Bayern gesehen – eine sonderbar bewegliche Gestalt, fast Karikatur zu nennen.

Am 12. April, 5 Uhr abends, brach der Fußboden im Hause bei S. Agnese unter dem Papst ein. Viele Kardinäle, der französische General, der österreichische Graf Hoyos und mehr als hundert Propagandaschüler stürzten mit ihm ins Untergeschoß. Der Sturz des Papsttums ist dadurch sinnbildlich angezeigt; doch hatte er noch keine Folgen. Ich sah Pius IX. bald darauf vor dem Tor del Popolo fahren; er sah ganz verklärt aus.

Jeden Sonntag mache ich Campagna-Spaziergänge mit den Malern Frey und Müller und dem Bildhauer Mayer.

Die einzige Tochter des Malers Cornelius hat soeben einen Grafen aus Cagli geheiratet. Ich lernte Cornelius in dem Weinhaus neben Trinità dei Monti kennen und treffe jetzt oft mit ihm zusammen. Ein entschiedener Wille spricht aus allem, was er sagt und tut. Eitelkeit und Nichtgeltenlassenwollen der Bestrebungen anderer scheinen seine Fehler. Er hat Adleraugen. Er ist ein Geist.

Thomas Constable in Edinburgh trug mir Übersetzungen meiner Schriften für seinen Verlag an.

Für Hackländers ›Hausblätter‹ schrieb ich die ›Briefe aus Neapel‹.

Rom, 27. Juni

So lange Zeit bin ich Sommers noch nicht in Rom geblieben. Mich halten meine Arbeiten und die Erwartung der Cotta'schen Briefe zurück. Ich habe die Übersetzungen aus Meli am 24. Juni ganz beendigt. Den Hexameter beherrsche ich jetzt vollkommen.

Am 10. fuhr ich in heiterer Gesellschaft mit Frey, Mayer und anderen Künstlern nach Castel Fusaro.

Gestern abend kam der junge König von Portugal nach Rom. Er fuhr in einem geschlossenen Sechsspänner.

Ich suchte auf der Minerva die Geschichte Giannones. Da dies Werk auf dem Index steht, so wird mir nur erlaubt, neben dem Bibliothekar darin zu blättern. Welche Absurdität im Jahre 1855!

Theodor Heyse verkauft seine Bibliothek, um nach Florenz zu ziehen. Das freut mich; irgendein gewaltsamer Entschluß kann ihn beleben – er verdumpft in seiner Einsiedelei.

Der alte Maler Rhoden kam noch im vorigen Jahrhundert nach Rom, mit dem Zopf seines Zeitalters. Er ist hier der Veteran der Deutschen.

Ich hasse Louis Napoleon. Er hat keine geniale Tugend – er ist nur ein Erbschleicher.

Rom, 7. Juli

Mir träumte, daß ein Pinienbaum auf meinen Schreibtisch fiel, und da lag alles an der Erde durcheinander. Vielleicht ist der Pinienbaum Cotta.

Rom, 23. Juli

Meine Pläne sind zerstört und jener Traum ist erfüllt. Am 18. Juli lehnte Cotta ab. Am 19. schrieb ich an Brockhaus und schickte ihm am 21. die Übersetzung des Meli.

Ich bleibe nun hier, in brütender Hitze.

Das dänische Blatt ›Fädrelandet‹ übersetzte meine ›Römischen Figuren‹.

Ich habe mehrere Studien von Bildhauern besucht: Gibson, Tenerani, Achterman, Imhof.

Rom, 31. Juli

Eben kamen die zwei englischen Übersetzungen ›Korsikas‹ von Morris und Martineau. Ich schrieb in dieser Zeit mehrere Lieder, auch den ›Klagegesang der Kinder Juda in Rom‹.

Rom, 11. August

Ich habe den vierten Gesang des ›Euphorion‹ überarbeitet und mehrere Gedichte geschrieben, auf daß die Muse über den Wassern bleibe.

Eröffnung der Kirche Minerva – prächtige doch bunte Restauration. Unechter Marmor ist eine Schande für Rom. Fünf Tage lang Musik in der Kirche und draußen, wo der Platz schön illuminiert war.

