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Brighton McKenzie erbt eines der letzten Fleckchen Farmland in den städtischen Außenbezirken von Baltimore. Die Farm war schon im Besitz der Familie, als Maryland noch eine Kolonie war, aber nun liegt sie schon eine ganze Weile brach. Es wäre so einfach, sie zur Bebauung zu verkaufen, aber Brighton möchte dem Wunsch seines Großvaters entsprechen und sie wieder aufleben lassen. Leider ist er seit einem Unfall auf einen Krückstock angewiesen und braucht daher Hilfe. Tanner Houghton arbeitete auf einer Ranch in Montana, bis der Vater eines rachsüchtigen Exfreundes ihn aufgrund seiner Sexualität feuerte. Tanner kommt der Einladung seines Cousins nach Maryland nach und ist begeistert, eine Chance zu bekommen, wieder der Arbeit nachzugehen, die er liebt. Brighton fühlt sich augenblicklich von dem äußerst attraktiven und hochgewachsenen Tanner angezogen – er verkörpert alles, was Brighton an einem Mann gefällt. Aber Brighton hält sich zurück, denn Tanner ist sein Angestellter – und warum sollte sich ein vor Leben strotzender Mann wie Tanner überhaupt für ihn interessieren? Doch das ist nicht ihr größtes Problem. Sie müssen sich den Intrigen von Brightons Tante widersetzen, plötzlich will Tanners Exfreund ihn wieder zurück, und dann müssen sie einen Weg finden, die Farm finanziell rentabel zu machen, bevor sie Brightons Familienerbe verlieren.
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Seitenzahl: 334
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Inhalt
Zusammenfassung
Widmung
1
2
3
4
5
6
7
8
Epilog
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Copyright
Von Andrew Grey
Brighton McKenzie erbt eines der letzten Fleckchen Farmland in den städtischen Außenbezirken von Baltimore. Die Farm war schon im Besitz der Familie, als Maryland noch eine Kolonie war, aber nun liegt sie schon eine ganze Weile brach. Es wäre so einfach, sie zur Bebauung zu verkaufen, aber Brighton möchte dem Wunsch seines Großvaters entsprechen und sie wieder aufleben lassen. Leider ist er seit einem Unfall auf einen Krückstock angewiesen und braucht daher Hilfe.
Tanner Houghton arbeitete auf einer Ranch in Montana, bis der Vater eines rachsüchtigen Exfreundes ihn aufgrund seiner Sexualität feuerte. Tanner kommt der Einladung seines Cousins nach Maryland nach und ist begeistert, eine Chance zu bekommen, wieder der Arbeit nachzugehen, die er liebt.
Brighton fühlt sich augenblicklich von dem äußerst attraktiven und hochgewachsenen Tanner angezogen – er verkörpert alles, was Brighton an einem Mann gefällt. Aber Brighton hält sich zurück, denn Tanner ist sein Angestellter – und warum sollte sich ein vor Leben strotzender Mann wie Tanner überhaupt für ihn interessieren? Doch das ist nicht ihr größtes Problem. Sie müssen sich den Intrigen von Brightons Tante widersetzen, plötzlich will Tanners Exfreund ihn wieder zurück, und dann müssen sie einen Weg finden, die Farm finanziell rentabel zu machen, bevor sie Brightons Familienerbe verlieren.
Für Valerie, Laurel und meine wunderbaren Fans. Und für meine Familie, für ihre Liebe und Unterstützung, auch wenn sie alle ein wenig verrückt sind.
DAS TELEFON klingelte und riss Brighton McKenzie aus seinen Gedanken. Er schnaubte verärgert und wünschte, er hätte daran gedacht, das verflixte Ding abzustellen. Es hatte sich herausgestellt, dass die kurze Zeit, in der sich sein Bein dazu entschied, sich ruhig zu verhalten und ihm das Still sitzen und produktives Arbeiten für mehr als nur eine Stunde zu ermöglichen, genau die Zeit war, in der ihn alle Welt anrief. Brighton griff nach dem Hörer. Er dachte daran, einfach nicht abzunehmen, aber das würde eine Nachricht und einen Vortrag in Sprachmitteilungsform nach sich ziehen. Das war es einfach nicht wert.
„Hallo, Tante Vera“, sagte er mit so viel Begeisterung, wie er eben aufbringen konnte, und das war nicht gerade viel.
„Ich habe schlechte Neuigkeiten“, setzte sie an, aber er bemerkte einen Hauch von Schadenfreude in ihren Worten. „Dein Grandpa Ed ist gestern gestorben.“ Das erklärte alles. Ja, sie überbrachte ihm Neuigkeiten, von denen man erwartete, dass sie als schlecht empfunden wurden, und daher vernahm er den entsprechenden Tonfall in ihrer Stimme, aber ihre Aufregung war doch zu groß, als dass sie sie komplett hätte verbergen können.
„Gestern“, sagte Brighton leise. „Du hättest anrufen können.“ Grandpa Ed, sein Großvater väterlicherseits, war sehr alt gewesen und mit seiner Gesundheit war es seit geraumer Zeit bergab gegangen, zumindest Tante Vera zufolge, der Schwester seines Vaters.
„Ich wollte dich nicht stören. Es war schon spät. Anscheinend hatte er sich für ein Nickerchen hingelegt und ist nicht mehr aufgewacht. Das haben uns zumindest die Rettungskräfte und Ärzte gesagt. Er wollte eingeäschert werden, und wir werden seine Asche nach einer kleinen Begräbniszeremonie auf der Farm verstreuen, die er so sehr geliebt hat.“ Jetzt zog sie wirklich eine Show ab. „Ich werde dich später wegen der Vorbereitungen anrufen.“
„Hast du Brianne Bescheid gesagt?“ Brianne war Brightons jüngere Schwester.
„Ich habe ihr eine Nachricht mit der Bitte um Rückruf hinterlassen“, antwortete Tante Vera und bemühte sich nicht einmal, den höhnischen Unterton in ihrer Stimme zu verbergen, was bedeutete, dass sie davon ausging, dass Brianne, warum auch immer, absichtlich nicht ans Telefon gegangen war. Tante Vera suchte immer nach Gründen, beleidigt zu sein, und ließ nie eine Gelegenheit dazu aus – ganz gleich, ob berechtigt oder nicht.
