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Kennst du schon Familie Hackebart? Das kostbarste, was Walter Hackebart besitzt, ist eine seltene historische Klobürste. Abgesehen natürlich von seiner Frau Adrijana und den vier Kindern: Brooklyn, Zosch, Mönkemeier und Lulu. Als Walter das wertvolle Stück an den überaus reichen Grafen Sauberbart verkaufen will, wird die ganze Familie auf das gräfliche Schloss eingeladen. Aber oje, bei Sauberbarts herrscht strengste Etikette. Alles ist bis aufs Kleinste geregelt, und wer sich danebenbenimmt, muss in den Kerker. Wie lange halten die Hackebarts das aus, bis sie durchdrehen? Herrlich verrückte Familiengeschichte Wie sinnvoll sind eigentlich (Benimm-)Regeln? Und welche Rechte haben Kinder? Die Hackebarts finden auf diese Fragen – wieder einmal – eine ganz eigene Antwort. Zum Selberlesen für Kinder ab 10 Jahren oder zum Vorlesen für die ganze Familie
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Seitenzahl: 110
Veröffentlichungsjahr: 2025
Ein kleiner, gemeiner Plan
Jean-Claude de la Trine
Morgenappell zum Mittagessen
Der doppelte Mönkemeier
Die haarigen Regeln der Merowinger
Schaukampf mit Schaufel
Ein Buch in Geheimschrift
Die dritte Düng-Dynastie
Mikro-Minimalistische Küche
Vom Verlies ins Paradies
Heimlichkeiten beim Abendessen
Die Nacht des Grauens
Wir dürfen uns nicht kennen
Der beste Auktionator der Welt
Die Hackebarts bieten mit
Auf Amadeus und Sabrina
Duell um Chlothildes Bürste
Zum Vierten! Zum Vierten!
Eins Komma fünf Millionen Euro
Keine juristischen Schritte
Es lebe der Family-Link!
Herr Hackebart brauchte einen Verbündeten. Einen, auf den er sich verlassen konnte. Einen, der bereit war, ihm zu helfen. Einen, der nicht vor einem kleinen, aber gemeinen Plan zurückschrecken würde. Und Herr Hackebart wusste genau, wer dieser Verbündete sein könnte: natürlich sein Vater, Opa Kuno, der Umweltaktivist.
Herr Hackebart lag die halbe Nacht wach und konnte es kaum erwarten, Opa Kuno in seinen Plan einzuweihen. Am frühen Morgen schlich er auf leisen Sohlen durch seine frisch renovierte Doppelhaushälfte. Eine Tür im Flur verband das Hackebart-Haus mit dem Haus der Glockenbergs. Dort wohnten die beiden alten Damen Irina und Margo, gemeinsam mit Opa Kuno. Die Tür zwischen den Doppelhaushälften war nie abgeschlossen.
Herr Hackebart schob sich hindurch und erschrak nicht im Mindesten, als das Licht seines Handys auf ein weißes, wolliges Gesicht mit spitzen Ohren und länglicher Schnauze fiel. Das Gesicht gehörte aber weder Tante Margo noch Tante Irina, sondern einem der beiden Alpakas, die hin und wieder im Wohnzimmer übernachten durften: Denn Irina und Margo waren ehemalige Tierpflegerinnen. Herr Hackebart zuckte erst zusammen, als ihn jetzt ein fetter Strahl Spucke traf. Das weiße Alpaka namens Manfred hatte ihn angerotzt. Als Herr Hackebart sich wegdrehte, traf ihn ein weiterer Spucke-Schuss, diesmal von dem schwarzen Alpaka namens Erwin. Zum Glück ist Alpaka-Spucke nicht giftig oder ätzend, leider aber stinkt sie wie Kotze. Na ja, im Grunde genommen ist sie auch nichts anderes als Kotze: unverdauter ekliger Magensaft-Sabber. Etwas Spucke war in Herrn Hackebarts Auge geraten. Das brannte dann doch. Seine Hand fuhr hoch, dabei ließ er das Handy fallen, und das Ding krachte mit dem Display genau gegen eine große Zange, die auf dem Boden lag. Das Display zerknirschte zum Spinnennetz. Herr Hackebart fluchte leise. Diese Zange – das sollte er später erfahren –, diese ekelhafte, verrostete, abgenutzte, stinkende Zange verwendeten die beiden alten Tanten zur Fußpflege: nicht für ihre eigenen Füße, sondern für die eingewachsenen Hufe der beiden Alpakas.
Herr Hackebart riss das Tischtuch vom Tisch, rieb sich die Spucke aus dem Auge, nahm das kaputte Handy und tastete sich durch den Flur, immer Richtung Opa Kunos Zimmer. Mit leichter Wut im Bauch. Schon wieder würde er Geld ausgeben müssen! Für ein neues Display! Das aber bedeutete auch: Es gab einen weiteren Grund, seinen Plan auszuführen. Denn dieser – ein wenig gemeine – Plan würde ihm viel Geld einbringen. Wenn er denn klappte.
