Creatures of Darkness - Mary Sardarjan - E-Book

Creatures of Darkness E-Book

Mary Sardarjan

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Beschreibung

Nach zweihundert Jahren glaubte ich, alles gesehen zu haben. Aber nun ist eine neue Gefahr aufgetaucht, die das Leben meiner Liebsten zerstö-ren will. Diese Gefahr ist das Böse in seiner Personifikation – brutal und sexy, und umso mehr gefährlich. Ausgerechnet ein Vampirjäger soll jetzt mein Verbündeter gegen ihn werden! Langsam verliere ich den Verstand inmitten dieser beider Männer – wer ist Feind und wer ist Freund? Wem kann ich vertrauen, ohne unser aller Leben in Gefahr zu bringen? Tauche ein in die Welt der Vampirlady Elisabeth, die zwischen dem Vampirjäger Alex und dem finstersten aller Nachtkreaturen Donovan steht.

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Seitenzahl: 312

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Table of Contents

Über das Buch

EINS

Zwei

Drei

Vier

Fünf

SECHS

Sieben

Acht

NEUN

ZEHN

ELF

ZWÖLF

DREIZEHN

VIERZEHN

FÜNFZEHN

SECHZEHN

SIEBZEHN

ACHTZEHN

NEUNZEHN

ZWANZIG

Zweiundzwanzig

Dreiundzwanzig

Playlist

Aufzeichnungen eines Vampirjägers

Über die Autorin

Creatures of Darkness – Ich darf dir nicht vertrauen

Erste deutsche Auflage Juli 2020

© Mary Sardarjan

Trailer zum Buch: https://youtu.be/evW9bULquy0

Alle Rechte vorbehalten!

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages. Personen und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Satz E-Book: Anke Neuhäußer

Satz Print: Anke Neuhäußer

Cover: Rauschgold

Erschienen bei der

A.P.P.-Verlags-GmbH

St. Gallerstrasse 49

9100 Herisau

Mobi: 978-3-96115-668-9

E-Pub: 978-3-96115-669-6

Print: 978-3-96115-670-2

Dieser Roman wurde unter Berücksichtigung der neuen deutschen Rechtschreibung verfasst, lektoriert und korrigiert.

Über das Buch

Nach zweihundert Jahren glaubte ich, alles gesehen zu haben. Aber nun ist eine neue Gefahr aufgetaucht, die das Leben meiner Liebsten zerstören will.

Diese Gefahr ist das Böse in seiner Personifikation – brutal und sexy, und umso mehr gefährlich. Ausgerechnet ein Vampirjäger soll jetzt mein Verbündeter gegen ihn werden! Langsam verliere ich den Verstand inmitten dieser beider Männer – wer ist Feind und wer ist Freund? Wem kann ich vertrauen, ohne unser aller Leben in Gefahr zu bringen?

Tauche ein in die Welt der Vampirlady Elisabeth, die zwischen dem Vampirjäger Alex und dem finstersten aller Nachtkreaturen Donovan steht.

Liebe Leser,

die folgende Geschichte empfiehlt sich für Vampir- und Dark Romance-Fans. Die Idee entstand zu einer Zeit, als ich selbst eine große Leidenschaft für Vampirserien und düstere Filme mit diversen Nachtkreaturen hegte. Dennoch habe ich mich an eigene Regeln gehalten und einiges dazu gedichtet, was die Fähigkeiten meiner Vampire angeht. Damit ihr einen Überblick darüber erhält, gibt es am Ende des Buches eine Aufzeichnung vom Vampirjäger Alex an euch mit Erkennungsmerkmalen, die die Vampire seiner Zeit (und dieser Geschichte) ausmachen.

Außerdem findet ihr, ebenfalls auf den letzten Seiten, eine Playlist der Songs, die mich durch Creatures of Darkness begleitet haben.

Ich darf dir nicht vertrauen ist der erste Band von dreien.

»Je länger ich lebe, desto eher stelle ich infrage, was ich will.«

– aus dem Lied Je länger ich lebe aus dem Musical »Dracula«

EINS

ALEX

»Sie müssen Alex Kusnezow sein! Ich habe schon eine ganze Menge von Ihnen gehört.« Der Mann mit dem blond schimmernden Bartansatz hatte sich nach vorn gebeugt und musterte Alex. Aber es gelang dem Blonden nicht, seine Skepsis zu verbergen, auch wenn er sich bemühte, es mit Interesse zu überspielen. Alex hasste die Typen vom Geheimdienst. Sie waren erfahrungsgemäß allesamt arrogant und unhöflich. Die meiste Zeit waren ihre Gesichter ausdruckslos wie die von Toten.

»Vielleicht erklären Sie mir gleich, was Sie von mir wollen. Ohne wichtigen Grund hätten Sie mich bestimmt nicht während der Dienstzeit aus der Polizeistation rausgeholt.«

Als die beiden Männer auf seiner Arbeitsstelle aufgetaucht waren, hatte Alex sich mit seinem besten Kollegen Mike für die Streife fertig gemacht.

Sein Chef hatte einige Worte mit den unbekannten Gesichtern gewechselt, dann hatte er Alex die Erlaubnis erteilt, seinen Dienst zu unterbrechen und mitzugehen.

Es war ein komisches Gefühl, in diesem Büro zu sitzen. Aber sein Puls war erstaunlich ruhig. Und immer noch kreisten dieselben Fragen in seinem Kopf: Was zur Hölle will der Geheimdienst von mir?

Bevor sie mit dem Gespräch vor fünf Minuten begonnen hatten, musste Alex eine Einverständniserklärung unterschreiben. Alles, was in diesem Raum besprochen wurde, musste in diesen vier Wänden bleiben.

Der Blonde beugte sich nach unten. Neben dem Tisch stand ein Aktenkoffer. Er wühlte drin herum und zog einen Ordner hervor, der nicht sonderlich dick war. Neben ihm schielte sein Kollege, ein dunkelhaariger Südländer, herüber. Bisher war er der stille Part, hatte sich als Sartori vorgestellt und seitdem den Mund gehalten. Friedrichs, der Blonde, übernahm wieder das Wort. Alex hatte einen Blick auf die Vorderseite des Ordners erhascht: »Paranormale Abteilung – streng geheim«.

