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Erlebe eine fesselnde Mischung aus Identitätssuche, Mystery-Thriller und kunstvoller Darstellung des Kampfes! In jedem von uns steckt "der Jäger". Es geht um die Jagd nach der eigenen Identität und Sinnhaftigkeit. Einmal Held, dann wieder Anti-Held, folgt der "unerkannte Ritter" den verwischten Spuren eines chaotischen Daseins. Zwischen erotischen Abenteuern und abenteuerlichen Recherchen wird Tom Jaeger von extremen Erfahrungen hin- und hergerissen. Auch als er es mit dem BND zu tun hat. Zwischen sozialem Engagement und sexueller Begierde gerät der "freie Journalist" bald auf die Spur der "Neuen Templern" und dem kontrollierten Netz von Evangelikalen. Schließlich bekommt er es auch mit Drogendealern zu tun. Tom versucht mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Doch sein Weg wird von geheimnisvollen Träumen und dem "Weg des Ritters" bestimmt. Er besinnt sich langsam immer mehr auf die Welt des Budo und der Philosophie der Kampfkunst. Dabei bleibt es auch, als "er" zur Transfrau wird, zu Kathy Hunter.
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Seitenzahl: 198
Veröffentlichungsjahr: 2021
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August 1951 als Junge im Rieskrater geboren – praktisch ein Flüchtlings- und Mischlingskind aus fränkischen, österreichischen und tschechischen Wurzeln. Im Alter von sechs Jahren gefragt, was das Lieblingsspiel sei, kam prompt die Antwort: „Malen und Schreiben!“.
Kunstunterricht bei Prof. Wendelin Kusche (1926-2003), Forchheimer Künstler und Kunstdozent: Grundlagen zur Harmonie und Verhältnismäßigkeit, der Frage von Kunst und Kitsch; vor allem Porträt- und figürliches Zeichnen – in der Zeit von 1974 bis 1977
Journalismus: Volontariat beim Weilheimer Kreisboten 1981. Danach Studium an der LMU München: Kommunikationswissenschaften (mit Schwerpunkt Zeitungswissenschaft), Soziologie und Theaterwissenschaft (Abschluss Magister Artium, 1988)
Erste Lesung (Kurzgeschichten) am 13 Juni 1997 im „Literaturbüro“, Milchstr. 4, München. Zwischendurch mehrere Jobs: Pflegehelfer, Vertriebsarbeiter (Kopierwerk), Korrektor.
Schwerpunktmäßig 1981 – 2000: freier Journalist für verschiedene Printmedien (zuletzt „Japan Magazin“) und bis 2001 Mitglied des Bayerischen Journalistenverbandes (BJV).
Seit den 90-ern: Verwaltungsangestellte/-r in einem med. Privatlabor bis zum 31.07.2012.
Parallel Weiter-Arbeit als freie Autorin und Malerin. Fotografie als Ausdrucksmittel.
Privatleben: mit einem Transmann. Katzen spielten bei uns sehr lange eine große Rolle.
Ganz persönliches „Hobby“: die Kampfkunst (Budo) und das „alte Japan“. Auch diese Inhalte fließen in einzelne Arbeiten ein.
Über meine Website können Sie gern mehr über mich erfahren:
https://katka-w-jaeger.de
Dieses Buch widme ich der Erinnerung an meinen Vater Martin W. Auch widme ich es meiner Ex-Freundin Andrea G., der ich nicht gerecht wurde.
Und ich widme das Buch meinem Ehemann Henrik Haas, der auch mein Layouter ist
Zudem ist es an alle Budokas gerichtet, die eine Kampfkunst betreiben, um Frieden zu finden und Frieden zu stiften, soweit das möglich ist. Insbesondere denke ich an „Hanzo-san“, der für mich ein außergewöhnlicher Privatlehrer für Iaido und Aikido war.
