Cuervo – der Rabe von La Palma - Wolfgang Schirmer - E-Book

Cuervo – der Rabe von La Palma E-Book

Wolfgang Schirmer

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Beschreibung

In der Fantasie-Geschichte duchstreift Cuervo, der Rabe von La Palma, mit zwei verrabten Urlaubern die Insel. Als Freunde entdecken sie die Unterschiede von Rabendasein und Menschendasein und lernen, wie jeder von ihnen die Landschaft und Geschichte der Insel sieht. Bei ihren Streifzügen erleben sie aufregende Abenteuer mit Menschen und anderen Rabensippen. Eine wichtige Rolle spielt dabei ein Maulbeerkuchen.

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Seitenzahl: 79

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Erläuterung zum Bild auf Seite 1:

Karte von La Palma mit den Lokalnamen der Menschen- und der Rabensprache, die in der Geschichte vorkommen.

Menschensprache: Violett die jungen, historischen Vulkane der Cumbre Vieja. Gelbe Pfeile kennzeichnen das Gebiet, in dem die Bergflanke der Cumbre Nueva nach Westen ins Meer abgerutscht ist (vor 560.000 Jahren). Die Rutschfläche bildet eine erste Aridane-Ebene. Auf ihr breitete sich der Bejenado-Vulkan aus (vor etwa 500.000 Jahren). Nur im nördlichsten Teil der Rutschfläche, zwischen ihrem Nordende und dem Bejenado-Vulkan, wurde der Taburiente-Kessel durch reiche Quellen und deren Bäche ausgeräumt. Diese Ausräumung (Erosion) setzt sich bis heute fort. Die heutige Aridane-Ebene wurde also auf den Bereich südlich des Bejenado-Vulkans verkleinert und bildet bis heute die fruchtbarste Fläche der Insel.

Rabensprache: Grün die Familien der Tamanca-, Time- und Zarza-Raben, wie sie sich nennen, rot ihre Landschaftsnamen.

Impressum:

© 2018 Wolfgang Schirmer ([email protected])

Umschlagbilder vorn: Kolkrabe. Hinten: La Palma am Abend (Wolfgang Schirmer)

Umschlaggestaltung, Bilder und Zeichnungen: © Wolfgang Schirmer

Layout Buchblock: Wolfgang Schirmer

ISBN Paperback:

978-3-7439-8712-8

ISBN Hardcover

978-3-7439-8713-5

ISBN e-Book

978-3-7439-8714-2

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Wolfgang Schirmer

Cuervo – der Rabe von La Palma

Fantaselle

Für meine Enkel Leo und Tim

Der Himmel wurde ganz gelb. Nur im Nordwesten war noch Blau zu sehen. Wir blickten fasziniert nach oben. Kalíma, der afrikanische Wüstenwind — der sandbeladene. Eigentlich liebten wir ihn. Es wurde angenehm warm. Der heftige Passat, ein feuchter Wind, der am häufigsten auf den Kanarischen Inseln weht, wurde für einige Tage verbannt. Der Wechsel zwischen dem feuchten, fruchtbaren Meereswind und dem staubigen Wüstenwind ist für einen Mitteleuropäer ein begeisterndes Klimaerlebnis.

Doch plötzlich kam die Durchsage aus der Flughalle in Santa Cruz, der Inselhauptstadt, dass ein Abheben der Flieger derzeit nicht möglich sei: Die Staubdichte sei zu hoch. Es gäbe vorerst eine Wartezeit von drei Stunden.

Sine jammerte: „Mensch, der ganze Zeitplan dahin. Wir wrden doch in Wien abgeholt.”

„Lass uns dareinfinden”, beruhigte Guindo, „wir finden Lösungen. Wir können so und so nichts ändern.”

„Wir könnten solange in die nahe Fischerkneipe gehen”, riet Marton, der sich Sine und Guindo vorhin angeschlossen hatte.

„Hier”, rief Sine, „ist eine gemütliche Ecke mit fünf Plätzen, drei für uns und zwei für unser Handgepäck.” Sie rückten gemütlich zusammen. Da saßen sie nun, mit viel, viel Zeit. Nun, in der Auszeit des Urlaubs soll man sich ja viel Zeit erlauben. Das erholt, und man findet am besten zu sich selbst. Aber im Geiste waren sie ja schon auf der Heimreise.

