Daniel Taylor und das dunkle Erbe - Monica Davis - E-Book

Daniel Taylor und das dunkle Erbe E-Book

Monica Davis

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Beschreibung

Digitaler Roman in drei Teilen. Teil 1.

Daniel, der als Außenseiter an der Highschool nicht viel zu lachen hat, entdeckt plötzlich Gefühle für seine attraktive Klassenkameradin Vanessa. Und als ob das nicht bereits verwirrend genug wäre, geschehen auf einmal seltsame Dinge in seinem Leben.

Seine Welt steht kopf, als er von seiner wahren Herkunft erfährt. Daniel wird von den Schatten eines dunklen Erbes eingeholt - ein Erbe, das ihm die Tür zu einer anderen Welt öffnet, der Welt der Dämonen ...

Der Nächster Teil: "Daniel Taylor zwischen zwei Welten"

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Seitenzahl: 188

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Inhalt

Cover

Was ist Daniel Taylor und das dunkle Erbe?

Die Autorin

Titel

Impressum

Daniel Taylor und das dunkle Erbe

Vorschau

Was ist Daniel Taylor und das dunkle Erbe?

Daniel Taylor und das dunkle Erbe ist der erste Teil eines dreiteiligen zeitgenössischen Fantasy-Jugendromans. Die Geschichte spielt in Little Peak, einer typischen Kleinstadt in Kalifornien. Es geht um spannende Abenteuer, große Gefühle und eine folgenschwere Entscheidung.

Daniel Taylor und das dunkle Erbe gibt es als E-Book und als Audio-Download (ungekürztes Hörbuch).

Die Autorin

MonicaDavis ist eines der Pseudonyme einer deutschen Autorin, deren bürgerlicher Name Monika Dennerlein lautet. 1976 in Berchtesgaden geboren, verschlug es sie nach dem Abitur nach München, wo sie ein paar Jahre als Zahntechnikerin arbeitete, jedoch nie ihre Leidenschaft fürs Schreiben verlor. Seit sie sich voll und ganz der Schriftstellerei widmet, sind von ihr 26 Bücher, 6 Hörbücher und zahlreiche E-Books erschienen, die regelmäßig unter den Online-Jahresbestsellern zu finden sind.

BASTEI ENTERTAINMENT

Digitale Originalausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2013 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Stella Diedrich

Lektorat/Projektmanagement: Sarah Pelekies

Titelillustration: © shutterstock/Hanka Steidle/Slava Gerj/majcot

Titelgestaltung: Manuela Städele

E-Book-Produktion: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-8387-2628-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

PROLOG

»Ich hab echt keinen Bock mehr«, murmelte James. Mit dem Handrücken wischte er sich Schweiß und Staub von der Stirn, bevor er sich auf einen Steinquader setzte. In der Pyramide war es stickig und dunkel, seine Nase juckte ständig und er hatte Durst. Bisher hatten sie nicht gefunden, wonach sie alle suchten. Bis jetzt hatten sie noch rein gar nichts gefunden, nichts, außer einer Menge Dreck. Vielleicht lag das Zepter gar nicht in dieser Grabstätte. Ja, vielleicht war es nicht einmal in der Nähe von Kairo! Die Gilde musste sich bei der Entzifferung der Hieroglyphen geirrt haben. Wer glaubte schon, was auf einem jahrtausendealten Tontopf stand?

Ein Zepter, mit dem man sich jeden untertan machen könnte, hätte allerdings was, überlegte James. Als Erstes würde er seinen Archäologieprofessor zur Hölle schicken, der seine Studenten hier schuften ließ, als wären sie Sklaven des alten ägyptischen Reiches. Im Moment wünschte James sich ins Hotel, besonders unter die Dusche und in sein Bett. Ihm tat jeder Muskel weh.

Er hatte sich von ihrer kleinen Gruppe abgesetzt, um in Ruhe seine Mittagspause zu genießen, und befand sich jetzt in einer leeren Kammer abseits der anderen. Draußen in der Sonne war es ihm zu heiß. James wollte keinen in seiner Nähe haben, wenn er in seinen Erinnerungen schwelgte.

