Daddy und Boy - Christian Lütjens - E-Book

Daddy und Boy E-Book

Christian Lütjens

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Beschreibung

Wenn der Altersunterschied zwischen zwei Partnern sehr groß ist, kann dies ihre Beziehung sehr bestimmen. Positiv wie negativ. Unterschiedliche Einstellungen, Lebensentwürfe und Erfahrungen prallen aufeinander und müssen auf einen Nenner gebracht werden. Das fängt schon beim unterschiedlichen Mode- und Musikgeschmack an. Doch immer mehr und immer wieder probieren es ganz ernsthaft und voller Hingabe Männer miteinander, die zehn, zwanzig oder mehr Jahre voneinander trennen. Fakt ist: Sowohl der jüngere als auch der ältere Partner kann vom großen Altersunterschied profitieren. Das Buch - Lesebuch und Ratgeber in einem - zeigt, wie eine solche Beziehung - auch gegen mögliche äußere Widerstände - funktionieren kann. Paare berichten von ihren Erfahrungen, Experten weisen Wege zum perfekten Glück zwischen den Generationen.

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Seitenzahl: 138

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Christian Lütjens, Jahrgang 1978, arbeitet als freier Journalist und Autor in Hamburg und Berlin. Er ist u. a. Redakteur bei der Zeitschrift „Männer“. Seine Kurzgeschichten erschienen zuletzt in „Mein schwules Auge 5“ sowie „Die Nacht und ich“. Darüber hinaus schreibt er Gedichte und Songtexte, wofür er im Jahr 2006 ein Stipendium der GEMA erhielt („Celler Schule“).

Mehr: www.christianluetjens.de

Himmelstürmer Verlag, Kirchenweg 12, 20099 Hamburg,           

 Himmelstürmer is part of Production House GmbH

 www.himmelstuermer.de

E-mail: [email protected], Frühjahr 2009

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages

Rechtschreibung nach Duden, 24. Auflage

 Cover: Christian Lütjens

 Umschlaggestaltung: Olaf Welling, Grafik-Designer AGD, Hamburg. www.olafwelling.de und Christian Lütjens

Foto: gettyImages

 ISBN print   978-3-940818-08-9

Christian Lütjens

Daddy

+

Boy

Handbuch für / über die schwule Liebe zwischen Jung und Alt

Inhalt:

 Vorwort  

 Prolog:

D+B in Utopia  

D+B in Dystopia

 „Mit der schwulen Toleranz ist es nicht weit her“  

Interview mit Paartherapeut Florian P. Klampfer Vom Ideal ins Abseits

Schwule Liebe zwischen den Generationen im Spiegel der Zeit

 Daddy, I’d like to Fuck!  

Kleines Slang-Lexikon zu schwulen  

Altersunterschieds-Paaren

 Vaterkomplex + Angeber

Über Vorurteile gegen Altersunterschiede

Wo kommen sie her?  

Was ist dran an ihnen?  

Coolness gegen Klischees  

Wie schmettert man Vorurteile am besten ab?

Der Coolness-Crashkurs

 Probleme, Probleme!

Häufige Konflikte in altersdifferenten Beziehungen –

und ihre Lösungen   

 Pluspunkt Altersunterschied

So macht das Spiel mit der anderen Generation mehr Spaß

 Gay Generation-Clash

Schwule Promi-Paare mit Altersunterschied

 „Ich kann mir mich selbst nicht mit einem Jüngeren vorstellen“

Du stehst auf Ältere? Gespräch mit einem Gleichgesinnten.

 Paare im Porträt:

Martin & Wolfgang

Benny & Uwe  

Walter, Gerhard & Michael  

 Geld gegen Jugend   Die heutige Realität hinter dem Moneyboy-Mythos

 Tony & Russ  

Vorwort

„Daddy + Boy“ – klingt dieser Titel zu flapsig, zu klischeehaft oder zu unseriös? Diese Frage habe ich mir und Freunden immer wieder gestellt, während ich an diesem Buch gearbeitet habe. Letztendlich kam dabei immer die gleiche Antwort heraus. Ja. Der Titel ist flapsig. Und er ist ein bisschen klischeehaft. Aber die Frage nach der Seriosität stellt sich doch eigentlich nur, weil man sich bei dem Thema Altersunterschied so unheimlich schnell verspannt. Man meint, besonders ernsthaft damit umgehen zu müssen, um niemandem zu nahe zu treten. Und man will den üblichen Vorurteilen nicht durch die falsche Wortwahl Zucker geben. Diese übertriebene Vorsicht ist es aber auch, die die Liebe zwischen Jung und Alt zum Tabuthema macht. Nun war es mein erklärtes Ziel, diesen Tabu-Status aufzubrechen. Also habe ich mich erstmal selbst entspannt - und damit beim Titel angefangen, der (ob flapsig oder nicht) den Nagel auf den Kopf trifft. Der „Daddy“ ist in der Szene schon lange ein Synonym für eine ältere Generation von Schwulen, die es nicht nötig hat, in den sexuellen Ruhestand abzutauchen, während der „Boy“ als Stellvertreter der jüngeren Garde dem ewigen Homo-Ideal entspricht.  

Was passiert, wenn diese beiden Prototypen sich zusammen tun? Die Paare und Fachkundigen mit denen ich im Rahmen meiner Recherchen gesprochen habe, zeigen, dass der Schulterschluss zwischen den Generationen allen Moralisten und Zweiflern zum Trotz klappen kann. Ihre Erzählungen geben Einblicke in eine spannende Welt, die viel über die Verständigung zwischen den Generationen aussagt, aber auch über die Funktionalität von Beziehungen im Allgemeinen.

Ich werde die Probleme, die schwulen Beziehungen mit großem Altersunterschied innewohnen, nicht ignorieren. Aber ich möchte sie auch nicht kultivieren. Die Lektüre dieses Buches wird zeigen: Probleme macht man sich häufig selbst. Das heißt: Man kann sie auch selbst lösen. Die Vorurteile sitzen ja nicht nur in den Köpfen der Allgemeinheit, sondern auch in den Köpfen der Betroffenen. Auch sie sind zumeist mit gesellschaftlichen Normen aufgewachsen, denen generationsübergreifende Liebesbeziehungen nicht entsprechen. Aber sie haben es geschafft sich über diese Normen hinwegzusetzen. Und wenn sie es geschafft haben, warum sollte das der Rest der Gesellschaft nicht auch können? Ich würde mich freuen, wenn dieses Buch dazu beitragen kann.  

D+B in utopia

Im Zimmer ist es still. Nur zwei Männerherzen schlagen leise im Gleichklang. Badam. Badam. Badam. Da klingelt der Wecker. Boris öffnet die Augen und ist mit einem Schlag hellwach. Dietmar, der dicht neben ihm liegt, lässt sich vom Wecksignal nicht stören. Der hat die Ruhe weg. Behutsam rüttelt Boris seinen Freund an der Schulter. Er spürt die warme, gegerbte Haut unter seinen Händen:

„Hey, aufwachen.“

Dietmar dreht sich um und blinzelt Boris entgegen. „Krieg ich erstmal einen Kuss?“

Boris küsst ihn zärtlich auf den Mund. Die beiden sehen sich an. Jede Falte in Dietmars Gesicht scheint eine andere Geschichte aus seinem Leben zu erzählen. Seine kurzen grauen Haare schimmern im Morgenlicht. Und er duftet. Old Spice. Dietmar wiederum spürt, wie sich beim Anblick von Boris’ bübischem Grinsen und seines rotblonden Wuschelkopfs jede Müdigkeit aus seinem Körper verabschiedet. Er küsst Boris auf die Schulter und schmunzelt: „Wollen wir da weiter machen, wo wir gestern Nacht aufgehört haben?“

Doch Boris springt auf. „Dafür haben wir noch unser ganzes Leben Zeit. Jetzt wird erstmal geheiratet.“ Er reißt die Gardinen auf und öffnet das Fenster. Sonnenlicht und zarter Blütenduft strömen ins Zimmer. „Ich geh duschen.“ Schon ist er im Bad verschwunden.

Dietmar schwingt die Beine aus dem Bett und tritt ans Fenster. Ja, heute wird geheiratet. In zwei Stunden beginnt die Zeremonie in der Petri-Kirche. Dietmar fühlt sich stark, vital und glücklich. Los geht’s. Er springt zu Boris ins Bad. Die Zeit für einen kleinen Quickie unterder Dusche nehmen sich die beiden doch noch. Dann schlüpfen sie in ihre weißen Sommeranzüge, die sie sich für diesen Tag besorgt haben, knöpfen sich gegenseitig Westen zu und binden Fliegen um. Dabei quasseln sie ununterbrochen. Dietmar setzt zusätzlich einen Hut auf.