Über die Autorin:
Prolog 1
Prolog 2
Prolog 3
Vorgeschichte
Spur nach Tanger
Jäger und Gejagter
Der Jäger ist weit weg
Schräge Zeiten
Heiße Tage
Merke: Unterscheide zwischen Skat- und anderen Abenden!
Der Auftrag
Selbstgespräch bei Rotwein und Kerzenschein
Gleitflug
Am Eingang der Höhle
Die Burg der Neuen Templer
Die Sekte des Herrn
oder
„Ich liebe Michele“... nein, „ich liebe Jesus!“
Der Jäger im Grenzland
Erinnerungen an eine deutsch-griechische Freundin.
Auf der Jagd
Erneut gegen die Sekten
Das Tal des kleinen Ritters
Templertreffen
Mein ganz persönlicher Gleitflug
Die Jägerin
BND Zentrale Pullach
Zwischen mehreren Welten
Alles hat seine eigene Wahrheit
Zen-Do
oder
Auf dem Asientrip
Karate-Lehrgang
Jagdfieber-Gedanken…
Das Leben ist ein immerwährendes Labyrinth (und ich spürte das umso mehr, als ich dem von Knossos so nahe war ...).
So ist auch dieses Werk eine Form von Labyrinth, durch das hindurch Sie meinen/ ihren Spuren folgen sollten
- aber: Vorsicht! Verirren Sie sich nicht!!!
Und – gehen Sie auf keinen Fall zurück! …
(10. Mai 1990 auf Lentas, an „einem Ende“ dieser Welt)
Es ist vielleicht das schlimmste,
was dir passieren kann.
DU stehst in einem lichtlosen Raum
und irgendwelche Stimmen fragen DICH
nach DEINEN Taten.
DU willst etwas Kluges sagen,
aber dein Mund weigert sich.
DU stehst vor Gericht
und fühlst dich schuldig.
DU sagst nicht „ich habe gelebt!“,
sondern nur „Ich wollte doch leben...“
„Du bist der einzige Autor, den ich kenne, der nie über seine Arbeit spricht!“ - „Ich bin abergläubisch!“
(aus Woody Allen´s „Der Strohmann“)
Tatsächlich sitzt Woody, als „Strohmann“ für einen Drehbuchautor, etwas hilflos an der Schreibmaschine und legt ein leeres Blatt ein.
So sitze ich da – genau vor so einer Maschine – und überlege, denke nach, tippe dann zwei Zeilen und überlege wieder.
Die letzten Tage waren alles andere als einfach.
Aber ich merke gerade, dass es gar nicht einfach ist, so einfache Dinge zu erzählen. Was ich in den letzten Tagen erlebt habe. Vielleicht ist es ja wirklich nichts Besonderes. Denn wenn wir ehrlich sind: nur das Besondere lieben wir doch
(oder haben Angst davor ...).
Tatsächlich habe ich das Gefühl, nicht mehr ganz genau zu spüren, ob mir eine Frau nur gefällt oder ob ich in sie verliebt bin. Und merke ich nicht mehr, wenn mich eine Frau wirklich gern mag?
Und dann bin ich noch mit dem zweiten Studium fertig, das nun lange genug gedauert hat und viel kostete – nicht nur Geld. Dabei habe ich so viele Zukunftspläne wie ein Neugeborener. Ehrlich, es fällt mir schwer, mich zu entscheiden, wohin ich will oder muss... außer dass ich Schriftsteller sein will.
Es ist als ob ich einen Pfeil abschieße, und der sofort in meine Richtung zurückfliegt. Oder, ich bin wie ein Pfeil mit zwei Spitzen.
„Du siehst heute alt aus!“, sagt Biggy. Ich sehe kurz in ihre festen, rehbraunen Augen und spüre, dass sie Recht hat. - Vor drei Tagen waren wir beide viel lustiger. Dass wir heute ernster, stiller sind, liegt an mir.
Ich fühle mich alt. Sie hat Recht!
