Da stimmt die Chemie - Andreas Korn-Müller - E-Book

Da stimmt die Chemie E-Book

Andreas Korn-Müller

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Beschreibung

Warum schimmeln wir nicht wie Toastbrot? Wie viel Chemie steckt in einem Streichholz? Wieso leuchtet Blut? Wie funktioniert das Immunsystem? Chemie umgibt uns überall, ob wir essen, trinken oder arbeiten – auch, wenn das den meisten von uns gar nicht bewusst ist und wir «Chemie» mit formelreichen und komplizierten Schulstunden verbinden. Doch chemische Reaktionen ermöglichen überhaupt erst Leben. Andreas Korn-Müller versteht es, das Faszinierende an der Chemie aufzuzeigen und sie verständlich und mit einer Prise Humor zu erklären.

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Seitenzahl: 262

Veröffentlichungsjahr: 2012

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Andreas Korn-Müller

Da stimmt die Chemie

Wissenswertes aus dem Reich der Moleküle

 

 

 

Über dieses Buch

Warum schimmeln wir nicht wie Toastbrot? Wie viel Chemie steckt in einem Streichholz? Wieso leuchtet Blut? Wie funktioniert das Immunsystem? Chemie umgibt uns überall, ob wir essen, trinken oder arbeiten – auch wenn das den meisten von uns gar nicht bewusst ist und wir «Chemie» mit formelreichen und komplizierten Schulstunden verbinden. Doch chemische Reaktionen ermöglichen überhaupt erst Leben. Andreas Korn-Müller versteht es, das Faszinierende an der Chemie aufzuzeigen und sie verständlich und mit einer Prise Humor zu erklären.

Impressum

Rowohlt Digitalbuch, veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, Juli 2012

Copyright © 2012 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Lektorat Evelin Schultheiß

Umschlaggestaltung ZERO Werbeagentur, München

(Foto: © Thorsten Wulff)

ISBN Buchausgabe 978-3-499-62816-0 (1. Auflage 2012)

ISBN Digitalbuch 978-3-644-46721-7

www.rowohlt-digitalbuch.de

 

 

Anmerkung: Die Seitenzahlen im Text beziehen sich auf die Seitenzahlen der Printausgabe.

 

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

 

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www.rowohlt.de

Inhaltsübersicht

Wichtiger Hinweis:

Einleitung

1. Grundlagen für alle Chemie-Abwähler

Kurze Einführung in die Welt der Atome und Moleküle

Atome und Moleküle als Staaten einer Weltkarte

Die Außenminister-Elektronen als wahre Machthaber

Der angeregte Zustand

Eine Welt voller Formeln und Reaktionsgleichungen

Keine Angst vor Formeln und Reaktionsgleichungen!

Kleines Chemie-Lexikon für Chemie-Abwähler

Zusammenfassung

Rätselfragen des Alltags

2. Chemielabor Mensch – unser Körper

Unser Stoffwechsel

Enzyme

Die Körperchen im Blut

Leuchtendes Blut?

Unser Immunsystem

Wie funktioniert unser Immunsystem?

Gefahr im Anmarsch: Bakterien und Viren

Bakterien

Viren

Spezialfall Aids-Virus

Woher kommt das Aids-Virus?

Das Leben des Aids-Virus

Zusammenfassung

Exkurs 1: Pflanzliche Arzneimittel contra chemische Medikamente

Exkurs 2: Schüßler-Salze

Rätselfragen des Alltags

3. Chemische Delikatessen – Essen und Küche

In aller Munde: die Molekularküche

«Kochen» mit Weltraumkälte

Rezepte aus der schönen neuen Küchenwelt

In allen Kochbüchern – Hitze lässt nichts, wie es ist

Die Maillard-Reaktion

Kochen in der Mikrowelle

Verblüffende Experimente in der Mikrowelle

Schokolade – nicht nur eine göttliche Erfindung

Ohne die Schweiz keine Schokolade

Warum verfärbt sich braune Schokolade weiß?