„Ich bin mir sicher, dass sie viel zu tun hat. Sie macht dieses Wochenende ihren Abschluss.“ Brighton beließ es dabei. Seine Schwester war brillant und Brighton platzte fast vor Stolz. Er hatte sie bei ihrem Bachelorabschluss unterstützt, indem er zusätzliche Jobs und Webdesign-Aufträge angenommen hatte, um ihr Studium zu finanzieren. Als sie mit dem Aufbaustudium anfing, hatten Tante Vera und Onkel Raymond das für übertrieben gehalten und gemeint, sie sollte sich lieber einen Job suchen. Brighton hatte ihr geraten, ihren eigenen Weg zu gehen, der sie schließlich zu einem Stipendium an die University of Maryland geführt hatte. Auf dem College hatte sie Chemie im Hauptfach belegt und schon im Grundstudium ein bemerkenswertes Verständnis für ihr Fach bewiesen. Nun bekam sie ihren Masterabschluss mit Auszeichnung als eine der besten ihres Jahrgangs und hatte Angebote von einem halben Dutzend Doktorandenprogrammen, die sie so sehr als Promotionsstudentin gewinnen wollten, dass sie ihr einen Erlass der Studiengebühren und ein Lehrgehalt anboten. Sie hatte sich dafür entschieden, an ihrer Universität in College Park zu bleiben.
„Diese ganze Schulausbildung, nur damit sie einmal etwas Besseres wird als wir“, sagte Tante Vera.
„Sie ist intelligent, und ich möchte, dass sie es so weit schafft wie möglich.“ Brianne verdiente es. Verdammt, sie beide verdienten es, aber Brightons Leben war in eine andere Richtung gelaufen, und seine großen Träume hatten sich verändert und darauf reduziert, einfach ohne Schmerzen oder vollgepumpt mit Medikamenten laufen zu können und sein Leben auf die Reihe zu bekommen. „Bitte ruf mich an, soweit du über die Vorkehrungen Bescheid weißt. Ich rufe dann Brianne an und setze sie in Kenntnis.“
„Okay“, sagte seine Tante. „Ich muss noch ein paar andere Anrufe erledigen, aber ich melde mich bald wieder.“ Sie legte auf. Brighton legte sein Telefon mit dem Display nach unten auf die Tischplatte und versuchte, sich erneut an die Arbeit zu machen. Genau in diesem Moment zwickte sein Bein und erinnerte ihn wieder einmal daran, dass es sein Leben kontrollierte. Brighton stand auf, streckte es aus und griff dann nach seinem Stock, um durch das Wohnzimmer seines kleinen Apartments zu laufen. Die Schmerzen und die Starre klangen ab und Brighton setzte sich wieder hin, streckte sein Bein aus und rief seine Schwester an.
„Was gibt‘s?“, fragte Brianne nur, als sie den Anruf annahm.
„Ich will dich nicht stören. Ich weiß, dass du beschäftigt bist, aber Grandpa ist gestern gestorben.“
Brianne wurde ruhig. „Ist es das, was Tante Vera wollte?“
„Ja“, antwortete Brighton leise. „Anscheinend ist er friedlich im Schlaf gestorben.“
„Das ist alles, was man sich wünschen kann, schätze ich“, meinte Brianne mit belegter Stimme. „Ich habe ihn letzte Woche besucht, und er schien mir so aktiv und energiegeladen zu sein wie immer.“ Sie hielt inne und Brighton hörte, wie sie ihre Nase putzte. „Ich glaube, das war es, was er sich immer gewünscht hat – bis zum Schluss aktiv zu sein und dann abzutreten.“
„Genau“, sagte Brighton und spürte eine leichte Enge in seiner Kehle. „Erinnerst du dich, wie er immer mit uns über den Hof zum Pony gegangen ist?“
„Diablo? Klar.“ Sie gluckste. Dieses Pony war das gutmütigste Tier gewesen, das man sich vorstellen konnte, aber aus irgendeinem Grund hatte Grandpa das arme Ding auf den Namen Diablo getauft. Grandpa hatte eindeutig Sinn für Humor, aber manchmal war er der einzige, der ihn verstand. „Und dann saß er nach dem Unfall stundenlang neben dir im Krankenhaus.“
„Ich weiß. Und er hielt meine Hand nach der letzten Operation, als sie dachten, sie müssten mein Bein vielleicht abnehmen. Er hat sie alle als Versager beschimpft und von ihnen verlangt, gefälligst keine zu sein, ich wäre schließlich auch kein Versager. Ich schwöre dir, sie haben mein Bein nur seinetwegen gerettet.“
„Hast du immer noch starke Schmerzen?“, fragte Brianne.
„Es lässt nach. Die Ärzte sagen, sie wissen nicht, warum, aber so ist es. Ich muss nur immer daran denken, nicht zu lange in einer Position sitzen zu bleiben.“ Er seufzte. „Lass uns über etwas anderes reden. Vielleicht können wir dieses Wochenende, falls du ein paar Stunden Zeit hast, zur Farm hinausfahren, und ihn auf unsere eigene Art verabschieden.“ Die Worte taten sich schwer dabei, seinen Mund zu verlassen. Brighton wischte sich über die Augen und schluckte.