Es ist der dritte Monat, in dem ich in der Videofabrik arbeite und es ist der abendliche Zeitpunkt, an dem Biggy und ich beim sogenannten Konfektionieren einen Film einlegen. Dieses Mal: „Run Away Train“. Ein guter Titel. Ich selbst fühle mich wie „run away...“ - in gleich mehrere Richtungen. Als ob man sich selbst entkommen könnte!
Laufe ich vor den eigentlichen Aufgaben eines Reporters davon? Laufe ich vor dem ganz normalen Leben davon?
Versuche ich, einer schwierigen Sexualität zu entkommen?
Entfliehe ich der Liebe und deren Verantwortung?
Laufe ich vor dem Leben davon ohne den Tod zu suchen?
„Run away...“ und dann ein anderer Film: „No Way Out“...
Es gibt kein zurück. Es kann nur vorwärts gehen, gleich wie und wohin. Flucht nach vorn?
Das Leben kennt viele Masken und vielleicht bin ich nur eine davon. Scheiße... Ich weiß ganz genau, dass dem nicht so ist. Ich bin nur ein bisschen feige, vielleicht. Ein wenig bequem, das ist sicher!
„Wir leben in einer Zeit, die sich selbst vergessen will...“, das hat Kish, ein legendärer Reporter, geschrieben. Lange vor mir. Lange vor der neuen Formel „Sex, Drugs and Rock´n Roll“.
Es ist alles vertreten auf diesem Planeten Erde (woanders heißen wir vermutlich ganz anders). Alles ist da zwischen Steinzeit und Weltraumabenteuer.
Vielleicht ist deshalb alles so schwer, weil man viel zu viel weiß und dennoch nichts, so man darüber nachdenkt. Wir fliegen mit unserem Sonnensystem-Raumschiff mit hoher Geschwindigkeit irgendwohin, möglicherweise in Richtung eines dieser „schwarzen Löcher“ im Kosmos. Aber weshalb das so ist wissen wir nicht. Wären wir glücklicher, wenn wir es wüssten?
Wir, sozusagen wir alle, sind da - und haben damit eben unsere Schwierigkeit.
Run away... aber wozu – und mit wem und wohin?
Genau in diese Zeit hinein wurde der Jäger geboren.
Und „der Jäger“, das bin ich, das sind Sie - und das sind wir alle.
Wir alle jagen und werden gejagt. Haben wir ein Ziel vor Augen, wollen wir es unbedingt erreichen. Ist keines da, beginnen wir Spuren zu lesen – mit der Hoffnung, eine Richtung zu finden. Haben wir ein Ziel erreicht, beginnt etwas in uns Unruhe zu stiften. Neue, andere Ziele drängen sich plötzlich vor, lassen das Erreichte oft vergessen.
Der Jäger ist an sich immer unzufrieden, nie ganz glücklich also (könnte er Glück jemals ertragen?). Der Jäger ist immer auf der Hut, stets auf dem Sprung, bereit, Altes loszulassen um Neues zu erkunden.
Der Jäger hat eine lange Vergangenheit. Und manchmal, gerade in der modernen Zeit, sehnt er sich nach seinen alten Waffen: Schwert, Pfeil und Bogen.
Der Jäger ist auch ein Ritter, zugleich Diener, Mönch, Burgherr oder Gärtner. Er ist Geliebter einer Herzdame und zugleich ein Gejagter von Dämonen, immer auf der Flucht vor sichtbaren und unsichtbaren Feinden.
Zu seiner Seite reitet ein Knappe, ein „Sammler“, eine gute Fee, ein Kumpan, Kampfbruder und Berater. Der Jäger ist nie ganz allein. Die Mächte umgeben ihn, helfen oft und lassen ihn auch im Stich – so… wie es beschlossen wurde...
Golden-orange strahlte der Himmel in den Abend hinein. Das weite Ackerland lag nun ausgestreckt und zum nächtlichen Schlaf bereit. Nur in einer niedrigen Spelunke aus Lehm und Gras – da tobte noch kurz das Leben.