Küchen-Unsinn aus chemischer Sicht

Was hat das Meersalz, was das Steinsalz nicht hat?

Kristallsteine in der Wasserkaraffe – wundersame Schwingungsübertragungen

Zusammenfassung

Rätsel aus dem Alltag

4. Wenn Moleküle tanzen – Freizeit und Party

Fluoreszenz & Phosphoreszenz

S oder T? – Das ist hier die Frage

Chemolumineszenz

Jürgen von der Lippe und sein leuchtender Mojito

Knicklichter – kaltes Licht für alle

Alkohol am Steuer

Party-Experimente

Die wundersame Magic Bar

Freizeitchemie – trockener Sand und nasse Badehose

Warum trocknet die Badehose draußen an der Luft?

Das Gleichgewicht wird gestört, und Schnee schmilzt durch Streusalz – Gefrierpunktserniedrigung und Siedepunktserhöhung

Chemie auf der Straße

Zusammenfassung

Rätselfragen des Alltags

5. Brenzlige Moleküle – Faszination Feuer

Feuerunfälle – «Ist denn schon mal was passiert??»

Ballon-Explosion – Hindenburg-Katastrophe in meiner Hand

Deko-Crash im Europa-Park

Was bedeutet Verbrennung?

Feuer machen

Bedeutung der Entzündungstemperatur

Bedeutung der Oberfläche

Warum ist Feuer heiß?

Die Kerze

Das Feuerzeug

Feuer löschen

Zusammenfassung

Exkurs 1: Feuer im Darm – Energie für den Körper

Exkurs 2: Feurige Atomkerne

Rätselfragen des Alltags

6. Brisante Moleküle – Explosionen, Detonationen, Feuerwerk

Explosivstoffe

Explosion und Detonation

Chemie des Feuerwerks

Knalleffekte

Kalter Sprengstoff

Plastiksprengstoff

Zusammenfassung

Rätselfragen des Alltags

7. Chemie in der Vergangenheit – historische Erfindungen

Erfindung der Streichhölzer

Das berühmteste Feuerzeug der Welt

Leuchtendes Gas: der Glühstrumpf

Flüssiger Stahl aus Rost: das Thermit-Verfahren

Mit einem Sieb Feuer löschen

Gib Gummi – Hightech vom weinenden Baum

Zusammenfassung

Rätselfragen des Alltags

Anhang

Glossar

Lösungen zu den «Rätselfragen des Alltags»

Abbildungsnachweis

Wichtiger Hinweis:

Der Leser ist aufgefordert, mit den im Buch vorgestellten Experimenten eigenverantwortlich umzugehen. Die Experimente sind mit Gefahrensymbolen gekennzeichnet. Garantie und Haftungsansprüche jeder Art sind ausgeschlossen.

Kurze Einführung in die Welt der Atome und Moleküle

Ich könnte jetzt seitenlang über die chemischen Grundlagen der Atome und Moleküle dozieren – ganz so, wie man es von einschlägigen Lehr- und Sachbüchern gewohnt ist. Ich würde also in aller Ausführlichkeit erläutern, dass jedes Atom einen Atomkern und eine Atomhülle hat, der Atomkern aus elektrisch positiven Teilchen, den sogenannten Protonen, besteht, und die Atomhülle durch negativ geladene Elektronen gebildet wird. Des Weiteren würde ich erklären, dass die Zahl der Elektronen in der Atomhülle genauso groß ist wie die Zahl der Protonen im Kern und dass Materie, die aus ausschließlich gleichen Atomen besteht, «Element» genannt wird. Das Ganze würde ich anhand von Beispielen zu veranschaulichen versuchen: Ein Atomkern mit 6 Protonen bildet das Element Kohlenstoff, ein Atomkern mit 26 Protonen ergibt Eisen. Das leichteste Element ist Wasserstoff mit einem Proton und einem Elektron, das schwerste ist Plutonium mit 94 Protonen und 94 Elektronen. Ferner würde ich konstatieren, dass Atomkerne nicht nur aus Protonen bestehen, sondern auch eine bestimmte Anzahl elektrisch neutral geladener Neutronen enthalten. Wieder gezeigt an Beispielen: Kohlenstoff-Atomkerne bestehen aus 6 Protonen und 6 Neutronen; Plutonium kann 94 Protonen und 150 Neutronen aufweisen – Weltrekordmaß. Dann müsste ich erklären, dass Neutronen das gleiche Gewicht haben wie Protonen und daher die Anzahl der Protonen und Neutronen in einem Atom als seine Massenzahl bezeichnet wird. Auch hierzu konkrete Angaben: Kohlenstoff-Atomkerne enthalten neben den 6 Protonen meistens 6 Neutronen, haben also die Massenzahl 12. Es gibt aber auch Kohlenstoff-Atomkerne mit 8 Neutronen, sodass sich die Massenzahl 14 ergibt. Und ich müsste natürlich darauf hinweisen, dass man Atome gleicher Protonenzahl, aber unterschiedlicher Neutronenzahl Isotope eines Elementes nennt.