Herr Hackebart blieb kurz an der Tür seines Vaters stehen. Er lauschte. Von drinnen erklang der Bibi & Tina-Song. Na klar: Opa Kuno war glühendster Bibi & Tina-Fan. Aber so früh am Morgen? Herr Hackebart klopfte kurz und betrat Opa Kunos Zimmer.
»Was machst du denn hier?«, fragte Opa Kuno, der mit der Fernbedienung im Bett saß. Er schaltete rasch den Fernseher aus. Die Bibi & Tina-Musik erlosch.
»Ich muss mit dir reden, Vater!«, sagte Herr Hackebart.
»Mitten in der Nacht?«
»Es ist sechs Uhr am Morgen.«
»Worum geht es, Walter?«
»Um meine Klobürste.«
»Du und deine verfluchte Klobürstensammlung!«
»Ich meine die Klobürste, die ich gefunden habe. Du weißt schon. Neulich. In der Kanalisation.«
»Dieses ekelhafte Ding?«
»Die Klobürste stammt aus dem frühen Mittelalter! Sie ist unermesslich wertvoll!«
»Und was hat das mit mir zu tun?«
»Du bekommst die Hälfte.«
»Die Hälfte von der Klobürste?«
»Die Hälfte vom Reingewinn.«
»Vom Reingewinn?«
»Von dem Geld, das wir für die Klobürste bekommen!«
»Reingewinn und Klobürste!«, lachte Opa Kuno. »Das passt!«
Jetzt erzählte Herr Hackebart in aller Ruhe von seiner Begegnung im Museum. Dort hatte Herr Hackebart einen Gleichgesinnten getroffen. Den Grafen Dagobert Childerich von Sauberbart.
»Sauberbart?«, grummelte Opa Kuno. »Die Hackebarts und die Sauberbarts? Willst du mich auf den Arm nehmen?«
Herr Hackebart erzählte weiter: »Graf Sauberbart hat nicht nur einen ähnlichen Namen wie ich, er hat auch das gleiche Interesse: historische Klobürsten.«
»Heilige Scheiße!«
»Er interessiert sich vor allen Dingen für die Klobürsten der Merowinger aus dem Geschlecht König Chlodwigs des Ersten. Die Sauberbarts, sagt er, stammen in direkter Linie von den Merowingern ab.«
»Woher will er das wissen?«
»Ist doch egal. Jedenfalls habe ich ihm ein Bild gezeigt. Von der Klobürste. Die aus der Kanalisation. Er war fassungslos. Bei dieser Klobürste, Vater, handelt es sich um die Klobürste der großen Königin Chlothilde, Frau von Chlodwig dem Ersten, Mutter von Chlodomer und Chlothar. Graf Sauberbart will die Bürste unbedingt haben.«
»Hatten die Merowinger damals überhaupt schon Klos?«
»Na klar! Bei den Namen! Chlothar? Chlothilde? Chlodomer?«
»Das leuchtet ein! Und woher weiß dieser Sauberbart, dass deine Klobürste die von Chlothilde ist?«
»Weil die Bürste fast genauso aussieht wie die von Chlodwig. Die Bürste von Chlodwig hat der Graf schon. Und jetzt will er mir Chlothildes Klobürste abkaufen! Für 100.000 Euro.«
»Was!!??«
»Darauf haben wir uns geeinigt.«
»Du kannst wirklich aus Mist Geld machen, Walter!«
»Der Graf hat uns eingeladen. Die ganze Familie. Nach Reims. Wir sollen das nächste Wochenende dort verbringen. In einem prächtigen Schloss. Château Barbiche. Mitten in Frankreich. Ich soll Chlothildes Klobürste mitbringen.«
Opa Kuno dachte kurz nach. »Und von diesen 100.000 Euro, hast du gesagt, bekomme ich die Hälfte? Das heißt 50.000? Aber warum?«
»Du hast noch gar nicht meinen Plan gehört.«
»Welchen Plan?«
»Es ist echt ein gemeiner Plan, Vater.«
»Ich bin ganz Ohr, Walter.«
»Also gut. Ich verkaufe Herrn von Sauberbart die Bürste nicht.«
»Das kapier ich nicht!«
»Am nächsten Samstag, wenn wir in Reims sind, gibt es dort eine Auktion. Eine Versteigerung. Jede Menge alte Sachen werden verkauft. Also versteigert! Gegen den, der am meisten Geld bietet. Verstehst du? Auktion! Versteigerung! Zum Ersten! Zum Zweiten! Zum Dritten!«