„Die Jäger und Sammler, ha, ha...!“, grölte eine Stimme. Die anderen Männer fielen in das herbe Gelächter mit ein und stemmten derb die Met-Krüge zum Mund. Sie lachten und soffen und das Gebräu lief ihnen aus den feisten Mundwinkeln auf die dicken Bäuche. Ein paar fassten sich in die Hose und manche, statt zum Pissen vor die Tür zu gehen, ließen das Wasser einfach laufen, wo sie standen. Die Bauern waren in ihren Augen arme Teufel, die nur zum Säen taugten. Das Ernten dagegen besorgten sie – oder andere... oder noch andere...
Ein alter Sammler wälzte sich unruhig umher. Er selbst, der junge Jäger, stocherte in der weiß-roten Glut des Feuers herum. Das Wasser war aufgesetzt.
„Stimmt es, dass wir weiter nur Leibeigene sind?“
Die Blicke des alten Mannes bohrten sich in die blaugrauen Augen des Kämpfers. Der hatte einen zottigen Bart, wuchernde Augenbrauen und freundliche Lachfalten um Augen und Mundwinkel. In die Lederhaut seines zerfurchten Gesichtes zog sich ein breites Grinsen.
„Ja, Alter. Wir sind Leibeigene. Für den Adel und manch andere Leute...“
Die Sonne blieb im satten Gebüsch hinter ihnen nur kurz hängen, dann verschwand sie ganz. Die Dunkelheit betonte nun das sorgenvolle Gesicht des Alten.
„Wir selbst“, sagte der Jäger, „sind so frei wie die Vögel am Himmel“. Er rührte mit einem breiten Löffel im Wassertopf. „Wir sind Jäger, und... wenn wir wollen, können wir frei sein...“. Er rührte weiter und schwieg dann eine Weile. Verflucht, Alter! Wir sind frei. Was die anderen darüber meinen... sollen die denken, was sie gerne haben!“ Er verschwieg dabei nicht, dass auch ein Vogel viele Feinde habe, und dass die Freiheit selbst eine sehr schwierige Angelegenheit sei. Der Alte nickte nur. - „Von uns auf diesem Erdball, Alter, ist niemand frei...“, philosophierte der Jäger nun mit leiserer Stimme, als ob er Angst hatte, belauscht zu werden.
„Niemand ist frei, solange er an diesen Planeten gebunden ist – an eine Form – an ein Leben – an... (ein kurzes Zögern) ... eine Wesenheit“.
Er wurde von allen Aufgaben entbunden,
Er wurde in eine lange Einsamkeit geschickt...
... in der nur eines wichtig war:
auf den einen Auftrag zu warten –
Ein Jäger zu sein...
Bist Du es einmal, bist Du es immer...
Der Jäger/ die Jägerin...
„It will be a deseaster“ (ein song...)
Er hatte zugenommen. Voll und unbeweglich war er geworden. Er zog die Vorhänge zu, griff nach dem Glas Sherry und ließ sich auf die weiche Couch fallen. Er saß im Wohnzimmer, das Licht nur halb aufgedreht. Seine Freundin Carmen im gegenüberliegenden Zimmer schlief bereits. Die Radionachrichten ließ er gleichgültig an sich vorüberlaufen - bald würde Musik kommen. Zuvor hatte er sich noch Szenen eines düsteren Fernsehspiels um Schuld und Vergebung angesehen. Eine verheiratete Frau hatte darin gesagt: “Seit ich hier mit meiner Familie sitze, habe ich das Gefühl, dass das Leben da draußen an mir vorüberzieht.” Er ging diesen Satz nochmals für sich durch, leerte das Glas Sherry und blickte verloren auf den weichen Teppich. Unwillkürlich glitt seine Hand dabei über seinen Bauch, der gerade in letzter Zeit an Umfang zugenommen hatte.
