10,99 €
Endlich beginnt die Zauberschule! Begeistert ziehen das Zaubermädchen Aywa und ihr Tiergefährte, Kater Cosmo, in die geheime Schule für magische Elemente ein. Obwohl es absolut geheim bleiben soll, dass Cosmo über magische Kräfte verfügt, muss der Kater immer wieder heimlich für Aywa zaubern, denn die schusselige Schülerin hat ihre magischen Kräfte immer noch nicht im Griff. Doch schon bald bekommen die beiden ein viel größeres Problem: Als plötzlich düstere Geisterhunde im Schloss auftauchen und Cosmo bedrohen, wird es richtig gefährlich – für Cosmo und die gesamte Schule ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 219
Veröffentlichungsjahr: 2024
Barbara Rosslow
Der gestohlene Zauberring
FürClaudi & Biene,Maja, Rübe & Ratzi,Simone & Lilly,Hanne & Lokiund alle,die zauberhaft tierische Begleiterzu Hause haben
5 4 3 2 1
eISBN 978-3-649-64856-7
© 2024 Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG,
Hafenweg 30, 48155 Münster
Alle Rechte vorbehalten, auch auszugsweise. Die Nutzung des Werkes für das Text- und Data-Mining nach §44 b UrhG ist durch den Verlag ausdrücklich vorbehalten und daher verboten.
Text: Barbara Rosslow
Vermittelt durch Ulrike Schuldes
Illustrationen: Dorothee Mahnkopf
Lektorat: Anja Fislage
Fachberatung (Lateinisch): Barbara Sendker
Satz: Sabine Conrad, Bad Nauheim
www.coppenrath.de
Die Print-Ausgabe erscheint unter der ISBN 978-3-649-67240-1.
»Wenn der Himmel dunkle Funken entfacht, dann ist neu die böse Magie erwacht.
Bald schickt die Dunkle die Geistermeute um zu holen ihre Zauberbeute.
Und hat die Meute ihr diese zurückgebracht, erhebt sich die Dunkle mit ihrer ganzen Macht.«
Prolog
Zerfetzter Hexenbesen und zerlöcherter Zauberteppich
Zu spät!
Quinnin und Yosch
Das Lichtzimmer
Eine Treppe aus Glas
Alles unter Kontrolle?
Der verflixte Verschwindibus-Trank
Funkellimonade und Regenbogenlasagne
Da stinkt etwas gehörig zum Himmel!
TU ES NICHT
Der dunkle Funkenschatten
Der böse Blick
Auf was warten wir noch?
Der Türwächter
Die Schattenmeisterin
Occupatum corpus anima
Hummer, Puma, aber keine Eidechse
Totaler Mumpitz
Die dunkle Meute
Cosmos Pfote
Das Albenband
Der Schattenspiegel
Geheimniskrämerei und Freundschaftsknatsch
Der Zukunftsblick
Der magische Ring
Eine absolute Notlösung
Die Beute
Caligo cedat a lumine
Spitze Finger und ein honigsüßes Lächeln
Wo Licht ist, ist auch Schatten …
Epilog
Sie stand hoch oben auf der Burgzinne und blickte auf das Labyrinth, das ihre Festung umgab. Nebelschwaden hingen über dem Irrgarten und schimmerten geisterhaft in der Morgendämmerung. Eine eisige Bö fegte über das alte Gemäuer und bauschte ihren dunklen Kapuzenumhang auf. Krächzend landeten sieben Krähen neben ihr. Die Vögel begannen, mit den Schnäbeln nacheinander zu hacken. Belustigt warf sie den Krähen einen Blick zu, bevor sie mit spitzen Fingern ein schmuckloses Kästchen aus dem Gewand zog. Sie öffnete es. Eine kleine Kugel lag darin, die schwärzer war als jede Finsternis. Zärtlich nahm sie die Kugel zwischen Daumen und Zeigefinger und hauchte sie an. Sofort begann das Innere der Kugel in trüben Farbtönen zu pulsieren.
»Sucht, sucht!«, flüsterte sie heiser. »Diesmal schicke ich meine Spione hinterher, damit ich endlich die verlorengegangene Macht meines Kindes wiederfinde.« Sie hielt inne und lächelte. »Und das ist erst der Anfang!«
Sie zog ihre Kapuze zurück. Blondes, wallendes Haar fiel über ihre Schultern. Ein zweites Mal hauchte sie die pulsierende Kugel an. Sofort schoss ein schwarzer Funke heraus. Dieser bedeckte für einen Moment – wie ein großer Schatten – den Himmel, bevor er blitzschnell nach Osten entschwand. Sie starrte hinterher. Wickfield!, dachte sie, und ballte ihre rechte Hand zur Faust.