Ächzend zog er den Handstrahler, der ein grelles Licht verbreitete, näher zu sich, nahm den letzten Schluck aus seiner Wasserflasche und holte mehrere gefaltete Zettel aus seiner Brusttasche. Es waren Briefe von Anne. James kannte sie schon auswendig, so oft hatte er sie gelesen. Es vermittelte ihm einen Eindruck von Normalität, von Heimat, wenn er sie nur berührte. Anne und er hatten als Kinder Tür an Tür gewohnt und James musste oft an seine Freundin denken. So lang lag das nicht zurück, erst wenige Jahre. Er wünschte, er könne die Zeit zurückdrehen, dann hätte er vieles anders gemacht.

Stell dir vor, las er, in Kürze heiraten Peter und ich. Bald heiße ich Mrs. Taylor und bin die Frau eines zukünftigen Arztes! Es wäre schön, wenn du zu unserer Hochzeit kommen könntest …

Wie immer gab es seinem Herz einen Stich. Seufzend ließ er die Papiere sinken. Anne war nun endgültig vergeben. Seit ihrer Heirat schrieb sie ihm kaum noch. James liebte Annes Briefe. Sie waren seine einzige Verbindung zu einer Welt, in der es keine Dämonen, Wächter oder anderen seltsamen Geschöpfe gab –außer in Mythen.

Als James sich am Kopf kratzte, rieselten Sand und Staub aus seinem Haar, das durch den Dreck mehr grau als braun aussah. James hasste diese trockene, karge Gegend und sehnte sich zurück nach Little Peak. Obwohl das Städtchen mitten in Kalifornien lag, wo es auch oft flirrend heiß war, gab es in der kleinen Stadt wenigstens Grünflächen, Wasser und vor allem Menschen, die er vermisste. Seine Eltern lebten ebenfalls dort. Sie arbeiteten wie er für die Wächtergilde, nahmen aber nicht mehr aktiv an Einsätzen teil. Das überließen sie den Jüngeren oder solchen, die eine Spezialausbildung genossen hatten. Die Aufgabe der Gilde war es, die Menschheit vor allem Übel zu beschützen. Die Wächter waren gewöhnliche Menschen, allerdings so etwas wie Engel auf Erden: verwundbar wie jeder andere Mensch, hatten sie jedoch besondere Fähigkeiten. Sie konnten sogar Energiebälle erscheinen lassen, um sich zu verteidigen. Das Beste war, dass sie sich von einem Ort zum anderen »beamen« konnten. Dematerialisierung und Rematerialisierung nannten sie es, auch Translokation oder einfach Teleportation.

»Du fehlst mir, Annie«, flüsterte James. Er wünschte, er hätte Anne sagen können, wer er wirklich war, stattdessen hatte er ihr stets das verwöhnte Millionärssöhnchen vorspielen müssen, das nur wegen des Reichtums seiner Eltern auf ein Internat ging anstatt auf die Little Peak High. In Wahrheit hatte er in der kalifornischen Stadt Avalon, auf der Insel Santa Catalina vor der Küste von Los Angeles, die Gildenschule besucht. Dort erhielt ein zukünftiger Wächter die bestmögliche Ausbildung. Die Insel war im Besitz der Gilde und lebte von Touristeneinnahmen. In einem großen, umzäunten Gelände, fern von neugierigen Augen, lag die Einrichtung gut geschützt und bewacht zwischen Wäldern und Hügeln, getarnt als Militärbasis.

James war nur in den Ferien zu Hause gewesen. Und nur weil er ein Wächter war, saß er jetzt hier, in dieser dunklen, stickigen Pyramide, um nach dämonischen Artefakten zu suchen. Es gehörte zu seinem Studium.

Die Schüler dürfen die Drecksarbeit erledigen, dachte er. Sie suchten schon seit Monaten nach diesem Zepter. Es würde wohl nie auftauchen.

Schnaubend hielt er einen anderen Brief vor das Licht und betrachtete Annes schöne Handschrift. Peter hat gute Aussichten auf eine Praktikumsstelle im Little Peak Hospital. Wir werden im selben Krankenhaus arbeiten!

James stieß erneut die Luft aus. Peter – warum ausgerechnet Peter Taylor, der Junge mit den Sommersprossen, der in derselben Straße gewohnt hatte wie sie? Der passte überhaupt nicht zu Anne.