„Ja, lass uns das tun.“ Auch Briannes Stimme brach. „Am Sonntag ist die Zeugnisvergabe. Wir könnten am Samstag zur Farm hinausfahren. Ich habe immer noch einen Schlüssel zum Haus.“ Brianne hielt wieder inne. „Du weißt, dass Tante Vera und Onkel Raymond den Hof so schnell sie können verkaufen werden.“
„Ich weiß“, sagte Brighton. Onkel und Tante warteten seit Jahren darauf, dass Grandpa Ed abtrat. Die Familienfarm, auf der Grandpa gelebt und in kleinem Umfang gearbeitet hatte, lag in Ellicott City und war mittlerweile von Wohnanlagen und Siedlungen umringt. Großvater hatte nie verkaufen wollen. Die Farm war sein Zuhause – das einzige, das er kannte. Aber seine Tochter Vera und ihr Gatte betrachteten die Immobilie als eine Goldmine und ihr Ticket in den Ruhestand. „Macht nichts, und wennschon.“ Brighton schluckte, denn es machte schon etwas aus. Er konnte es nur nicht aussprechen, und es fühlte sich für ihn irgendwie … leichter an, wenn er es nicht ausformulierte. Ihm war klar, dass Brianne ihn trotzdem verstand. „Wir können es nicht ändern.“
„Nein“, sagte Brianne. „Sieh mal, ich habe noch einiges zu tun. Ich rufe dich zurück, sobald ich fertig bin, und wir können unsere Pläne für Samstag machen. Hast du vor, zur Zeugnisverleihung zu kommen? Ich kann verstehen, wenn das lange Sitzen dir zu viel wird.“
Brighton lächelte. „Machst du Witze? Ich werde mir stundenlang Pillen einwerfen, nur um zu sehen, wie du deine Abschlussurkunde bekommst. Du hast so hart dafür gearbeitet, und ich bin so stolz auf dich.“
„Ich war nicht die einzige, die hart gearbeitet hat, und glaub nicht, dass ich jemals vergesse, was du alles für mich getan hast.“
„Das ist es, was Mom und Dad sich gewünscht hätten.“
„Nein. Sie hätten gewollt, dass wir beide unseren Masterabschluss bekommen. Sie haben immer an eine gute Bildung geglaubt und hielten viel von der Wissenschaft.“
„Dann werde ich dir dabei zusehen, wie du den Abschluss für uns beide bekommst.“ Brighton lächelte, weil er wirklich sehr stolz auf sie war. „Ich bin zufrieden und auf meine eigene Art glücklich. Du bist diejenige mit den großen Ambitionen. Mir reicht es völlig, zu tun, was ich mag und mich selbst zu versorgen.“ Das allein war schon ein großer Fortschritt. Nach dem Unfall hatte er nicht nur befürchtet, nie wieder gehen zu können, sondern auch, sein Leben lang von anderen abhängig sein zu müssen. Und der Gedanke an Tante Vera, wie sie sich um ihn kümmerte, klang zu sehr nach Baby Jane, um überhaupt daran denken zu können.
„Ich weiß, dass du denkst, dass du es bereits bist, aber du verdienst es, wirklich glücklich zu sein.“
Brighton stöhnte.
„Komm schon. Du solltest mehr ausgehen und ein bisschen Spaß haben. Triff dich mit Menschen.“
„Das musst du gerade sagen“, entgegnete Brighton. „Wenn du dich an deinen eigenen Rat halten und jemanden treffen würdest, könnte ich dich vielleicht unter die Haube bringen.“
„Haha“, sagte sie. „Ich habe eher daran gedacht, dich mit einem starken, gut aussehenden Mann zu verkuppeln, damit ich mir keine Sorgen mehr machen muss, weil du die ganze Zeit allein bist.“
„Ja. Ich denke, ich gehe dann wohl am Samstagabend tanzen. Ich werde der absolute Knaller sein, bis ich jemanden mit meinem Stock umniete oder auf die Nase falle. Ich könnte auch nur an der Bar stehen und mich volllaufen lassen. Das wäre bestimmt nett.“ Als ob irgendeiner der Typen in einem dieser Clubs jemandem wie ihm auch nur mehr als einen Blick zuwerfen würde. Er war nie gut aussehend oder süß gewesen, und das lahme Bein … nun ja, das trug wirklich zu seiner Attraktivität bei. Nicht.
„Sei nicht immer so ein Sauertopf! Ich sage doch nicht, dass du in einen Nachtclub gehen sollst. Das war nie dein Ding, soweit ich weiß. Aber suche dir ein Hobby, ruf deine Freunde an, geh mal essen. Irgendetwas, außer die ganze Zeit in Unterwäsche vor dem Computer in deinem Wohnzimmer zu hocken.“
Mist. Brighton sah an sich hinunter und zuckte zusammen, sagte aber nichts. Er würde ihr bestimmt nicht auf die Nase binden, dass sie recht hatte. Hin und wieder sollte er sich wirklich einmal Kleidung anziehen.
„Ich melde mich bald wieder“, sagte Brianne.
„Okay. Dann lass ich dich mal irgendjemandem in den Akademikerhintern treten.“ Brighton legte auf und starrte auf seinen Computerbildschirm. Er hatte wirklich keine Lust, sich wieder an die Arbeit zu begeben, aber er musste seinen Auftrag fertigstellen. Brighton seufzte und zwang sein Gehirn, sich wieder auf die vorliegende Aufgabe zu konzentrieren. In Trauer versinken konnte er auch später noch.
Nach zwei weiteren Stunden Arbeit fügte er das letzte Detail hinzu und schickte seinem, wie er hoffte, zufriedenen Kunden eine Nachricht mit der Bitte, einen Blick auf die Website zu werfen. Brighton stand auf. Sein Bein war unbeweglich, aber die Schmerzen waren erträglich. Er zwang seine Gelenke, sich zu bewegen und machte sich auf den Weg zum Badezimmer, wo er sich entkleidete und unter die Dusche stieg.
Das heiße Wasser fühlte sich wunderbar an, vor allem auf seinem Bein. Brighton wusch sich und stand dann einfach unter dem Strahl, während das Wasser die Schmerzen in Knie und Hüfte linderte, aber irgendwann musste er sich mal überwinden, das Wasser abzudrehen und vorsichtig aus der Dusche zu treten. Zu stürzen und sich zu verletzen war das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte. Das war ihm einmal passiert und – nein, danke – er hatte nicht das Bedürfnis, es zu wiederholen. Er trocknete sich ab und ging in sein Schlafzimmer, um sich anzuziehen. Gerade, als er fertig war und in Erwägung zog, mit einem neuen Projekt zu beginnen, klingelte das Telefon wieder. Brighton war nicht wirklich versessen darauf, mit seiner Tante zu sprechen, aber dennoch nahm er den Telefonhörer in die Hand. Die Nummer auf dem Display kannte er nicht.
„Hallo“, sagte er zögernd, in Erwartung irgendeines Telefonverkäufers. Er hasste diese Typen.