Heute war der alte Bildhauer Martin Wagner sehr liebenswürdig. Er erzählte viel von Parga und Prevesa. Ich glaube, daß er bisweilen Menschen sucht. Er ist von büffelartiger Grobheit. Als der witzige Riedel einmal an den Mauern Roms spazierte und Wagner daherkommen sah, stellte er sich hinter eine jener Verzäunungen, die man zum Schutz der Fußgänger gegen Ochsen hie und da an den Mauern aufgestellt hat, und ließ Wagner vorbeipassieren. Der alte Brummbär mußte über diesen Einfall doch laut lachen.

Ein Priester zwischen dem Menschen und Gott ist nur wie ein schwarzgeräuchertes Glas, wodurch man die Sonne sehen soll.

Rom, 13. September

Sorgen und Scirocco. Es kam Dr. Altenhöfer von der Augsburger ›Allgemeinen Zeitung‹. Mit ihm verbrachte ich einige angenehme Tage. Ich traf ihn im Mausoleum des August, wo man die ›Maria Stuart‹ in der Übersetzung Maffeis spielte. Vorgestern fuhr ich mit ihm nach Tivoli.

In Neapel gärt es. Auch hier agitiert Mazzini. Alles ist in Spannung. Die Cholera wütet auf Sardinien.

Nettuno, 28. September

Am 19. fuhr ich nach Porto d'Anzio und logierte mich hier ein bei Donna Vittoria, im Palast, der ehemals der Olympia Maldachini gehört hatte. Meereseinsamkeit. Vollmond. Bäder. Ich schrieb hier die Gedichte: ›Nettuno‹, ›Der sterbende Hadrian‹ und ›Astura‹. Ich gehe morgen wieder nach Rom. Die Cholera ist in Porto.

Rom, 4. Oktober Hochzeitstag der Schwester

Ich reiste von Nettuno ab am 1. Oktober. Am Tag vorher gab mein Wirt Felice noch ein großesPranzo. Der Wein in zwei Fuß hohen gläsernen Amphoren.

Rom, 24. Oktober

Der alte würdige Platner starb. Er ist bekannt als einer der Mitarbeiter an der römischen Stadtbeschreibung, wofür er die Partien über das Mittelalter und die Geschichte der Kunst bearbeitet hatte. Er war noch Freund Niebuhrs gewesen.

Am 18. feierte Riepenhausen sein 50jähriges Jubiläum in Rom durch ein Gastmahl, welches ihm die deutsche Künstlergesellschaft gab.

Ich lernte eben den Grafen Paul Perez von Verona kennen. Er war ehemals Professor der Literatur in Padua, dann seit 1848 in Graz. Er ist ein großer Kenner Dantes, mit dessen Geschlecht er durch die Serego Alighieri verwandt ist. Er kam nach Rom, um den dreijährigen Kursus der thomistischen Philosophie in der Minerva durchzumachen. Perez hat ein sehr gewinnendes Wesen, voll Sanftmut und schwermütigem Ernst.

Rom, 26. November

Neun Druckbogen der ›Figuren‹ kamen von Leipzig.

Abgedruckt ist im ›Morgenblatt‹: das ›Gelübde des Petrus Cyrnäus‹, Übersetzung nach Viale; und im 10. Bande der ›Gegenwart‹: die Geschichte der letzten zehn Jahre Neapels.

Seit dem Oktober habe ich mich an die Vorstudien zur Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter gemacht. Ich arbeite in dem schönen Saal der Angelica von 8 bis 12 Uhr. Erst will ich den Stoff übersehen. Dies sind meine köstlichsten Stunden.

Ich brachte einen Abend angenehm bei Cornelius zu, welcher schöne Räume im Palast Poli bewohnt. Sein Karton für den Campo Santo ließ mich kalt. Diese Allegorien sind schon besser vorhanden. Cornelius ist ein großer Künstler, aber kein Maler. Er besitzt die Kraft, ganz rein auszusprechen, was er will. Bei ihm war Professor Balzer, Anhänger der Günther'schen Philosophie oder Doktrin und in Angelegenheiten von dessen Prozeß als sein Verteidiger hierher gekommen.

2. Weihnachtstag

Viel an der Chronik von Rom gearbeitet. Es ist ein Ozean, auf den ich mich wage, so allein auf mich gewiesen, und so mittellos, daß ich mir kaum ein Buch erschwingen kann. Haufenweise schleppe ich geliehene Bücher aus der Bibliothek von Alertz oder der vom Kapitol in meine Wohnung. Wie häßlich ist diese via Purificazione! Gesindel haust darin, Modelle für Künstler. Den Ghetto deutscher Künstler nennt man diese schmutzige Straße.