Langsam beschlich ihn das Gefühl, dass seine miese Laune nichts mit seinem Job zu tun hatte – der oft ziemlich cool war, wie er zugeben musste –, sondern damit, dass er Anne nicht für sich haben konnte. Gut, das hatte dann doch mit seinem Job zu tun. Wächter sollten unter ihresgleichen bleiben, denn wenn sie mit normalen Menschen Kinder zeugten, schwächten sich ihre magischen Fähigkeiten mit jeder Generation ab. Außerdem war die Organisation streng geheim und gewährte nur selten Außenstehenden Zutritt.

Ein schabendes Geräusch ließ James aufspringen und herumfahren, sein Herzschlag beschleunigte sich. Er hob seine Lampe in die Höhe, um besser in den engen Gang sehen zu können, der zu dieser Kammer führte. Gebannt hielt er die Luft an – aber da war niemand. Lächerlich von ihm zu glauben, er würde tatsächlich einmal auf einen Dämon treffen, zumindest im Rahmen seiner Ausbildung. Normalerweise ließen sich die Unterweltler nicht so einfach blicken, sondern hielten sich bedeckt. Diese Kreaturen mieden Wächter wie die Pest.

Plötzlich stürmte ein Schatten auf ihn zu. »Buh!«

James ließ die Briefe und den Strahler fallen und bildete zeitgleich in seiner Handfläche eine knisternde Energiekugel, bereit, sie gegen den Feind zu schleudern. Sein Puls klopfte wild in seinen Schläfen und ihm stockte erneut der Atem. »Ruben!« Im letzten Augenblick zerdrückte James den Energieball und fluchte: »Verdammt, du Vollidiot! Ich hätte dich beinahe umgebracht!«

Der junge Italiener, dessen blondes Haar genauso staubig war wie das von James, lachte. »Glaubst du wirklich, deine Glitzerbällchen könnten mich verletzen?«

Auch Ruben interessierte sich nicht aus normalen Gründen für Archäologie und Ägyptologie; wie James gehörte er ebenfalls der Wächtergilde an.

»Ich geb dir gleich mal ’ne Kostprobe von meinen Glitzerbällchen«, murrte James. Ihre Energiegeschosse waren tatsächlich nicht besonders stark – wenn man es allerdings schaffte, eine richtig große Kugel geballter Elektrizität zu erzeugen, sollten damit Dämonenangriffe abgewehrt werden können. James würde viel lieber seine Kampfeskraft trainieren, anstatt hier im Dreck zu wühlen. In zwei Wochen würde er zurück nach Kalifornien fliegen, um endlich das letzte Kapitel seiner Wächterausbildung zu beginnen: Verteidigung und Transportation! Ihre Gruppe war zwar schon in gewissen Fertigkeiten ausgebildet worden, aber manche Studenten – so wie er leider auch – brauchten noch ein wenig Nachhilfe in Sachen Magie.

Ruben schlenderte auf ihn zu. »Was machst du hier, Jimmy, amico mio? Heimlich die Briefe deiner Liebsten lesen, anstatt zu arbeiten?« Als er »Amore mio« zu singen begann, verdrehte James die Augen und sagte grollend: »Das geht dich gar nichts an. Außerdem hab ich jetzt Pause.«

James mochte Ruben, doch er hasste es, wenn der ihn Jimmy nannte. Er war immerhin zwei Jahre älter als sein Kommilitone.

»Uh, Liebeskummer.« Ruben grinste.

James schenkte ihm einen finsteren Blick, der Ruben rückwärts aus der Kammer drängte.

Abwehrend hob er die Hände. »Sì, sì, ich gehe in mein eigenes Loch zurück. Du weißt ja, wo du mich findest, Jimmy.« Ruben zwinkerte. »Wenn du mal drüber reden willst …«

»Nein!« Jetzt musste selbst James lachen. Reden – ja, das konnten sie am besten, die Italiener. »Aber falls du ’ne Flasche Wasser übrig hast, überleg ich’s mir.«

»Ich hab ’ne ganze Kiste!«, hallten Rubens Worte durch den dunklen Gang. »Ich mach dir auch ’nen Sonderpreis!«