„Guten Tag, spreche ich mit Mr. Brighton McKenzie?“
„Ja.“
„Ausgezeichnet. Mein Name ist Arthur Granger und ich war der Anwalt Ihres Großvaters. Mir liegt sein Testament vor, und da Sie darin Erwähnung finden, würde ich mich gern mit Ihnen treffen. Edward war ein wenig altmodisch und hat festgelegt, dass sein letzter Wille nach seinem Tod allen Begünstigten verlesen wird. Ich weiß, dass man das heutzutage meistens nicht mehr so macht, aber es war sein Wunsch. Stehen Sie und Ihre Schwester Brianne morgen um diese Zeit für ein Treffen zur Verfügung? Ich habe ihr eine Nachricht hinterlassen, aber bisher keine Antwort bekommen.“
„Sie beendet dieses Wochenende ihr Masterstudium, weshalb sie sehr beschäftigt ist. Aber ich werde mich mit ihr besprechen und Sie wissen lassen, falls es ein Problem gibt.“
„Das wäre sehr nett“, erwiderte Mr. Granger und diktierte Brighton Adresse und Uhrzeit. „Brauchen Sie Hilfe bei der Anreise? Als er sein Testament bei mir hinterlegte, meinte Ihr Großvater, Sie könnten Schwierigkeiten mit der Anreise haben. Ich kann Ihnen einen Wagen schicken.“
„Wenn Sie Zeit hat, wird Brianne mich mitnehmen.“ Brighton fühlte sich hilflos. „Danke sehr.“ Er blieb höflich und ließ sich seine Frustration nicht anmerken.
„Dann sehe ich Sie morgen um vierzehn Uhr.“ Der Anwalt legte auf und Brighton rief seine Schwester ein weiteres Mal an. Er fasste alles für sie zusammen und sie meinte, es bis zur Mittagszeit schaffen zu können. Sie würde vorbeikommen und nach einem schnellen Mittagessen könnte man gemeinsam zur Kanzlei fahren. Keiner von ihnen stellte Vermutungen an, was den Inhalt des Testaments betraf. Dazu gab es keinen Grund. Weder Brighton noch Brianne wollten irgendetwas anderes von ihrem Großvater, als ihn wieder lebendig bei sich zu haben.
AM NÄCHSTEN Nachmittag, einem Mittwoch, rauschte Brianne in seine Wohnung in Laurel. „Ich bin gekommen, so schnell ich konnte.”
„Ich habe dich in der nächsten halben Stunde auch gar nicht erwartet. Hast du alles erledigt?“, fragte Brighton, als er auf seinen Stock gestützt zu ihr trat, um sie zu begrüßen.
„Ich dachte, du hättest gesagt, dass es langsam besser geht?“, erwiderte sie finster dreinblickend, die Hände genauso in ihre Hüfte gestemmt, wie es ihre Mutter früher immer getan hatte, wenn sie ihre beiden Kinder bei einer Lüge erwischte.
„Es tut weniger weh und ich komme besser zurecht. Schau mich nicht so an, kleine Schwester.“ Brighton steuerte auf die Tür zu. „Lass uns essen gehen und dann herausfinden, was dieser Unsinn mit dem Anwalt zu bedeuten hat.“
Sie machten sich auf den Weg und Brianne chauffierte Brighton zu einem nahegelegenen Restaurant, in dem es die weltbeste Steinofenpizza gab. Er liebte dieses Essen und Brianne ließ ihm seinen Willen. Als sie gegessen hatten, reichte er ihr den Zettel mit der Adresse. Sie tippte die Straße in ihr Navigationssystem ein und fuhr los. Es dauerte zwanzig Minuten, bis sie die Anwaltskanzlei gefunden hatten, und als sie aus dem Auto stiegen, trafen auch ihre Tante und ihr Onkel ein.
„Man hat euch also ebenfalls angerufen?“, stellte Tante Vera fest. „Es ist nett von Daddy, auch an euch zu denken.“ Ihr Lächeln wirkte aufrichtig. Sie umarmte sowohl Brighton als auch Brianne, ihr Onkel tat es seiner Frau gleich, und dann betraten sie alle die Anwaltskanzlei.
Tante Vera übernahm das Kommando, und nach kurzer Zeit wurden sie alle in einen einladenden Konferenzraum geführt. Der Anwalt betrat mit einem Ordner auf dem Arm den Saal, gab ein paar Anweisungen und bedeutete ihnen allen, sich zu setzen.
„Ich bin in allen Angelegenheiten an Edward McKenzies Wünsche gebunden. Er hat mich gebeten, Ihnen allen sein Testament zu verlesen. Abgesehen von den rechtlichen Formalitäten hat er sein Testament selbst diktiert, es entspricht daher weitestgehend seinen eigenen Worten. Ich werde den Pflichtteil vorerst überspringen und gleich zum Kern vordringen, wenn Sie alle damit einverstanden sind.“
Alle nickten und Brighton rutschte in seinem Stuhl herum. Sein Bein brannte. Er rieb es, um den Schmerz zu lindern.
Mr. Granger öffnete seine Akte. „Letzter Wille und Testament von Edward McKenzie“, sagte er feierlich und begann zu lesen.
„Zuerst zu meiner Tochter Vera Westbridge. Vera, Schatz, ich weiß, dass du und der Mann, den du geheiratet hast, für eure Rente auf den Erlös aus dem Verkauf der Farm hofft. Nun, ich muss euch sagen, dass mir auch niemand etwas geschenkt hat. Ich habe mein ganzes Leben lang auf diesem Land gearbeitet, und niemand wird es dazu verwenden, sich in Florida oder irgendwo sonst ein schönes Leben zu machen und sich von der Sonne das Hirn verdampfen zu lassen. Es wird Zeit, dass du für dich selbst sorgst, also hinterlasse ich dir fünfzigtausend Dollar. Das ist nicht genug, um sich zur Ruhe zu setzen, aber so ist das Leben. Du musst auf deinen eigenen Beinen stehen, also gebe ich dir hiermit einen Anstoß.“
Tante Vera schnappte nach Luft und schaute zu Onkel Raymond. Mit ihrem weit offenen Mund sah sie aus wie ein erschrockener Fisch. Eine ganze Weile lang saß sie stocksteif da, ohne zu atmen, und dann brach sie in Tränen aus.
Mr. Granger fuhr fort. „Es gibt keinen Grund, zu weinen. Es bringt dir nichts, weil niemand da ist, den es interessiert. Du hast schon immer den Wasserhahn aufgedreht, wenn du etwas wolltest, und meistens haben alle klein beigegeben. Nun, jetzt bin ich tot, also ist es mir egal, wie sehr du heulst.“ Brighton kam es so vor, als hätte Mr. Granger einen Heidenspaß, aber er war als Anwalt so geübt, dass er weder mit Worten noch mit Gesten erkennen ließ, was ihm durch den Kopf ging.
