Da geht noch Meer - Luka Goldwasser - E-Book
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Luka Goldwasser

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Beschreibung

Die Geschichte einer Frau, die blöderweise immer an den falschen Mann gerät. Und die Netten sind alle schwul. Naja, fast alle. Für Fans von lustigen Romanen à la »Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück« und Serien wie »Modern Family« »Es ist endlich soweit: Heute wird das Singlesein ausgekostet. Da kann sich jede flirtige Grabbel-Show im Fernsehen nochmal ein Scheibchen von Lea abschneiden! Zweifel? Weg damit. Heute ist Ich-Geilheit angesagt. Baggerzahn raus und Bachelorette-Feeling pur.« Lea ist mit ordentlich IQ und Kohle ausgestattet, sieht hammer aus und hat ihr Leben fest im Griff. Sie wohnt mit ihrer sechsjährigen Tochter Juli zusammen, auch mit ihrem Ex-Mann Paul versteht sich Lea fantastisch. Die gemeinsame Erziehung klappt trotz Trennung prima. Also alles paletti? Fast … Denn Leas Ex-Mann Paul ist zwar der perfekte Vater und Ehemann, aber leider schwul – eine Erkenntnis, die er sich für die Zeit nach der Kindszeugung und Eheschließung aufgehoben hat. Er wohnt in einer Dreier-WG, zusammen mit seinen beiden Partnern, der einzige Heterosexuelle im Haushalt ist der Kater. Tja, und Leas jetziger Lebensgefährte sorgt zwar für hervorragenden Sex, schrammt aber mit seinem prollig-spirituellen Lebensstil haarscharf an einer Vollmeise vorbei. Doch plötzlich überschlagen sich die Ereignisse: Lea ist auf einmal Single und landet mit den Männern aus der WG zur Erholung in einem Hotel auf einer kleinen Insel in Griechenland – und ist mittendrin im urkomischen Liebes- und Beziehungschaos.

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© Piper Verlag GmbH, München 2022

Redaktion: Birgit Förster

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Autoren- und Projektagentur Gerd F. Rumler.

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

ERSTER TEIL

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

ZWEITER TEIL

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Danksagung

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

ERSTER TEIL

Kapitel 1

Heute ist Leas Glückstag. Das hat sie offiziell beschlossen und auch so beim Universum bestellt. Und bislang läuft auch alles wie am Schnürchen. Sie sitzt in ihrem gelben Sommerkleid auf dem Fahrrad und fühlt sich leicht und verführerisch – wie eine Premium-Praline. Heute passt einfach alles: Sommerwetter, Selbstbewusstsein, Verliebtheitsgrad, sogar die Frisur. Das ist der optimale Zustand, um mit Freund Torsten endlich einen Schritt weiterzugehen. Es zu wagen, das Leben neu herauszufordern. Sie radelt an Feldern und Wiesen vorbei, während ihr die Sonne auf der Nase kitzelt und zuckerwattige Wölkchen am blauen Himmel dahinziehen. Fünf-Sterne-Stimmung de luxe.