Dann wandte sie sich den Krähen zu und nickte. Augenblicklich flogen diese kreischend in die Richtung davon, wo auch der dunkle Funkenschatten entschwunden war. Die Jagd hatte begonnen!
»Beeil dich, wir kommen zu spät«, miaute Kater Cosmo von der Schulter des Zaubermädchens Aywa.
Sie hatten soeben das goldene Tor mit dem geschwungenen W passiert, den Eingang zum Park des Zauberschlosses von Wickfield. Aywa schlenderte viel zu verträumt über das frostige Kopfsteinpflaster. Der sonnengelbe Spitzhut saß wie immer schief auf Aywas Kraushaar, den Flugbesen hatte sie umständlich über die Schultern gelegt.
Links und rechts der Straße trugen die haushohen Pappeln noch ihr kahles Winterkleid – trotz strahlender Märzsonne. Vor ihnen schimmerte in der Ferne geheimnisvoll das siebentürmige Zauberschloss – Aywas neue Zauberschule!
Vor Aufregung zitterten Cosmos Schnurbarthaare und sein Schwanz plusterte sich auf. Heiliger Mäusedreck!
Er wollte nicht, dass sie zu spät kamen. Denn heute war der erste Tag für Aywa in der berühmten Zauberschule von Wickfield. Die einzige Schule, die das Wissen der magischen Elemente lehrte.
Als Tiergefährte trug Cosmo eine wichtige Verantwortung gegenüber Aywa. Das hatte der Kater im Trainingscamp für angehende Tiergefährten letzten Herbst gelernt. Es war seine Aufgabe, sein Zauberkind bestmöglich im Leben zu unterstützen. Und dazu zählte für Cosmo auch, dass Aywa rechtzeitig in die Schule kam. Diese Zauberschule nahm nur die begabtesten Kinder auf, die über eine besondere Zauberkraft verfügten. Naja, wenn es Cosmo genau nahm, war Aywa eigentlich überhaupt nicht begabt im Zaubern. Fast immer ging beim schusseligen Zaubermädchen etwas schief, wenn sie es versuchte.
Zur Rattenhölle! Was soll’s?, dachte Cosmo. Seit die magische Kraft in seiner weißen Vorderpfote erwacht war, zauberte er einfach heimlich für sie. Natürlich konnte er nur einfache Alltagsmagie anwenden, wie Dinge bewegen, Türen öffnen oder den Besen fliegen lassen. Mehr Zaubersprüche kannten er und Aywa noch nicht. Trotzdem. Niemand durfte wissen, dass er überhaupt zaubern konnte! Nicht einmal Aywas Eltern, die berühmte Lichtzauberin Enomis von Luz und der Kräuteroberhexer Obaxa. Denn Tiere besaßen eigentlich gar keine Zauberkräfte. Das war sozusagen gar nicht möglich. Außer eben bei ihm – dem Straßenkater und Tiergefährten Cosmo! Er hielt inne und blickte auf seine Pfote. Er war mächtig stolz, dass in den letzten Wintermonaten niemand gemerkt hatte, wie er heimlich für Aywa zauberte. Sogar dem wachsamen Falke Trux von Aywas Mutter Enomis war nichts aufgefallen. Bei der neunschwänzigen Katzengöttin! Aywa und er waren eben ein oberkatermäßig eingespieltes Team!
»Zerfetzter Hexenbesen und zerlöcherter Zauberteppich!«, fluchte Aywa.
Cosmo schaute hinunter und sah, wie Aywa an ihrem Flugbesen riss, mit dem sie im Vorbeigehen an einem Dornengestrüpp hängen geblieben war. Der Rucksack auf ihrem Rücken wackelte dabei wild hin und her, fast wäre Cosmo von ihrer Schulter gefallen.
Wir müssen uns doch beeilen!, dachte er. Es war bestimmt schon fast vier Uhr nachmittags. Um diese Zeit sollte die Begrüßung der neuen Zauberschüler im Schlosspark beginnen … Am besten blieb er ganz entspannt, sonst würde er Aywa nur nervös machen und wer weiß, was dann noch alles schiefgehen könnte.
»Brauchst du Hilfe?«, maunzte er also betont gelassen.
»Nein, nein, Katerchen. Hab alles unter Kontrolle«, antwortete sie und zog noch fester am Besenstiel. »Du blöder Besen, komm da endlich raus!«
In diesem Moment löste sich der Besen. Cosmo sprang gerade noch rechtzeitig hinunter auf das Kopfsteinpflaster, bevor Aywa – rumms! – mitsamt Rucksack neben ihm auf die Straße krachte. Ihr gelber Spitzhut kullerte ein paar Meter weiter über die Allee.