Als sie aus der Wohnung treten, laufen sie der Nachbarin Frau Kölberlin in die Arme.

Sie lacht und sagt: „Morgen, die Herren. Soll’s endlich losgehen? Wird ja auch mal Zeit.“ Bewundernd betrachtet sie Boris und sagt an Dietmar gewandt. „Richtig kernig sieht er aus, was? Ich weiß noch, wie sie ihn vor zehn Jahren das erste Mal mit zu mir zum Essen gebracht haben. Anfang 20 war er da und noch ein richtiger Hänfling. Und sie waren beide so verliebt. Aber daran hat sich ja bis heute nichts geändert.“

Boris grinst und deutet auf die Uhr.

Frau Kölberlin schreckt auf. „Natürlich, Sie müssen los. Alles Gute.“ Sie gibt jedem einen raschen Kuss auf die Wange und flüstert Boris zu: „Und heben Sie sicht keinen Bruch, wenn sie den Herrn Gemahl nachher über die Schwelle tragen.“

„Wer hier wen über die Schwelle trägt, werden wir noch sehen“, ruft Dietmar, während er die Treppe hinunterstürmt.

Als sie aus dem Haus treten stehen Vicky und Rudolf schon vor der Tür. Sie, Boris’ beste Freundin, und er, Dietmars ältester Freund aus Schultagen, sind die Trauzeugen. Gerade diskutieren sie angeregt.

„Ach, ich bin zu alt, um mir jetzt noch einen Computer zu kaufen“, zaudert Rudolf.

 „So ein Quatsch“, widerspricht Vicky heftig. „Wie ich dich kenne, macht dir das sicher Spaß. Ist auch ein Super-Gehirntraining. Du kannst ja mal bei mir vorbeikommen, und ich zeig dir ein paar Grundlagen.“

Als sie Boris und Dietmar bemerken, verstummen die beiden schlagartig. „Ihr seht ja toll aus“, rufen sie wie aus einem Mund.

Vicky nimmt Dietmar den Hut vom Kopf und setzt ihn auf. „Der ist super. Wo hast du den her? Könnte mir auch stehen, oder?“

Zu viert gehen sie ein Stück, bis Vicky und Rudolf sich kurz verabschieden. Sie hakt sich bei Rudolf unter und zwinkert geheimnisvoll. „Wir müssen noch was besorgen. Wird ’ne Überraschung.“ Die beiden verschwinden gerade um die Ecke, als Dietmars Hausarzt die Straßen entlang kommt.

„Dietmar, grüß dich“, sagt er.

Die beiden sind seit Jahren per Du. „Nur kurz. Deine Untersuchungswerte sind gestern gekommen. Alles in Ordnung. Wenn du Lust hast, kannst du morgen einen Marathon laufen.“

Dietmar macht eine kleine Verbeugung. Doch Boris zieht ihn weiter.

Als sie die Wiese vor der Kirche erreichen, treffen sie auf ein quirliges Menschenmeer. Dietmars und Boris Freunde haben den Platz mit Beschlag belegt. Jeder redet mit jedem, sodass keiner die Ankunft des Brautpaars bemerkt.

Bis auf Dietmars Eltern. Sie stehen ein Stück am Rand. „Dietmar, mein Schatz. Dass ich das noch erleben darf“, schwärmt seine Mutter und rückt seine Fliege gerade. „Ich hab ja nicht mehr dran geglaubt. Da musst du erst 60 werden, bis du endlich unter die Haube kommst.“

Sie umarmen sich und Mutti treten vor Rührung die Tränen in die Augen.

Währenddessen klopft Vati Boris auf die Schulter und meint: „Martina hat noch bei uns angerufen.“

Martina ist Boris’ Mutter. „Sie und dein Vater haben verschlafen und kommen ein bisschen später.“  

Der Pastor tritt aus der Menge: „Da ist ja das Brautpaar. Wunderbar sehen Sie aus. Ich muss noch kurz etwas mit Ihnen besprechen. Würden sie mir in die Kirche folgen?“

Boris und Dietmar küssen Mutti und Vati. Dann nehmen sie sich gegenseitig an der Hand und folgen dem Pastor über die warme Sommerwiese zum Kirchportal. Von allen Seiten hagelt es bewundernde Blicke und Komplimente.  