Ich war beim Empfange des Dominikaner-Kardinals Gaude und bei Villecourt, demselben französischen Bischof, der einst Johannes Voigt zum Katholizismus bekehren wollte, nachdem dieser sein Buch über Gregor VII. geschrieben hatte. Auf einer Soirée beim preußischen Gesandten von Thile lernte ich Bethmann-Hollweg kennen. Er ist eine imponierende Gestalt, groß und stark, von steifen Formen.

Ein Maler Jonas schrieb aus Berlin, daß er, angeregt von meinem Buch, Korsika besuchen wolle, dort Studien zu machen.

Cornelius sagte mir letzthin auf einem Spaziergange, daß niemals die Seele eines Weibes auf sein Wesen und Schaffen Einfluß gehabt habe. Er sprach sich mit Verachtung gegen die Frauen aus; ihre Inferiorität beweise schon dies, daß Gott dem Adam seinen Geist eingeflößt, das Weib aber nur anatomisch aus der Rippe des Mannes genommen habe. Nur die Sinnlichkeit ließ er gelten: der Künstler bedürfe ihrer für seine Schöpfungen, wovon sie ein Element sei.

Jahresschluß

Im Jahre 1855 habe ich geschrieben: die letzten zehn Jahre Neapels; manches Lyrische; fast vollendet das Gedicht ›Euphorion‹; abgeschlossen den Band ›Figuren‹. Vollendet Meli; begonnen die Studien zur Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter.

1856

Rom, 7. Januar

Am 2. Januar begann ich wieder in der Angelica zu arbeiten. Ich nehme die ›Scriptores‹ des Muratori durch, um erst die Übersicht zu gewinnen.

Herr Headly Parish kam zu mir, ehemals Diplomat in Konstantinopel und Verfasser eines Buchs über das moderne Griechenland. Er interessiert sich für meine Beziehungen in England.

Ich besuchte Antonio Coppi, den Fortsetzer der Annalen Muratoris und Verfasser der Geschichte des Hauses Colonna (Rom, 1855). Er wohnt in der Via Magnanopoli, in einem Palast, aber hoch unter dem Dach: ein alter Abbate von schwerfälliger Art – er lallt, statt zu sprechen. Er redigiert das ›Giornale di Roma‹, als Papist vom reinsten Wasser. Zwar beschenkte er mich mit vielen Broschüren und versprach mir seine Dienste für meine Arbeit, aber nur mit Phrasen, und offenbar willens, mir hinderlich zu sein. Vom Archiv Colonna behauptete er, daß es keine Urkunden zur Geschichte der Stadt Rom enthalte; und das ist sicherlich eine Unwahrheit.

Über meine Arbeit sage ich:Fortia agere et pati Romanum.

Der alte Riepenhausen stirbt. Ich fand ihn im Bett, über ihm die Kartons seiner Jugendarbeiten, zu Häupten die Büste Homers. So erwartet er seinen Tod in Verlassenheit. An seinem Lager saß sibyllenhaft seine Haushälterin, die mit ihm gealtert ist. Riepenhausen war eine echte Künstlernatur, von großer Leichtigkeit der Produktion. Dr. Emil Braun, ein absprechender, schnell fertiger Sophist, läßt ihm keine Gerechtigkeit widerfahren. Der Enkel Goethes hat in seinem Zimmer den Stich von Sodomas ›Hochzeit Alexanders mit Roxane‹, und Braun nannte dort Sodoma den Riepenhausen des Altertums. Aber ich finde, daß Sodoma in klarer Sinnlichkeit eine Größe besitzt, die dem Tizian nahe kommt.

Rom, Quattro Capi, 17. 7. 1855

Ich lese jetzt wieder Gibbon. Auch ihn, wie Villani, begeisterte Rom zu seinem Werke. Ihm kam der Gedanke dazu auf dem Kapitol; mir kam er auf der Brücke Quattro Capi, oder vielmehr S. Bartolomeo, im Anblick Trasteveres und der Kaiserpaläste. Ich weiß den Tag nicht mehr.

Der Prinz Corsini, Ex-Senator Roms, starb zu Anfang Januar, 90 Jahre alt. Der Tote wurde im offenen Wagen geführt, zwischen kerzenhaltenden Priestern. Sein kolossaler Kopf und seine gewaltige Nase ragten weit hinaus. Es folgten viele Wagen mit Fackeln.