»Lügner!«, rief James schmunzelnd zurück. Er sah seinen Kollegen längst nicht mehr, sondern hörte nur noch dessen Schritte. Ruben hatte einen schmalen Zugang zu einer Belüftungskammer gefunden, wo er Getränke und »andere Dinge« bunkerte, die er den Studenten für teures Geld verkaufte. Wenn ihr Professor das herausbekam, würde Ruben fliegen. Er schien es richtig drauf anzulegen …

Sie waren zu fünft im Team, plus der Professor, und sie alle arbeiteten immer zusammen an einer Stelle, unter den Argusaugen des alten Mannes. Damit bloß niemand auf Dummheiten kam, sollte jemand auf ein Artefakt stoßen. Offiziell wusste natürlich keine der ägyptischen Behörden, wer sie waren. Sie hatten sich als Wissenschaftler ausgegeben und eine Sondergenehmigung bekommen, für ein paar Wochen »Messungen« durchführen zu dürfen.

Mithilfe modernster Apparaturen hatte die Gilde einen konstanten, aber sehr schwachen Energieimpuls gemessen, der sich nicht genau lokalisieren ließ. Deshalb folgerten ihre Gelehrten, dass sich dunkelmagische Relikte in dem Bau befinden mussten, die eine schwache elektromagnetische Strömung absonderten. Jetzt arbeiteten sie mit Hochdruck daran, in der kurzen Zeit etwas zu finden.

Es war schon unheimlich im Bauch einer Pyramide. Manchmal wurde die Stille von leisen, unerwarteten Geräuschen unterbrochen, einem Rascheln, Rieseln, Poltern. Auch wenn er sich sagte, dass vermutlich kleine Tiere oder bröckelnde Steine die Ursache waren, konnte das selbst James noch eine Gänsehaut einhauchen, und dabei arbeitete er bereits drei Monate fast jeden Tag hier drin.

Als von seinem Freund nichts mehr zu hören war, machte sich James daran, die Briefe aufzusammeln. Er schnappte sich die Lampe, die zum Glück so robust war, dass sie den Sturz überlebt hatte, und pustete von jedem Zettel den Staub, bevor er ihn faltete und in seiner Brusttasche verschwinden ließ.

Das letzte Papier lag an einer Seitenwand der Kammer. James stutzte, als er es aufhob. Da war deutlich etwas auf dem unteren Mauerstein eingraviert. James zog die Lampe näher, dann fegte er mit einem dicken Pinsel den Sand von der Stelle und sog die Luft ein.

»Das Horusauge«, flüsterte er und kniete sich auf den Boden, um es besser erkennen zu können. »Das gibt’s doch nicht.« Dieses Symbol stand für Schutz und Macht. Hier wurde eindeutig etwas Bedeutendes versteckt …, hoffte James. Das war keine Grabkammer, deshalb hatten sie an diesem Ort noch nicht gesucht. Eigentlich schien dieser Raum unbedeutend zu sein. Er stand ziemlich weit hinten auf der Liste des Professors.

Ehrfürchtig fuhr James mit dem Zeigefinger die eingeritzte Augenbraue und die ovale Spur nach, die einem Falkenauge nachempfunden war. Danach richtete er sich auf. Sollte er die anderen holen?

Nein, diese Entdeckung wollte er ganz allein machen. Das würde ein perfekter Abschluss werden, da seine Ausbildung ohnehin in drei Monaten beendet war.

James holte sein Werkzeug und begann, mit einem dünnen, scharfen Instrument den Zement zwischen den Fugen des Steins herauszuschaben. Normalerweise war der Zement extrem hart, auch nach so vielen Jahrtausenden, aber zu James’ Überraschung ließ er sich leicht beseitigen. Das Material war völlig anders. Hier hatte also jemand nach dem Bau der Pyramide etwas versteckt.

Mit einem Keil lockerte er den Stein, bis er ihn herausziehen konnte. Das kratzende Geräusch des kleinen Quaders jagte James eine Gänsehaut über den Körper, und immer wieder blickte er sich um, ob keiner kam. Sein Puls klopfte laut in den Ohren.