Auf dem Hof der Autowerkstatt angekommen, springt Lea vom Rad und hievt die schwere Picknicktasche aus dem Fahrradkorb. Sie kann sich gerade noch verkneifen, albern vor sich hin zu pfeifen, wie in einem Werbespot für Weichspüler. Dazu passt auch, dass sich Lea kurz vorm Eisprung befindet. Optimale Voraussetzungen also, um bei Torsten auch das Thema Nachwuchs noch mal anzusprechen und es bestenfalls gleich in der Werkstatt praktisch umzusetzen. Dabei ist es eigentlich das größte Mutterparadox überhaupt: Der Wunsch nach einem zweiten Kind steht bei Lea fest, obwohl die Geburt ihrer Tochter Juli vor sechs Jahren ein nahezu traumatisches Erlebnis war. Dass Lea anschließend jahrelang von Schlafmangel gepeinigt wurde und der Moment, drei Minuten ungestört auf dem Klo zu sitzen, die einzige Endorphin-Ausschüttung des Tages war, hat sie fleißig verdrängt. Alle Strapazen sind in einem rosaroten Fluffi-Nebel verschwunden, seitdem ihr eine Naturgewalt neuerdings jeden Morgen in die Hirnschale brüllt: Ich will ein Kind!!! Seit einem halben Jahr geht das so. Bing – neuer Tag: Ich will ein Kind! Bing – neuer Tag: Ich will ein Kind! In der Tat will Lea noch mal wissen, wie es ist, schwanger zu sein. Gleich morgens aufstehen, sich übergeben müssen – und zwar nicht, weil man aus Versehen RTL2 eingeschaltet hat, sondern weil ein lang ersehntes Baby ins Haus steht. Jetzt ist die richtige Zeit dafür! Dass Leas Lebensgefährte Torsten nicht der Vater ihrer Tochter Juli ist und so folglich bei einem weiteren Kind die volle Patchwork-Show beginnt, nimmt sie gelassen in Kauf. Ein bisschen Familienwahnsinn hat noch niemandem geschadet, oder? Mit achtunddreißig Jahren wird’s bei Lea auch langsam Zeit, denn ihre Eizellen sind nicht mehr taufrisch. Torstens Spermien dürften sich ebenfalls kurz vorm Koma befinden, immerhin hat er sechsundvierzig Jahre auf dem Tacho. Entgegen aller Omnipotenz-Annahmen hinterlässt das Alter nämlich auch beim Mann Spuren an der Karosserie. Und wenn ihn schon keine Impotenz im Alter zur Strecke bringt, dann droht dennoch die Gefahr der Hammel-Verranzung: dieser unschöne Zustand zwischen Verwahrlosung, körperlichem Verfall und Scheißegaligkeit. Deshalb gilt es, keine Zeit mehr zu verlieren, um den Stier bei den Hörnern zu packen. Und der Stier heißt Torsten, mit dem sie heute auf den Tag genau drei Jahre zusammen ist. Er wird den Jahrestag mit Sicherheit wieder verschwitzt haben. Wie gut, dass Lea solche Daten fest im Griff hat. Genauso wie die Geburtstage von Familie, Freunden und Bekannten, ihre aktuelle Haarfarbe (kastanienbraun mit Sommerglanz Pro Shine), die exakte Körpergröße (ein Meter zweiundsiebzig), ihren aktuellen Handytarif (Allnet-Flat Turbo Powerflex Premium Giga XXL) und die Anzahl der Stempel in ihrem Vorsorge-Bonusheftchen (zwölf).

Torstens Liegefahrrad steht im Werkstatthof. Prima, das heißt nämlich, dass er noch da ist und sich nicht frühzeitig in den Feierabend verabschiedet hat. Aufregung steigt in Lea auf. Sie schleicht mit dem Picknickkorb im Arm zum Eingang der Werkstatt und kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Torsten wird Augen machen, wenn sie ihn zum Jahrestag überrascht. Nach einer liebevollen Umarmung und zärtlichen Küssen werden sie übereinander herfallen und wie zwei Frischverliebte das Picknick zur schönen Nebensache werden lassen. Und dann, Arm in Arm, den weiteren Zukunftsplan besprechen. Sie lächelt. Lea setzt ihre Finger an die Werkstatttür, öffnet sie einen Spalt, formt ihre Lippen zu einem »Ü« für Überraschung … als ihr vor Schreck die Gesichtszüge entgleisen. Was bitte schön ist das?! Vor ihren Augen ereignet sich die Darstellung eines minderwertigen Erotikfilms. Nur ohne Regisseurin und Kameramann, dafür mit Torsten als Hauptdarsteller … und einer struppigen Blondine auf einem tiefergelegten Golf GTI. Tja, die Realität ist manchmal leider ziemlich primitiv. Die Jeans, die Lea ihm erst neulich zum Geburtstag geschenkt hat, klemmt Torsten zwischen den Kniekehlen. Und die Cowboystiefel der Frau sind exakt diejenigen, deren Kauf auch Lea schon mehrfach erwogen hat. Doch nicht nur die Cowboystiefel kommen ihr irgendwie bekannt vor … Lea verschlägt es komplett die Sprache. Ihr Gesicht gleicht einer schockgefrosteten Dorade aus der Tiefkühltheke. Eben noch ist sie auf Wolke sieben herumspaziert und hätte in jedem Rosamunde-Pilcher-Film die Hauptrolle ergattert, doch keine fünf Minuten später zeigt ihr das Leben schon wieder die Arschkarte. Zudem kommt sie sich mit dem Picknickkorb in der Hand genauso lächerlich vor wie Rotkäppchen, das die Großmutter mit dem bösen Wolf beim Sex erwischt hat. Auch Leas Mageninhalt macht sich bemerkbar und stattet ihrer Speiseröhre ruckartige Besuche ab. Sie schafft es gerade noch, die Tür wieder unbemerkt zu schließen, ehe sie draußen ein paar Schritte entfernt im hohen Gras zusammensackt. In der Werkstatt stöhnt und quiekt es. Das nennt man wohl: Vögelgezwitscher.

Lea schießen die Tränen in die Augen, ihre Unterlippe bebt. Dummerweise startet in ihrem Kopf immer genau dann ein lustiges Fragen-Karussell, wenn sie gerade keinen klaren Gedanken fassen kann: Was hat sie falsch gemacht? Hat sie irgendwelche Zeichen übersehen? War einmal die Woche Sex zu wenig? Zu viel? Zu langweilig? Und warum vögelt er mit dieser Frau, die nicht mal besser aussieht als sie selbst?