Zum Schluss würde ich noch auf die Moleküle eingehen, also jene Atomverbindungen, die aus mindestens zwei gleichen oder mehreren unterschiedlichen Atomen bestehen – wie beispielsweise der Luftsauerstoff, der aus zwei Sauerstoffatomen besteht, gekennzeichnet durch die Formel O2. Oder Wasser, ein Molekül aus drei Atomen, zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom (H2O). Oder der rote Blutfarbstoff Hämoglobin, der aus rund 5800 Atomen besteht. Abschließend würde ich Sie noch darauf hinweisen, dass 75 Prozent aller Elemente Metalle und 25 Prozent Nichtmetalle sind und dass es zwei flüssige Elemente, nämlich Quecksilber und Brom, gibt sowie zehn gasförmige Elemente, nämlich Wasserstoff, Helium, Stickstoff, Sauerstoff, Fluor, Chlor, Neon, Argon, Krypton, Xenon.

Das alles aber bliebe trotz der Beispiele wenig anschaulich und wäre vor allem sehr theorielastig. Bei solchen Einführungen – das kennen Sie wahrscheinlich schon – verliert man schnell die Lust an der Chemie. Daher möchte ich Sie lieber bitten, mir gedanklich bei meinem Versuch zu folgen, die Atome und Moleküle mit einer Weltkarte zu vergleichen.

Atome und Moleküle als Staaten einer Weltkarte

Stellen Sie sich eine gewöhnliche Weltkarte vor und nehmen Sie nun spaßeshalber einmal jedes einzelne Land der Erde als Atom mit seiner Hauptstadt als jeweiligen Kern. Diese Hauptstadt (Kern) steht für das Land (Atom), definiert es in eindeutiger Weise: Moskau steht für Russland, Madrid für Spanien, Berlin für Deutschland usw. Man kann sogar Isotope ausfindig machen, die, wie Belgien, eine Hauptstadt haben, aber letztlich aus zwei unterschiedlichen Ländern: Wallonie und Flandern, bestehen. Oder Zypern: ebenfalls eine Hauptstadt, aber zwei unterschiedliche Länder. Zwar unterscheiden sich die einzelnen Staaten der Größe nach erheblich – es gibt ganz kleine, mittelgroße und riesige Länder –, aber im «Mittelpunkt» (wenn auch nicht geographisch gesehen) steht bei allen die Hauptstadt.