„Nach allem, was ich für ihn getan habe. Seiner eigenen Tochter tut er so etwas an.“ Tante Vera schniefte und Onkel Raymond gab sein Bestes, sie zu beruhigen. Allerdings hielt das nur so lange an, bis Tante Vera dämmerte, was jetzt geschehen würde. Ihr Gesichtsausdruck verdüsterte sich und finster blickte sie zu Brianne und Brighton.
„An meine Enkelin, Brianne McKenzie. Liebes, du hast nie irgendjemandes Unterstützung gebraucht. Du hast einen scharfen Verstand, und ich weiß, dass du es weit bringen wirst. Ich hinterlasse dir fünfzigtausend Dollar, die du nach deinem Belieben verwenden sollst. Ich hoffe, dass du dein Studium fortführst und die Welt verändern wirst.“ Mr. Granger sah von seinen Zetteln auf und schenkte Brianne, die sehr zufrieden und aufgeregt wirkte, ein Lächeln. Das Geld würde lange reichen und ihr einen sicheren Start ins Berufsleben ermöglichen.
Erleichtert seufzte Brighton.
„Meinen anderen Enkeln vermache ich jeweils zehntausend Dollar. Ich möchte sie nicht einzeln benennen, aber damit meine ich Veras und Raymonds Kinder. Mr. Granger wird sich darum kümmern, dass jeder seinen Anteil bekommt. Nun zu meinem Enkel Brighton McKenzie. Brighton, ich vermache dir den Rest meines Vermögens, einschließlich meiner Farm, ihrer Ausstattung und dem restlichen Geld, unter der Bedingung, dass du wenigstens zwei Jahre lang dort wohnst. Erfüllst du diese Bedingung, gehört alles dir. Es steht dir auch frei, die Farm zu verkaufen, aber wenn du das innerhalb der ersten zwei Jahre tust, wird der Erlös zwischen dir, Brianne und meiner Tochter Vera aufgeteilt.“ Der Anwalt stoppte seinen Vortrag für einen kurzen Moment, und Brighton schnappte angesichts des Gewichts, das plötzlich auf seinen Schultern lastete, nach Luft. Er war so erschrocken, dass er es kaum noch schaffte, gleichmäßig zu atmen. „Nachdem deine Eltern durch einen betrunkenen Autofahrer zu Tode gekommen sind, bist du stark geblieben und hast deine Schwester fast allein großgezogen. Du hattest Hilfe von Tante, Onkel und meiner Wenigkeit, aber im Großen und Ganzen hast du getan, was getan werden musste, und uns manchmal alle in die Schranken gewiesen, um dir dein Recht zu erkämpfen und zu tun, was du für richtig hieltest. Ich weiß, dass wir manchmal laute Auseinandersetzungen hatten, aber ich war dir nie böse. Du hast gegen uns alle aufbegehrt, und das hat dich erwachsen werden lassen. Außerdem hast du dein eigenes Leben auf Eis gelegt und so hart gearbeitet, wie du konntest, damit Brianne ihre Schule beenden konnte.“
Brighton schaute zu Brianne. Er hatte nie darüber gesprochen, was er für sie getan hatte. Das war eine Sache, die immer zwischen ihnen gestanden hatte.
„Ihr Großvater wusste sehr viel von Ihnen“, sagte Mr. Granger. „Er war sehr intelligent und ein scharfer Beobachter, und er schien immer zu wissen, was in seiner Familie vorging.“
„Also bekommt er die Farm? Er kann doch noch nicht einmal richtig laufen. Wie soll er eine Farm führen?“, sagte Tante Vera.
Brighton öffnete seinen Mund, um etwas zu erwidern, aber Mr. Granger räusperte sich und widmete sich wieder dem Testament. „Ich weiß sicher, dass meine Tochter Vera versuchen wird, dich zu überzeugen, das Land einfach zu verkaufen, um das Geld in die Finger zu bekommen, und wenn du möchtest, kannst du das gerne tun, aber ich hoffe dennoch, dass du auf der Farm leben und sie zu einem Teil von dir werden lässt. Dieses Land ist seit der Kolonialzeit im Besitz unserer Familie, länger, als unsere Nation besteht. Höre auf dein Herz und triff deine eigene Entscheidung.“ Mr. Granger hielt inne. „Der Rest des Testaments enthält Klauseln für den Fall, sollte irgendeiner der Erben ihn nicht überleben und dergleichen. Zum jetzigen Zeitpunkt betreffen Sie diese Klauseln nicht.“
Tante Vera sprang auf wie von der Tarantel gestochen. „Ich möchte eine Kopie des Testaments, damit mein Anwalt einen Blick darauf werfen kann. Mein Vater hat mir vor drei Jahren eine Kopie zukommen lassen, und die klingt völlig anders als das hier.“
„Dieses Testament wurde vor sechs Monaten hinterlegt und auch zu dieser Zeit gerichtlich beurkundet. Natürlich werde ich Ihnen gerne eine Kopie aushändigen, und Sie können das Testament gerne von jemand anderem begutachten lassen, aber ich kann Ihnen versichern, dass Sie nichts gegen die Auflagen werden unternehmen können. Mr. McKenzie hat seine Pläne und die Gründe, warum sein Vermögen genau so aufgeteilt werden soll, sehr spezifisch ausformuliert. Es gibt nichts, was noch getan werden müsste.“
Tante Vera schäumte noch eine Weile vor Wut und stand dann auf, um zu gehen. Sie zerrte Onkel Raymond quasi hinter sich her, offensichtlich fuchsteufelswild, während er geknickt und aufgewühlt wirkte.
„Was tu ich denn jetzt?“, fragte Brighton den Anwalt.
„Das Testament wird bestätigt werden und dann wird der Besitz offiziell an Sie übergehen, aber ich schlage vor, dass Sie in der Zwischenzeit schon dort einziehen und Ihren Alltag organisieren. Ihr Großvater war … sehr darauf bedacht, dass die Farm im Familienbesitz bleibt. Seinen Worten zufolge war seine ursprüngliche Absicht, sie an Ihren Vater zu vermachen.“
„Aber warum ich?“, fragte Brighton und drehte sich zu Brianne um.