Sie sitzt draußen vor der Werkstatt mit dem Rücken an die Wand gelehnt und ist völlig k. o. Immerhin hat sie ihren Würgereiz wieder unter Kontrolle, obwohl es hinter ihr immer noch hörbar zum Äußersten kommt. Merkwürdigerweise erinnert sie der Sound an die Schildkröte, die sie als Kind besaß. Das Reptil hatte sich gerne lautstark und ausdauernd sexuell an ihren löchrigen Gummipantoffeln vergnügt und dabei genauso gequiekt wie das Paar hinter ihr in der Werkstatt.

Sie löst ihren starren Blick, schaut zu den Wolken, und ihr wird schlagartig klar, dass die ganze Geschichte mit Torsten eine Katastrophe mit Ansage war. Von seinem anfänglichen Charme und seiner Liebenswürdigkeit ist jedenfalls wenig übrig geblieben. Klar, er sieht blendend aus, im Bett geht die Post ab, und er schmeißt freiwillig den Haushalt. Aber ist das wirklich ausreichend? Sie fragt sich, wie sie die ganze Zeit so dermaßen an der Realität vorbeischielen konnte, anstatt zu erkennen, was für ein Typ Torsten wirklich ist. Hatte der Kinderwunsch einfach das Steuer übernommen und sie nur noch mit Tunnelblick durchs Leben rennen lassen? Oder waren es irgendwelche Hormone, die das Stammhirn gekapert und ihr immer wieder das gleiche irrationale Familienbild vor die Augen geschoben haben? Sie weiß es nicht, aber eins steht fest: Mit der Aktion hinter ihrem Rücken erweist sich Torsten nun durch und durch als Griff ins Klo … und zwar bis zur Abzweigung Klärwerk Ost. Bitte spülen!

Lea blättert in ihrem inneren Terminkalender und sucht nach Situationen, in denen Torsten zuletzt ungewöhnlich spät nach Hause kam oder sein Verhalten entweder übertrieben abweisend oder auffällig zugewandt war. An Abende, wo er angeblich in der Werkstatt über der Steuererklärung brütete oder vermeintliche Akquise-Gespräche führte. Sie muss leider feststellen: Es gab jede Menge Indizien … und sie hat alle übersehen. Zudem könnte sie sich ohrfeigen, noch im letzten Monat zweitausend Euro als Nothilfe in seine Werkstatt gebuttert zu haben, damit der Laden nicht gleich vor die Hunde geht. Zwar war die Auftragslage von Anfang an mies, weil die besten Zeiten für Auto-Tuning angesichts von Klimawandel, Konsumverzicht und Mobilitätswende nun mal vorbei sind. Doch Torstens wirtschaftliche Schräglage sorgte immerhin dafür, dass er sich um ein zweites Standbein bemühte, mit dem er nun »fett Cash« machen wollte: als Motivationstrainer. Dazu hat er sich Bücher in bedrohlichem Umfang bestellt, einen Wochenendkurs der örtlichen Volkshochschule besucht und einen sündhaft teuren Workshop bei einem Motivationsguru absolviert. Mit dem »fett Cash« hat es bis heute nicht geklappt, aber durch die Kurse hat er zumindest seine Bestimmung gefunden, seinen »Purpose«, wie er das nennt: »Ich bin meine eigene Tankstelle und kann andere Menschen inspirieren, zu wachsen und zu lernen.« Aha. Der Zugang zu Psychozeug oder esoterisch aufgeladenen Themen fehlt Lea komplett. Das fängt bei Homöopathie an und hört bei den Sinnsprüchen am Teebeutel auf. Ihr war nur wichtig, dass Torsten ein Projekt hatte, an das er mit voller Überzeugung glaubt und bei dem er etwas hinzuverdienen konnte. Sie hatte nämlich keine Lust, seine Werkstatt dauerhaft zu subventionieren, denn so lukrativ war ihr Job in der Versicherung nun auch wieder nicht. Es reicht ja schon, dass Torsten zu Lea in die Wohnung gezogen ist, ohne bis dato auch nur einen Cent Miete zu zahlen. Zugegeben, daran ist Lea selbst schuld, weil sie es nicht übers Herz brachte, ihrem finanzasthmatischen Partner auch noch Geld fürs Wohnen abzuknöpfen. Völlig bescheuert, sagen ihre Freunde. Er solle Miete zahlen oder sich um eine eigene Bude kümmern, war der vielfache Rat. Immerhin hält er im Kontrast zu seiner Werkstatt die Wohnung picobello sauber, wahrlich eine Sisyphusarbeit mit einem chaotischen Kind im Haushalt. Doch Torstens Wunsch nach Ordnung, Sauberkeit und Ruhe kollidiert leider komplett mit Julis ungestümem Temperament. Er ist auf die Kleine daher überhaupt nicht gut zu sprechen, Juli wiederum kann mit Torsten nichts anfangen, weil sie den ganzen Tag von ihm gemaßregelt wird – und als Highlight zum Mittag so leckere Sachen wie Eiweißpulver, Aminosäuretabletten und fünf rohe Eier vorgesetzt bekommt. Streng genommen wohnt Lea also mit zwei Kindern unter einem Dach. Eins misst ein Meter sechzehn, das andere ein Meter neunzig. Beide wollen trotz ihrer heftigen Schrullen bedingungslos geliebt werden, sind chronisch pleite, streitlustig und nicht imstande, ihr Leben allein auf die Kette zu kriegen. Der kleine, aber feine Unterschied: Ihre Tochter Juli ist sechs und Torsten sechsundvierzig.