Alex schluckte heftig und seine Lippen wurden im Nu trocken.

Friedrichs, der seine Anspannung bemerkte, fragte in einem ruhigen Plauderton: »Woher stammt Ihre Familie?«

»Aus Russland. Aber das ist schon lange her.« Er hatte die Sprache schon länger nicht mehr gesprochen. Ob er noch dazu in der Lage war, einen Dialog mit einem anderen Russen zu führen?

»Wie schön.« Das Lächeln des Blonden wirkte aufgesetzt und falsch. »Aber natürlich wissen Sie, womit Ihre Vorfahren all die Jahrhunderte – sagen wir einmal – ihr Brot verdient haben.«

Alex musste schmunzeln. Was für eine bescheuerte Art, es auszudrücken. »Es ging nie um Geld. Es war ihre Pflicht. Wenn sie es nicht getan hätten, hätte sich niemand drum gekümmert.«

»Ich sehe, wir verstehen uns. Na gut, dann reden wir mal nicht lange um den heißen Brei rum.«

»Was wollen Sie von mir?« Alex’ Augen wurden zu Schlitzen. Zu gern hätte er jetzt eine Zigarette geraucht, aber an der Tür hing das Rauchverbot-Schild. Er würde hiernach auf den Parkplatz laufen und sich eine anzünden. Die hatte er sich wirklich verdient, obwohl er eigentlich damit aufhören wollte.

»Zuerst habe ich zwei Fragen an Sie: Wie viele Vampire haben Sie bereits erledigt?«

Alex’ Herz machte einen gewaltigen Sprung, aber er bemühte sich, nichts anmerken zu lassen. »Weiß nicht. Habe keine Strichliste geführt. Vielleicht um die dreißig Vampire.«

Dieses Wort öffentlich auszusprechen, schien ihm sehr schwierig. Ein schreckliches Wort, das Ekel in ihm auslöste. Das Ganze war ein Tabuthema. Die Leute glaubten nicht mehr an Vampire. Aber Alex wusste es besser. Und der Geheimdienst allem Anschein nach auch.

»Und denken Sie, Sie könnten es wieder mit diesen Kreaturen aufnehmen?«

Alex nickte langsam. Unter dem Tisch spielte seine rechte Hand mit der Nagelhaut der linken. Eine blöde Angewohnheit. Bestimmt hatte er sich den Zeigefinger schon wieder blutig gepult.

»Wollen Sie mir gerade ernsthaft sagen, Sie haben neue Vampire geortet?« Jahrelang war er keinem mehr begegnet und er hatte für einen Moment gehofft, sie wären ausgestorben, auch wenn das bedeutete, dass er seine Leidenschaft aufgeben musste.

Über Generationen jagte seine Familie Nachtkreaturen. Blutsauger. Mörder. Monster.

»Es gibt Beweise dafür, dass Vampire zurück in unserer Stadt sind. Überfälle, Morde – nehmen Sie ruhig den Ordner mit und schauen Sie sich die Fotos an. Eindeutige Vampirbisse. Das sind Fälle, von denen die Öffentlichkeit nichts weiß. Herr Kusnezow, das bedeutet, dass es geheim bleiben soll! Das verstehen Sie bestimmt. Die Bevölkerung wird mit dem Mist in Ruhe gelassen. Wir brauchen Ihre Hilfe, diese Kreaturen ausfindig zu machen und auszulöschen. Das ist unsere Aufgabe: Unsere Stadt zu schützen. Helfen Sie uns dabei.« Friedrichs Blick war kurz flehend. Sein Kollege zuckte mit keiner Wimper. Was war er? Praktikant? Genauso gut hätte er draußen auf Friedrichs warten können.

»Geben Sie mir den Ordner.«

Friedrichs schob ihm die Beweise zu und Alex nahm sie augenblicklich in seinen Besitz. Er warf einen kurzen Blick hinein, sah sich eines der Fotos genauer an. Der kreidebleiche Frauenkörper mit den Bissspuren in ihrem Nacken. Die Augen des Opfers starrten leblos ins Nichts. Dieser Anblick machte Alex schon lange nichts mehr aus. Er hatte bei Weitem schon Schlimmeres gesehen. Geschändete Körper, die darauf hinwiesen, mit was für einer Brutalität diese Monster auf ihre Opfer losgingen.

»Wie viele Vorfälle gab es? In welchen Zeitabständen?«

»Fünf Vampirübergriffe in zwei Monaten«, antwortete Friedrichs.

Alex blätterte die Fotos durch. Auf den Rückseiten waren die Fundstellen notiert: »Stadtpark« und »Wald«.

Bei allen Opfern handelte es sich um Frauen. Nicht dass Männer keine einfache Beute gewesen wären – aber das Blut von schönen, jungen Frauen war scheinbar anziehender.

»Sind Sie dabei, Herr Kusnezow? Können wir auf Sie zählen? Im Moment sind Sie unsere letzte Rettung. Man sagt, Sie sind der beste Vampirjäger in der Umgebung.«

Alex klappte den Ordner zu und sah wieder auf. »Ja, ich bin dabei.« Und zum ersten Mal nach langer Zeit lächelte er breit über das ganze Gesicht. »Mit Vergnügen werde ich jeden Vampir vernichten, der mir über den Weg läuft.«

Zurück auf der Polizeistation steckte Alex Kusnezow seine Nase tief in den Ordner. Er studierte jedes Foto, nahm jede Information auf und überprüfte noch einmal die Fundorte.

Alle Vorfälle hatten sich in der Nacht abgespielt. Wie typisch für Vampire. Tagsüber versteckten sie sich im Schutz der Dunkelheit.

Alex ging heute mit einem neuen Gefühl nach Hause. Er war aufgeregt angesichts seines neuen Falles. Er würde die Streife fortsetzen, würde nachts die Straßen inspizieren, sich im Stadtpark hinter Bäumen und Büschen zur Jagd stationieren und nicht eher aufhören zu suchen, bis alle Vampire der Stadt von ihm gepfählten worden waren.

