Dämonen III - Katka W. Jäger - E-Book

Dämonen III E-Book

Katka W. Jäger

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Beschreibung

2014 erschien "Dämonen III" als Ausgabe mit Co-Autorin Chiara Bogner, v.a. Gedichte und Fotos. Die Neu-Auflage habe ich allein produziert. Es geht um noch mehr geheimnisvolle Geschichten, die unsichtbare Welten berühren. Dafür sind die Poesie-Beiträge stark reduziert. Zu den Höhepunkten zählt "Die seltsame Geschichte des Herrn Windisch", die vielleicht als Novelle gesehen werden kann. Ein kleiner Angestellter rächt sich an seiner Firma, indem er sich dunkler Magie bedient. Mit der Fähigkeit, an zwei Orten zugleich sein zu können, lotet Windisch seine eigenen Fähigkeiten aus. "Die vielen Gesichter irgendwo oder Schatten III" bringt die Kunst-Figur O.H. an den Rand seines Verstandes. In der unheimlichen Story "Schattenflug" geht es um die Sichtweisen von Gut und Böse und der Umgang damit. Ahnungen und Ängste bestimmen "Die falsche Uhrzeit". Im "Turm der Nacht" gerät ein Detektiv zwischen die Aktionen eines satanischen Magiers und der Rache eines Hexen-Coven. "Die Augen hinter den Augen" verweisen bei einer sterbenden Frau auf ein jenseitiges Sein. Da es aber nicht immer düster sein kann, gibt es zur Auflockerung skurrile Short Stories, so beispielsweise "Wie ein alter Chinese das virtuelle Geplappere wohl aushält", oder "Der Mann, der einen Geist gesehen hat". "Botschaften von Wind und Wasser" verweisen dann aber wieder auf andere Welten. Und es gibt da noch ein paar mehr Geschichten... Viel Spaß beim Lesen - und überlegen Sie, von wem Sie sich führen lassen und welche Türen Sie öffnen!

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Seitenzahl: 126

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Über die Autorin

1951 als Junge im Rieskrater geboren praktisch ein Flüchtlings- und Mischlingskind aus fränkischen, österreichischen und tschechischen Wurzeln. - Im Alter von sechs Jahren gefragt, was das Lieblingsspiel sei, kam prompt die Antwort: „Malen und Schreiben!“. 1974-1977: Kunstunterricht bei Prof. Wendelin Kusche (1926-2003), Forchheimer Künstler und Kunstdozent. Journalismus: Volontariat beim Weilheimer Kreisboten 1981. Danach Studium an der LMU München: Kommunikationswissenschaften mit Abschluss Magister Artium, 1988. Freier Journalist 1981 – 2000. Erste Lesung (Kurzgeschichten) am 13 Juni 1997 im „Literaturbüro“, München. – Mitarbeit beim „Literaturalmanach Phobi“. Lesungen im Jahr 2013. – Seit Jan. 2013 Mit-Autorin im Freilenzer Verlag (Berlin): „Die Preziöse“ (3 Ausgaben). - Seit den 90-ern: Verwaltungsangestellte/-r in einem med. Privatlabor bis zum 31.07.2012.

Parallel Weiter-Arbeit als freie Autorin und Malerin. Fotografie als Ausdrucksmittel.

Privatleben: mit meinem Ehemann Henrik. Katzen spielten bei uns oft eine große Rolle. Derzeit leben wir seit 21.11.2021 leben wir mit Katze Susi-Mazie zusammen (Ende Jan. 2022 wird sie 5 Monate…). - Ganz persönliches „Hobby“: die Kampfkunst (Budo) und das „alte Japan“. Auch diese Inhalte fließen in einzelne Arbeiten ein.

Über meine Website (die teilweise immer noch neu gestaltet werden muss) können Sie gern mehr über mich erfahren:

https://katka-w-jaeger.de

Diesen Band „Dämonen III“

widme ich in Gedanken meinem Vater, Martin

Weinicke († Jan. 2015) und

besonders meinem Ehemann, Henrik Haas.

Zudem widme ich das Buch allen, die sich mit der Religion, der Mystik und/oder anderen „jenseitigen Welten“ befassen und wissen, dass es mehr gibt als das, was erklärbar ist.