Lea wischt sich die Tränen mit dem Handrücken ab, holt tief Luft und ringt um Fassung. Der ganze Brustkorb ist ihr eng, alles klemmt. Von ihrer Hebamme weiß sie, wie man Wehen veratmet. Das dürfte in Schocksituationen wie diesen ebenfalls hilfreich sein. So atmet sie tief in den Bauch ein und durch den Mund wieder aus, bis sich ihr Körper tatsächlich allmählich beruhigt. Nur ihr Herz, das bleibt weiterhin zur Faust geballt. Zudem schaltet sich jetzt der Selbsterhaltungstrieb ein, und der ist in bester Leck-mich-am-Arsch-Stimmung. Optimale Kombi, um hier mal richtig aufzuräumen. Sie wird nicht als Häufchen Elend enden. Sie nicht!

So rappelt sich Lea auf die Füße, zupft ihr Kleid zurecht und reißt ohne großes Nachdenken die Werkstatttür auf.

»Sorry, störe ich?«, fragt sie resolut und betritt den Raum wie eine Tatort-Kommissarin. Sie blickt in zwei völlig entsetzte Gesichter. Die dämlichen Mienen erinnern Lea erneut an ihre frivole Schildkröte am Gummipantoffel.

»Ey … was ’n das?«, ruft Torsten und sortiert sein Fortpflanzungsorgan hektisch zurück in die Hose.

»Coitus interruptus, meine Lieben!«, donnert Lea und klingt dabei wie eine Mischung aus Domina und überenthusiastischer Sexualkundelehrerin.

Rascheln, Ruckeln, Rumpeln. »Ähm, ich glaub, ich geh dann mal besser«, sagt die Frau, die außer Quieken und Stöhnen offenbar auch Sprechlaute von sich geben kann. Mit großer Gelassenheit sucht sie ihre Klamotten auf dem Boden zusammen, schlüpft in ihre knallengen Hotpants und stülpt sich ein weites Herrenhemd über den Körper. Obwohl Lea sie mit Argusaugen verfolgt, lässt sich die Frau nicht aus der Ruhe bringen. Ohne jede Scham stelzt sie an Torsten vorbei und streift ihm noch mal über die nackte Brust, ehe sie mit einem lasziven Winken verschwindet.

Lea könnte platzen vor Wut. »Da hast du dir aber ein ganz süßes Mäuschen ausgesucht! Willst du jetzt erst mal eine rauchen?«, fragt sie angriffslustig.

»Sehr witzig. Ich bin Nichtraucher, das weißt du genau. Was zum Teufel machst du hier?«

»Du, das Gleiche wollte ich dich auch grad fragen.« Sie kämpft den heftigen Impuls nieder, wie ein cholerisches Rumpelstilzchen einfach die komplette Werkstatt auseinanderzunehmen. Cool bleiben, diktiert sie sich, komme, was wolle. Torsten hält Ausschau nach seinem T-Shirt, fährt sich verlegen durchs Haar und akzeptiert schließlich einfach, oberkörperfrei dazustehen. Unter anderen Umständen wäre das für Lea auch ein durchaus erfreulicher Anblick.

»Ich höre!«, sagt sie auffordernd und guckt ihm fest in die Augen.