„Damit dir auch mal jemand etwas Gutes tut“, teilte sie ihm mit. „Du verdienst es, und ich denke, Grandpa wusste das.“
„Bist du nicht sauer?“
„Dass Grandpa dir die Farm hinterlassen hat? Wohl kaum. Ich bin nicht daran interessiert, und wenn du etwas aus der Farm machen kannst, bedeutet das mehr Macht für dich. Das Geld, das er mir hinterlassen hat, hilft mir, ohne Unterbrechung an meiner Dissertation zu arbeiten.“
Einen Moment. Er hatte gedacht, bei ihr wäre alles geregelt gewesen. „Was sagst du da? Ich dachte …“
„Ich weiß, was du dachtest. Ich habe gelogen. Du hättest Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um mich zum Studienabschluss zu bringen, aber du hast genug für mich getan. Ich werde jetzt auf meinen eigenen Beinen stehen – solange du dasselbe tust.“ Sie lächelte, stand auf und umarmte ihn. „Keine Feindseligkeit von meiner Seite, großer Bruder.“ Brianne schaute zur Tür. „Ich wünschte, das könnte ich auch über andere Verwandte sagen.“
„Tante Vera will, was sie will, und sie hat die Männer in ihrem Leben schon immer dazu gebracht, ihr das auch zu verschaffen. Ich schätze, Grandpa war sich darüber im Klaren.“
„Also behalten Sie die Farm?“, fragte Mr. Granger.
„Ich weiß nicht, was ich tun werde.“ Brighton stand langsam auf. „Es ist nicht so, als könnte ich mich um eine Farm kümmern. Mir fällt es schwer, manche Tage durchzustehen, also ist es einfach zu viel für mich, mich um Tiere zu kümmern, selbst um die wenigen, die Großvater noch besessen hat.“ Brighton schluckte schwer. „Und wovon soll ich leben? Die Farm wird mehr verschlingen, als sie abwirft. Das bedeutet viel harte Arbeit.“
„Ihr Großvater hat bestimmt, dass Sie den Rest seines Vermögens erhalten sollen. Er hat nach Abzug aller geschätzten Unkosten etwa eine Viertelmillion Dollar in bar hinterlassen. Abzüglich des Erbes Ihrer Verwandten bleibt ein Rest von etwa 130.000 Dollar. Sie werden also das Kapital haben, um die Farm zu verwalten, falls Sie sich dafür entscheiden.“
Jesus. Brighton hatte nicht den blassesten Schimmer gehabt. Er hielt sich an der Stuhllehne fest, um sicherer zu stehen. Das war sehr viel Geld, aber ihm war auch klar, dass es von der Farm schnell verschluckt werden würde. Andererseits gewährte es ihm einen gewissen Zeitrahmen und die Möglichkeit, jemanden einzustellen, der ihm zur Hand ging, insbesondere wenn er seine Wohnung aufgab und auf die Farm zog, wodurch er ebenfalls Geld würde einsparen können. Das hoffte er zumindest. „Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Ich habe Grandpa besucht, so oft ich konnte, aber ich habe nie auf der Farm gelebt. Manchmal habe ich die Tiere gefüttert, und als ich jünger war, bin ich auf dem Pony geritten, aber ich habe keine Ahnung, wie man eine Farm führt.“ Brighton fühlte sich etwas überwältigt. „Vielleicht sollte ich mir ein wenig Zeit nehmen, um über alles nachzudenken.“
„Das halte ich für eine gute Idee. Und wenn ich irgendetwas für Sie tun kann, bitte zögern Sie nicht und rufen Sie mich an.“ Mr. Granger sammelte seine Papiere ein und steckte sie zurück in den Aktenordner, stand auf und wandte sich zum Gehen. „Ich verstehe, dass Sie jetzt eine wichtige Entscheidung treffen müssen, und ich muss zugeben, dass ich Ihren Großvater nicht allzu gut kannte. Er hat sich jahrelang durch meinen Vater vertreten lassen, und erst nach seinem Tod habe ich seine Mandanten übernommen. Ich habe Ihren Großvater nur ein paar Mal getroffen, um sein Testament zu aktualisieren. Aber ich kann Ihnen versichern, dass er mich sehr beeindruckt hat. Er war ein Mann, der genau wusste, was er wollte und sich aufrichtig um Sie beide sorgte. Er hat auch …“ Mr. Granger brach ab. „Ich verdiene mit dem Reden meinen Lebensunterhalt, aber ich weiß nicht, wie ich das jetzt in Worte fassen soll. Ihr Großvater liebte sein Land. Es war ebenso ein Teil von ihm wie seine Arme und Beine, und er wusste, dass seine Tochter es verkaufen würde. Er sagte, dass sie dort nie glücklich war, auch nicht als Kind.“
„Was wollen Sie damit sagen?“, fragte Brighton.
„Dass Ihr Großvater einen guten Grund hatte, Ihnen die Farm zu vermachen. Er hat mir den Grund für seine Entscheidung nicht anvertraut, aber ich glaube, es ging ihm um mehr, als die Farm im Familienbesitz zu halten. Vielleicht hat er zu Ihnen einmal etwas gesagt.“
Brighton versuchte, sich zu erinnern. Er schüttelte den Kopf. „Herzlichen Dank.“
„Gern geschehen.“ Mr. Granger wartete, bis sie den Konferenzraum verlassen hatten und geleitete sie in den Empfangsbereich. „Ich schätze, Sie werden Hilfe brauchen.“
„Ja.“ Brighton schaute auf sein steifes Bein. „Ich kann höchstens eine Stunde lang stehen, und lange in einer Position zu sitzen, ist auch schmerzhaft. Also werde ich nicht viel auf der Farm tun können.“ Er war absolut hilflos, was jegliche körperliche Betätigung anging. Sein Gleichgewichtssinn war auch nicht der Beste, was seine Angst vor dem Fallen noch verschlimmerte.
„Ich habe einen Cousin“, begann Mr. Granger. „Er ist … ein eher abenteuerlicher Typ … nun, sagen wir, die Familie hatte in den letzten Jahren nicht viel mit ihm zu tun. Er ist mit achtzehn von zu Hause ausgezogen und durch das Land gestreift. Zuletzt hat er unseres Wissens auf einer Farm in Montana gearbeitet. Er redet nicht viel, hat er noch nie.“ Er lehnte sich näher heran und senkte seine Stimme. „Manche Leute denken, dass er ein wenig langsam im Kopf ist, aber ich glaube, er ist einfach nur still und vielleicht ein wenig zurückhaltend. Er braucht einen Job, und ich könnte ihn fragen, ob er daran interessiert wäre, Ihnen auf der Farm zur Hand zu gehen. Ihm ist harte Arbeit nicht fremd, und er hat Erfahrungen in der Landwirtschaft und versteht etwas von diesen Dingen.“ Mr. Granger schien sich etwas unbehaglich zu fühlen. „Natürlich müssen Sie sich nicht verpflichtet fühlen, ihn auch einzustellen. Ich habe seit Langem keine Zeit mehr mit Tanner verbracht. Aber es würde Ihnen gewiss nicht schaden, sich einmal mit ihm zu unterhalten.“
Brighton nickte. „Schicken Sie ihn einfach vorbei, oder sagen Sie ihm, er soll mich anrufen. Ich bin mir nicht sicher, welche Art von Hilfe ich brauche, aber dass ich Hilfe brauche, ist sicher.“ Er schüttelte Mr. Grangers Hand und folgte Brianne dann aus der Kanzlei heraus zum Auto.