„Also — vergessen wir die Heimreise noch einmal”, beschwichtigte Guindo, „und lassen wir unser Gemüt wieder zurückkehren in die Auszeit.”

Marton meinte, mit einer schönen Geschichte wäre die Zeit doch am besten gefüllt.

„Guindo”, stieß Sine ihn an, „du weißt doch immer was Interessantes aus unserem Lebensschatz.”

„O.k.”, meint Guindo zögernd, „ich überlege. Aber erst lass uns Getränke bestellen.”

Bier, Stilles Wasser, Rotwein. „Prost.” Um die gemütliche Ecke ist es still. Guindo schmunzelt.

„Komm, leg los, Guindo”, ermuntert Sine, „ich seh deinem Gesicht an, da braut sich in dir schon was zusammen.” —

Guindo atmete einmal tief durch, lächelte in die Runde und hub an zu erzählen: „Ja, Marton: Sine und ich erlebten die Insel La Palma diesmal von ganz neuer Seite”:

Maulbeerkuchen fürs Erste

Wir saßen ganz im Inselsüden auf steinigem Wegrand. Plötzlich raschelte etwas um uns herum. Wir dachten erst, es sei ein Mensch und sahen uns nach allen Seiten um. Da hüpfte doch ein großer schwarzer Vogel um uns.

„Wie heißt du denn?”, fragte ich ihn. Er guckte aufmerksam, als wolle er sagen: Das verrat ich dir nicht. Er hüpfte beiseite, tat so, als ob ihn die Landschaft interessieren würde, kam aber alsbald wieder und fing an, an unseren abgelegten Kleidern zu zerren.

„Ah”, lachte ich, „der hat’s auf unser Essen abgesehen.”

„Der arme Kerl ist hungrig”, bemerkte Sine besorgt. „Willst du Thunfisch, Nudeln oder Gurken?” fragte sie ihn.

Wir öffneten unsere Vesperdosen mit Thunfisch-Gurken-Nudelsalat. Er guckte neugierig. Wir warfen ihm ein Gurkenstück hin. Er drehte es hin und her, her und hin, fraß es schließlich, aber mehr gelangweilt als gierig, und guckte weiter auf die Dose. Eine Nudel verschlang er schon schneller. Aber nach einem Bröckchen Thunfisch wurde die Dose zum interessantesten Objekt seiner Umgebung.

Dann begannen wir mit dem Essen. Er schien zu akzeptieren, dass wir auch hungrig waren, bedauerte uns wohl, dass wir keinen Schnabel zum Picken hatten und uns mit einem Instrument, wie einer Gabel, behelfen mussten. Die Menschen brauchen also eine Prothese, um Essen zu können, mag er gedacht haben; und viel mehr: Was sind wir da für hochentwickelte Wesen. Wir können fliegen, picken, brauchen keine Jacken anziehen, wieder ausziehen und wieder anziehen, brauchen nicht aus Flaschen trinken und uns nicht sonnencremen. Das alles hatte er bei den Menschen beobachtet. Wir Raben können einfach so sein, wie wir von Geburt an ausgestattet sind, werden uralt und haben eine uralte Erfahrung. Oh, ihr Menschen, was seid ihr doch arm! So mag er gedacht haben, als er uns nachdenklich beim Essen zusah.

„Wir haben ja noch Kuchen im Rucksack”, sagte Sine. Sie wusste, wie wichtig der süße Abschluss für mich war. „Guck, das ist der Maulbeerkuchen aus dem schönen Ort El Paso; den hast du dir doch heute ausgesucht”. Hatten wir noch nie gegessen. Maulbeeren bilden darin schwarzrote Flecken im Kuchenteig. Genauso wie Schwarzbeeren — oder Blaubeeren oder besser Heidelbeeren — die Beeren mit deutschlandweit verschiedenen Namen. Daran haben die Beeren selbst Schuld: Wie heißt es doch bei den Schwarzbeeren: Wenn sie grün sind, sind sie rot, wenn sie reif sind, sind sie blau.