Das tat ihm jetzt gut. Es war die beste Ablenkung, die er gebrauchen konnte. Lucy hatte ihn vor drei Monaten verlassen. Sie hatte sich in einen ihrer Kollegen verliebt und sich letztendlich – wahrscheinlich nach einer längeren Affäre – für ihn entschieden. Alex existierte seitdem nicht mehr für sie.

Manchmal hatte er darüber nachgedacht, ob er ihr eine zweite Chance geben würde, sollte sie zu ihm zurückkehren, aber dann kam er sich ganz schön armselig dabei vor.

Lucy liebte ihn nicht mehr. Das musste er akzeptieren.

In der ersten Zeit nach der Trennung hatte er sich betrunken und am liebsten hätte er sich in seinem Haus versteckt, das er vollgequalmt hatte. Ein anderer Mann hatte seinen Platz neben ihr eingenommen.

Das tolle Haus, das er für sie gekauft hatte. Vielleicht würde er es nächstes Jahr verkaufen. Was sollte er in diesen riesigen Räumlichkeiten alleine machen?

Im Augenblick konnte er nicht einmal daran denken, sich auf eine andere Frau einzulassen.

Scheiß drauf! Du hast jetzt etwas gefunden, was dein Leben wieder bereichern wird. Mit Lucy an deiner Seite hättest du diesen Job niemals annehmen können.

Töten war nämlich auch kein schlechtes Hobby. Sobald es dann noch von oben abgesegnet wurde, machte es auch richtig Spaß.

All die Wut, die Trauer und alle anderen Gefühle würde er in diese Sache hineinstecken. Mit jedem Töten eines Vampires würde er ein wenig Last von sich schaffen. Im Keller begutachtete er sein Waffenarsenal: hölzerne Patronenkugeln, ein Pfahl aus Holz und eine Armbrust, die natürlich Holzpfeile abschoss. Es gab keine andere alternative Waffe als das. Na ja, fast. Da war ja noch das Eisenkraut, was er sich rasch von einem Bekannten beschaffen musste.

Die Einnahme dieser Kräuter würde dazu führen, dass sein Blut unerträglich für Vampire wurde. Sobald das Kraut nämlich in den Körper oder die Luftröhre dieser Kreaturen gelang, schwächte es sie ab.

Im Laufe der Zeit würde Alex sich neue Methoden ausdenken. Die Vampire der Neuzeit waren natürlich ebenfalls vorgewarnt. Sie wurden zu Meistern der Tarnung, aber Alex war ein Mann, der einen Vampir erkennen konnte, sobald dieser sich auch nur in einem Raum mit ihm befand.

Lizzy

Mit ihren scharfen Eckzähnen hatte sie sich in die Kehle des attraktiven jungen Mannes verbissen. Sein Körper kämpfte wild ums Überleben. Er zappelte, war allerdings äußerst geschwächt durch den hohen Blutverlust. Es dauerte nicht lange, bis er aufgab, sich am Leben festzuhalten.

Mit dem Ärmel strich sie sich über den Mund, wischte sich sein Blut ab. Dann ließ sie den ausgesaugten Körper auf den Boden fallen wie eine Puppe.

Es war ein Leichtes gewesen, ihn in seiner offen stehenden Garage von hinten zu überfallen und außer Gefecht zu setzen.

Beinahe schon viel zu einfach. Was war aus der aufregenden Jagd geworden? Das nächste Mal würde sie es sich nicht so leicht machen. Sie würde ihrem Opfer den ernst der Dinge von vornerein klar machen, ihm dann einen Vorsprung schenken und sich dann anstrengen. Darum ging es doch letztendlich.

Lizzy betrachtete sein blasses, totes Gesicht. Ein wirklich gut aussehender Mann. Aber ihr war die Lust an Männern vergangen. Ihr war alles, was sich um Sex drehte, vergangen.

Wann genau es dazu gekommen war, konnte sie nicht mehr sagen. Von heute auf morgen war sie gelangweilt gewesen. Sie befürchtete, nie wieder etwas Aufregendes auf dieser Welt erleben zu können. Aber das war ja auch nicht verwunderlich, denn sie lebte seit über zweihundert Jahren auf dieser Erde und hatte bereits so einiges erlebt und gesehen.

Lizzy ließ sich auf die Couch des Toten fallen und starrte an die Decke. Der Geruch von Kupfer lag in der Luft. Fürs Erste war sie satt.

Es hatte mal eine Zeit in ihrem Leben gegeben, da hatte sie die Menschen mit Bedacht ausgesaugt. Sie hatte sie am Leben gelassen. Erbarmen gezeigt. Zu dieser Zeit hatte das Leben noch einen Wert für sie gehabt. Aber vieles war ihr gleichgültig geworden und vielleicht hatte die Langeweile etwas damit zu tun.

Lizzys Handy vibrierte in ihrer Jackentasche. Sie griff danach und schaute auf den Bildschirm.

Tom. Was für eine Überraschung! Ihr Neffe hatte sich eine Ewigkeit nicht mehr bei ihr gemeldet. Genauer gesagt seit jenem Tag nicht mehr, als Lizzy ihn anschnauzte, er solle sie in Ruhe lassen, sodass sie durch die Welt ziehen konnte.

Lizzy hatte Tom großgezogen. Zwischen ihnen gab es eine starke Bindung, wenn sie es vor ihm auch nicht gern zugegeben hätte. Früher, als Mensch, da war es ihr möglich gewesen, Gefühle zuzulassen, Liebe zu geben, ohne etwas zu erwarten. Seit sie aber zur Vampirin geworden war, war sie ein egoistisches Miststück. Dessen war sie sich allerdings bewusst.

Sie zögerte, aber weil ihr Neffe hartnäckig blieb, ging sie endlich ran. »Tom. Was gibt’s?«

»Hallo, Tante Lizzy.« Eine kurze Pause entstand am Ende der Leitung. »Wie geht’s dir?«

Seine Stimme klang ruhig wie immer. Sie konnte noch nicht einmal sagen, ob sie ihn vermisst hatte.