»Ich weiß, was eine Versteigerung ist!«
»Wertvolle historische Alltagsgegenstände. In Reims. Ich habe eine Mail an das Auktionshaus geschickt. Mit dem Foto der Klobürste. Sie waren sofort begeistert. Und sie haben meine Klobürste auf die Liste gesetzt. Auf die Liste der Gegenstände, die versteigert werden. Verkauft! An denjenigen, der am meisten Geld bietet!«
»Aber du hast doch gesagt, Graf Sauberbart will dir 100.000 Euro zahlen! Ist das nicht genug für eine Klobürste!?«
»An dieser Stelle kommst du ins Spiel, Vater.«
»Ich?«
»Schau mal: Wir fahren am Freitag alle nach Reims. Du auch. Und wenn ich dich auf dem Dach festbinden muss. Jetzt pass auf: In Reims setzen wir dich ab. In einem schicken Hotel. Damit die Sauberbarts dich nicht kennenlernen. Und nicht wissen, dass du zu uns gehörst! Du, Vater, trittst erst bei der Versteigerung auf. Und zwar als Gegenbieter. Wir tun so, als würden wir uns gar nicht kennen. Das ist mein Plan: Immer wenn Graf Sauberbart für die Klobürste Geld bietet, bietest du ein wenig mehr Geld dagegen. Wenn er also sagt: Ich biete 100.000 für die Bürste, meldest du dich und sagst: Ich biete 150.000!«
»Wahnsinn!«, rief Opa Kuno.
»Verstehst du!? Graf Sauberbart will die Klobürste unbedingt! Er wird immer mehr bieten als du! Du treibst den Preis immer weiter nach oben! In schwindelerregende Höhen! Vielleicht bekommen wir am Ende sogar 250.000 Euro oder mehr!«
»Zum Ersten!«, rief Opa Kuno begeistert.
»Oder 400.000 Euro!«
»Zum Zweiten!«
»Oder vielleicht eine halbe Million!«
»Zum Dritten!«
»Geld spielt für die Sauberbarts keine Rolle. Das hat er selbst gesagt. Die sind Milliardäre! Stinkreich!«
»Apropos: Was stinkt denn hier so die ganze Zeit?«
»Alpaka-Kotze. Also: Machst du mit, Vater?«
»Und ich kriege die Hälfte? Von dem, was wir erzielen? Für die Bürste? Vom Erlös? Vom Reingewinn? Haha! Und ich kann damit weitere Umwelt-Projekte finanzieren?«
»Genau.«
»Dann bin ich dabei.«
»Wunderbar, Vater.«
»Aber eine Frage habe ich noch. Woher weiß ich, wann ich aufhören muss? Mit dem Bieten?«
»Das merkst du. Wenn der Graf zögert. Wenn er länger überlegt. Wenn er unsicher wird. Dann hörst du auf.«
»Hm. Bist du sicher?«
Herr Hackebart nickte vehement.
»Dann schönen Tag noch, Walter! Und jetzt schaue ich weiter.«
»Bibi & Tina?«
»Folge 147.«
»Viel Spaß!«
»Auf fette Beute, Walter!«
»Auf fette Beute, Vater!«
Damit verließ Herr Hackebart das Zimmer und eilte zurück in seine eigene Haushälfte. Er dachte: Was für ein toller Plan! Doch in seinem Hinterkopf piepte ein Vögelchen namens: schlechtes Gewissen. Herr Hackebart war eigentlich ein von Grund auf ehrlicher Mensch. Jemanden reinzulegen, widerstrebte ihm. Aber was sollte er machen? Er brauchte das Geld. Für alle seine Rechnungen. Mit läppischen 100.000 Euro käme er nicht weit. Nein, er handelte richtig!, sagte er sich. Zum Wohle der Familie, dachte Herr Hackebart. Er musste aus der alten Klobürste einfach jeden Tropfen herausquetschen.
Herr Hackebart war nicht der Einzige, der sich auf das Wochenende in Reims vorbereitete. Anscheinend hatte auch Graf Sauberbart bereits Maßnahmen ergriffen. Denn schon am selben Morgen um elf Uhr klingelte es bei den Hackebarts. Alle waren zu Hause: Es war die letzte Woche der Sommerferien. Ein herrlich verschwitzter Mittwoch.