Die Grenzen eines Landes kann man mit der Elektronenhülle vergleichen. Die äußeren Elektronen fungieren wie die Außenminister und Botschafter, die den Kurs ihres Landes halten und sein Agieren und seine Eigenschaften repräsentieren: Es gibt aggressive, reaktionsfreudige Staaten und genügsame und reaktionsträge Länder. Wenn Atome für die Länder stehen, müssen wir Moleküle entsprechend als Zusammenschlüsse von Ländern betrachten, deren Außenminister und Botschafter in ständigem Kontakt und Austausch miteinander stehen. Es kommt zu einer engen Bindung zwischen zwei oder mehreren Staaten, so entstehen ganze Staatenbündnisse, wie z.B. die Afrikanische Union (AU), die Arabische Liga (AL), die Benelux-Staaten, die Europäische Union (EU), die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), der Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) usw. Die Benelux-Gemeinschaft besteht aus 3 Staaten, die ASEAN aus 10, die Arabische Liga aus 22 Ländern. Zum Vergleich: Wasser besteht aus 3 Atomen, Alkohol (Ethanol) aus 9, Traubenzucker (Glucose) aus 24 Atomen. Bei allen Staatenbündnissen geht es darum, sich zu arrangieren, Kompromisse zu finden, zu teilen, manchmal auch zu verzichten. Man muss zusammenhalten, weil man abhängig ist voneinander. Ein isoliertes Deutschland wäre ein völlig anderes Land, als es ein Deutschland in der EU ist. Entsprechend können alle Moleküle, egal, ob Kohlendioxid, Traubenzucker oder Insulin, als kompromissbereite Staatenbündnisse betrachtet werden, die sich vielfältig vereinigen können. Ein isoliertes Kohlenstoffatom ist etwas völlig anderes als ein Kohlenstoffatom in einem Zuckermolekül. Kohlenstoff ist schwarz und schmeckt scheußlich (z.B. als Aktivkohle-Tablette), Zucker ist weiß und schmeckt schön süß. Mit Sauerstoff verknüpft wird Kohlenstoff sogar undurchsichtig und gasförmig als Kohlenmonoxid (CO) oder Kohlendioxid (CO2). Nur ein einziges Sauerstoffatom mehr oder weniger, und schon hat man völlig unterschiedliche Substanzen vorliegen. Es ist ein erheblicher Unterschied, ob ein oder zwei Sauerstoffatome am Kohlenstoff hängen. Kohlenmonoxid ist brennbar und hochgiftig, Kohlendioxid ist unbrennbar und bewirkt den Treibhauseffekt. Ein weiteres Beispiel: Hängt man an Kohlenstoff vier Wasserstoffatome (H), kommt gasförmiges, brennbares Methan (CH4) heraus. Ein völlig neues Staatenbündnis. Zwängt man zwischen ein Kohlenstoff- und Wasserstoffatom noch ein Sauerstoffatom (O), wird aus Methan das flüssige und hochgiftige Methanol (CH3OH). Fügen Sie noch ein Kohlenstoffatom und zwei Wasserstoffatome hinzu, erhält man trinkbares Ethanol (Alkohol, CH3CH2OH). Ein letztes Beispiel: Isoliertes Natrium ist ein silberglänzendes, eher weiches und sehr reaktionsfreudiges Metall, das sich z.B. mit Wasser heftigst umsetzt. Das sehr ähnliche Kalium-Metall reagiert mit Wasser sogar explosionsartig. Bekommen diese beiden Metalle jedoch jeweils ein Chloratom als Nachbar, hat man Kochsalz – Natriumchlorid bzw. Kaliumchlorid – in den Händen. Ein weißes, absolut reaktionsträges, mit Wasser nicht reagierendes schneeweißes Salz.

Diese schier unbegrenzte Vielfalt durch winzige Veränderungen fasziniert mich so sehr an der Chemie. Sie ist wie Musik: Eine begrenzte Anzahl von Noten kann man in einer schier unbegrenzten Vielfalt aneinanderreihen und somit die unterschiedlichsten Kompositionen kreieren.