»Was hörst du?«

»Ich will wissen, was das gerade war!«

»Ich habe mir …«, Torsten zögert, »… beim Imbiss eine Currywurst geholt und dann …«

»Ach, das war die Tante von dieser versifften Imbissbude? Ich wusste doch, dass ich die schon mal gesehen habe!«

»Baby, bitte chill mal. In diesem Aggro-Ton können wir unmöglich weiter miteinander kommunizieren.«

»Nenn mich nicht Baby!«

»Schhhhhhhhhhhhhh.« Er macht beschwörende Laute, als müsse er einen Raptor im Jurassic Park beruhigen. »Die Lady und ich haben uns einfach nur gut verstanden, und da ist es irgendwie passiert.«

»Irgendwie passiert?«

»Es war ein Energy-Austausch, nichts weiter. Ein Zusammenführen von starken Energieströmen. Das ist die spirituelle Kombi aus chillaxation und sexpositive vibes, wenn du verstehst, was ich meine …«

»Nein, ich verstehe nicht, was du meinst. Warum sagst du nicht einfach: Ich bin fremdgegangen. Punkt.«

»Baby, darf ich dir kurz …?«

»Wenn du mich noch einmal Baby nennst, haben deine Karren hier gleich metertiefe Schlüsselkratzer im Lack!«

»Meine Güte, jetzt dreh mal deine Aggros runter«, sagt Torsten und streicht sich über den Oberarm. »Das hat doch alles null Komma null mit uns zu tun. Das war einfach nur Sex! Das war Trieb, Hitze, Geilheit. Da waren zwei Körper, die Lust aufeinander hatten, mehr nicht. Keine mentale Connection, so wie bei uns.«

Lea fehlen die Worte. Sie senkt den Blick und schüttelt fassungslos den Kopf.

»Warum bist du überhaupt hier?«, fragt Torsten auf einmal und deutet auf den Picknickkorb vor der Tür. »Waren wir etwa verabredet?«

Sie kämpft eine plötzlich anschwellende Tränenflut nieder. »Nein, wir waren nicht verabredet. Ich wollte dich überraschen, weil heute unser …«, sie schluckt, »ach, vergiss es.« Lea presst die Lippen aufeinander, um bloß nicht loszuheulen. »Und? Wie lange betrügst du mich jetzt schon mit … der Imbiss-Angestellten?«, fragt sie.

»Was heißt denn betrügen? Ich betrüge dich nicht, ich hatte Sex mit ein paar Ladys. Aber mental und hier oben …«, er klopft sich ans Oberstübchen, »… bist nur du!«

»Was höre ich da? Ladys? Plural?« Lea schäumt vor Wut. »Mit wie vielen Frauen hattest du denn Sex, seitdem wir zusammen sind?«

Torsten zuckt gelassen mit den Schultern. »Keine Ahnung, vielleicht zehn oder zwölf, so genau weiß ich das nicht, und es spielt doch auch überhaupt keine Rolle.«

»Natürlich spielt das eine Rolle. Du hast unsere Regeln verletzt!«, brüllt Lea.

»Welche Regeln? Ich kenne keine! Und wenn es welche gäbe, dann hätten wir über diese vielleicht mal sprechen sollen.«

»Torsten, ich rede hier von einfachsten Beziehungsgrundlagen: Nicht belügen, betrügen oder fremdgehen, treu und ehrlich sein. Ganz einfach. Das verstehen sogar Schimpansen!«

»Moment mal, woher soll ich denn wissen, welche Rules in deinem Kopf abgehen? Für mich gibt es keine Denkverbote, keine körperlichen Schranken. Wenn man Bock hat, seine Energy mit anderen zu teilen, soll man das machen. Für mich ist es doch auch völlig okay, wenn du dir deinen Fun mal bei anderen Kerlen abholst. Mein Motto kennst du ja: Don’t worry, be happy.«

Und wieder startet Leas Fragen-Karussell. Einsteigen bittööö! Eine neue Runde! Nächste Fahrt rück-rück-rückwärts!, brüllt es aus ihrer inneren Kommentatoren-Kanzel. Hätte sie mit Torsten in der Tat mal über ihren offenbar total spießigen Wunsch sprechen müssen, monogam zu leben? Denn untreu kann man ja nur werden, wenn man Treue vereinbart hat. Sie aber haben nie darüber gesprochen, geschweige denn über Regeln, was in ihrer Beziehung erlaubt ist und was nicht.

Leas kurze Gedankenpause nutzt Torsten instinktsicher, um sich breitbeinig aufzustellen und in bester Motivationstrainer-Manier loszulegen: »Frag dich selbst, Lea, wer willst du sein? Willst du jeden Tag in deiner Versicherung arbeiten, irgendwelche Schadensfälle beackern und am Ende des Jahres ein Schulterklopfen vom Chef bekommen? Ist das dein Leben? Oder willst du die Lea sein, die frei atmet, die entspannt ist, die ihren sexpositiven Spirit lebt? Du kannst alles sein. Du entscheidest jeden Morgen, wer du bist!«