Er legte sich auf den Bauch und spürte sein Herz hart gegen die Rippen schlagen. Den Strahler hielt er genau vors Loch. James sah nichts außer Staub. Allerdings erblickte er weiter hinten eine Kante. O Mann, er musste da hineingreifen! Was, wenn ihn nun gleich eine knochige Hand packen oder eine Horde Skarabäen über ihn herfallen würde, so wie er das aus Horrorfilmen kannte? Das hier ist aber die Realität, machte er sich Mut und streckte den Arm aus, bis er mit der Schulter an der Wand anstieß. Er tastete sich an der Kante abwärts und zuckte zurück, als er etwas Raues und Nachgiebiges fühlte. Da lag wirklich etwas!

»Komm schon«, zischte er und führte seine Hand erneut in den Hohlraum. Schweiß lief ihm aus dem Haar und tropfte von seiner Nase auf den staubigen Boden. Die Zähne fest aufeinandergepresst und mit angehaltenem Atem griff James zu. Das Bündel war sperrig, und er musste es erst drehen, bevor er es herausholen konnte. Das Ding war richtig schwer! Es bestand aus einem grob gewebten Stück Stoff, in dem sich ein harter, länglicher Gegenstand befand – soweit James das ertasten konnte. Obwohl seine Hände heftig zitterten, wickelte James ihn behutsam aus. Als ein goldener Stab zutage kam, an dessen Spitze ein Schlangenkopf saß, der ebenfalls aus Gold war, konnte James sein Glück kaum glauben. Das Zepter, das musste es sein!

Mann, das war heute sein großer Tag; unbegreiflich! Das Blut rauschte so heftig durch seinen Schädel, dass ihm schwindlig wurde. Er musste den anderen Bescheid geben, aber erst wollte er wirklich sicher sein, dass er das echte Artefakt gefunden hatte. Er wollte sich keine Blöße geben.

Nichts anfassen, holt mich sofort, wenn ihr etwas gefunden habt!, hallten die Worte des Professors durch James’ Kopf.

Klar, damit du die Lorbeeren einheimsen kannst, Alter.

James warf das Tuch auf den Boden. Als er das blanke Metall berührte, kam es ihm so vor, als würde es vibrieren. Die Schwingungen durchdrangen all seine Zellen. Phänomenal!

James drehte das Zepter herum und erkannte eine Inschrift, die sich vom Kopf bis zum Ende des armlangen Stabes zog. Es waren Hieroglyphen, die James mühelos lesen konnte. Altgriechisch, Latein, Hebräisch, Sumerisch und natürlich auch die Bedeutung der Hieroglyphen wurden an der Gildenschule gelehrt. Die Gilde, die schon seit Jahrtausenden existierte, hatte die alten Sprachen nie vergessen, während die normalen Menschen erst seit der Entschlüsselung des »Steins von Rosetta« die Zeichen lesen konnten. Wie hatte er also daran zweifeln können, dass Mitglieder der Gilde, die die alten Sprachen bis zur Perfektion beherrschten, sich geirrt hatten?

James las von oben nach unten und wisperte die alten Worte: »Peret … em-bah netjer …« Ein Kribbeln lief über sein Rückgrat; die Härchen auf seinen Armen stellten sich auf. Der Stab in seiner Hand wurde wärmer, vibrierte stärker und begann zu leuchten! Eine dunkle Macht ging auf James über, nistete sich in seinem Herzen ein und ließ es schneller und kräftiger schlagen.

»Wahnsinn«, flüsterte er ehrfürchtig und dachte: Verdammt, was hab ich getan? Aber schon wenige Sekunden später waren die Warnungen des Professors vergessen. Wer war schon der Professor? Er, James, war jetzt allen überlegen!

Es hieß, die Götter der alten Pharaonen seien Dämonen gewesen. In genau diesem Moment bezweifelte James das nicht. Die meisten Pharaonen waren fähige Herrscher gewesen, die für ihr Volk gesorgt und Handel und Kultur gefördert hatten. Aber die Dämonen hatten die Herrscher gelenkt. Zuerst hatten sie die ägyptische Kultur zur Weltmacht erhoben, um Macht über viele zu erringen, dann hatten sie die Pharaonen verdorben oder sich selbst für sie ausgegeben, um Kriege heraufzubeschwören, Menschen zu unterjochen und zu versklaven – um Elend herbeizuführen und daraus ihre Kraft zu beziehen. Denn Dämonen nährten sich von negativer Energie oder von Seelen.