Die Außenminister-Elektronen als wahre Machthaber

Im Unterschied zur realen Politik nun bestimmen in der Welt der Atome und Moleküle die Elektronen, die sich auf der letzten, äußersten Schale der Atomhülle befinden – in unserem Bild also die «Außenminister» –, alles, das gesamte Verhalten eines jeden Atoms, eines jeden Moleküls. Jede Reaktion, ob langsames Dahinrosten von Eisenstangen auf der Baustelle oder das Zersetzen des Backpulvers im Kuchenteig zu Kohlendioxid oder die Explosion von Nitroglycerin, ist das Machwerk dieser winzigen, negativ geladenen Elementarteilchen. Es sind tatsächlich nur eine Handvoll Elektronen, die sich neu verteilen, von hier nach da wandern und dadurch unterschiedliche chemische Prozesse auslösen. Das Wegziehen bzw. das Hinzubekommen von Elektronen bewirkt stets eine chemische Reaktion, die mit einer Energiefreisetzung einhergeht. Das Elektronen-Hinundhergeschiebe kann ganz gemächlich ablaufen (Rosten von Eisen) oder auch richtig heftig abgehen (Stichflamme, Explosion). Wenn ein Nagel verrostet, dann reagiert Eisen mit dem Sauerstoff aus der Luft und bildet Eisenoxid. Wie bei allen chemischen Reaktionen findet letztlich nur ein Elektronenaustausch statt. Die große Elektronenwanderung geht los. Die Eisenatome verlieren jeweils zwei Elektronen, und die Sauerstoffatome nehmen diese Elektronen dankend auf. Beide Atomsorten sind dadurch in ihrer Struktur und energetisch stabiler geworden. Chemische Vorgänge sind also stets ein Geben und Nehmen – wie in der Liebe. Die Abgabe von Elektronen nennt man übrigens Oxidation, die Aufnahme von Elektronen bezeichnet der Chemiker als Reduktion. Atome dagegen bleiben auch nach dem Verrosten immer gleich, Eisen ist immer noch Eisen, Sauerstoff immer noch Sauerstoff. Auch von einer Explosion kriegen die Atomkerne kaum etwas mit. Nach der fürchterlichen Detonation von Nitroglycerin bleiben die Stickstoffatome immer noch Stickstoffatome, daran hat sich nichts geändert, nur der Bindungspartner der Außenelektronen ist jetzt ein anderer, ein neuer Nachbar sozusagen. Vorher Sauerstoff, nun Stickstoff. Es haben sich «neue Staatenbündnisse» gebildet.

Einzig die Kernreaktionen wie die Kernspaltung und die Kernfusion werden nicht von Elektronen bestimmt, sondern von den Atomkernen (mehr dazu auf S. 200).

Der angeregte Zustand

Chemische Reaktionen laufen nicht einfach geradlinig ab, wie auf einer schnurgeraden Autobahn, sondern stets müssen die Reaktionspartner dabei über einen Energieberg gehoben werden. Im Bild der Autobahn gesprochen, müssen die Autos bergauf bis zur Spitze fahren, und von dort erst geht es dann ohne große Mühe wie von selbst bergab. Jede chemische Umsetzung durchläuft also einen sogenannten Übergangszustand oder angeregten Zustand, der sich wie ein Berg dem Ablauf der chemischen Umsetzung in den Weg stellt. Fast alle chemischen Reaktionen laufen nicht spontan, d.h. von selber, ohne Energiezufuhr ab. Es gibt nur ganz wenige Ausnahmen. Eine Mischung aus Glycerin und Kaliumpermanganat beispielsweise entzündet sich spontan von selbst. Manche metallorganischen Substanzen, wie Silicium-Wasserstoff- oder Magnesium-Verbindungen, können sich ebenfalls von selbst entzünden und abreagieren. In der Regel muss man einer Reaktionsmischung aber Energie in Form von Hitze oder Licht (z.B. UV-Licht) oder durch Stöße (z.B. Laser, Leuchtstofflampe) zuführen, damit die Reaktionspartner den Energieberg hinaufkommen und den Übergangszustand erreichen. Bei einer Mischung aus Eisenpulver und Schwefel könnte man jahrelang warten, es würde ohne Zutun von außen nichts passieren. Erhitzt man jedoch die Mischung im Reagenzglas, setzt sich die Reaktion unter Gluterscheinung zu schwarzgrauem Eisensulfid um. Schwarzpulver brennt auch nicht spontan ab, sondern muss mit einer heißen Zündschnur in den Übergangszustand versetzt werden. Mischt man Chlorgas mit Wasserstoffgas in einem Glaszylinder, passiert zunächst gar nichts. Belichtet man diese Mischung jedoch mit einem (Foto-)Lichtblitz, dann verbinden sich Chlor und Wasserstoff explosionsartig zu Salzsäure. Die Energie des Lichtblitzes hat ausgereicht, um die beiden Reaktionspartner über den Energieberg in den angeregten Zustand zu versetzen.