Und dann gibt es in Leas Kopf diesen kurzen Moment, in dem alles möglich ist, in dem alles kippen kann, völlig offen, in welche Richtung. Sie könnte einlenken, zurückrudern, noch mal über alles nachdenken und wer weiß, irgendwie einen neuen Umgang mit Torsten finden. Sie könnte die Chance umarmen, ein neues Leben spinnen, alles nicht mehr so verbissen sehen, keine ausgetrampelten Lebenspfade ablaufen, sondern mit einer Spur Größenwahn und Ichgeilheit das Leben neu auskosten. Heiße Affären durchleben und Torsten dennoch an ihrer Seite wissen. Warum nicht? Aber dann kommt ihr plötzlich Juli in den Sinn, ihre Tochter. Lea wird sofort klar, dass sie diesen hochfliegenden Selbstverwirklichungsschwachsinn überhaupt nicht braucht – und auch gar nicht will. Sie muss sich nicht finden, weil sie längst weiß, wer sie ist. Sie wird niemals die lebensleichte Abenteurerin sein, die nur mit einer Zahnbürste im Rucksack durch die Welt reist. Sie braucht keine wechselnden Partner, um sich auszuleben, keine Psychotipps, um sich selbst zu erkennen. Sie ist nun mal der Typ für Stiftung-Warentest-Abos, Vorsorgeuntersuchungen, Mieterschutzbund und Zahnzusatzversicherung. Na und? Wenn sie damit aus Torstens Sicht eine piefige Versicherungs-Schnepfe aus der No-Fun-Fraktion ist, dann ist das eben so. Sie wird sich trotzdem kein Stück ändern.

»Hey, bist du noch da? Hast du mir überhaupt zugehört?«, fragt Torsten und bringt Leas Gedankenpalast zum Einstürzen.

»Also, ein paar deiner Punkte geben mir wirklich zu denken«, sagt sie.

Er nickt. »Ja, das spüre ich. Da waren wichtige Impulse für dich dabei, stimmt’s, Baby?«

Stille. Ein Moment wie beim Computer, wenn sich das Rad dreht und man nicht genau weiß, ob die Kiste gleich abstürzt. Hat er gerade wirklich wieder Baby gesagt? Leas Impulskontrolle klemmt … und das ist ausnahmsweise mal gut so!

»Ja, Torsten. Ich danke dir sehr für diese wertvollen Erkenntnisse«, sagt Lea seelenruhig und greift in ihre kleine Umhängetasche. »Deine Worte sind so weise«, sie kramt, es raschelt und klimpert, »ich kann wirklich noch so viel von dir lernen.« Sie holt ihren Wohnungsschlüssel hervor. »Du bist wirklich so viel klüger und erfahrener …«, sie setzt den Schlüssel auf den Lack des GTI, »als ich dummes, dummes, dummes Baby!« Bei dem Wort Baby ritzt sie mit einem furchtbaren Kratzgeräusch eine tiefe Kerbe in die Kühlerhaube. Torsten zappelt mit Armen und Beinen, als würde er auf einer heißen Herdplatte stehen.

»Bist du kaputt im Kopf oder was?«, schreit er, rennt fuchsteufelswild zum verschrammten Wagen und fährt mit dem Zeigefinger die Narbe im Lack nach. »Das ist ein Sammlerstück! Der Kunde reißt mir den Kopf ab, wenn er den Schaden sieht!«

Lea pustet wie bei einem abgeschossenen Revolver einmal über den Schlüssel, ehe sie ihn wieder in der Umhängetasche verstaut. »Baby, bitte chill mal, ja?!«, äfft sie seine Worte nach. »In diesem Aggro-Ton können wir unmöglich miteinander kommunizieren. Das war nur ein Zusammenführen von starken Energieströmen, wenn du verstehst, was ich meine.«

»Alter, wie krank bist du bitte!«, schnaubt Torsten, und für einen kurzen Moment hat Lea Schiss, dass er komplett ausrastet und die Kontrolle verliert. Jetzt heißt es: souverän bleiben. Sie wirft ihr Haar in den Nacken, stützt sich lässig auf den Werkzeugwagen und beobachtet Torsten dabei, wie er am Auto versucht zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Natürlich ist Lea bewusst, dass sie gerade um Längen selbstbewusster auftritt, als sie sich eigentlich fühlt.

»Keine Sorge! Du wirst in Zukunft ganz viel Zeit für deine Autos haben!«, sagt Lea in einem Tonfall, als rede sie mit einem halbwüchsigen Kind.

»Was quatschst du da?«

»Dass für dich in meinem Leben kein Platz mehr ist!«

Torsten schluckt, und Lea ist von sich selbst überrascht. Hat sie diese Worte gerade nur im Affekt rausgehauen, oder ist das wirklich ihr Ernst? Sie steuert jedenfalls schnurstracks auf das große Finale zu.

»Was soll das heißen?«, fragt Torsten und kräuselt die Stirn.