Ich war öfter bei Cornelius. Er zeigte mir die Abbildungen der Skulpturen des Nicola Pisano auf einem Pfeiler des Doms zu Orvieto – sehr graziöse und sinnvolle Dichtungen. Cornelius ist von scharfem Verstande. Diesen bewies er, als ich eines Abends als Rätsel die Frage aus den ›Cento Novelle Antiche‹ aufgab, wo die Weisen von Alexandria darüber streiten, ob und wie der Dampf aus einer Garküche, den ein Armer mit seinem Brot aufgefangen hatte, zu bezahlen sei. Auf der Stelle fand Cornelius das Äquivalent auf.

Rom, erster Ostersonntag, 24. März

Am 24. Februar mußte ich in der Bibliothek meine Arbeiten abbrechen, weil ich die Kraft dazu verlor. Ich habe seither einen dumpfen Monat hingebracht. Das sind die Folgen überangestrengter Arbeit.

März und April sind für mich schwarze Monate; da ist mir das Beste hinweggestorben. Am 16. habe ich mein Testament gemacht und alles geordnet. Die Geschichte der Stadt Rom steht in meinen Nächten über mir wie ein fernes Gestirn. Sollte mir das Schicksal doch verstatten, sie zu vollenden, so würde kein Leid in der Welt groß genug sein, daß ich es nicht standhaft ertrüge.

Vor einigen Tagen sah ich eine ganz antike Szene, wie aus den Schutzflehenden des Äschylus. Es hatte sich ein Dieb nach S. Giacomo auf dem Corso geflüchtet, und dort saß er an einem Altar, sein Gesicht mit den Händen bedeckt. Anstarrendes Volk umher, und zwei Häscher vor der Barriere der Kapelle, in Zivil gekleidet, welche auf ihn lauerten, aber ihn nicht angreifen durften. Der Dieb saß so da, wie man mir sagte, bis zum Abend. Nachts haben ihn die Mönche entschlüpfen lassen.

Gestern besuchte ich Frau von Suckow, welche unter dem Namen Emma Niendorf schriftstellert. Sie hat ein bekanntes Buch ›Lenau in Schwaben‹ geschrieben. Sie muß sehr schön gewesen sein und stellte sich liebenswürdig und bescheiden dar. Ihr Vater war der Erbmarschall und Feldzeugmeister Pappenheim. Sie offenbarte sich als Anhängerin Justinus Kerners und seiner kindlichen Dämonenlehre.

Rom, 6. April

Vorgestern träumte mir, daß ich den König von Neapel zu Roß hoch am Himmel fliegend an einem Stricke festhielt, und er zog so stark, daß ich ihn nicht anhalten konnte. Ich erinnerte mich nachher, daß ich vor vielen Jahren in Königsberg träumte, ich hielte das mittelländische Meer an einem Strick in der Luft, wobei ich große Angst hatte, es möchte herunterfallen und das Land ersäufen. Ich habe niemals so wunderbare Träume gehabt. Eines Nachts sah ich mich im Theater: statt der Schauspieler traten die Stadtmauern Roms auf die Bühne, wo sie einen großartigen Tanz aufführten. Am Ende erschien Iphigenia und hielt eine Rede an mich, der ich der einzige Zuschauer im Theater war.

Ich erinnere mich, daß ich als junger Mensch einmal einen wirklich prophetischen Traum hatte. Vor dem Abiturientenexamen im Gymnasium zu Gumbinnen träumte mir, daß der Professor die OdeJustum ac tenacem propositi virummir zu erklären gab. Ich übte sie sofort gut ein. Als ich nun am Tage der Prüfung mit meinen Mitschülern in den Saal ging, sagte ich ihnen, daß und wodurch ich wüßte, welches meine Aufgabe sein werde. Sie lachten mich aus. Der Professor Petrany griff nach dem Horaz und sagte zu mir: Schlagen Sie die Ode aufJustum ac tenacem propositi virum. Die Mitexaminanden sahen mich staunend an, und ich bestand sehr glänzend.

Am vorigen Sonntag, da ich auf der Via Appia ging, läuteten alle Glocken in Rom, und das war der Friede nach dem Krimkriege, welchen die Telegraphen eben verkündigt hatten.