Dazu hatten sie auch verschiedenste Artefakte geschaffen, mit denen sie die Menschen leichter manipulieren konnten. Das Zepter der Macht sollte eines der mächtigsten Gegenstände sein. Und nun hielt er es in seiner Hand!

Die Stimme der Vernunft, die ihm irgendwo aus den entlegensten Windungen seines Gehirns zuflüsterte, dass er unwahrscheinlich dumm gehandelt hatte, das Zepter zu aktivieren, verstummte ebenfalls. James hatte nicht anders gekonnt, dieses Artefakt hatte ihn regelrecht dazu »gezwungen«! Und er bereute nichts.

Das Glühen verebbte, doch das Gefühl der Macht blieb. James fühlte sich fantastisch!

Als er diesmal ein Geräusch hinter sich hörte, zuckte er nicht zusammen. Er wusste, dass er schier unbesiegbar war.

James drehte sich um. »Ruben, du wirst es nicht glau …«

Aber da stand nicht sein Kollege, sondern eine wunderschöne Frau mit schwarzem Haar, das ihr in Wellen über die Schulter floss. Sie trug ein Gewand aus weißem Leinen und an ihre Brust hielt sie ein Bündel gedrückt. Sie hätte eine erstklassige Ägypterin aus der alten Zeit abgegeben.

Was suchen Sie hier?, wollte er fragen, doch dann glühten ihre Augen kurz auf.

James wich zurück. »Was …« Er roch Ozon. Sie war eine Dämonin! Ja, es bestand kein Zweifel. Der Geruch deutete darauf hin, dass sie soeben durch ein Dämonenportal gekommen sein musste. Wenn die Unterweltler mit der Hand einen Kreis auf einen festen Gegenstand zeichneten, entstand in einem bläulichen Ring aus Energie ein Tor, durch das sie überallhin reisen konnten.

Wow, war sie schön! James war wie gelähmt. Vor ihm stand tatsächlich eine waschechte Dämonin, und er starrte sie nur wie ein Geisteskranker an.

Die dunklen Augen, die ihm fast so schwarz erschienen wie ihr Haar, waren aufgerissen. »Lass es sofort los!«, befahl sie ihm.

Schlagartig kehrte sein klarer Verstand zurück. »Willst du etwa das hier?« Demonstrativ hielt James den Stab vor sich. Meine Güte, er konnte nicht begreifen, wie fantastisch er sich fühlte! Er hatte auch nicht die geringste Angst vor der schönen Unterweltlerin, die ihn wohl am liebsten mit ihren Blicken getötet hätte.

Ein Energieball formte sich in James’ Hand, der so unwahrscheinlich groß und hell strahlte, dass er die junge Frau sicherlich damit vernichten könnte. Sogar seine Kräfte hatten sich vervielfacht! Seine Kugel wuchs in der Hand an. Cool. Das Zepter musste ihn mit zusätzlicher Energie versorgen, und James fühlte bereits wieder, dass er der Macht des Artefaktes verfiel.

Trotz der Gefahr, die von James ausging, trat die Frau einen Schritt auf ihn zu. »Leg es hin oder deaktiviere es, aber mach schnell!« Obwohl ihre Stimme scharf klang, ließ sie wohlige Schauer über seinen Körper rieseln.

»Wieso sollte ich darauf hören, was mir eine Dämonin befiehlt?«, grollte er und wollte eben sein Geschoss auf die Frau werfen, als eine Bewegung in ihrem Bündel seinen Blick ablenkte.

Sofort drückte sie es fester an ihre Brust. Was trug sie bei sich? Erst als James ein Büschel schwarzen Haares aus dem Stoff hervorlugen sah, erkannte er: Es war ein Baby.

Er konnte doch unmöglich ein Kind töten!

Die Dämonin stand einfach nur vor ihm, ohne jeden Versuch, ihn anzugreifen oder das Zepter an sich zu reißen, und … Moment, das mit dem Baby konnte ebenso gut ein Trick sein!

Plötzlich murmelte sie einen Spruch, und keine Sekunde später waren sie von einer schillernden Kugel umschlossen, die aussah wie eine überdimensional große Seifenblase.