“Den Sprung ins Leben – hab’ ich den verpasst?”, dachte er bei sich und es fielen ihm gleich mehrere Ereignisse und Begegnungen ein, die auch anders hätten verlaufen können. Wo stand doch gleich die Flasche? Zitternd goss er ein weiteres Glas ein und suchte mit den Augen im Zimmer nach einem Anhaltspunkt, der ihm hätte weiterhelfen können. Immer hatte er nach einem Weg gesucht, weiterzukommen - dann aber, wenn er mitten drin war, hatte er sich schneller zurückgezogen als der angegriffene Arm eines Tintenfisches.
Als er mit fünf Jahren ins „neue” Haus übergesiedelt war - ein mit schwarzen Brettern beschlagenes Haus, das aus Balken und Ziegelsteinen aus dem Abfall des Zweiten Weltkrieges von einem alten Zimmermann erbaut worden war - provisorisch aber stabil - da spürte er von Anfang an ein gewisses Unbehagen in sich. In der Kleinstadt, in der er geboren worden war, inmitten eines alten Meteoritenkraters, waren sie zwar nur Untermieter gewesen, aber das Haus war nahe an einem romantischen Fluss gelegen, direkt neben einer Sägemühle, die stets warmen Holzgeruch verbreitet hatte. Und da waren Kinder, mit denen er sich gut verstanden hatte.
Auch dieser Punkt schien in dem fränkischen Vorort ein anderer zu sein.
“Da sollen wir wohnen?”, hatte er ängstlich seine Mutter gefragt und war ungläubig durch den verfallenen Garten rund um die “schwarze Villa” gegangen, wie Oma das Haus bald Scherzes halber nannte. Und ängstlich war er die knarrenden Treppen zum Dachboden hochgekrochen, das in seinem Dunkel, den rauen Balken und dem dunklen Boden geheimnisvoll als eigene Welt symbolisch für das Haus stand. Beinahe “ergänzend”, dem Haus vorgelagert, stand noch eine ebenso schwarze Bretterhütte, in der Holz gelagert wurde. Zusammen mit den daneben stehenden zwei Zwetschgenbäumen machte sie es dem Sonnenlicht fast unmöglich, ins Haus zu scheinen. Die Fenster waren klein und durch je ein Fensterkreuz in sich selbst nochmals verkleinert. Die Wäscheschnüre hingen quer durch die Küche. Das Klo, auch aus dunklen Brettern zusammengenagelt, stand draußen im Garten und das Wasser musste von einem zentral gelegenen Siedlungsbrunnen geholt werden.
“Ich höre die Wölfe heulen und mir ist nicht warm”, sang gerade Johannes Wader, der Jäger kippte den Rest Sherry hinunter, seine Augen schienen wie in Trance und er sah sich als Sechsjährigen, die rote Bügeldecke zum Umhang gemacht als Ritter im Dickicht des Gartens gegen Drachen und schlechthin gegen das Böse kämpfen.
Er kämpfte viel allein – denn nur zwei oder drei Familien und deren Kinder mochten ihn. Die anderen hielten ihn für einen Schwächling und seine Eltern waren “Flüchtlinge” für sie – “Hergezogene” sowieso. Nachbarn, die nicht gerufen waren; er aber kämpfte im Garten – im Dunkel des Dachbodens und glaubte an Gut und Böse, den Teufel und an Gott. Er war Sigurd, Falk, Nick und Tarzan, Akim und Zorro und sonst ein braver Sohn, manchmal zu brav vielleicht.
“Bloody Sunday” – ein irisches Trauerlied zum Gedenken an ein Massaker. Die Flasche war noch halb voll.
Der Jäger fühlte, dass er in einem “Käfig” saß und einen Schlüssel suchte, herauszukommen. Hatte er irgendwann das tapfere Schwert seiner Kindheit irgendwo liegengelassen und vergessen? Er rief Jürgen an. Er musste mit ihm reden. Keiner kann sich allein aus einem Sumpfloch ziehen. Carmen hatte keine Schuld daran. Das Telefon schrillte in die Leere hinein. Jürgen war nicht zu Hause.