Hier ist die Prinzessin Torlonia wahnsinnig geworden. Sie ist eine schöne Dame vom alten Haus Colonna. Als der Bankier ihre Hand gewann, sagte er: sie ist eine antike Statue, und ich habe das Postament von Gold, sie darauf zu stellen.

Multum esset scribendum, quod dimitto in calamo:Schlußphrase eines Chronisten.

Rom, 30. April

Am 14. habe ich in der Angelica meine Folianten wieder vorgenommen. Ich bin im IX. Bande des Baronius und las viele andere Schriften, darunter des Rutilius Itinerarium, welches ich Perez zum Übersetzen empfohlen habe.

Gedruckt sind von mir in diesem Monat im ›Museum‹ von Prutz die drei Gedichte ›Klagegesang der Kinder Juda in Rom‹, der ›Turm von Astura‹ und ›Nettuno‹. In den Hackländer'schen ›Hausblättern‹ ›Die Monumente von Florenz‹. Ferner die Lieder Melis von Palermo, welche Brockhaus gut ausgestattet hat. ›Euphorion‹ habe ich reingeschrieben und nehme ihn mit mir in die Gebirge, im Juni, um ihn druckfertig zu machen.

Ich lernte den Marchese Matteo Ricci aus Macerata kennen, Übersetzer der ›Politik‹ des Aristoteles und Verfasser des ›Saggio sugli ordini politici dell'antica Roma‹. Sein Vater ist, wenigstens der Erscheinung nach, das Musterbild eines feingebildeten Signore; seine Frau, die Tochter des Massimo d'Azeglio und die Enkelin Manzonis, eine junge mädchenhaft schüchterne Dame, was unter Italienerinnen eine Seltenheit ist.

Ich war auf der letzten Abendgesellschaft im Palast Caffarelli. Es kamen dorthin die Kardinäle Antonelli, Altieri und Reisach, Antonelli war nur mit Damen beschäftigt. Man hält ihn für einen sehr geistreichen Mann.

Am 25. April, Tassos Todestage, ging ich mit Emma Niendorf und Perez nach S. Onofrio; dort aber ließen die Mönche unsere Begleiterin nicht ein, worüber sie sehr unglücklich war.

Am 27. war ich mit Perez in der kleinen Villa Torlonia, wo die Akademie der Quiriten das Fest Roms feierte. Der Prinz Giovanni las einen Discorso, worin er sagte, die Florentiner sprächen nur deshalb so schön italienisch, weil Florenz nicht weit von Rom läge. Hierüber lachte Perez herzlich. Auch eine alte und eine junge Dichterin trugen Sonette vor. Dann wurde Musik gemacht: ein schönes Konzert auf der Violine von Ettore Pinelli und dergleichen.

Manchmal läßt sich Rom gar nicht sehen. Es deckt sich vor dem inneren Sinne zu. Ich saß einmal auf dem Monte Mario, da habe ich Rom gesehen.

Rom ist der Dämon, mit welchem ich ringe. Wenn ich siegreich den Kampf bestehe, das heißt, wenn ich dies überwältigende Weltwesen zu einem Objekt der durchdringenden Betrachtung und der künstlerischen Behandlung für mich selbst bezwinge, dann werde ich auch ein Triumphator sein.

Perez hatte einen guten Gedanken. Er wollte einen Aufsatz schreiben über die Bekenntnisse des Augustinus, des Marc Aurel und Rousseaus. Der erste, so sagte er, beichtet vor Gott, der andere vor sich selbst als Stoiker, der eitle Rousseau vor der Welt, um deren Gunst er buhlt.

Heute las mir Perez das erste Kapitel seiner Übersetzung meines ›Korsika‹ vor, welche er der Gräfin Gozzadini widmen will.

Rom, am 1. Pfingsttage, 10. Mai

Ich war mit Emma Niendorf und Perez nach S. Pietro ad Vincula gegangen. Darauf verirrten wir uns in eine Vigna, wo wir plötzlich über den Ruinen der Titusthermen standen. Da war es seltsam, in diese wüsten Korridore hinunter zu sehen – Alles ringsum grün, wehendes Gras und Rosen. Um die Trümmer der Sette sale Orangenbäume in Blüten. Dort standen wir unter, weil es regnete. Schön ist der Blick auf den Coelius: im Mittelgrunde die burgartigen Massen der »Vier Gekrönten«, der Rundbau S. Stefano, die zerbrochene Wasserleitung, dann das Kolosseum, hinterwärts die Türme der Capocci aus dem Grün der Gärten aufragend. Hierauf gingen wir in die Thermen. Der Regen floß melancholisch herab, wie in einer Stalaktitenhöhle. In einem Saal trauerte ein verlassenes Mädchen, ein Freskobild an der Decke, wie im Kerker.