»Hatte gerade ein kleines Dinner. Na ja, und dir? Bist ja scheinbar noch am Leben, obwohl ich nicht zum Babysitten geblieben bin.«

In den letzten zweihundert Jahren hatte sie Tom eine Menge über das Vampirdasein beigebracht. Sie war es, die ihn verwandelt hatte, als er neunzehn geworden war. Tom war damals sterbenskrank gewesen und die einzige Möglichkeit, sein Leben zu retten, war, ihn neu zu erschaffen. Mit dieser Entscheidung war Lizzy bis heute nicht glücklich.

»Noch, ja«, antwortete er und mit einem Mal hatte seine Stimme einen äußerst ernsten Ton angenommen. »Du weißt, dass ich dich nicht anrufen würde, wenn es nicht wichtig wäre. Ich brauche dich hier, Tante Lizzy.«

Lizzy schluckte, ließ sich aber nichts anmerken. Das passte gar nicht zu Tom. Ihr Magen drehte sich um, als er weitersprach: »Neue Vampire sind in die Stadt gekommen. Sie haben Adam bedroht und mich angegriffen.«

Adam. Sie hielt inne. Ihr Sohn. Eigentlich hatte sie keinen Grund, sich Sorgen um ihn zu machen. Adam war nicht wie Tom. Er war ein richtiger Vampir. Ein Vampir, der nicht zögerte, wenn er jemanden töten musste. Der geborene Killer und Jäger – so hatte sie ihn doch immer gewollt, oder? Und genau das hatte sie versucht, aus Tom zu machen. Und aus welchem Grund? Damit die beiden überleben und sich von Jahrhundert zu Jahrhundert durchschlagen konnten. Doch irgendwas war jetzt schiefgegangen, sonst hätte Tom sie nicht kontaktiert.

»Weiß Adam, dass du mich anrufst?«, fragte sie erst einmal, um sich Klarheit zu verschaffen.

Neue Vampire … Das verhieß nichts Gutes. Wo Vampire waren, war ständig Ärger.

»Ja. Er hatte mich zunächst überredet, dich nicht um Hilfe zu bitten, aber scheinbar haben wir es mit einer ganzen Gruppe von Vampiren zu tun – und die haben es echt auf uns abgesehen, sage ich dir!«

»Was wollen sie?«

»Vielleicht wäre es besser, wenn du nach Hause kommst. Dann reden wir in aller Ruhe darüber.« Jetzt klang er schon etwas hoffnungsvoller. Am liebsten hätte Lizzy aufgelegt. Das war nicht ihr Kampf. Aber erstens ging es um ihren Neffen und um ihren Sohn. Die beiden waren die einzigen Familienmitglieder, die ihr geblieben waren. Und zweitens hatte sie nicht vor, weiterhin gelangweilt durch die Städte und Länder zu ziehen, während sich die Chance bot, etwas Aufregendes zu erleben.

»In Ordnung. Ich komme zurück nach Hause.«

Das Flugzeug, das sie nahm, führte sie über vier Länder, bis sie am Heimatflughafen ausstieg. Von da fuhr sie fünf Stunden mit einem»beschlagnahmten« Wagen weiter, nachdem sie dem Fahrer das Blut ausgesaugt hatte.

Es war dunkel, als sie über die beleuchtete Hängebrücke – die ein wenig an die Golden Gate Bridge erinnerte – direkt in die Stadt reinfuhr. Sie liebte all die Lichter in der Nacht. Wie Hoffnungsschimmer in der Dunkelheit. Lizzy ließ die Fensterscheibe runterfahren und spürte den kühlen Wind auf ihrer Haut.

Den Wagen entsorgte sie im See eines Waldstücks. Die Spur würde sowieso niemals zu ihr führen. Oft genug hatte sie solche Aktionen schon durchgeführt. Als mörderischer Vampir lebte es sich einfach.

Den Rest des Weges bis zum Haus ging sie zu Fuß.

Drinnen brannte Licht aus dem Wohnzimmer. Lizzy holte tief Luft, ehe sie an der Tür klingelte. Ein seltsames Gefühl, wieder zu Hause zu sein.

Und Tom – er sah immer noch so aus wie immer. Sogar das hellblonde Haar war genauso kurz wie an dem Tag, als sie gegangen war. Er hatte die Tür geöffnet, sah ihr ins Gesicht und seine dunklen Augen funkelten. Kleine Lachfältchen bildeten sich.

»Lizzy!« Ihr Neffe machte einen Schritt auf sie zu und ehe sie sichs versah, hatte er sie in die Arme geschlossen. Eine starke, kräftige Umarmung, die sie beinahe überwältigte.

Lizzy räusperte sich. »Du zerdrückst mich.«

Tom nahm ihr den Rucksack ab, den sie sich um die Schulter geschwungen hatte, und führte sie hinein.

Zum Abendbrot hatte er zwei Blutkonserven auf den Esstisch in der Küche hingelegt, aber Lizzy war noch immer satt von den beiden Männern, die sie ausgesaugt hatte. Außerdem war sie neugierig. Was hatte sich verändert, seit sie fort gewesen war?

Sie nahm eine Blutkonserve in die Hand und musterte ihren Neffen prüfend. »Aus dem Krankenhaus geklaut?«

»Klar. Freiwillig hat sie mir keiner gegeben. Eine Alternative zum Töten von Unschuldigen.«

Die Beiden setzten sich an den Esstisch und Lizzy lächelte schief. »Immer noch der Alte also! Adam hatte keinen großen Einfluss auf dich. Wie schade.«

»Du würdest ebenfalls unauffälliger leben, wenn dein neuer Nachbar ein Vampirjäger ist.«

Lizzy verschluckte sich an ihrer eigenen Spucke. Als sie sich wieder gefangen hatte, sah sie ihn mit großen Augen an.