»Vielleicht hätten wir doch fliegen sollen«, seufzte sie, während sie sich aufrichtete. »Dann wären wir bestimmt schon da.«
Cosmo wies mit der Pfote auf ein rundes, weiß-rotes Schild, das einen Besen zeigte, der durchstrichen war. »Es ist Flugverbot auf der Allee der Zauberschule. Das stand auch so in der Einladung.«
In diesem Moment drang ein heller Dreiklang an Cosmos Ohren.
Aywa schreckte hoch. »Mist! Die Begrüßung hat schon begonnen!«, rief sie und schnappte sich ihren Spitzhut vom Boden. »Es bleibt uns nichts anderes übrig: Wir fliegen hin – und zwar sofort!«
Ungeschickt klemmte Aywa sich den Besen zwischen die Beine.
Cosmo zögerte. »Soll ich lenken?«, fragte er und richtete seine weiße Pfote auf das Stielende.
»Nein.« Aywa schüttelte entschieden den Kopf.
»Diesmal nicht. Es könnte uns jemand sehen. Du weißt doch: Niemand darf wissen, dass du magische Kräfte hast. Ich mach das!«
Widerwillig sprang Cosmo vorne auf den Besen. Gleichzeitig zog Aywa ihren Spitzhut tief in die Stirn und rief: »Surge!«
Der Besen hob sich mit ihnen in die Luft. Cosmo krallte sich in das Holz des Besenstiels und legte die Ohren an. »Vola quam celerrime!«, gellte Aywa.
Im Nu beschleunigte der Besen seinen Flug und düste im unregelmäßigen Zickzack über die breite Allee. Der Wind pfiff um Cosmos Ohren und bog seine Schnurrbarthaare zurück. Die Pappeln links und rechts flitzten wie Pinsel eines Riesen an ihnen vorbei.
Cosmos Herz schlug rasend schnell. Es gab da nämlich ein Problem: Er litt an Höhenangst. Deshalb vermied er alles, was mit Höhen zu tun hatte, wie zum Beispiel von hohen Mauern hinunterzuschauen oder auf Bäume zu klettern. Auch das Mitfliegen auf dem Besen war für ihn die reine Tortur. Nur wenn er seine magische Pfote benutzte und zum Beispiel selbst flog, konnte er es mit Höhen problemlos aufnehmen. Aber das durfte er ja jetzt nicht!
Sein Magen fing an, komisch zu rumpeln. Cosmo presste seine Schnauze zusammen. Da kam ihm das Anti-Blubberpulver in den Sinn, die Arznei von Aywas Vater, die gegen Reisekrankheit wirkte. Hoffentlich hatte Aywa ein Döschen eingepackt.
»Aywa, hast du Anti-Blubberpulver dabei?«, maunzte Cosmo gepresst. »Ich glaub, mir wird oberkatermäßig schlecht!«
»Ach, Cosmo!« Aywas Stimme klang angespannt. »Dafür haben wir jetzt keine Zeit, das Döschen liegt ganz unten im Rucksack. Schau, wir sind gleich da!«
Cosmo warf einen ängstlichen Blick hinunter. Aywa hatte recht: Schon verließen sie die Allee und rasten in einen Schlosspark, in dessen Mitte ein siebenzackiger, sternförmiger Teich lag. Sieben geschwungene Stege führten vom Teichufer auf eine kleine Insel. Dort hatten sich bereits sechs Zauberkinder mit ihren Tiergefährten versammelt, vor denen ein grauer Zaubermeister stand.
»Conside!«, brüllte Aywa hinter ihm. Der Zauberspruch für die Landung.
Der Besen senkte sich steil nach unten. Mit Karacho rasten sie auf die Insel zu. Doch statt auf dem sicheren Ufer, landeten sie – PFLATSCH! – im Teich!
Kalte Wellen schlugen über Cosmo zusammen. Um ihn herum gurgelte es.
Mäusepups und Rattenschwanz! Wäre doch ich geflogen! Dann wären wir jetzt im Trockenen, dachte er.