„Wo willst du hin?“, fragte Brianne. Sie saß auf dem Fahrersitz, ohne den Motor zu starten.
„Mich zu Hause verkriechen“, antwortete Brighton ehrlich. „Aber wenn du schon einmal hier bist, lass uns doch lieber zur Farm hinausfahren und uns ein wenig umsehen.“ Er machte es sich so bequem wie möglich und befestigte seinen Sicherheitsgurt. Brianne startete den Motor und augenblicklich begann die Klimaanlage, die Saunatemperatur aus dem Auto zu blasen. „Was wirst du mit dem Geld anstellen?“
„Was Grandpa gesagt hat.“
Brighton wandte sich seiner Schwester zu. „Was soll das eigentlich – du brauchst dringend Geld und erzählst mir nichts davon?“
„Ich brauche kein Geld. Aber ich habe ein bisschen übertrieben, was die Zuschüsse aus dem Stipendium anbelangt. Sie zahlen das meiste, meine Kurse und die Scheine für die Dissertation, aber das Stipendium reicht nicht, um davon zu leben, auch wenn ich mich nur von Nudeln ernähre. Das Geld kann es mir jetzt ermöglichen, meinen Doktor in den nächsten drei Jahren zu erwerben. Ich will nicht ewig lang daran arbeiten.“ Sie hielten an einer Ampel. „Ich weiß, dass du dafür sorgen würdest, dass ich alles bekomme, was ich brauche, und du würdest für alles bezahlen, ohne darüber nachzudenken. Aber ich will das nicht mehr. Es wird endlich Zeit, dass du dein eigenes Leben lebst, und das kannst du nicht, wenn du mich immer noch unterstützt. Ich muss es allein schaffen, und du musst mich lassen.“ Die Ampel sprang auf grün um und Brianne fuhr wieder an.
„Ich habe mein eigenes Leben.“
„Du sitzt zu Hause herum, arbeitest, schaust fern, arbeitest, telefonierst mit mir, arbeitest, schläfst, gehst nirgendwohin, arbeitest, betüddelst dein Knie und dein Bein, arbeitest … Ich denke, du weißt, was ich dir damit sagen will.“
„Ich arbeite“, grummelte Brighton.
„Du arbeitest hart, und alles, was du verdienst, hast du für mich ausgegeben. Ab jetzt kümmere ich mich um mich selbst und du kannst dir ein Leben aufbauen. Du bist jetzt ein Gutsbesitzer. Die Leute werden dir von jetzt an die Bude einrennen.“
„Bitte, das klingt ja, als würden wir im elisabethanischen England leben.“
„Du musst nur das Land für dich arbeiten lassen. Und das kann es. Das Land ist gut, ist es immer gewesen, und ich glaube nicht, dass Grandpa zuletzt viel daran gearbeitet hat, also wartet es nur darauf, wieder genutzt zu werden. Du musst nur herausfinden, wie.“
„Es wäre einfacher, alles zu verkaufen“, sagte Brighton und schaute aus dem Fenster auf die vorbeiziehenden Häuser und Einkaufszentren.
„Wage das nicht“, schalt Brianne mit kalter Stimme. „Ja, Tante Vera und Onkel Raymond haben uns nach Moms und Dads Tod aufgenommen, aber sie haben es nur aus Pflichtgefühl heraus getan und werden es uns nie vergessen lassen. Sie haben Mick, Tim und Jill behandelt wie Könige und uns wie Bastarde.“ Brighton schnappte leise nach Luft. „Tu nicht so überrascht. Ich weiß, dass du einen Großteil ihrer Wut und Ablehnung auf dich gezogen hast, um mich zu schützen. Aber ich habe Augen im Kopf und bin nicht blöd.“ Brianne bremste und nahm die letzte Kurve. „Du bist ein großartiger großer Bruder, und ich möchte, dass du jetzt tust, was dich glücklich macht.“
„Danke.“ Brighton wusste nicht, was er sonst sagen sollte. „Ich bin ein bisschen überwältigt.“
Brianne fuhr langsam an der Farm vorbei, bog in die altbekannte Auffahrt ein und fuhr auf das Haus zu. „Was geht denn hier vor sich?“
Tante Veras Auto stand neben dem Haus. „Park direkt hinter ihnen“, sagte Brighton.
Brianne drehte sich mit ihrem typischen bösen Grinsen zu ihm. Sie folgte seiner Anweisung und fuhr bis auf zwei Zentimeter an ihre Stoßstange heran. Tante Vera und Onkel Raymond würden nirgendwohin fahren, ohne Briannes Auto zu überfahren oder geradewegs durch die Garage zu brechen. Brighton stieg aus und Brianne tat es ihm nach. Sie staunten nicht schlecht, als Tante Vera und Onkel Raymond um die Ecke bogen, jeder eine Kiste tragend.
„Ich schlage vor, dass ihr euch umdreht und das ganz schnell zurückbringt“, fauchte Brianne.
„Aber das hier sind Sachen, die Daddy mir versprochen hat“, setzte Tante Vera an.
„Wenn dem so ist, hätte es im Testament gestanden. Die Farm und alles, was dazugehört, hat er Brighton hinterlassen.“ Brianne stürmte vor Wut rauchend auf ihre Verwandten zu. „Das gehört alles Brighton, und ich kenne meinen Bruder. Wenn du gefragt hättest, hätte er darüber nachgedacht und dir vielleicht überlassen, was du haben willst, aber ich denke, die Chance hast du jetzt vertan.“
Tante Vera hob die Kiste und Brighton wurde klar, dass sie kurz davor war, sie fallen zu lassen. „Das werden wir sehen“, sagte sie.