»Du lebst neben einem Vampirjäger?! Hast du den Verstand verloren? Wieso zur Hölle bist du noch nicht weggezogen?« Sie war fassungslos. Ihr Neffe war noch immer der naive Junge, der er mit neunzehn gewesen war. Rein gar nichts hatte sich geändert. Früher einmal hatte sie ihn einen halben Vampir genannt, um ihn zu ärgern. Keine nächtliche Kreatur, der sie bisher begegnet war, war wie Tom. Es wirkte, als wäre er nie verwandelt worden. So viel Menschlichkeit konnte kein Vampir besitzen.

Tom saugte das Blut aus der Konserve heraus und zuckte mit den Schultern, als wäre da nun wirklich nichts dabei, neben einem Jäger zu wohnen.

»Eigentlich ist er ganz okay. Sein Name ist Alex Kusnezow und er arbeitet für die Polizei. Nebenbei jagt er unseresgleichen. In seinem Haus konnte ich keine Anzeichen für Eisenkraut finden, also habe ich das genutzt und seine Gedanken manipuliert.«

Lizzy schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. Der Junge war vollkommen verrückt geworden.

»Du spinnst doch! Seit wann bist du überhaupt so übermutig? Und was hast du mit ihm gemacht?«

»Ich habe ihm zu verstehen gegeben, dass ich ein Student bin, der tagsüber die Nase in Bücher steckt und abends mal das Haus verlässt, um frische Luft zu schnappen.«

»Ach so, du hast dein Leben für diesen Scheiß riskiert, statt einfach zu trainieren, ans Tageslicht zu gehen.«

»Adam und du haben Monate bis Jahre dafür gebraucht. Es ist ein schmerzhafter Prozess. Ich habe es versucht. Das ist nichts für mich. Aber das Thema haben wir durch, oder?«

Lizzy seufzte. »Es erspart dir eine Menge Ärger und gibt dir neue Freiheiten. Wenn du glaubst, dass ich den ganzen Tag über mit dir in diesem Haus rumsitzen werde, irrst du dich.«

Adam und Lizzy waren eine der wenigen Vampire, die es sich angeeignet hatten, bei Tageslicht hinauszugehen, ohne von den Sonnenstrahlen zu Asche verwandelt zu werden.

Lizzy erinnerte sich daran, wie angestrengt sie dafür trainiert hatte. Jedes Mal ein Körperteil in die Sonne gestreckt und sich dann hinter den dunklen Gardinen verborgen, weil die Haut schmerzhaft brannte. Einige Wochen war sie mit Blasen an den Armen und im Gesicht herumgelaufen, dann waren die Wunden wieder vollständig verheilt.

Das war üblich bei Verletzungen auf der Vampirhaut: Sie verheilten in Minuten. Zumindest wenn sie nicht durch UV-Strahlen entstanden waren.

»Momentan habe ich, oder sagen wir mal besser, haben wir andere Sorgen. Die neuen Vampire.«

»Dann erzähl mal. Wer sind sie und was wollen die von euch?« Lizzy lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Ihre Blutkonserve, die vor ihrer Nase lag, hatte sie nicht mehr angerührt.

»Was sie von uns wollen? Uns auslöschen. Warum sie uns dafür ausgewählt haben, weiß ich nicht. Adam hat hoch und heilig geschworen, dass er keinen Konflikt angezettelt hat. Mich hätten sie beinahe umgebracht, aber ich konnte mich wehren. Dann sind sie geflohen.« Tom sah sie besorgt an. »Jetzt werden sie sicherlich auch dich ins Visier nehmen. Schließlich gehörst du zu uns.«

»Mach dir um mich mal keine Sorgen, okay? Ich wurde schließlich gerufen, um euren Arsch zu retten.«

Ihr Neffe machte eine grübelnde Geste, indem er die Stirn runzelte und in die Luft sah. »Ich frage mich, was ihr Plan ist. Warum sollten sie ihresgleichen vernichten wollen?«

»Was weiß ich? Konkurrenzkampf?« Sie griff nach der Blutkonserve und hielt sie mit ihren zwei Fingerspitzen in der Luft. »Dir würde frisches Blut guttun. Die Jagd würde dir guttun. Dafür bist du bestimmt. Wer weiß, was du deinem Körper bereits für Schaden angerichtet hast. Wenn du gegen andere Vampire kämpfen willst, solltest du gestärkt sein.«

Tom lachte auf. »So ein Blödsinn! Mir geht es blendend. Ich kann mich nicht beschweren.«

»Zurück zu den Vampiren: Wer sind sie? Wie viele sind es? Habt ihr Namen?«

»Der Mann, der mich angegriffen hat, nannte sich Andras. Ihrer Kraft nach zu urteilen handelt es sich um ältere Vampire. Sie haben eine Schwester. Eine brünette Schöne, scheint in meinem Alter zu sein ...«

Seine Tante rollte genervt mit den Augen. »Wie schön für dich. Kannst du mal aufhören mit dem Schwanz zu denken? Was sind sie? Eine Familie? Ich will wissen, wie viele es sind.«

»Keine Ahnung, sie haben sich mir nicht vorgestellt, bevor sie mir die Fresse poliert haben, aber ich schätze, dass es sich um eine mittelgroße Vampirfamilie handelt.«

Lizzy wusste mit diesen Informationen nichts anzufangen.  Mittelgroß – was hieß das schon unter Nachtkreaturen? Es konnten fünf sein, aber auch fünfzehn Vampire. Die Tatsache, dass sie stark waren, gefiel ihr nicht. Aber immerhin war es ihnen misslungen, ihren Neffen auszuschalten, und er war wirklich keine starke Kreatur.

»Ich lasse mir was einfallen, Tom. Die werden wir los.« Sie stand auf und ging an das Fenster. Lizzy zog die Gardine ein Stück zur Seite und schaute zum Nachbarhaus hinüber. Das Licht in einem der Zimmer im zweiten Stockwerk brannte. Eine männliche Silhouette zeichnete sich hinter dem Fenster ab. Er streifte sich das Oberteil über den Kopf. »Und den Jäger ebenso.«

Zwei

LIZZY

Lizzy war eine Frühaufsteherin. Sie zog sich eine graue Strumpfhose über die Beine, griff nach einem schwarzen Kleid und schlüpfte dann in eine kuschelige, warme Strickjacke. Zum Schluss griff sie nach den dunkelbraunen, flachen Overknees.