Ich habe mit Perez lebhafte Gespräche über das Wesen der italienischen Poesie gehabt, in welcher das germanische Element des Sehnsüchtigen und Mysteriösen ganz fehlt. Auch Dante hat es nicht, obwohl sein Gedicht durchaus ein gotischer Dom ist. Der Herzog von Sermoneta, Don Michele Caetani, hat einen Plan zur Dante'schen Hölle gezeichnet, auch das Planeten- oder Sphärensystem in einer Karte dargestellt. Dieser geistreiche Mann zeichnet vortrefflich.

Corpus Domini, 22, Mai

Heute erhielt ich vom Maler Jonas den ersten Brief aus Korsika. Er ist entzückt von der Schönheit der Insel. Das Land habe sich in diesen Jahren verändert, man baue jetzt den Acker, keine Flinte noch Dolch werde gesehen. Napoleon hat Korsika entwaffnet. Ich war also der Letzte, welcher das wilde Antlitz dieser Heldeninsel gesehen hat.

Gestern ging ich nach S. Pancrazio, die Grabinschrift des Crescentius zu suchen, doch die alten Inschriften sind dort verschwunden. Ein Karmeliter dort sagte mir, daß er im Jahre 1850 in Aleppo gewesen sei und den General Josef Bem gekannt habe. Dieser habe kurz vor seinem Tode einen Geistlichen verlangt. Er, der Erzähler, habe sich als Türke verkleidet, um dem Sterbenden die Sakramente zu bringen, aber wie er mit dem Konsul Lesseps an die Wohnung Bems gekommen, sei der General verschieden. Hierauf habe der Pascha ihn als Türken begraben lassen.

28. MaiSeit sechs Tagen war ich elend, in Folge einer Kolik, die sich erst gestern gestillt hat, da mir Freund Alertz Medikamente gab. Ich habe die Arbeiten in der Bibliothek ausgesetzt. Ich ging täglich nach der Villa Medici, dort unter den Taxushecken zu sitzen.

Für den Sommer habe ich eine Wohnung gemietet in Genazzano, hinter Palestrina. Ich kann die Zeit der Abreise kaum erwarten; die Wut des Arbeitens hat mich ganz ermüdet.

Ich lese gern die alte Sprache der Chroniken, sie gleicht der Sprache der Bilder von Giotto, Lippi, Ghirlandaio. Von Inschriften der Grabsteine des Mittelalters habe ich viele gesammelt. Meine ›Grabmäler der Päpste‹ vermehre ich und mache ein Büchlein daraus.

Multum esset scribendum, quod dimitto in calamo.

Rom, 24. Juni, S. Johann

In diesen heißen Tagen mußte ich meine Geschichte der Stadt ruhen lassen; doch förderte ich die ›Grabmäler‹ bis zum Saeculum 1300.

Wenig umher gewesen. Gestern war ich mit Perez auf dem Kapitol, wo wir die Statuen der Päpste sahen und die seltsame Figur Karls von Anjou.

Neulich kam der Dichter Salvatore Viale aus Bastia zu mir. Er schenkte mir die neue Ausgabe der ›Canti popolari‹ der Korsen und ich ihm die Edinburgher Übersetzung meines Buchs. Viale ist ein Greis, unverheiratet wie seine Brüder, der Leibarzt des Papsts, und der Kardinal. Sie rechnen im Stillen auf das Papsttum des letzteren, welcher Bischof von Bologna ist.

Abgedruckt sind die ›Fragmente von Agrigent‹ im ›Deutschen Museum‹.

Genazzano, 30 Miglien von Rom, 16. August

Am 25. Juni fuhr ich von Rom ab, mit Annunziata Spetta, einer Venetianerin, welche in Genazzano ein Haus und Weinberge besitzt. Sie wird meine Pflegemutter sein, eine Frau von unermüdlicher Redseligkeit und Geschäftigkeit.

Ich habe ein kleines Dachzimmer. Es ist sehr heiß; auf dem Dache sonnen sich Schlangen. Nachts funkelt die Campagna von schwebenden Lichtern. Der Sommerzauber ist entzückend. Was ich suchte, ist hier. Einsamkeit und Frieden.