Mit den Maulbeeren (siehe Bild) geht es genauso: Wenn sie grün sind (also unreif), sind sie rot, wenn sie reif sind, werden sie schwarz. Spanisch heißen sie Mora, und verkleckern genauso Haut und Kleider wie die Schwarzbeeren. Ähnlich denen sind sie verdammt gut. Und nicht nur den palmerischen rotschnabeligen Krähen, den Grajas1, sind sie Lieblingsspeise, sondern auch den dortigen Raben.

Ja, unser Rabe, der schien die Maulbeeren im Kuchen sofort erkannt zu haben, hüpfte Sine auf die Beine und übte heftige Hackbewegungen Richtung Maulbeerkuchen aus, die uns klarmachten, was für ihn Sache sei. Selbstverständlich teilten wir auch unseren Nachtisch mit ihm. Für uns drei war der natürlich viel zu wenig. Aber das neue dreimündige Interesse an unserem Proviant konnten wir ja nicht wissen.

Nicht wissen konnte auch unser neuer Freund, was und wieviel wir noch bei uns hatten, besonders, dass wir nichts mehr zu futtern hatten, außer einer einsamen Weintraubenbeere, die sich irgendwo verkrümelt hatte. Aber er wollte es selbst wissen, zerrte und hackte an Kleidern, Rucksack und Schuhen. Nicht dass er nicht gewusst hätte, dass das nicht fressbar sei; vielmehr, um uns zu zeigen, wie schmackhaft alles gewesen war, und dass er noch viel mehr davon verknuspern könnte. Bald hatte ich ihnin einheimischem Spanisch Cuërvo genannt.

Jetzt hatten wir Cuervo adoptiert. Er hüpfte ständig um uns. Wir sprachen davon, dass ich wegen einer schmerzenden Achillessehne nicht viel laufen kann und schon gar nicht hoch hinauf zu den Vulkankratern, die seit 8000 Jahren die Cumbre Vieja2 zieren (Karte Seite 1). Eine tolle Landschaft ist das, mit abgerundeten weichen Vulkanformen.

Cuervo hörte uns offenbar aufmerksam zu bei all seinen bewegten Tänzen um uns herum. Dazwischen stand er wieder still und schien nachzudenken. Plötzlich redete er auf uns ein. Er bewegte den Schnabel und stieß Laute hervor, als wolle er uns nachahmen.

„Was sagst du da”, fragte ich ihn. Er fuhr fort, wiederholte, wiederholte und machte Gesten dabei, als wolle er uns von etwas überzeugen. Sine sagte: „Gib mal acht, ich glaub, ich versteh ihn bald.” Fliegt doch, fliegt doch mit mir, glaubten wir zu verstehen. Wir spaßten und sagten „Ja” und schickten uns an, die Rucksäcke zu packen und unseren Weg fortzusetzen.

Da hüpfte er fünf Meter von uns weg abseits des Wegs, ein bisschen bergab, blieb stehen, sah uns an, wippte mit den Flügeln. „Kommt, kommt”, deuteten wir seine Geste. O.k. sagten wir, lass uns ihm mal folgen.

Er hüpfte eifrig weiter, blieb immer wieder stehen und drehte sich besorgt um, ob wir ihm auch folgen würden. Es ging weglos abwärts durch steiniges Geröll in einen verwachsenen Grund. Er schlüpfte durch mannshohes Gebüsch. Wir taten's ihm nach. Vor uns erhob sich eine schroffe vulkanische Wand mit dunklen Höhlennischen. Er führte uns in eine solche und blieb stehen. Bald setze er sich auf den steinigen Boden. Gleich ihm kauerten auch wir nieder, schoben unsere Rucksäcke in eine Wandnische mit sauberem Felsboden. Bis wir richtig saßen, war er plötzlich verschwunden. Wir lachten: Was hat der Kerl jetzt vor?

Da war er schon wieder, hatte ein Bündel Kräuter im Schnabel und legte sie Sine in die Hand. „Was soll ich damit?” sagte Sine. „Etwa essen?” Er hüpfte, tänzelte, wippte mit den Flügeln und rief Kroahhhh. Sine roch an den Kräutern: „Hm — riechen nicht schlecht.” Er riss den Schnabel weit auf und schloss ihn wieder, schluckte dann, als wolle er essen. „Verstehe”, sagte Sine, „ich soll das essen, was er mir gab”, und schob etwas davon in ihren Mund.