Tom kam ihr im Flur vor der Haustür entgegen und musterte sie prüfend. »Wohin willst du denn?«

»Geht dich zwar gar nichts an, aber ich muss dringend zum Frisör und wenn ich schon dabei bin, lasse ich mir die Fingernägel machen.« Lizzy warf einen Blick auf ihre Hand. Sie streckte die Finger auseinander und verzog das Gesicht. Sie hatte schon bessere Tage gehabt. Die Nägel sahen so langweilig aus. Sie würde sich eine auffällige, aber hübsche Farbe aussuchen. Das lange, schwarze Haar ging ihr mittlerweile auch auf die Nerven. Die Haare reichten ihr bis zum Po. Es war Zeit für eine Veränderung!

»Man könnte meinen, du machst dich für ein Date zurecht.«

»Sei nicht albern, Tom. Ich habe in den letzten Jahren keinen einzigen Mann getroffen, der mir das Wasser reichen konnte.« Kurz nachdem sie das gesagt hatte, legte sich ein finsterer Schatten über ihr Gesicht. Verdammt, jetzt denk doch nicht wieder an ihn.

Lizzy verabschiedete sich von ihrem Neffen und machte sich schleunigst auf den Weg nach draußen. Tom blieb im dunkelsten Teil des Flures stehen und sah zu, wie die Tür hinter ihr zufiel.

Den Frisörladen, den sie aufsuchte, kannte sie noch von früher. Sie schaute von draußen in den Laden hinein und erkannte ein neues, weibliches Gesicht. Es war nicht viel los, im Notfall hätte sie die Angestellten und alle anderen im Raum manipuliert, so dass sie als Erste drangekommen wäre. Aber das war heute nicht nötig; sie konnte ihre Kraft schonen und musste in keinen Kopf schlüpfen, um seine Gedanken durcheinanderzubringen.

Es tat wirklich gut, stellte sie fest, sich einfach in den Sessel fallen zu lassen und die Augen zu schließen, während jemand anders ihre Haare wusch. Zu Hause könnte sie sich einen menschlichen Sklaven halten, überlegte sie für einen Augenblick, aber wahrscheinlich würde Tom dann eine Szene daraus machen. Er war viel zu gutmütig.

»Die schönen Haare sollen ab?«, fragte die Frisörin lieber noch einmal nach. Sie musste um die Mitte zwanzig sein. Eine Blondine mit gewelltem Longbob und einigen blassen, blauen Strähnchen. Ihre Wimpern waren außergewöhnlich lang und nicht echt.

»Ja. Schulterlang. Glätten Sie sie außerdem, bitte.« Es fiel ihr nicht schwer, sich von den Haaren zu trennen. Kein Weltuntergang. Schließlich lebte sie ewig, und was waren schon wenige, armselige Jahre, in denen die Haare nachwachsen konnten? »Ich möchte einen ganz neuen Look. Irgendwas total Modernes. Machen Sie eine sexy und wilde Person aus mir.«

Die Blondine lächelte sie jetzt aus dem Spiegel aus an. »Na schön. Dann fangen wir mal an.«

ALEX

Zufrieden stellte er fest, dass er gar nicht an Lucy denken musste, wenn er auf Vampirjagd war. Na gut, Jagd war übertrieben, denn bisher war er auf der Suche.

Der Geheimdienst war seiner ungewöhnlichen Forderung entgegengekommen und hatte ihm eine hübsche Frau nach Hause geschickt. Alex hatte ihnen sein Vorhaben erklärt: »Der Plan ist es, die Vampire mit dem Blut einer jungen, schönen Frau anzulocken. Dann werde ich aus meinem Versteck herauskommen und diese Wesen vernichten.«

»Brauchen Sie noch ein paar Männer dafür? Wir können Ihnen Unterstützungen schicken.«

»Nein, ich weiß, was zu tun ist.«

Kaum saß seine neue Kollegin neben ihm auf der Couch, ertappte Alex sich dabei, wie sein Puls sich beschleunigte. Sie war wirklich äußerst hübsch, da hatte der Geheimdienst bei der Wahl des Lockvogels wirklich gute Arbeit geleistet.

Aber wie er sie da so sitzen sah, erinnerte er sich dann doch an Lucy. Daran, wie viele Nächte sie hier miteinander gelegen, gekuschelt, geschmust und ferngesehen hatten. Wider seiner Vernunft dachte er an ihre gemeinsame Zeit zurück.

Das führte dazu, dass er keinen klaren Gedanken fassen konnte. Aber das konnte er sich nun wirklich nicht leisten. Die Vampire würden jede Schwäche und Unaufmerksamkeit nutzen. Wollte er erneut wegen Lucy verletzt werden? Dieses Mal körperlich?

Es war wirklich schwierig, sie aus seinem Kopf zu bekommen. Darum blickte er die Kollegin kaum an. Mit diesen Weibern hatte man doch immer nur Ärger! Sie sahen toll aus, schmiegten sich an ihn und rissen ihm irgendwann das Herz aus der Brust, weil sie erkannten, dass sie sich doch in einen anderen Mann verliebt hatten.

Alex tat sich selbst leid. Nie wieder würde er sich auf falsche Versprechen einlassen und sich das Herz brechen lassen. Ganz gleich wie hübsch sie alle waren.

»Wollen Sie mir nicht von Ihrem Plan erzählen? Was muss ich tun?«, fragte sie ihn. Es war albern, ihrem Blick ständig auszuweichen und würde für einen sonderartigen Eindruck sorgen. Ihr Blick war ernst und hatte etwas Eisiges. Sie wirkte sehr zielstrebig.

Alex bemerkte, dass er bereits vergessen hatte, mit welchem Namen sie sich vorgestellt hatte. Aber das schien ihm jetzt nicht wichtig.