Perez, der mir nachzufolgen versprochen hatte, ist nicht gekommen, weil er plötzlich nach Ferrara abgerufen wurde.

Ich lese das Trostbuch des Boethius oft in einem Kastanienbusch, bisweilen auf dem Rücken eines Esels. Je älter der Mensch wird, desto mehr tritt die Philosophie an ihn in moralischer Gestalt.

Die ›Papstgräber‹ habe ich vollendet. Am 7. August war ich nach Rom gefahren, das Manuskript auf die Dogana zu bringen. Nachts kehrte ich hierher zurück.

Genazzano, 19. SeptemberIn dieser sonnigen Stille habe ich das Gedicht ›Euphorion‹ vollendet. Ich habe vieles, was mein Inneres bewegte, darin verwoben.

Darauf schrieb ich das Gedicht ›Ustica‹ nieder.

Hier erhielt ich einen schönen Brief von Humboldt. Er schreibt in unleserlichen Charakteren, wie in Hieroglyphen. Er hat ›Korsika‹ dem Könige vorgelesen.

Perez schrieb endlich aus der Villa Ronzano bei Bologna. Welch ein rätselhafter Mensch! Er wird Rosminianer in Rom.Fata trahunt.Alles war vergebens. Es ist eine tiefsinnige Richtung in ihm, welcher er blindlings folgen muß.

Endlich kam er. Er überraschte mich abends am 14. September. Wir blieben die Nacht zusammen: sie war aufregend und peinvoll. Folgenden Tags am Mittag begleitete ich ihn bis Palestrina, wo ich auf der Stätte des alten Fortuna-Tempels von ihm Abschied nahm. Ich verliere meinen besten, geistvollsten Gefährten in Rom, und für immer. Er ließ mir als Andenken den Giannone, den Casti, den Layard und einen Virgil aus seiner Bibliothek.

Am 23. ritt ich mit dem Campagnolen Francesco Romano, einem Mann von riesiger Gestalt, nach Anagni. Wir rasteten in Pagliano, und erreichten am Abend Anagni. Dort besuchte ich eine der angesehensten Familien, die Ambrosi. Ich logierte gut hinter dem Stadthaus, welches auf mächtigen Arkaden ruht. Am 24. ritt ich nach Pagliano und kehrte abends wieder hierher zurück.

Mein schon dreimonatlicher Aufenthalt in Genazzano ist beendigt. Ich hatte schöne Stunden der Weihe in diesem entzückend gelegenen Ort. Morgen kehre ich zurück nach Rom, wo ich den ersten Band der ›Geschichte der Stadt im Mittelalter‹ beginnen will. Bald wird es sich zeigen, ob mir dieses Werk von Gottes Gnaden bestimmt ist oder nicht.

Rom, 2. Oktober

Am Freitag, den 26. September, kehrte ich nach Rom zurück. Mich begrüßte ein schöner Brief von Althaus; er ist ein wahrer Freund.

Ich war traurig um Perez. Am 28. September nahm er das geistliche Gewand. Der Padre Luigi und der Rosminianergeneral Bertetti haben dies Opfer umstrickt. Die Gräfin Gozzadini schrieb mir dies am 25. September, und sie hofft noch, daß mein Einfluß stark genug sein werde, ihn zu befreien.

Gestern sah ich ihn am Piè di Marmo. Er kam mit zwei anderen, seinen Genossen, schon in geistlicher Tracht. Wie er mich erblickte, bewegte er sich und bedeckte das Gesicht. Ich sah ihn an voll Kummer. Wir machten uns stumme Zeichen. So ging er weiter. Er darf niemand sprechen, noch an jemand schreiben; alle seine Freiheit hat er dahingegeben, und zu welchem Ziel und Zweck?

Gestern kam ein Brief von Brockhaus, der die ›Papstgräber‹ angenommen hat.

Am 28. abends traf hier die Kusine Aurora ein, begleitet von einer edeln Landsmännin, Pauline.

Heute sind es vier Jahre, daß ich nach Rom kam. Seither vollendete ich: ›Korsika‹, die ›Figuren‹, den Meli, die ›Grabmäler der Päpste‹, ›Euphorion‹, vieles andere Zerstreute, und ich sammelte viel Material zur ›Geschichte der Stadt Rom‹.