Der Übergangszustand bzw. der angeregte Zustand ist in den allermeisten Fällen extrem kurzlebig, sodass wir ihn mit unseren menschlichen Sinnen nicht wahrnehmen können. Die durchschnittliche Lebensdauer des angeregten Zustands beträgt 10-12 bis 10-13 Sekunden! Eine kaum vorstellbare Kürze! Bei dem Leuchten der Glühwürmchen oder beim Leuchten von Fluoreszenzfarben, wie z.B. beim Textmarker, ist die Verweildauer des angeregten Zustandes etwas länger, sie beträgt «nur» 10-6 bis 10-9 Sekunden (mehr zu den Leuchtreaktionen ab S. 134). Die Sauerstoffaufnahme des Hämoglobins im Blut dauert noch etwas länger, nämlich rund 10-5 Sekunden, also 0,00001 Sekunden (ein Hunderttausendstel). Sind die Reaktionspartner einmal oben auf dem Energieberg als angeregter Zustand angekommen, geht die Reaktion los. Den Übergangszustand können Sie sich im Bild der Staatenbündnisse so vorstellen, als ob sich zwei Länder angenähert und ihre Grenzen geöffnet haben, weil alle formalen Hürden genommen sind und die Außenminister und Botschafter ihre Arbeit nun aufnehmen können. Nach dem Übergangszustand wird die chemische Reaktion zum Selbstläufer. Dabei wird viel Energie freigesetzt, mehr Energie, als für die Anregung benötigt wurde. Die Differenz aus hineingesteckter Energie (z.B. Zündschnur, Erhitzen, Licht) und bei der Umsetzung freiwerdender Energie (Hitze, Glut, Explosion, Licht) wird an die Umgebung abgegeben. Bei den Glühwürmchen besteht die freigesetzte, überschüssige Energie zu 100 Prozent aus Licht. Bei der Verbrennung von Eisen mit Schwefel entsteht nur Hitze (Rotglut). Meistens wird die Energie als Mischung aus beidem, aus Hitze und Licht, freigesetzt (Feuer, Flammen). In Düsentriebwerken wird die bei der Verbrennung von Kerosin (ein leichter Dieselkraftstoff) mit Luftsauerstoff freigesetzte Energie direkt als Antrieb benutzt. Versetzt man Natronlauge (NaOH) mit Salzsäure (HCl) um Kochsalz (NaCl) herzustellen, muss man die Reaktionslösung unbedingt mit Eiswasser kühlen. Die entstehende Hitze würde die Mischung sonst zum unkontrollierten (Über-)Kochen bringen. In chemischen Großanlagen führt man die entstandene Wärme meistens in einem Kreisprozess wieder zum Anfangspunkt der Reaktion zurück oder zu anderen Herstellungsverfahren, die Energie benötigen.

Genauer betrachtet bedeutet Anregung in der Welt der Chemie, dass einzelne oder auch mehrere Elektronen ihre Bahn verlassen und in ein höheres Energieniveau gehoben werden. Im Übergangszustand befinden sich dann alle beteiligten Elektronen der Reaktionspartner gleichmäßig zwischen beiden Molekülen verteilt, zum Austausch bereit. Dieses Bahnverlassen und zu einem anderen Molekül Hinwandern benötigt die Anfangsenergie. Man bezeichnet die anfänglich hineingesteckte Energie als Aktivierungsenergie. Der zu überwindende Energieberg kann übrigens unterschiedlich hoch sein. Zum Zünden von Schwarzpulver benötigt man eine Glut, für die Entzündung von Wasserstoff mit Sauerstoff reicht schon ein Funke, und für die Chlorwasserstoff-Umsetzung genügt ein Lichtblitz.