„Wage es nicht“, drohte Brianne und trat einen Schritt vor. Sie schnappte sich die Kiste, drehte sich um und schob sie zu Brighton hinüber. Er ließ seinen Stock fallen und schaffte es irgendwie, nicht umzufallen, als er sie entgegennahm.
„Nach allem, was wir für euch getan haben“, brabbelte Onkel Raymond. Oft fragte sich Brighton, ob er überhaupt sprechen konnte, aber irgendwann hatte er verstanden, dass sein Onkel einfach nur selten zu Wort kam.
„Wie zum Beispiel?“, meinte Brianne. „Wir waren Kinder, die ihre Eltern verloren hatten, und ihr habt uns einfach nur wie eine Pflicht behandelt. Wir brauchten Unterstützung, Verständnis und jemanden, der sich um uns kümmert, aber alles, was wir bekamen, waren Forderungen und Sarkasmus. Oder Ignoranz. Solange wir bei euch lebten, habt ihr dafür gesorgt, dass wir uns nicht willkommen fühlen, und während der Zeit habt ihr das, was vom Vermögen unserer Eltern …“
„Wir haben es dafür genutzt, euch zu fördern“, sagte Tante Vera.
„Nein, ihr habt es für Ausflüge nach Disney World genutzt und euch dazu herabgelassen, uns mitzunehmen. Ich weiß, was ihr getan habt, und wie wir uns dabei gefühlt haben, aber das ist jetzt vorbei. Jetzt werdet ihr euch umdrehen und alles zurückbringen, einschließlich dem, was ihr schon ins Auto geladen habt, oder ich rufe die Polizei und lasse euch wegen Diebstahls verhaften. Brighton ist vielleicht zu nett, aber ich bin es nicht.“ Sie funkelte die beiden an, nahm auch Onkel Raymond die Kiste weg und stellte sie auf den Boden neben dem Haus. Dann nahm sie die Box, die Brighton trug. Er atmete erleichtert auf, denn er war kurz davor, entweder die Kiste fallen zu lassen oder die Balance zu verlieren. Brianne hob seinen Stock wieder auf und hielt ihn ihm entgegen. „Geh du schon einmal rein. Ich passe auf diese beiden hier auf.“
„In unserem Auto ist nichts mehr“, sagte Tante Vera, aber Brighton beachtete sie kaum. Brianne stand so unter Dampf, dass er seine Verwandten getrost ihr überlassen konnte. Es schien, als hätte sich immens viel Groll in ihr aufgestaut, den sie auf einmal ausschütten konnte, wenn sie wollte. Brighton hatte nicht vor, sie davon abzuhalten.
„Ihr verschwindet hier nicht, bevor ich mir dessen sicher bin, und das heißt, dass du erst einmal deinen Schrankkoffer von einer Handtasche ausleerst“, hörte Brighton Brianne sagen, als er auf die Veranda trat. Er ging nicht direkt durch die offene Vordertür ins Haus, sondern nahm sich ein paar Sekunden Zeit, um sich umzusehen. Der uralte Schaukelstuhl stand noch immer an seinem Stammplatz auf der Veranda. Großvater hatte viele Stunden Pfeife rauchend in diesem Stuhl verbracht. Allem Anschein nach hatte Grandma ihn nicht im Haus rauchen lassen, und so saß er auch nach ihrem Tod noch in seinem Schaukelstuhl, um seine Pfeife zu genießen. Brighton setzte sich in den Stuhl und legte seine Unterarme auf die Armlehnen. Stimmen drangen an seine Ohren, aber er ignorierte sie, während er einfach vor- und zurückschaukelte. Der Holzstuhl hätte eigentlich unbequem sein sollen, aber das war er mitnichten, im Gegenteil, er fühlte sich an, als passte er genau zu ihm, und als sich die ständig verkrampften Muskeln in seinem Bein entspannten, seufzte Brighton auf.
Irgendwann setzte Brianne ihr Auto zurück und parkte ein Stück weiter entfernt. Das Auto ihrer Verwandten wendete im Hof und fuhr trotzig die Auffahrt hinunter. Brighton war klar, dass er ihr Verhalten nur auf das Auto projizierte, aber genau so sah es für ihn aus. „Du hast sie ziemlich angepisst“, stellte er fest, als Brianne mit einer der Kisten auf die Veranda trat.
„Weißt du, was sie in ihrer Handtasche hatte? Grandmas ganzen Schmuck. Alles, was Grandpa ihr über die Jahre hinweg geschenkt hat. Und dann die Kisten …“
„Das hatte ich schon vermutet, als mir klar wurde, dass sie direkt vom Anwalt aus hergefahren sind. Wären wir nur ein paar Minuten später angekommen, wären sie weg gewesen.“
„Das hatten sie wohl vor“, sagte Brianne und schleppte die Kiste ins Haus. Dann ging sie wieder hinunter zur Auffahrt, kam mit der anderen Kiste wieder die Verandastufen hinauf und trug auch diese hinein. „Sie hatten sich auch die Vasen unter den Nagel gerissen, die Dad Grandma vor Jahren von seinem Englandaufenthalt mitgebracht hat.“
„Die Wedgwood-Dinger?“, fragte Brighton.
„Die wollte die alte Beißzange fallen lassen. Wenn sie sie nicht bekommt, dann soll sie niemand bekommen. Na ja, ich bin wirklich versucht …“
„Lass es einfach gut sein. Sie werden nichts mehr versuchen. Du hast sie gut abblitzen lassen und vertrieben. Ich bezweifle, dass sie sich noch einmal hier blicken lassen.“
„Aber …“
„Sie werden den Rest der Familie gegen uns aufhetzen, aber wen schert das schon. Wir haben keinen unserer entfernten Verwandten in den letzten Jahren zu Gesicht bekommen.“ Brighton schloss seine Augen.
„Willst du hineingehen?“
„Nein. Ich werde eine Weile hier sitzen bleiben. Geh du schon einmal vor und nimm dir, was du möchtest.“ Er hatte nicht vor, ihr irgendetwas zu verwehren.
„Da gibt es schon ein paar Dinge, die mir gefallen würden. Ich lege sie auf den Tisch, damit du Bescheid weißt und dein Einverständnis geben kannst.“ Sie ging ins Haus, schloss leise die Tür hinter sich und ließ ihn allein mit dem Wind und den Erinnerungen an seinen Großvater.
BRIGHTON VERLOR