»Macht mal jemand die Tür auf!?«, rief Herr Hackebart. »Ich sitze gerade so gemütlich im schattigen Wohnzimmer und tue nichts!«
Seine Frau Adrijana schlief noch. Sie schlief immer sehr lange, wenn sie zu Hause war, grundsätzlich übermüdet von den vielen Lkw-Fahrten. Mittags stand sie immer lautstark gähnend auf und kochte den stärksten und heißesten Kaffee der Welt. Sie wärmte ihre Hände an der dampfenden Tasse, setzte sich mit nackten Füßen aufs Sofa und sagte – egal, ob im Winter oder im Sommer – immer denselben Satz: »Ich hab kalte Füße, Walter!«
Und Herr Hackebart konterte immer, ohne aufzublicken, mit den Worten: »Dafür gibt’s Socken.«
Und Frau Hackebart sagte stets: »Wärmst du mir die Füße?«
Und Herr Hackebart klemmte dann immer die nackten Füße seiner Frau unter die eigenen Oberschenkel.
Lulu saß lesend – beziehungsweise Wissen aufsaugend – in ihrem Ohrensessel. Jedes Geklingel und Gerufe empfand sie als Störung ihrer Konzentration. Ihr fotografisches Festplatten-Gedächtnis war immer noch unerschöpflich. Oder wie ihr Bruder Zosch sagte: »Dein Speicher hat noch fünfhundert Millionen Terabyte frei.« Lulu war einfach unersättlich im Lernen und Lesen und Wissen-Anhäufen. Das tat sie für ihr Leben gern.
Mönkemeier hörte nicht hin. Er stand vor seiner Staffelei und malte. Das zweitjüngste Kind von Herrn und Frau Hackebart lebte meist nicht in der wirklichen Welt, sondern in seiner eigenen, in der Welt der Farben, Formen und Kleckse, er durchstreifte innere Landschaften, die er aufs Papier zu bringen versuchte. Mit so viel Liebe.
Der zwölfjährige Zosch dagegen konnte nichts hören. Er saß entweder in seinem Gaming-Sessel, hatte Kopfhörer auf, die alle wirklichen Geräusche komplett aussperrten, und zockte sich den letzten Rest Verstand aus der Birne. Oder aber er war gar nicht da. Und kickte draußen mit seinen Kumpels. Auf echte Tore.
Insofern hätte Herr Hackebart eigentlich gar nicht erst rufen müssen. Er rief auch nur in der Hoffnung, seine älteste Tochter Brooklyn könnte zu Hause sein. Brooklyn war vierzehn und so unglaublich hilfsbereit, dass sie immer die Tür aufmachte. Wenn sie denn da war. Und nicht beim Shoppen. So wie gerade jetzt.
Beim zweiten, etwas ungeduldigeren Klingeln stand Herr Hackebart selbst auf, schlappte durch den Flur und öffnete die Haustür. Draußen stand ein Mann im schwarzen Anzug, mit sehr langen, aber wunderbar glatten schwarzen Haaren, die elegant bis zum Bauchnabel hinab wallten. Er trug weiße Handschuhe. Und das mitten im Sommer bei 28 Grad. Hinter dem Mann stand eine schwarze Limousine: lang, nobel, herrschaftlich. Der Mann verbeugte sich vor Herrn Hackebart und sagte in perfektem Deutsch, aber mit einem leichten französischem Akzent: »Gestatten Sie: Mein Name ist Jean-Claude de la Trine.«
»Kommen Sie von 1 & 1 oder von Vodafone?«
»Mein Herr schickt mich.«
»Sie sind ein Zeuge Jehovas!!??«
»Mein Herr ist kein geringerer als Dagobert Childerich Graf Sauberbart aus Reims«, sagte Jean-Claude de la Trine und verbeugte sich noch einmal tiefer, so tief, als hätte er gerade den Namen eines Heiligen ausgesprochen. Die Spitzen der offenen schwarzen Haare berührten jetzt sogar den Boden.
»Oh«, sagte Herr Hackebart.
»Ich bin sein engster Vertrauter. Ein freundschaftlicher Untergebener. Jemand, der dafür bezahlt wird, dass alles REIBUNGSLOS verläuft und keiner auf die Idee kommt, SCHWIERIGKEITEN zu machen!«
Die Wörter REIBUNGSLOS und SCHWIERIGKEITEN sprach de la Trine sehr laut aus, um nicht zu sagen: Er brüllte sie. Herr Hackebart zuckte zusammen. Jetzt zog Monsieur de la Trine ein Notizbuch hervor und sagte: »Ich werde nicht lange bleiben. Höchstens drei bis vier Stunden. Das sollte genügen.«
»Genügen?«, fragte Herr Hackebart. »Wofür?«
»Um mir ein Bild zu machen. Von Ihnen und Ihrer Familie.«
»Was für ein Bild denn?«
Monsieur de la Trine seufzte. »Die Familie von Sauberbart …«
»Er hat eine Familie?«
»Eine Frau und zwei Kinder. Die Frau heißt Genovefa. Die beiden Kinder heißen Claffo Eins und Claffo Zwei.«
»Claffo?«
»Sie müssen Folgendes wissen, Herr von Hackebart.«
»Nur Hackebart bitte. Ohne von.«