Katka W. Jäger

Dämonen III

Verbesserte und abgeänderte Neuauflage des ehemaligen

<Band 3 der „Dämonen in der Stadt“-Reihe>

© Katka Jäger - illustriert mit eigenen Fotos und Bildern, einschließlich dem Titelbild

Inhalt

Über die Autorin

Dämonen III

Die seltsame Geschichte des Herrn Windisch

Der Schattenlose – oder: Im Innern angekommen

Schwarze Vögel

Die vielen Gesichter irgendwo

oder

„Schatten III“

Wie ein alter Chinese das virtuelle Geplappere wohl aushält

Die falsche Uhrzeit

Der Mann, der einen Geist gesehen hat

Land unter

Die Augen hinter den Augen

Friedhof der Namenlosen

Zwischen den Häusern… in den Nischen der Stadt

Der Ring, der Regen, die Zeit zwischen Tag und Dunkelheit

Träumen in der Stadt, und Geister sehen

Schatten-Flug

Botschaften von Wind und Wasser

ALLEIN IN DER NACHT

Zwei Minuten bei Ri – und die Predigt über die Talente

Die Schlüssel zum Guten und zum Bösen

Weitere Bücher von

Katka W. Jaeger

:

Alle Fotografien wurden von Katka W. Jäger selbst angefertigt.

Anmerkung

Es handelt sich um fiktive Geschichten und Gedichte. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen, Ereignissen sowie Ortsangaben sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Die seltsame Geschichte des Herrn Windisch

© Katka W. Jaeger 2014

Lukas Windisch schaute wie immer auf die alte, runde Uhr in der kleinen Kantine, in der er seit über 18 Jahren seine kleinen Mahlzeiten einnahm. So lange war bereits der Sturm der Firmen-Neuerungen über ihn hinweggefegt. So lange war er Schritt für Schritt aus diesen Modernisierungen herausgenommen worden.

Leise, unauffällig, nur für die sichtbar, die genau hinsahen. Gesprochen wurde aber nicht darüber. Windisch war der letzte, der noch alle Kunden-Kürzel wusste, bevor diese – im Zuge der Computerfortschritte – so stark abgeändert wurden, daß sein Wissen nichts mehr nützte.

Windisch war noch einer der letzten, die sich mit der Betreibung der alten Nadeldrucker auskannte. Vieles konnte man da noch manuell korrigieren. Kleine Tricksereien manchmal.

Doch dann kamen die neuen Drucker und die noch neueren Laser-Drucker... nicht mehr zu beeinflussen. Nur noch extra geschulte Techniker durften da noch Hand anlegen. Auch die Datenverarbeitung rannte nach vorn.

Windisch beherrschte noch die alten Programme, bei denen die Daten jeweils von einem vorliegenden Papier auf den Schirm übertragen wurden. Die neuen waren an Scanner gekoppelt, hatten feste, vorgefertigte Masken und es ging nun nur noch um die schnelle Erfassung einiger Daten, denn vieles wurde automatisch vom System gemacht.

Junge Mädels wurden der Reihe nach für den Datendienst eingestellt. Windisch schrieb hierfür viel zu langsam. Mehr und mehr wurde er diskret von den PCs entfernt. Es gab noch einige Kontroll-Listen, vorübergehend, die durfte Lukas Windisch noch durchsehen, denn hierfür hatte die jungen, schnellen Leute keine Geduld.

Auch die Postabfertigung war der Moderne unterworfen. Studenten, eingearbeitet in die Feinheiten superschneller Kuvertiermaschinen, übernahmen den Job von Windisch, der bis dahin die Briefe noch per Hand gefaltet und in Umschläge gesteckt hatte. Das war gestern.

Daß der Mann als Verwaltungsangestellter eingestellt wurde, damals vor etwa 18 Jahren, daran dachte niemand mehr. Selbst die mittlere und erst recht die höhere Chefetage hatten das alles vergessen. Windisch erfüllte

Zwischenräume, Hilfs- und Handlangerarbeiten, die an sich auch 1- Euro-Jobber hätten machen können. Ab und zu gab es mal kleine

Ereignisse, an denen die Erfahrung des Herrn Windisch kurz geschätzt wurde. Aber die hielten sich in Grenzen. Und auch die Chefs dachten: Viel zu teuer dieser Windisch! Und einmal, als er müde neben der Tür der stellvertretenden EDV-Chefin, Frau Kalteisen, sich bückte, um seine Schnürsenkel neu zu binden, da hörte er deutlichen diesen Satz aus dem Mund der Chefsekretärin: „Ich dachte, Herr Windisch soll nichts mehr dazu lernen?“.