D+B in Dystopia

„Willkommen in der Realität“, die Worte des Pastors bahnen sich ihren Weg durch das kühle Dunkel des Kirchenschiffs. Seine Worte klingen nicht mehr so freundlich wie zuvor.

Als Dietmar und Boris sich zu ihm umwenden, ist das Lächeln von seinem Gesicht verschwunden.

„Ich muss wohl nicht viele Worte darüber verlieren, dass Ihre Utopie an dieser Stelle zu Ende ist.“ Er mustert die beiden kritisch. „Sie wissen sehr genau, dass ich ein homosexuelles Paar in dieser Kirche nicht segnen darf. Ich würde dadurch nur Probleme bekommen. Und, ich will ehrlich mit Ihnen sein.“ Er räuspert sich geräuschvoll. „Eine solche Segnung würde auch meinem eigenen Ethos widersprechen.“

In Boris’ Magen macht sich ein mulmiges Gefühl breit, das ihm nur zu vertraut ist. Er nimmt wieder Dietmars Hand – und merkt sofort den befremdeten Blick des Pastors.

„Bitte gehen Sie jetzt“, sagt der. An Boris gewandt fügt er hinzu: „Was Sie betrifft. Überlegen Sie sich das Ganze doch noch mal. Es gibt so viele hübsche Frauen in Ihrem Alter. Warum verschwenden Sie Ihre besten Jahre mit einem Mann, der Ihr Vater sein könnte?“ Mit diesen Worten öffnet er die Tür nach draußen.

Dietmar und Boris gehen hinaus ohne sich noch einmal umzusehen. Die Wiese vor der Kirche ist jetzt in regnerisches Grau gehüllt. Die Freunde sind noch da.  Aber sie laufen nicht mehr durcheinander. Sie schweigen betreten und bilden eine Gasse durch die Dietmar und Boris nun in Richtung Straße gehen. Auf der einen Seite stehen Boris’ Freunde, auf der anderen Seite die von Dietmar.Ja, richtig, diese beiden Gruppen zusammen zu bringen hat ja leider nie so richtig geklappt. Zwischen ihnen blieben immer ein Befremden, eine Unsicherheit und ein Desinteresse spürbar. Und wahrscheinlich auch das schlechte Gewissen, das viele noch immer haben, weil sie Boris am Anfang als jungen Schnösel oder Dietmar als alten Sack abgestempelt haben. An der Stelle wo vorhin Dietmars Eltern standen, stehen zwei Kreuze. Ach ja. Sie sind ja vor zwei Jahren gestorben. Dietmar lag bis zuletzt mit ihnen im Clinch, weil sie sich weigerten, Boris kennen zu lernen. Und dessen Eltern? Die würden sowieso nie im Leben zu einer Schwulenhochzeit gehen.

Der Regen wird stärker. Bloß weg hier. Mit gesenkten Köpfen rennen Boris und Dietmar los. An der nächsten Kreuzung laufen sie fast Dietmars Hausarzt über den Haufen.

„Na, na, na“, mahnt dieser. „Dein Freund ist keine 30 mehr wie du, Boris. Lasst es mal ein bisschen langsamer angehen. Du weißt doch, Dietmar. Du solltest dein Herz nicht zu großen Anstrengungen aussetzen. So rosig sind deine Werte momentan nicht.“

Dietmar nickt verständig, doch Boris zieht ihn weiter.

Da biegen Vicky und Rudolf um die Ecke. Auf entgegen gesetzten Straßenseiten. Das wird wohl nie aufhören. Die beiden kennen sich seit zehn Jahren und wohnen in der gleichen Straße, aber wenn sie sich begegnen, tun sie immer noch so, als ob sie einander nicht sehen würden, damit sie nicht miteinander reden müssen. Nur wenn Dietmar und Boris dabei sind, grüßen sie sich. Dann können sie ja nicht anders. Wie jetzt.