Aber wo war Aywa? Verzweifelt wand er sich in alle Richtungen. In dem trüben Wasser war nichts auszumachen. Panisch strampelte er mit allen Vieren. Seine Kehle schnürte sich zu. Er verschluckte sich und ein widerlicher Algengeschmack füllte sein Maul. Bähhh! In diesen Moment wurde er aus dem Wasser gehoben. Aywa – sie hatte ihn gerettet! Gierig zog Cosmo die frostige Märzluft ein, die in seinen Lungen brannte. Er hustete und rieb sich mit den Pfoten das Teichwasser aus den Augen. Am Ufer erblickte er die versammelten Zauberkinder mit ihren Tiergefährten, denen es vollkommen die Sprache verschlagen hatte. Ganz im Gegensatz zu Aywa:
»Hallihallo! Wir sind jetzt auch da!«, hörte er sie nervös rufen. Patschnass grinste sie verlegen in die Runde. Mit ungeschickten Schritten watete sie aus dem Teich. Unter den einen Arm hatte sie den Besenstiel geklemmt, unter dem anderen hing er – ein triefend nasser, nach Luft schnappender Kater. Wie peinlich!
Aywa zitterte am ganzen Körper. Sie wusste nicht, ob es die Aufregung vor der Schule war oder weil sie vom unfreiwilligen Teichbad so fror. Vor ihr hatten sich sechs Zauberkinder mit ihren Tiergefährten versammelt und tuschelten. Aywa drückte Cosmo an sich und flüsterte ihm ins Ohr: »Entschuldige bitte diese Bruchlandung!«
»Bist wohl mit dem Besenfliegen etwas aus der Übung gekommen«, maunzte Cosmo leise zurück. »Das wird schon wieder.«
Aywa drückte Cosmo noch mehr an sich. Was hatte sie doch für einen lieben Tiergefährten! Sie wusste genau, wie sehr Cosmo Wasser hasste. Trotzdem hielt er zu ihr und wurde nicht böse. So war es immer, egal was für ein Ungeschick ihr passierte.
Ein ganz in Grau gekleideter Zauberer bahnte sich einen Weg durch die versammelten Zauberkinder. Es war der Professor Kopernikus, der Schuldirektor. Auf seiner Schulter turnte seine Nebelkrähe Vindur. Der Professor strich sich den Flauschbart glatt und rückte seinen Spitzhut zurecht. »Aywa von Luz – du bist wieder mal zu spät!«, sagte er mit Fistelstimme.
»So ist es, so ist es!«, krächzte die Nebelkrähe Vindur und hüpfte auf und ab. »Sie ist zum zweiten Mal zu spät. Beim ersten Mal war es bei der Aufnahmeprüfung und jetzt sogar an ihrem ersten Schultag!«
Der Schuldirektor Kopernikus warf Vindur einen tadelnden Blick zu. Die Krähe verstummte, zog den Kopf ein und drehte sich beleidigt um, sodass nur noch ihre weiß-schwarzen Schwanzfedern zu sehen waren.
Nun wandte sich der graue Zauberer wieder Aywa zu.
»Zudem ist das Besenfliegen auf der Allee zum Zauberschloss untersagt. Hast du das Verbotsschild nicht gesehen?«
Aywa senkte den Blick. »Doch, Herr Schuldirektor.
Haben wir. Aber da wir es so eilig hatten, dachte ich …«, unsicher schaute sie zu ihm hoch, »… dass wir vielleicht eine einmalige Ausnahme machen könnten?«
Hinter dem grauen Zauberer kicherten die Zauberkinder.
Beschämt machte Aywa einen Schritt zurück. Cosmo stupste sie mit seiner Schnauze an und raunte ihr aufmunternd ins Ohr: »Schau, Wim und Cliff sind auch da.«
Aywa warf einen Blick zu den Kindern. Sie hatte jedes der sechs Zauberkinder an der Zeremonie im vergangenen Herbst gesehen, als sie alle einen Tiergefährten zugeteilt bekommen hatten. Sofort konnte sie Wim ausmachen, den wirbeligen Zauberjungen mit den zerzausten Haaren. Er lächelte sie verschmitzt an und aus seinem Haarschopf winkte freudig das Flughörnchen Cliff.
Ach, Cliff! Unser guter Freund!, dachte Aywa. Was hatten sie und Cosmo doch mit ihm an Halloween für ein verrücktes Abenteuer erlebt! Ein Abenteuer, bei dem sie die Spiegelkugel von Wickfield aus den fiesen Fängen eines Schwarzhexers gerettet hatten und Cosmo seine Zauberkraft in seiner weißen Pfote entdeckt hatte.
Ein Lächeln huschte übers Aywas Gesicht. Dann schweiften ihre Augen zu einem rothaarigen Mädchen, das neben einer Füchsin stand.