Dann kam das Wochenende und die Post, adressiert an Tom Jaeger. Kein Absender. Carmen hatte diese Tage Nachtdienst als Krankenschwester und schlief bereits. Tom setzte sich. War das sein richtiger Name? Egal, derzeit hieß er so. Und hatte als Journalist ein Inserat aufgegeben: „Vermisst? Kennen Sie in ihrem Umfeld eine Person, die vermisst wird? Vermissen Sie selbst jemand? Bitte wenden Sie sich an mich! Ich versuche Ihnen zu helfen, dafür darf ich ihre Story schreiben!“
Nach zwei Wochen kam nun tatsächlich eine Antwort, von einer Frau um die vierzig, deren Ehemann unter mysteriösen Umständen verschwunden ist. Anbei war auch ein Schwarz-Weiß Foto. Es zeigt einen gepflegten Mann mit leicht welligen, dunklen Haaren und einem Schnurrbart.
Und er las folgenden Text:
„Ich hoffe, ich kann Ihnen vertrauen, Herr Jaeger, aber letzten Endes hab ich nichts zu verlieren. Ich bin mit meinem Mann Jochen seit zehn Jahren zusammen und weiß, dass ich nur einen Teil von ihm kenne. Er arbeitet für den Bundesnachrichtendienst und darf mir so gut wie nichts über seine Tätigkeit erzählen. Aber jetzt ist er verschwunden – und der BND ist nicht bereit, mir nur irgendetwas zu sagen. Folgendes ist passiert: vor acht Wochen verbrachte Jochen endlich mal wieder ein Wochenende bei mir und da bin ich natürlich überglücklich gewesen. Irgendwie war sein Mantel an einem Platz, der mich störte und so nahm ich ihn, um ihn an der Garderobe aufzuhängen. Und da sah ich es: einen Stadtplan von Tanger. Natürlich ließ ich ihn in seiner Manteltasche. Als er sich dann Montag-Morgen von mir verabschiedete, sagte er nur, dass er nach Frankreich reisen müsse. Und es würde höchstens eine Woche dauern, dann käme er wieder zurück. Das sei ihm fest versprochen worden! Ich sah ihm noch nach, als er in ein Taxi einstieg. Das war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen hatte. - Als er nach einer Woche nicht auftauchte, dachte ich mir noch nicht viel dabei, aber normalerweise rief er mich dann kurz an oder schickte mir eine Postkarte. Aber er meldete sich nicht. Nach zwei Wochen rief ich beim BND an, aber niemand konnte oder durfte Auskunft geben. Ich ging auch zur örtlichen Polizei und ließ eine Vermisstenanzeige aufsetzen. Bislang hatte ich auch damit keinen Erfolg. Auch die Polizei bekam beim BND nichts heraus. Nun habe ich Ihr Inserat entdeckt und denke inzwischen, dass ich nichts zu verlieren habe. Anbei eine Telefonnummer, über die sich mich immer zwischen 21 und 23 Uhr erreichen können. Bitte versuchen Sie es, eine Spur meines Mannes zu finden. Ich verspreche somit auch, dass Sie damit eine/ meine Geschichte zur Thematik <vermisst> veröffentlichen dürfen!
Seien Sie herzlich gegrüßt und passen Sie auf sich auf!
In der Hoffnung, bald von Ihnen zu hören, Ihre Beatrix Hahnel.“
Tom Jaeger, „der Jäger“, spürte, wie sein Puls schneller ging. Er hatte „etwas“. Endlich wieder eine Story. Eine mögliche zumindest. In den letzten Wochen hatte er hauptsächlich Buchrezensionen und Filmkritiken verfasst. Die letzte Reportage lag Wochen zurück und ging über Kürzungen im Sozialstaat, die gerade auch die Rettungsdienste betrafen. Aber diese Geschichte war um einiges anders. Die Frau vertraute ihm. Aber konnte er ihr vertrauen? Und das mit dem BND, konnte das stimmen? Tom las den Brief zweimal durch. Die Spur führte nach Tanger. Oder war der Stadtplan nur eine Finte? Und Frankreich stimmte?