James wirbelte herum. »Was hast du gemacht?«

»Ich gebe uns mehr Zeit«, sagte sie. »Ich habe uns in eine Kapsel eingeschlossen, in der die Zeit viel langsamer abläuft.«

Wow, die Dämonin besaß außerordentliche Fähigkeiten!

»Wie konntest du das Zepter aktivieren?«, fragte sie. »Kein normaler Mensch kann das, und du bist auch kein Dämon!«

Sie starrte auf den Energieball, der in James’ Hand weiter anwuchs. Er spürte seine unheilvolle, todbringende Macht.

»Du bist ein Wächter!« Ihr Gesichtsausdruck entspannte sich. Nun schaute sie nicht mehr wie ein Racheengel aus. Leider wirkte sie auf James dadurch noch anziehender. Sie verkörperte das absolut Böse, sah aber so gar nicht danach aus. Sie beide waren sich so ähnlich, und doch vertrat jeder von ihnen eine andere Seite.

Vor vielen Jahrtausenden hatte sich ihre Art geteilt. Eine Gruppe von magiebegabten Druiden hatte sich in zwei Lager gespalten. Die einen hatten die Auffassung vertreten, mit ihren Kräften nur Gutes zu bewirken, die anderen nutzten ihre Macht lediglich zum eigenen Vorteil. Sie hatten sich in ihre eigene düstere Welt zurückgezogen, um fortan die Menschheit zu verderben und zu unterjochen.

Die Dämonin deutete auf das Zepter. »Du musst die Aktivierung rückgängig machen! Lies die Inschrift von unten nach oben, schnell!«

»Wieso?«, fragte er.

Sie schüttelte den Kopf, als würde er die Antwort kennen, wäre aber zu dumm, sie zu begreifen. »Weil du sonst nicht mehr lange leben wirst. Sie werden die Macht des Artefakts spüren und sofort herkommen!«

James brauchte nicht nachzufragen, wen die Dämonin mit »sie« meinte. »Woher weißt du das alles?«

»Ich bin die Hüterin dieses Zepters.«

Die Hüterin? Das wurde ja immer besser: eine Dämonin, die ein schwarzmagisches Artefakt bewachte, anstatt es für sich zu nutzen? Doch da lag ein Ausdruck in ihren Augen, etwas Gütiges, was ihn tatsächlich dazu veranlasste, ihr zu glauben. Der gewaltige Energieball verpuffte in seiner Hand, was die Dämonin mit einem erleichterten Seufzen zur Kenntnis nahm.

James las die Inschrift rückwärts und fühlte sofort, wie die Macht von ihm abfiel und durch seinen Arm regelrecht in das Zepter zurückgesogen wurde.

James erschauderte. Er konnte jetzt wieder völlig klar denken … und er war der Dämonin schutzlos ausgeliefert.

Die Blase waberte gefährlich. Plötzlich zuckte die Frau zusammen und runzelte die Stirn. Sie schien in sich hineinzuhören. Ihre Miene verfinsterte sich. »Sie sind in Aufruhr! Bald weiß Xandros Bescheid!«

Wer ist Xandros?, überlegte er, doch da fiel es ihm ein: »Der Herrscher der Unterwelt!«

»Und auch … mein Vater«, flüsterte sie.

Das Baby in der Tuchschlinge begann leise zu weinen. Die Dämonin streichelte sein Köpfchen und flüsterte beruhigende Worte, bevor sie sich erneut an James wandte: »Ich muss weg. Ich kann die Zeit nicht ewig ausdehnen.« Schweiß glitzerte auf ihrer Stirn. Der Zauber kostete wohl ungeheuer viel Energie. »Sie werden bald hier sein. Die Erschütterung der Macht war bis in die Unterwelt spürbar.«

James wusste als Wächter natürlich, dass sich die Dämonen mental untereinander verständigen konnten. Sie waren alle kognitiv miteinander vernetzt. Mit nur einem Gedanken könnte die Dämonin sie hierherführen.

Sie bückte sich nach dem Tuch, in das das Artefakt eingewickelt gewesen war, und streckte die Hand aus. »Gib mir nun das Zepter.«

»Ganz bestimmt nicht«, sagte er, nur klang es nicht sehr überzeugend.