Verächtlich verzog das Mädchen seinen Mund und zischte: »Eine von Luz kann sich wohl immer erlauben, zu spät zu kommen, was?« Die Augen des Mädchens funkelten böse. »Hast du eigentlich die Aufnahmeprüfung bestanden oder hat dir deine berühmte Mutter den Zutritt zur Schule ermöglicht?«
Aywa zuckte zusammen. Warum war dieses Mädchen so gemein zu ihr? Sie mochte Aywa nicht, das hatte Aywa schon vor einem halben Jahr bei der Aufnahmeprüfung für die Zauberschule gespürt. Schon damals hatte sich das Mädchen vor allen anderen Kinder über sie lustig gemacht. Aber warum? Sie hatte ihr doch nie etwas getan.
»Schluss jetzt!« Schuldirektor Kopernikus blickte verärgert zum rothaarigen Mädchen und sagte dann zu Aywa: »Stell dich zu den anderen.«
Halb durchgefroren vor Nässe und Kälte lief Aywa mit Cosmo unter dem Arm am Schuldirektor vorbei, um sich einzureihen. In diesen Augenblick schnippte der graue Zauberer kaum hörbar mit dem Finger und murmelte: »sicci sint iterum!«
In Sekundenschnelle fuhr ein warmer Wind über Aywa und blies alle Kälte und Feuchtigkeit davon. Der Professor hatte sie tatsächlich mit einem Schnipp trocken gezaubert! Sie schaute an sich herunter und bemerkte, dass ihr Mantel und der Rock wie frischgewaschen und gebügelt mit der Sonne um die Wette strahlten. Auf ihrem Kopf saß auf einmal bolzengerade ihr im See verlorengegangener Spitzhut. Nur ihr Kraushaar war so wild und ungekämmt wie eh und je. Als Aywa auf Cosmo hinuntersah, musste sie ein Kichern unterdrücken: Das Fell des Katers war so aufgebauscht, als wäre er von einem Tornado trockengeföhnt worden. Säuerlich begann Cosmo, sein Fell glatt zu lecken.
»Wie schick!«, zischte das rothaarige Mädchen höhnisch zu Aywa. »Madame von Luz trägt bereits einen Spitzhut, der eigentlich nur ausgebildeten Elementarzauberinnen vorbehalten ist! Den hat sie bestimmt von ihrer berühmten Mutter bekommen!«
Aywa spürte einen Stich im Herzen. Wie fies dieses Mädchen doch zu ihr war! Schamhaft zog sie ihren gelben Spitzhut ab und stopfte ihn in ihre Manteltasche.
»Ignorier die Rothaarige.« Luna, das Mädchen mit den dicken Zöpfen, das Aywa bereits bei der Aufnahmeprüfung getroffen hatte, zog sie neben sich und Wim. Sie lächelte Aywa zu. Mücke, ihre Braunbärin, brummte freundlich.
»Euer Absturz im Teich war ja geradezu legendär«, gluckste Wim und fuhr sich durch die zerzausten Haare.
»Naja, ich glaub, wir hätten es lieber weniger nass gehabt. Oder, Cosmo?«, erwiderte Aywa verlegen.
Bevor Cosmo etwas antworten konnte, umarmte ihn Cliff, Wims Flughörnchen, so fest, dass Cosmo angestrengt nach Luft schnappte. »Ich freue mich so, dich wiederzusehen, mein bester Freund!«, piepste Cliff und schmiegte sich noch enger an den Kater.
»Freu mich auch«, japste Cosmo. »Und wenn du mich loslässt, dann kann ich sogar atmen.«
»Ruhe!« Die Stimme von Kopernikus zerschnitt die Luft. Cliff ließ sich von Cosmo fallen, kroch sofort an Wims Bein hoch und schlüpfte unter sein Hemd.
Alle Zauberkinder und ihre Tiergefährten waren verstummt. Der graue Zauberer nickte. »Lasst uns eure sieben Elementarzaubermeisterinnen und -meister herbeirufen!« Sogleich blies er in ein winziges, silbernes Horn, das er an einer Kordel um den Hals trug. Ein heller Dreiklang erscholl. Wie auf Kommando fielen nacheinander ein dunkelblauer, hellblauer, grüner, gelber, oranger und roter Funke vom Himmel. Mit jedem Funken erschien eine Zaubermeisterin oder ein Zaubermeister mit einem jeweiligen Tiergefährten und verbeugte sich vor den Kindern. Fast alle Meisterinnen und Meister trugen einen Spitzhut. Die Zauberin, die aus dem grünen Funken erschien, kannte Aywa bereits. Das war Meisterin Florentine. Diese herzliche, rundliche Frau mit dem grünen, blumenübersäten Spitzhut und dem um sie herum flatternden blauen Schmetterling war damals mit Schuldirektor Kopernikus bei der Aufnahmeprüfung als Prüferin dabei gewesen. Bevor Aywa sich die anderen Zauberer und Zauberinnen näher ansehen konnte, wuchs plötzlich ein Schatten neben Florentine aus dem Boden. Und ein hagerer Mann trat heraus, der die Kinder mit stahlblauen Augen unter einem violetten Kapuzenumhang düster musterte. Er trug keinen Spitzhut und hatte auch keinen Tiergefährten dabei. Statt sich zu verbeugen, neigte er kaum merklich den Kopf.