»Das soll heißen …«, sie zögert, aber zurück kann sie nicht mehr. »Es ist aus!«

»Wie aus?«

»Schluss, aus, Ende!«

Torsten ist kurz sprachlos. »Du machst Schluss? Echt jetzt? Lass uns doch bitte vorher noch mal vernünftig über alles reden!«

»Ich habe dir schon viel zu lange zugehört. Ich bin es leid. Und ob du es glaubst oder nicht, auch ich habe Prinzipien. Und die sagen: Tschüss, das war’s! Ein für alle Mal.«

Mit diesen Worten macht Lea zügig auf dem Absatz kehrt, bevor ihr überschäumendes Selbstbewusstsein in sich zusammenfällt wie ein Soufflé. Ohne sich noch mal umzudrehen, schnappt sie sich den Picknickkorb, schwingt sich aufs Fahrrad und tritt in die Pedale. Das war’s dann wohl mit ihrem Glückstag. Laune, Frisur und Premium-Pralinen-Feeling … alles restlos im Eimer.

Kapitel 2

Eigentlich ist das Ende einer Beziehung in nur zwei Varianten denkbar: als schleichender Tod oder als unerwarteter K.-o.-Schlag. Wobei der schleichende Tod die eindeutig fiesere von beiden ist. Denn hier verabschieden sich zuerst die Zärtlichkeiten bis hin zur totalen Indifferenz: Was der andere macht oder nicht macht, ob jemand zu Hause ist oder nicht, ob jemand gar das Bett mit einem anderen teilt … alles vollkommen wurscht. Die Beziehung vegetiert nur so dahin, das Zusammenleben kann man bestenfalls noch als WG beschreiben. Trotzdem folgt keine Konsequenz. Es geht immer mehr Zeit ins Land, bis spät, sehr spät, die Erkenntnis reift, dass das Gegenteil von Liebe nicht etwa Hass ist, sondern Gleichgültigkeit. Und dass es nichts Schlimmeres gibt als die Einsamkeit zu zweit. Gefangen in einem Hamsterrad aus Alltagsroutinen, in denen das Rad vielleicht noch läuft, aber der Hamster schon längst tot ist. Dann, in einem völlig belanglosen Moment, beim Wäscheaufhängen oder in der Werbepause von Let’s dance, wird die Beziehung mit wenigen Worten beendet. Auslöser können dabei die unerträglichen Ess- und Kaugeräusche des Partners sein oder einfach nur die Art, wie er atmet. Die Trennungsmitteilung wird ähnlich emotional vollzogen wie das Ausfüllen einer Schadensmeldung bei der Kfz-Versicherung. Zurück bleibt nur die zermürbende Frage, warum man das mit der Trennung nicht schon viel früher durchgezogen hat.

Dann doch lieber der K.-o.-Schlag. Hier wird von einer Sekunde auf die andere die ganze Beziehung in die Luft gesprengt. Es fliegen ein paar Worte durch den Raum – wahlweise auch Einrichtungsgegenstände –, das war’s. Ohne Paartherapie, ohne quälende Diskussionen oder zum Scheitern verurteilte Rettungsversuche wie gemeinsames Spazierengehen, gemeinsame Mahlzeiten oder irgendwas mit Swingerclubs. Ende. Aus. Danke. So schnell kann es gehen. Lea hatte gerade eindeutig den K.-o.-Schlag, aber besonders viel Trost verschafft ihr das nicht.