Lukas Windisch hatte einen Kopf, der irgendwie an eine Mischung aus Maus und Hamster erinnerte. Er trug schütteres Haar, hatte einen kurzen Oberlippenbart und Bausbäckchen. Und er hatte sich einen schleppenden Gang angewöhnt und ging meist leicht gebückt. So war er für die meisten nahezu unsichtbar, dachte er – und es schien zu stimmen. Selbst die ältesten Kollegen_innen hatten die früheren Zeiten vergessen, zu denen auch ein langjähriger Stammtisch gezählt hatte. „In diesem Laden findest du keine Freunde!“, hatte damals jemand zu Windisch gesagt. Tatsächlich hatte dieser jemand Recht behalten.

Und dann fiel Windisch wieder dieser unsägliche Traum ein, den er hatte, bevor er seinen Arbeitsvertrag unterzeichnete.

Frau Dr. Sturm erschien wie eine Fata Morgana, zuerst weit weg, dann aber immer näher kommend. Dabei verschwamm ihr Gesicht wie ein Spiegelbild im Wasser bei einem kleinen Wellengang. Es sah unheimlich und fast bedrohend aus. Dazu gesellte sich eine helle, verzerrte Stimme, die Windisch durch und durch ging: „Kommen Sie, Herr Windisch, wir haben auf Sie gewartet!“

Seltsamerweise hatte ihn dieser Traum dann doch nicht davon abgehalten, in diese Firma zu gehen. Eine Firma, die für ihn zur Falle wurde – eine 18-Jahre-Falle.

Wieder stieg Windisch in den alten Transportfahrstuhl, in dem großteils irgendwelche Warenlieferungen auf Palletten rauf oder runter gefahren wurden. Aber ab und zu fuhr Windisch rauf und runter, allein, mal mit irgendwelchen kleinen Schachteln, oft auch ohne was, einfach so. Im Aufzug hatte er seine Ruhe, auch wenn es nicht so ganz erlaubt war, ihn als Personenaufzug zu benutzen. Manche Mitarbeiter_innen zuckten nur kurz mit den Achseln, wenn sie das sahen; andere gähnten bei diesem Anblick und wieder andere sagten nur „… der schon wieder …!“.

Einer der Chefs von Windisch, ein Dr. Höllerer, war gerade aus dem Personenaufzug im untersten Kellergeschoss gestiegen. Dort stand der noch neue Wagen seines erst kürzlich verstorbenen Vorgängers, Dr. Kies. Kies hatte zu Lebzeiten wie ein Schlot geraucht.

Aschereste seiner Zigaretten lagen jetzt noch im Aschenbecher unterhalb des Lenkrads. Das störte den Nachfolger, Dr. Höllerer, recht wenig.

Beinahe mochte er sogar den Anblick dieser Aschereste, ohne es genau erklären zu können.

Jedenfalls machte es ihm nichts aus. Höllerer stieg in den Chefwagen, gurtete sich an und begann loszufahren. Hinter einer Stützsäule dieses Parkhauses löste sich ein Schatten und Windisch trat hervor. Und er blickte Höllerer nach – mit einem Ausdruck, der schwer zu beschreiben war. Dr. Höllerer hatte in diesem Moment ein seltsames Gefühl. Er fror kurz. Der Keller sollte etwas mehr beheizt werden, dachte er bei sich. Dann bog er aus dem Firmenhof hinaus auf die Straße und gab Gas.

Windisch fuhr währenddessen mit dem Frachtaufzug in den vierten Stock, um seine Archivarbeit fortzusetzen, die ihm erst vor kurzem angetragen worden war. Der Vorteil war, dass er hier seine absolute Ruhe hatte. Er befand sich dann zwar für drei bis fünf Stunden in einem nüchtern eingerichteten Zimmer ohne Fenster und Komfort, aber er konnte sich seine Arbeit selbst einteilen und in Ruhe an ganz andere Dinge denken.

Vor kurzem erst hatte Windisch etwas sehr Interessantes in einem okkulten Buch entdeckt: das gleichzeitige Erscheinen einer Person an zwei verschiedenen Orten, Bilokation genannt.