Tom verließ das Haus in seinen Lieblingsklamotten, hellblaue Jeans und Jeansjacke, und hatte wieder einmal einen drei-Tage-Bart alias Schimanski. Die braune Fototasche über der linken Schulter, in der auch seine Notizbücher und ein kleines Aufnahme Gerät Platz hatten, näherte er sich seinem weißen Fiat Panda, den eine gute Freundin „Perikli“, „die weiße Taube“, getauft hatte. Er wollte gerade die Straße überqueren, als nochmals eine Reihe an Autos vorüberfuhr. Tom blickte gedankenverloren auf ein dunkles Auto, das hinter dem Fiat stand, als er sah, wie das eine Seitenfenster nur ein wenig herabgelassen wurde. Eine Kamera! Dann das Anlassen des Motors, kurzes Zurückstoßen, schnelles Wenden und das Losbrausen des dunklen Opel Corso in die Gegenrichtung. So schnell, dass Tom sich nur die Buchstaben vom Nummernschild merken konnte: B-ND. In der „weißen Taube“ sitzend, zündete sich Tom erst einmal eine Zigarette an.
Am Tor des Polizeipräsidiums streckte der Jäger seinen Journalistenausweis zum Fenster hinaus und gleich darauf öffnete sich die Schranke. Auch auf der Rückbank hatte er ein orangenes Schild „Presse“ liegen. Das half in solchen Momenten. Und zudem hatte er damit auch Zugang zur Polizeikantine. Das war der erfreulichste Teil dieses Tages. Aber zuerst wartete Kommissar Geisslinger auf ihn.
Das war der unerfreulichste Teil des Tages. Geisslinger konnte ihm praktisch nicht helfen. Ja, diese Vermisstenanzeige betreff „Jochen Hahnel“ wurde aufgegeben, aber der BND schwieg. Es gab da keine Verpflichtung, der Polizeibehörde eine Auskunft zu geben. Und die Frage „Tanger oder Frankreich?“
Geisslinger, gemütlich, kleines Bäuchlein, grinste freundlich. „Spielen Sie Detektiv, Herr Jaeger, aber jetzt gehen wir erst einmal in unsere Kantine!“
Als der Jäger nach Hause kam, war Carmen bereits zum Nachtdienst unterwegs. Tom machte sich ein Sandwich mit Käse und Schinken, trank ein Pils und holte dann die Schreibmaschine hervor. Er hatte sich die Adresse von der deutschen Botschaft in Tanger besorgt. Er schrieb alles, was zum Fall Jochen H. nötig war und bat neben der Vermisstensuche um nähere Auskünfte, was Tanger für Agenten interessant machen könnte. Und er bat um Vertraulichkeit.
Montagfrüh gab er den Brief als Einschreiben auf. Damit begann erneut eine Wartezeit. Aber, das wusste Tom: warten können gehörte zu seinem Beruf. Und über die sozialen Strukturen von Tanger konnte er sich auch über andere Quellen ein Bild machen. Tatsächlich ist Tanger die offenbar einzige Stadt im Norden Marokkos, die nicht nur ein Tor nach Afrika bietet, sondern auch Fährverbindungen nach Europa. Und gehörte Tanger früher zumindest auch den Künstlern, so gehört sie wohl schon immer der Kriminalität. Die Altstadt, die sogenannte Kasbah, wird schon lange von der eigenen Mafia kontrolliert. Oberhalb der Altstadt, in den Cafés am Petit Socco, wurden lange Zeit Drogen, Waffen, Autos und Frauen gehandelt. Zudem, so erfuhr Tom von einem Polizisten, sind unweit der Stadt, im naheliegenden Rifgebirge, große Haschisch-Anbaugebiete. Der vermisste Jochen H. Ist nach Frankreich gefahren? Das kann der Jäger fast nicht mehr glauben. Tanger, das fühlte er, war eine Stadt, die auch den Geheimdiensten gehörte.