»Sie wissen, dass wir auf Vampirjagd gehen?«, fragte er vorsichtig nach.

»Klar. Ich arbeite in der Abteilung für Paranormales. Sie können also ganz offen mit mir darüber reden. Auch wenn ich noch nie bei einer Jagd aktiv beteiligt war.«

»Wir werden Ihnen eine … kleine Schnittwunde zufügen. Wenn die Sonne untergeht, werden wir in den Wald fahren.« Alex betrachtete sie mit einer ernsten Miene, um ihre Reaktion zu prüfen.

Die neue Kollegin nickte. Keine einzige Muskelfaser in ihrem Gesicht bewegte sich dabei.

»Was ist los mit Ihnen? Haben Sie keine Angst?«, platzte es aus ihm heraus.

»Das ist mein Job. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich einem blutrünstigen Nachtwesen gegenüberstehe. Ich war noch nie auf der Jagd, aber ich wurde gejagt. Außerdem werden Sie ihn töten und mich beschützen.« Sie sagte es mit einer Leichtigkeit dahin, aber er konnte die Hoffnung aus ihrer Stimme heraushören.

Sie war fest davon überzeugt, dass ihr nichts geschehen würde. Was hatten sie beim Geheimdienst über ihn erzählt? Auch ihm konnte ein Fehler unterlaufen.

Aber er durfte ihr nicht wiedersprechen. Er durfte ihr keine Angst machen. Diese Frau vertraute auf ihn und er war es ihr schuldig, sie unversehrt zurückzubringen – bis auf die Schnittwunde natürlich, die er ihr zufügen würde.

Je dunkler es wurde, desto unsicherer wurde Alex allerdings.

Er parkte den schwarzen Wagen auf einem kleinen Parkplatz, der zum Wald gehörte. Kurz bevor sie ausstiegen, hatte er das Messer hervorgezogen. Sein Herz raste, doch er ließ sich nichts anmerken.

Zu Hause hatte er erneut den Ordner durchgeblättert und versucht, sich abzulenken. Die schöne Kollegin hatte einige private, aber auch dienstliche Telefonate geführt. Sie hatten nicht mehr viel miteinander gesprochen und die ganze Atmosphäre zwischen ihnen war angespannt gewesen. Er wusste nur nicht, ob es an ihm und seiner Ausstrahlung lag oder ob sie genauso unsicher war.

Sie versuchten sich einzureden, dass es das Normalste auf der Welt wäre, im Jahr 2020 Vampire zu jagen. Zumindest für Alex würde es niemals zur Normalität werden und darum war er so entschlossen, die Vampire auszurotten. Sie gehörten nicht in diese Welt. Auch ohne diese Kreaturen gab es genug Leid. Er musste ihre Ausbreitung unterbinden.

»Wollen Sie das machen, oder soll ich?«, fragte er sie und hielt ihr das Skalpell hin.

Sie nahm es ihm aus der Hand. Die Jacke hatte sie ausgezogen. Dann zog sie den Ärmel des Pullovers ein Stück höher. Sie setzte das Messer auf der Innenseite des Unterarmes an. Alex sah zu, wie sich ein fast perfekter, gerader Strich auf ihrem Arm zeichnete. Das Blut quoll sofort an die Oberfläche.

Er hatte einen Blick auf den Ausdruck in ihrem Gesicht geworfen: Nicht eine einzige Wimper hatte dabei gezuckt.

Diese Frau war ganz schön tough!

Bevor sie ihren nächtlichen Spaziergang antreten konnte, fragte er schließlich doch: »Wie heißen Sie noch mal?«

»Katrin.«

KATRIN

Katrins Blut tropfte ihren Arm hinunter. Sie spürte das starke Pochen und versuchte, den Schmerz zu unterdrücken. Sie biss die Zähne fest zusammen. Ihr Kiefer knirschte.

Es war eine kalte Nacht. Die Jacke hatte sie sich über die Schultern geworfen.

Jetzt durfte sie an nichts denken. Sie musste den Kopf ausschalten und weitergehen. Es raschelte überall um sie herum. Äste tanzten im leichten Wind und Büsche bewegten sich. Katrin schaute sich mit einem theatralisch besorgten Blick um, dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder nach vorn auf den Pfad.

Kurze Zeit später griff sie in die Tasche ihrer Jeans und zückte ihr Handy hervor und schaltete das Blitzlicht ein, um sich nicht in der Dunkelheit zu verirren.

Vor ihren Füßen lief eine Maus und verschwand dann in Windeseile im Dunkeln des tiefen Waldes.

Sie durfte an alles denken, nur nicht an nächtliche Kreaturen. Man sagte, dass sie sich in Gedanken einnisten und diese nicht nur lesen, sondern auch steuern konnten. Wie viel davon stimmte, konnte Katrin nicht sagen.

Sie dachte an das kommende Wochenende. An das Date mit Dennis, das ihr noch bevorstand. Katrin war ganz aufgeregt, wenn sie sich seine Statur und seine Stimme in ihrem Kopf vorstellte.

Und sie waren noch nicht im Bett gewesen, obwohl sie sich seit zwei Monaten verabredeten. Für Katrin war das eine riesige Leistung, denn im Normalfall dauerte es nur zwei oder drei Dates, bis sie mit einem Mann intim wurde.

Sie konnte es kaum erwarten, es mit ihm zu treiben.

Das Handy vibrierte in ihrer Hand. Sie hielt es vor die Nase und stellte mit rasendem Herzen fest, dass sein Name aufleuchtete.

Katrin grinste breit und blieb für einen Moment stehen, um ihm zurückzuschreiben. Am liebsten hätte sie ihn angerufen und den Klang seiner Stimme gehört, aber jetzt gab es wirklich wichtigeres zu tun.

Sie richtete das Licht wieder nach vorne, setzte sich in Bewegung und blieb abrupt wieder stehen. Drei Meter vor ihr hatte sich ein großer Mann aufgebaut. Zuerst hatte sie geglaubt, dass es sich um ein Hindernis wie einen Baum handelte und dass sie vom Pfad abgekommen war – aber dem war nicht so.