Völlig verheult stapft sie mit dem Picknickkorb durchs Treppenhaus, um ganz oben im dritten Stock die Wohnungstür aufzuschließen. Atmung, Herz und Hände beben. Sie wirft den Schlüssel auf die Kommode und guckt bei ihrer Tochter Juli ins Kinderzimmer. Keiner da, nur das übliche Chaos aus Legotürmen und Dutzenden von Spielfiguren. Beim Anblick von Julis monströser Kuschelbanane bekommt Lea eine regelrechte Heulattacke. Sie lässt sich auf den Spielteppich sinken, schnappt sich die Banane und flennt ungehemmt drauflos. Die nächste Stunde in ihrem Leben besteht eigentlich nur aus dem Kreislauf Heulen, Wimmern und Seufzen. Unterbrochen durch einige Wutanfälle, die sie an der glubschäugigen Kuschelbanane auslässt. Das Plüschobst gehört eigentlich zum exklusiven Kreis von Julis Lieblingen und wird normalerweise überall mit hingeschleppt. Diesmal ist es wohl aus Versehen vergessen worden. Von den Angriffen auf Glubschi – so der Name des Bananen-Ungetüms – darf Juli auf keinen Fall etwas erfahren. Die Kleine würde sich selbst auf der Stelle zur Adoption freigeben, wenn sie wüsste, dass ihre Mutter Kuscheltiere mit Faustschlägen traktiert. Ach, wenn Juli doch nur hier wäre! Sie könnte Leas Stimmung sofort heben. Dazu ist Julis Denken im klaren Gut-Böse-Schema immer enorm hilfreich, denn in ihrer Kinderwelt ist Lea immer die Gute! Eine wohltuende Parteilichkeit, die sie als Mutter sehr zu schätzen weiß, weil das Leben sonst immer irgendeine Art von Differenzierung verlangt. Wie schön, zumindest bei einem Menschen die unangefochtene Nummer eins zu sein, selbst wenn sie sich diesen ersten Platz mit Julis Vater Paul teilen muss. Lea und Paul sind zwar kein Paar mehr, sie verstehen sich aber immer noch bestens. Denn allen Unkenrufen zum Trotz: Bei ihnen funktioniert das Wechselmodell prima, wie überhaupt die ganze Sache mit dem geteilten Sorgerecht. Eine Woche ist Juli bei Lea, in der Folgewoche wohnt sie bei ihrem Vater Paul – so wie jetzt gerade. Das Schöne ist, dass Paul in derselben Stadt wohnt, zwar komplett am anderen Ende, aber das lässt sich logistisch problemlos arrangieren. Auch Juli kommt mit der Situation erstaunlich gut zurecht. Sie genießt es sogar, zwei Kinderzimmer zu haben, eins bei Lea, eins bei Paul. Nur das Hin-und-her-Wechseln jede Woche, das ständige Packen und Vergessen von irgendwelchen lebenswichtigen Gegenständen wie Kuschelbanane, Malbuch oder Lieblingshörspiel nervt alle drei. Weil trotzdem alles so gut läuft, haben Lea und Paul keinen triftigen Grund gesehen, sich scheiden zu lassen, auch Juli zuliebe. Auf dem Papier sind Lea und Paul also immer noch zusammen – und verheiratet. Sehr zum Gefallen ihres Bankkontos und der Steuerklasse, sehr zum Missfallen von Torsten. Aber der ist ja seit heute sowieso Geschichte. Man kann es nicht anders sagen: Paul ist einfach der perfekte Vater und der perfekte Ehemann! Lea liebt ihn noch immer, auf eine ganz bestimmte Weise. Wenn es da nur nicht dieses eine kleine Problemchen gäbe …

Nachdem sie ihre Heulattacke überwunden hat, rafft sich Lea auf die Beine und wirft einen Blick in den Flurspiegel. Sie sieht ein Ich, das komplett ausgedient hat. Eins, das wahlweise nach Krankenhaus, Klapsmühle oder Knast aussieht – oder nach der perfekten One-Woman-Party! Sie kickt den Picknickkorb ins Wohnzimmer und stellt zufrieden fest, jetzt alles parat zu haben, um sich richtig edel zugrunde zu richten. Als Erstes köpft sie die Flasche Champagner, holt vier Gläser aus dem Wohnzimmerschrank und gießt alle randvoll. Aus dem Liebespicknick für zwei wird kurzerhand ein Alleinbesäufnis. Das erste Glas stürzt Lea in einem Zug hinunter, auch das zweite kippt sie ohne Absetzen nach und fühlt sich dabei irgendwie an Dinner for One erinnert. Nach dem dritten Glas – Skål, Miss Sophie – hat auch ihr Geist verstanden, dass er die Schärfen der Wahrnehmung einzutrüben hat. Nach dem vierten Glas – Schkollll, Mr Pommerrroooy – wird Leas Gleichgewicht und das Sprachzentrum merklich bewölkt. Herrlich! Das ist der perfekte Pegel. Lea nimmt sich eine Handvoll Erdbeeren, setzt sich auf den Esstisch und hört in sich hinein. Eigentlich müsste langsam das nagende Gefühl des Bereuens in ihr aufsteigen. Denn immer wenn das Leben ihr Spontaneität abverlangt, stellen sich bei ihr im Nachhinein Zweifel ein. Hat sie überstürzt gehandelt? Hätte man die Entscheidung nicht besser abwägen müssen? Sind die Gäule mit ihr durchgegangen? Aber komisch, in diesem Fall klopft ihr das Selbstbewusstsein immer noch auf die Schultern. »Alles richtig gemacht«, sagt es. »Was willst du mit einem Typen, der fünfmal die Woche im Fitnessstudio und einmal die Woche auf dir schwitzt? Sei froh, dass du mit dem kein Kind gezeugt hast. Denk dran: Bei dem Richtigen kannst du nichts falsch machen und bei dem Falschen nichts richtig!«, sagt das Selbstbewusstsein selbstbewusst und verschwindet wieder in seinen kuscheligen Hirnstamm.

Ende der Leseprobe