Aywa fröstelte.
Was ist das nur für ein unheimlicher Kapuzenmann?, fragte sie sich.
***
Als Cosmo den düsteren Mann aus dem Schatten herauswachsen sah, stellten sich sofort seine Fellhaare auf. Zur Rattenhölle!, durchfuhr es ihn. Was macht Mister Moon, der Schattenwandler, hier? Der kann doch gar kein Elementarzauberer sein, oder?
Sofort erinnerte sich Cosmo, wie Mister Moon ihn damals im Tiercamp für jegliche unheimlichen Vorkommnisse beschuldigt hatte. Das war richtig gemein gewesen!
Und in diesem Augenblick passierte genau das wieder, was Cosmo früher auch schon im Tiercamp erlebt hatte: Über ihm wurde es kurz dunkel, so als wäre ein großer Vogel über ihn hinweggeflogen oder als hätte der blaue Märzhimmel geblinzelt. Cosmo schaute hoch, aber da war es auch schon wieder vorbei.
»Was ist los?«, fragte Aywa Cosmo leise, als sie spürte, wie ihr Kater seine Krallen auf ihrem Arm ausgefahren hatte.
Doch Cosmo schwieg und fixierte mit zurückgelegten Ohren den Himmel.
Kopernikus trat vor. »Liebe Kinder«, begann er, »ich begrüße euch herzlich zu eurem ersten Schultag in der Zauberschule der magischen Elemente. Ihr seid die sieben Auserwählten, die neu in die Geheimnisse der Elementmagie eingeweiht werdet. Jedem Element hat die Spiegelkugel ein Kind zugeteilt. Welchem Element ihr entsprecht, ob Erde, Wind, Feuer, Eisen, Wasser, Licht oder Schatten, werdet ihr gleich erfahren.«
»Ich weiß das jetzt schon!«, platzte das rothaarige Mädchen in Kopernikus’ Rede. »Ich trage das Feuerelement in mir.« Stolz schaute sie in die Runde.
»Wie wahr, Brenda Hold«, rief eine kratzige Männerstimme. Ein rotbärtiger Mann mit rotem Spitzhut trat auf das Mädchen zu. Aus seiner Hemdtasche lugte ein züngelnder Feuersalamander heraus.
»Ich bin Feuermeister Furius«, sagte der rotbärtige Zaubermeister und neigte seinen Kopf. »Ich freue mich, dir beizubringen, wie du dein inneres Feuer kontrollieren kannst.« Und für einen Augenblick glühten seine Augen und sein Bart begann zu qualmen. Beißender Rauch waberte über Brenda hinweg. Der Feuersalamander kicherte aus der Hemdtasche: »Hihi, genau! Wir lehren dir, dich selbst zu bändigen.«
Brenda verschränkte ihre Arme und presste trotzig ihre Lippen zusammen.
Kopernikus nickte dem Feuermeister Furius zu und sprach weiter: »Unsere sieben Meisterinnen und Meister sind jeweils Experte oder Expertin in einem bestimmten Element. Außerdem unterrichten sie unterschiedliche Fächer. Furius, Meister des Feuers, der euch ab dem zweiten Semester das Funkenreisen beibringen wird, habt ihr soeben kennengelernt.«
Kopernikus winkte einem kugelrunden Mann mit meergrünen Augen zu, der statt eines Spitzhuts einen dunkelbauen Kraken auf den Kopf trug. »Gerne stelle ich euch Azurio vor, Meister über das Wasser und Spezialist in Verwandlungskunst.«
Mit tosender Stimme rief Azurio: »Die Verwandlungskunst wird ein Riesenspaß, glaubt mir, Kinder!« Der Wassermeister grinste breit, während sein Krake fröhlich alle acht Arme herumwirbelte.
Danach präsentierte sich Irona, Meisterin der Eisenmagie und der Kampfkunst gegen dunkle Mächte. Aywa hielt die Luft an, als die muskulöse Frau, die einen bronzefarbenen Brustschild trug, blitzschnell mit einem Flickflack und einem dreifachen Salto vor ihnen landete. Die Eisenmeisterin jonglierte mit in der Sonne blitzenden Dolchen, während ihr Tiergefährte, ein faustgroßer, auffällig metallisch schimmernder Käfer, seelenruhig auf ihrer Schulter sitzen blieb.