Und während der frisch gebackene Archivar sich routiniert gab und zig Seiten alter Dokumentenblätter lochte, um sie dann einem weiteren Ordner zuzuführen, wanderten seine Gedanken ins verborgene Innere. Bilder sehr alter schwarz-weiß-Comichefte im kleinen Format tauchten vor ihm auf. Sogenannte Piccolo-Hefte wie die von Tibor oder Akim, beide waren Tarzan sehr ähnlich; Nick, dem Weltraumfahrer oder Silberpfeil, einem Indianer, der für Gerechtigkeit sorgte. Lukas Windisch war sich ziemlich sicher, dass die Bilokation in einem der Silberpfeil-Geschichten vorgekommen war. War es da nicht ein Aztekenhäuptling, der an zwei Orten gleichzeitig auftauchen konnte? Immerhin wusste Windisch, dass es Astralreisen gab. Zumindest im Schlaf gab es die Möglichkeit, seinen Körper zu verlassen. Man musste nur aufpassen, wieder rechtzeitig in diesen Körper zurückzukehren.

Windisch erinnerte sich an die Zeit, als er noch mit einer Freundin zusammen gelebt hatte… …er hatte im Schlaf dieses starke Bedürfnis verspürt, seinen Körper verlassen zu wollen.

Nicht um zu sterben, sondern – um kurz woanders hin zu gehen, zu fliegen… wie auch immer, mit einem gewissen Ziel? Das wusste er nicht mehr. Er sah, wie er seinen Körper verließ, der nun unten auf dem Bett neben seiner Freundin Kristin lag. Zugegeben war das schon sehr heftig. Er flog weiter und befand sich dann aber inmitten einer totalen Finsternis. „Willst du das wirklich?“ hörte er dann eine Stimme sagen, die er nicht wirklich zuordnen konnte. „Nein…!“,

hörte er sich selbst reden – und in diesem Moment ging alles sehr schnell, wie ein Flug rückwärts in Lichtgeschwindigkeit. Dann war er wieder in seinem Körper… drehte sich um und schlief weiter.

Während all dies sich im Kopf des Aushilfsarchivars abspielte, hatten dessen Hände viele Seiten Papier sortiert. Und es war wohl so, dass diese zig tausend Seiten sicherlich für mehrere Jahre zumeist ungelesen in einem dieser alten Archivschränke vergammeln würden. Draußen, im Gang, waren Schritte zu hören und südländische Sätze und Gelächter. Die Putzkolonne war da. Zeit zu gehen für Windisch.

Als er das Firmengebäude verließ, war ihm erneut klar, dass er an diesem Tag erneut als Geist umhergelaufen war. Wie viele Leute hatten ihn heute wirklich wahrgenommen?

Waren es drei oder sogar fünf von etwa 300 Leuten gewesen, die sich heute mit ihm beschäftigt hatten? Windisch war das langsam egal. Er hatte an andere Dinge zu denken.

Dr. Höllerer hatte sich eine neue Villa am Rande der Stadt zugelegt, zwischen Zoo und Filmfabrik. Die alte zweistöckige Villa lag inmitten eines Gartens, der von zahlreichen Büschen und Bäumen beschützt wurde.

Normalerweise hätte das Plätschern eines kleinen Brunnen für noch mehr Idylle im Garten sorgen können, aber Dr. Höllerer sparte sich das. Er ließ den Brunnen nur laufen, wenn er genötigt war, ein Fest in seinem Haus geben zu müssen oder auch, wenn er einen geschäftlich wichtigen Besuch erwartete. Höllerer liebte seine Ruhe und gönnte sich am Abend gern ein Gläschen Cognac, während er klassischer Musik lauschte. Die Söhne hatten sein Haus schon lange verlassen. Und Höllerers Ehefrau Monika kam meist erst gegen 22 Uhr nach Hause, da sie nach ihrer Arbeit als Musiklehrerin meist noch an Theaterproben teilnahm.

Es ging ein sanfter Wind an diesem Spätsommer-Abend kurz vor 20 Uhr und Höllerer hatte es sich auf seiner Hausterrasse bequem gemacht. Er wollte zwar noch über Abläufe in seiner Firma nachdenken, aber das konnte er auch etwas später machen. Er hatte sich in seinem Liegestuhl gerade entspannt nach hinten gelegt, als das Telefon läutete.