Nach zehn Tagen kam dann der Brief von der deutschen Botschaft in Tanger:
„Sehr geehrter Herr Jaeger,
leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass uns nichts über eine Person namens Jochen Hahnel und somit auch nichts über sein Verschwinden bekannt ist. Allerdings wird Tanger auch von vielen sogenannten Aussteigern genutzt, um in Marokko oder angrenzenden Ländern ein neues Leben zu beginnen. Außer Algerien könnte Herr Hahnel praktisch in sämtliche Anliegerstaaten einreisen. Und: in Tanger ist grundsätzlich alles verkäuflich. Aber unserer Meinung nach ist die Stadt zu klein, um dort völlig unterzutauchen.
Anbei haben wir Ihnen einen Katalog vom hiesigen Reisebüro beigelegt, aus dem Sie vielleicht ein paar brauchbare Informationen gewinnen können.
Wir wünschen Ihnen weiter viel Erfolg,
hochachtungsvoll ...“
Ein wenig mehr hatte sich der Jäger schon von der Botschaft erwartet. Irgendwie glaubte er nicht, dass die Botschaft über den Vermisstenfall nichts wusste. Vielleicht durfte sie nichts wissen. Weil eben der BND seine Hände im Spiel hatte?
Tom holte sich den Brief von Beatrix Hahnel hervor, in dem auch ihre Telefonnummer steckte, unter der er sie spät abends erreichen konnte. Er wählte diese Nummer und achtete dabei auf jede Ziffer. „Kein Anschluss unter dieser Nummer!“ Das glaubte er jetzt einfach nicht. Er drückte die Wahlwiederholung, dann wählte er die Nummer nochmals neu: „Kein Anschluss...“.
Der Wind schlägt gegen den Balkon. Die zerrissene Verkleidung aus Plastik hämmert gegen abgestellte Bierkästen. Der Wind heult in den Bäumen. Die Bäume sind aber still. Bei allem regnet es und wiederum ist es der Wind, der den Regen vorantreibt. Der die Wolken vor die Sonne schiebt, und vor den Mond.
In die unsichtbare Silhouette Nacht reitet der Jäger auf seinem Schimmel hinein. Sein Umhang flattert im Wind und Pfeil und Bogen schlagen gegen seinen Rücken.
„Wohin, Jäger?“ - Es ist der Wind, der lacht; es sind die Büsche, die sich vor Lachen biegen. „Ha, ha! Du bist nicht allein, du Held! Man sieht dich, man hört dich, ha, ha!“ - Der nasse Sand spritzt unter den wilden Hufen wie von Gewehrkugeln getroffen. Der Wind ist es, der den Sand trocknet und weiter treibt. „Weiter, Held! Jage dein Pferd; jage dich; ha, ha!“ Ein dunkler Schatten fliegt durch die Nacht. Dann ist plötzlich alles hell.
Ein riesiger Kugelblitz erhellt alles und überall ist Staub, sind Mauern aus Staub und stehen Menschen herum wie Schachfiguren, die nicht mehr weiter können, weil das Spielfeld weg ist; verwischt. „Ha – ha!!!“ Wieder dieses nervige Lachen. „Die Spuren sind weg, Jäger! Was willst Du noch? Ha, ha – Du bist der Gejagte – Du, Du, ...!!!“
„Liebst Du mich?“ - „Natürlich liebe ich Dich!“, sagt eine französische Nutte in einem französischen Film zu ihrem Luden, der sie im Auto geschlagen und sie hinausgeworfen hat.
Es regnet tatsächlich draußen, und die Fensterläden würden klappern, wenn welche dran wären. Es ist spät, aber der kurze Vorfall von heute Nachmittag will mir nicht aus dem Kopf.