»In den Kampf der dunklen Mächte werdet ihr ebenfalls erst im zweiten Semester eingeführt«, erklärte Kopernikus.
Brenda Hold verdrehte die Augen. »Alle wirklich interessanten Fächer werden auf später verschoben! Wie blöd ist das denn?!«
Keinen Augenblick später stellte sich die flinke Windzauberin Hawa vor, die zudem Lehrerin für Wettermagie war. Ihr schnittiger Flugbesen, ihre fliegenden Haare und die Möwe, die sie umkreiste, ließen keine Zweifel offen: Diese Meisterin passte perfekt zum Wind- und Luftelement.
»Und nun komme ich zu unserem jüngsten Lehrer: Lichtmeister Quinnin«, verkündete Schulmeister Kopernikus. »Quinnin ist übrigens unser Bibliothekar der Zauberbibliothek und Lehrer für Geschichtskunde der magischen Wesen.«
Ein jungenhafter Zauberer mit engelsblondem Haar und veilchenblauen Augen war hervorgetreten. Er verneigte sich und schenkte den Kindern ein warmes Lächeln. Während der junge Mann Ruhe und Gelassenheit ausstrahlte, flitzte sein Tiergefährte, ein winziger gelber Vogel, nervös um seinen gelben Spitzhut.
Aywa hoffte inständig, dass er ihr Lehrer werden würde. Sie hatte ihn sofort ins Herz geschlossen.
Vielleicht war das Lichtelement bei ihr ebenfalls vorherrschend, wie bei ihrer Mutter? Bei diesem Gedanken wurde sie noch aufgeregter, als sie es schon war. Nur mit halbem Ohr bekam sie mit, dass Meisterin Florentine, die Zauberin mit dem Blumenspitzhut und dem Schmetterling, die Erdenmeisterin und Lehrerin für Zauber- und Heiltränke war.
»Ich würde euch gern noch eine weitere Person vorstellen«, hörte Aywa den Schuldirektor mit plötzlich sehr ernster Stimme sagen. »Da aber leider unsere verehrte Schattenmeisterin Sombra …«, Kopernikus hüstelte und schaute betroffen zu Boden, »erkrankt ist, wird vorübergehend Mister Moon für sie einspringen.« Der Schuldirektor wies auf den düsteren Mann mit dem violetten Kapuzenumhang.
Aywa beobachtete schaudernd, wie sich ein Schatten von Mister Moon rasend schnell am Boden ausbreitete. Gleichzeitig näherte er sich mit geisterhaft fließenden Bewegungen ihr und den anderen versammelten Kindern. Sein eiskalter Blick traf Aywa so heftig, dass sie für einen kurzen Augenblick dachte, sie wäre wieder ins kalte Teichwasser gefallen. Verhexte Eishöhle und verzauberte Gletscherspalte!, durchfuhr es sie. Was ist das nur für ein unheimlicher Mann?
Genauso schnell, wie der Schatten angewachsen war, zog er sich wieder zurück – und mit ihm auch der düstere Mister Moon. Erleichtert atmete Aywa auf.
»Gleich im Anschluss werden euch eure Meister auf eure Zimmer im Zauberschloss bringen.« Der Schuldirektor zeigte nach hinten.
Aywas Blick folgte seiner Hand. Ihr Herz hüpfte freudig: Das siebentürmige Zauberschloss befand sich in ihrem Rücken, direkt hinter dem Teich. Vor lauter Aufregung hatte sie es gar nicht bemerkt. Noch nie war sie dem Schloss so nah gewesen. Es schien ihr, als würden die sieben Türme andauernd ihre Farben wechseln. Aber immer, wenn sich Aywa sicher war, welche Farbe ein Turm hatte, schimmerte dieser schon wieder in einer anderen. So als wären die Türme aus Perlmutt und spiegelten die Veränderungen des Lichts wider. Verwirrt schüttelte sie den Kopf.
»Endlich! Wir dürfen in das Zauberschloss … in das Zauberschloss!«, fiepte eine Fledermaus, welche die Tiergefährtin eines schüchtern wirkenden Zauberschüler mit langen, schwarzen Fransen war. Aywa hatte ihn komplett übersehen. Dem Jungen war die plötzliche Aufmerksamkeit, die seine Fledermaus auf sich und ihn zog, sichtlich unangenehm. Er versuchte, sich klein zu machen, und für einen Augenblick glaubte Aywa, er würde tatsächlich im eigenen Schatten versinken.