„Das ist ja ein witziger Zufall“, sagt Vicky aufgekratzt. „Vier auf einen Streich. So ’ne Art Familientreffen.“

Rudolf mustert sie von der Seite und kann sich die Bemerkung nicht verkneifen: „Naja, junge Dame. Familientreffen? Wollen wir mal nicht gleich übertreiben.“

Eine Einladung, mit zu Boris und Dietmar zum Kaffee zu kommen, schlagen beide aus. „Keine Zeit“, sagen sie wie aus einem Mund. Dann machen sie sich aus dem Staub. Vicky mit der üblichen Bemerkung: „Boris, wir telefonieren.“ Rudolf, wie immer, mit dem Satz: „Dietmar. Wir müssen uns mal wieder unter vier Augen unterhalten. Es gibt viel zu besprechen.“

Als Boris und Dietmar zu Hause ankommen, sind sie völlig durchnässt.

Im Treppenhaus klopft die Nachbarin Frau Kölberlin gerade ihre Fußmatte aus. „Einen schönen Tag, die Herren“, sagt sie gedehnt, um dann sehr beschäftigt zu tun, aber dennoch jede Bewegung der beiden zu beobachten.

Früher hat sie Dietmar öfter zu sich zum Essen eingeladen. Wahrscheinlich war sie ein bisschen in ihn verknallt. Jedenfalls ist diese Tradition eingeschlafen, seit Boris bei ihm eingezogen ist. In der Wohnung sind sie endlich allein.

„So ein Scheiß-Wetter. Ich geh erstmal duschen.“ Mit einem Grinsen schnipst Boris Dietmar den Hut vom Kopf. „Kommst du mit?“

Doch Dietmar ist außer Atem. Außerdem gehen ihm tausend Gedanken durch den Kopf. „Nimm’s mir nicht übel. Aber ich leg mich mal eine Runde hin.“

Als Boris aus der Dusche kommt, liegt Dietmar mit geöffneten Augen im Bett. Boris kuschelt sich neben ihn, genießt die Berührung der warmen, gegerbten Haut. Wieder scheinen die Falten in Dietmars Gesicht tausend Geschichten zu erzählen. Für einen kurzen Moment flammt in Boris’ Kopf der Ärger darüber auf, dass er selber in den wenigsten dieser Geschichten vorkommt. Was sind schon zehn Jahre Beziehung gegen 30 Jahre Altersunterschied? Boris lauscht dem Rauschen des Regens vor dem Fenster, dem gleichmäßigen Atem Dietmars – und plötzlich. Badam. Badam. Badam. Ein Lächeln huscht über Boris’ Gesicht, und er denkt: Was sind schon dreißig Jahre Altersunterschied gegen zwei Männerherzen, die im Gleichklang schlagen. Und wie zur Antwort murmelt Dietmar im Halbschlaf „Gar nichts. Gar nichts.“

Dann schlafen sie Seite an Seite ein.                                                                                                                  

Mit der schwulen Toleranz ist es nicht weit her“

Ein Gespräch mit dem schwulen Paartherapeuten Florian P. Klampfer

Florian P. Klampfer ist Paartherapeut in Berlin und hat in seiner Praxis jeden Tag mit verschiedensten Entwürfen schwuler Zweierbeziehungen zu tun. Auch Altersunterschieds-Paare gehören dazu. Klampfer wird durch dieses Buch mit Tipps und Expertenratschlägen begleiten. Vorweg ein Gespräch über den aktuellen Stand von altersdifferenten Homo-Beziehungen.

 Wie beurteilen Sie die gesellschaftliche Akzeptanz von schwulen Paaren mit hohem Altersunterschied?

 Das verändert sich momentan. Aber grundsätzlich spielt die abgedroschene Frage nach einem Vaterkomplex des Jüngeren immer noch eine große Rolle. Da wird oft sehr einseitig gedacht. Und es wird oft angezweifelt, ob eine solche Beziehung überhaupt auf Augenhöhe stattfinden kann. Die Absichten werden dann sehr stark in Frage gestellt. Was holt sich der Jüngere beim Älteren und umgekehrt. Es werden Fragen gestellt, die sich bei gleichaltrigen Paaren keiner stellt. Es ist ja eine Tatsache: Sobald ein Paar nicht in das Raster der Schwulenszene passt, ist es auch mit der schwulen Toleranz nicht mehr besonders weit her.

Haben schwule Paare mit einem hohen Altersunterschied mehr zu kämpfen als heterosexuelle Paare in der gleichen Situation?