»Ähm, hallo?«, fragte sie vorsichtig.

»Verdammt, riechst du gut! Ich wüsste zu gern, was für ein Parfum du da trägst«, entgegnete die tiefe Stimme vor ihr.

»Na dann, vielen Dank«, sagte sie und bemühte sich um eine selbstbewusste Stimme. Mutig, wie sie war, setzte sie ihren Spaziergang fort. Er bewegte sich kein Stück. In der Dunkelheit konnte Katrin sein Gesicht nicht erkennen. Ein Gesichtsloser im dunklen Wald war fast noch schauriger als ein Vampir.

Ein beklemmendes Gefühl durchzog ihren Körper und es fühlte sich so an, als würden Hunderte kleine Ameisen über ihre Haut Richtung Kopf krabbeln.

»Du hast etwas verloren, Liebes.« Seine Stimme war so dicht an ihrem Ohr, dass sie befürchtete, er würde direkt hinter ihr stehen. Sie hatte nicht gehört, wie er sich nach ihr umgedreht, geschweige denn sich bewegt hatte. Beinahe schien es, als wäre er in ihre Richtung geschwebt, denn als sie ihren Kopf zur Seite drehte, blickte sie mitten in seine hell aufleuchtenden Augen, die animalisch und nicht menschlich wirkten. Als er lächelte, zeigten sich einige weiße Zähne – zwei davon waren spitz wie die eines Raubtieres.

»Liebes, Du verlierst Blut.«

Katrins Augen weiteten sich und ihr Überlebensinstinkt riet ihr: LAUF!

Aber die Kreatur hatte sie mit einer einzigen Bewegung erfasst und an sich gezogen. Sie versuchte, sich zu winden, aber die Kraft dieses Monsters war außergewöhnlich. Mit jedem Mal, das sie sich zur Wehr setzte, hielt er sie noch fester, sodass sie glaubte, er würde sie in seinen Armen zerdrücken.

Sie roch den Atem des Vampirs. Metallisch, muffelig. Sein Gesicht war direkt vor ihrem. Er hätte nur die Lippen spreizen müssen, um ihren Mund zu berühren. Katrin würgte Galle hoch.

»Keine Sorge, wir werden unseren Spaß haben. Eine Dame wie dich entsorgt man nicht auf diese Weise. Das wäre Verschwendung.« Im selben Augenblick spuckte Katrin ihm ins Gesicht. Ihr Mund schmeckte nach Erbrochenem und ein Teil davon hatte sie in sein Gesicht befördert.

Der Vampir fluchte und ließ eine Hand von ihr ab, aber noch immer hatte er sie fest im Griff. Als er dabei war, sich das Erbrochene wegzuwischen, keuchte er plötzlich auf.

Katrin erkannte das kleine, spitz zulaufende Stück, das in seiner Brust steckte. Sein Griff wurde lockerer. Sie trat zurück und der Vampir fiel vor ihren Füßen zu Boden. Alex’ Gesicht tauchte hinter seiner Gestalt auf.

Jetzt begutachtete sie den Holzpfahl, der im Rücken des Vampires steckte.

ALEX

Katrin ließ einen Seufzer der Erleichterung aus. Zum ersten Mal an diesem Tag erlebte er, wie sie aufrichtig lächelte.

Hatte sie gedacht, er würde sie im Stich lassen? Würde es nicht zum richtigen Zeitpunkt schaffen, sie zu retten?

Die ganze Zeit über hatte er sie beobachtet, war im Dunkeln des Waldes an der Seite geschlichen, ohne dabei einen Mucks zu machen.

Der Plan hatte wirklich funktioniert! Er war stolz auf sich selbst, aber auch beeindruckt von Katrin. Er zog seinen Rucksack vom Rücken und wühlte drin herum. Dann holte er einen Verband heraus. Katrin und er setzten sich auf den Boden, sodass er sie verarzten konnte. Die Leiche des Vampirs lag neben ihnen.

»Das war klasse. Du warst klasse!«, lobte er sie.

»Ach, da war doch nicht viel dabei. Schließlich hast du den Vampir gepfählt.« Eine kurze Pause entstand, dann sagte sie: »Sieh an, wir sind bereits beim Du angekommen.«

»Schließlich haben wir gemeinsam einen Vampir getötet.« Als sie sich auf den Weg zum Wagen machten – den Vampir an den Füßen hinter sich herziehend – sagte Alex, der mit zu viel Lob und Komplimenten nicht viel anfangen konnte: »Das ist wirklich keine große Sache. Man muss sie direkt ins Herz treffen. Hättest du ihn nicht abgelenkt mit deinem Blut und deiner … deiner Schönheit …, hätte er mich wie ein Insekt zerquetscht. Das nächste Mal kannst du das bestimmt schon ohne mich.«

»Das nächste Mal?« Katrin schaute überrascht auf. Sie sahen einander an.

»Ich brauche einen Partner für diesen Job. Eine Frau als Köder ist perfekt, aber wenn du dich entscheidest, hierbei mitzumachen, wirst du lernen müssen, dich zu verteidigen.«

Alex begriff, wie egoistisch das war. Aber ohne sie war er aufgeschmissen. Sie konnte ihm dazu verhelfen, die Vampire zu jagen.

Es war nicht in Ordnung, eine andere Person in Gefahr zu bringen, aber hier ging es schließlich um mehr als nur um ein Menschenleben. Es ging um die gesamte Menschheit und den Kampf gegen die Finsternis und das Böse.

»Darüber muss ich nachdenken«, gestand Katrin. Alex nickte. Er musste sie davon überzeugen. Sie musste sich auf ihn einlassen. Diese Arbeit hier war von großer Bedeutung.

Drei

ALEX

Als er am nächsten Morgen aufwachte, stellte er fest, dass er zum ersten Mal nach langer Zeit gut geschlafen hatte. Er öffnete die Augen und spürte, dass er ein klein wenig glücklich war.