Unbeirrt nahm der Schuldirektor seine Rede wieder auf: »In diesem ersten halben Schuljahr geht es vor allem darum, eure Elementarmagie zu erwecken und sie im Alltagszauber einzusetzen«, hörte Aywa Kopernikus weitersprechen. »Also strengt euch an und lernt fleißig. Und denkt daran: Jedes halbe Jahr müsst ihr eine Prüfung ablegen und nur, wenn ihr diese besteht, seid ihr weiterhin zugelassen.«
»Und wer sie nicht besteht, fliegt raus«, krächzte Vindur von Kopernikus’ Schulter.
Aywa musste sofort an die Aufnahmeprüfung denken, bei der alles schiefgelaufen war, was nur schiefgehen konnte. Und trotzdem hatte man sie in die Schule der magischen Elemente aufgenommen. Warum eigentlich? Hatte diese Brenda Hold vielleicht doch recht gehabt, als sie vorhin sagte, dass sie nur wegen ihrer berühmten Mutter aufgenommen wurde?
»…und nun bitte ich die Meisterinnen und Meister, zu ihrem Kind zu gehen und es in sein Zimmer im Zauberschloss zu bringen«, schloss Kopernikus seine Rede. Aufgeschreckt starrte Aywa zu den versammelten Zauberinnen und Zauberer hinüber. Wer von ihnen würde sie wohl unterrichten? Und vor allem: Welches Element wird es bei ihr sein?
Bitte, bitte, flehte sie in Gedanken, ich will einfach nicht, dass dieser düstere Kapuzenmann mein Meister wird!
In diesem Moment trat der junge Zaubermeister mit dem Engelsgesicht und gelbem Spitzhut vor Aywa. »Ich bin Quinnin, dein Lehrer für Lichtmagie, und das ist mein Tiergefährte Yosch, aus der Vogelfamilie der Goldammern.«
»Hallihallo, Frau Aywa und Herr Kater«, zwitscherte der kleine Vogel und warf Cosmo einen nervösen Blick zu.
»Hallo, Quinnin, hallo, Yosch«, sagte Aywa strahlend.
Vor Erleichterung wäre sie dem Lichtmeister am liebsten um den Hals gefallen. Sie konnte es kaum fassen, dass dieser nette Zaubermeister nun ihr persönlicher Elementarmeister war. Dazu noch in Lichtmagie! Genau das Element, das auch ihre Mutter beherrschte.
Cosmo, der immer noch in Aywas Arm lag, mauzte: »Freut mich, euch kennenzulernen.«
Erschrocken flatterte Yosch, der kleine gelbe Vogel, hoch in den Himmel.
»Ihr müsst meinen Gefährten entschuldigen«, sagte Quinnin und streckte seine schmale Hand aus, auf der der kleine Vogel fiepend landete. »Er ist manchmal etwas schreckhaft.«
Aywa blinzelte dem nervösen Vogel freundlich zu und fragte dann: »Ihr bringt uns gleich auf das Zimmer im Zauberschloss, oder?« Aywa konnte es nämlich kaum erwarten, endlich das Zimmer zu sehen.
Quinnin nickte. »Ich werde uns mit Lichtmagie teleportieren.«
Cosmo schreckte hoch und sprang von Aywas Arm hinunter. »Heiliger Mäusedreck!«, maunzte er. »Teleportieren? Wie geht das?«
»Es ist ganz einfach«, antwortete Quinnin. »Ich halte Aywas Hand und bewege uns durch Lichtmagie von einem Ort zum anderen.«
Der Lichtmeister wandte sich an Aywa: »Am besten gibst du mir deinen Flugbesen und nimmst deinen Kater wieder auf den Arm.« Er räusperte sich. »Die ersten Male kann es für Tiere etwas unangenehm sein.«
Cosmo legte seine Ohren zurück und duckte sich auf den Boden.
»Wir schaffen das«, versuchte Aywa, ihn zu beruhigen, und hob ihn hoch. Cosmo kuschelte sich an sie. Dann nahm Quinnin Aywas freie Hand. Im Nu erstrahlte und umhüllte sie ein gelber Funke. Aywa spürte eine wohlige Wärme – und einen Wimperschlag später stand Aywa im schönsten Zimmer, das sie je gesehen hatte.
Süßer Blumenduft stieg Cosmo in die Schnauze. Er hatte seine Augen immer noch geschlossen. Sein Schädel dröhnte, als tobten hunderte Hornissen darin. Zur Rattenhölle mit diesem Teleportieren!, dachte er.