Höllerer griff in seine rechte Hosentasche, aber dann merkte er erst, dass es ja nicht sein Handy war, sondern das Festnetz. Vielleicht seine Frau? Höllerer überwand sich, widerstand der Schwerkraft und ging nun mit schnelleren Schritten in sein geräumiges Wohnzimmer. Als er dort jemand stehen sah. Höllerer schloss die Augen und öffnete sie erneut. Lukas Windisch stand da, einfach so, in seinen dunklen Cordhosen und mit seinem grauen Pullover mit V-Ausschnitt. In seinem Wohnzimmer, mit dem üblichen nichtssagenden Gesichtsausdruck. Dr.

Höllerer gab sich einen Ruck, lud seine Energie hoch und wollte gerade zum Sprechen ansetzen, als Windisch mit einem Mal verschwunden war. Der Firmenchef drehte sich in alle Richtungen, durchlief nun auch die anderen Zimmer, ging in den Garten und zur Terrasse zurück. Dieser Windisch war wie vom Erdbeben verschluckt. Zugleich war das Telefonläuten verstummt. Konnte es da einen Zusammenhang geben? Schnell griff der Manager, denn auch das war Höllerer, zum Telefon und drückte die Schnellwähltaste zur Telefonzentrale seiner Firma, die inzwischen Tag und Nacht besetzt war. „Hier ist…“ begann eine müde Stimme sich zu melden als Höllerer sofort ins Wort fiel: „Höllerer hier. War dieser Windisch heute in der Arbeit und wie lange?“.

Schweigen, Rascheln, dann Stottern am Ende der Leitung. Laut den Stempelzeiten war Lukas Windisch wohl von 10 Uhr 30 bis 19 Uhr im Haus. Höllerer grunzte ins Telefon, legte auf und begab sich wieder in seine Gartenliege, trank einen kräftigen Schluck Cognac und versuchte nachzudenken. War er überarbeitet?

War dieser Windisch im Wohnzimmer eine Halluzination gewesen?

Lukas Windisch lag währenddessen auf seinem Wohnzimmerboden auf einer Art Bodenmatte, die auch für einen Strand geeignet schien. Er war wieder da… wie nach einem tiefen Schlaf.

Und es war, als hätte er von diesem Dr. Höllerer geträumt. Aber er wusste, dass er direkt vor ihm gestanden war, mit seinem Astralkörper.

Astralreisen war das Zauberwort. Er hatte vor einigen Jahren damit begonnen, sich in die Thematik und Techniken astralen Reisens einzuarbeiten. Ein kleines Büchlein aus einem Esoterikladen hatte ihm dabei geholfen, auch um mit den Gefahren solcher Reisen fertig zu werden. Windisch atmete tief durch, dann stand er auf und lächelte.

Die nächsten Tage und Wochen verbrachte Windisch wieder ganz normal als Firmengeist in seinen grauen Gängen, im Archiv im vierten Stock, die einsamen Pausen-Stunden in der langweiligen Kantine und ab und zu in seinem Lieferaufzug, mit dem er ab und zu den Keller besuchte. Wie ein Gespenst wurde er praktisch kaum wahrgenommen, selbst als er betont langsam am Chefzimmer von Dr. Höllerer entlangging, immer mit einem kleinen Paket unter dem Arm. Das Paket war natürlich belanglos. Es war quasi das Alibi von Windisch, sich in der Chefetage aufzuhalten. Ab und zu drangen Stimmen oder gar Gelächter an das Ohr des alten Angestellten, aber niemand rief nach ihm. Dann begegnete Windisch auf den Treppen zur Chefetage jedoch Frau Kalteis.

Diese stutzte zwar kurz, als sie einen Blick auf das kleine Paket warf, eilte sogleich aber an Windisch vorbei. Dr. Höllerer hatte die EDV-Chefin zu sich gerufen und wartete bereits ungeduldig an der Tür. „Sie haben mich rufen lassen?“, sagte Frau Kalteis und folgte der Armbewegung ihres Chefs, in sein Zimmer zu kommen. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, löste sich ein Schatten von der Wand und Windisch blickte vorsichtig um die Ecke.

Große Lieferwägen fuhren in den Hinterhof der Firma oder parkten direkt auf der Straße, so sich die Toreinfahrt für sie als zu eng erwies.