Ich fand hier tot Emil Braun. Er starb am Anfange des September an der Perniciosa. Braun war ein Sophist, doch er hatte Züge von echter Liberalität und Großartigkeit.

Es starben bald nach ihm die beiden berühmten Archäologen Canina und Orioli.

Rom, 12. November Mittwoch. Vollmond

Heute um 9 Uhr des Morgens habe ich den ersten Band der ›Geschichte Roms im Mittelalter‹ zu schreiben angefangen, im 5. Jahre meines Aufenthalts in Rom, meines Lebens im 35., im 11. Jahre des Papsts Pius IX.

Nachdem ich nachmittags die Feder weggelegt hatte, ging ich auf das Forum. Es regnete, dann ward es klar. Da sah ich im Kolosseum das herrlichste Wolkenphänomen bei untergehender Sonne. Es ergoß sich ein Purpurstrom über die Ruinen des Palatin, das Amphitheater stand im magischen Brande. Ich hatte eine weihevolle Stunde, und so kam ich heiter zurück.

Don Giovanni Torlonia sagte mir mit Recht, daß die Sonette die Italiener um die Natur in der Poesie gebracht haben.

Pauline, welche ich alle Abende sehe, hat einen tiefen Kummer gehabt. Sie ist edel und klar, und großgesinnt. Hochmut, so sagte sie, ist die Frucht, die am Baum der Erkenntnis wächst, und ich entgegnete ihr, diese Frucht heiße vielmehr Demut.

1857

Rom, 14. Juni

In diesem Jahre habe ich von meinem Tun noch nichts aufgezeichnet, weil ich in der Geschichte der Stadt versunken war.

Der Winter war kalt und streng. Eine ausgezeichnete Geselligkeit verschönerte ihn. Die edle Pauline reiste in ihr Vaterland zurück am 17. April. Ich konnte beruhigend auf ihr Gemüt wirken und sie aus ihrem Kummer in ideale Regionen erheben. Eine neue Welt ist ihr in Rom aufgegangen. Am 21. März, dem Frühlingsanfang, trug sie selber (denn so wollte sie es) das Manuskript ›Euphorion‹ in den Tempel Antonins, wo sich die Dogana befindet, und wohl in Wachsleinwand verpackt, reisten diese Pompejaner ab.

Im März kamen die ›Grabmäler der Päpste‹ aus Leipzig.

Am 25. April wurde das Tasso-Monument von Fabri in S. Onofrio enthüllt, und man brachte die Gebeine des Poeten in die neue Gruft unter demselben. Ich habe über diese Feier und das miserable Machwerk von Monument einen längeren Artikel für das ›Morgenblatt‹ geschrieben. Und dies war meine einzige kleine Nebenarbeit. Unausgesetzt schrieb ich an der ›Geschichte der Stadt‹ bis zum 18. Mai, wo ich das dritte Buch beendigte.

Am 14. Mai sah ich mit de Rossi, mit der Improvisatorin Giovanna Milli und der Dichterin Teresa Guoli die Katakomben von S. Calixtus.

Mit dem preußischen Gesandten von Thile sah ich das Kirchersche Museum.

Mit einer französischen Familie war ich zum erstenmal in der Engelsburg. Es liegen dort noch viele Schießkugeln von Marmor. Die Wappenschilder Alexanders VI. haben die Republikaner von 1848 vandalisch zerstört. Überall liest man französische Inschriften, so daß dies Mausoleum Hadrians zu einer Bastille geworden ist.

Den Winter über war hier der Kunsthistoriker Schnaase, ein kränklicher Herr, fein und still, vorsichtig und gründlich, und von der liebenswürdigsten Natur. Sehr religiös. Er hat einen Zorn gegen die Philosophie des 18. Jahrhunderts, gegen Voltaire und Gibbon. Er glaubt, daß der Protestantismus die Kunst regenerieren wird. Den Moses Michel Angelos hält er nicht für das bedeutendste plastische Kunstwerk der modernen Zeiten. Er behauptete, daß es in gotischen Domen Deutschlands schönere gäbe; doch er nannte sie mir nicht. Sabatier will seine Geschichte der Kunst übersetzen.

Ich war vor kurzem zu einem sehr luxuriösen Frühstück in der Villa Torlonia, zusammen mit de Rossi, Visconti, Ampère, Lehmann, Henzen und Dr. Brunn. Dies Fest gaben Torlonia Vater und Sohn.