Dänische Volksmärchen - Svend Grundtvig - E-Book

Dänische Volksmärchen E-Book

Svend Grundtvig

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Beschreibung

Unlängst erschien bei BoD - Books on Demand ein Band mit Volksmärchen aus Dänemark, die gesammelt waren vom Begründer der dänischen Volkskunde, Svend Grundtvig (1824-1883). Diese Märchen wurden weitgehend so wiedergegeben, wie sie mündlich erzählt worden waren. Hier folgt nun Grundtvigs letztes Buch, das 1884 nach seinem Tode veröffentlicht wurde, nachdem er während der Arbeit daran plötzlich verstorben war. Bei den darin enthaltenen Texten handelt es sich um Nacherzählungen aus seiner Feder, also literarische Bearbeitungen. Diesen liegen zum Teil dieselben Geschichten zugrunde, die auch in Volksmärchen aus Dänemark zu lesen waren. Allerdings weisen sie nun einen erheblich größeren Umfang auf, da sie sehr viel mehr ins Detail gehen. Vielfach erscheinen sie nun unter einem anderen Titel. Manche sind auch in ein anderes, nämlich königliches Milieu verpflanzt, oder mehrere Märchenmotive sind zu einem neuen Märchen verbunden. Die Illustrationen von acht dänischen Künstlern jener Zeit sind, so gut es ging, dem dänischen Original entnommen.

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Seitenzahl: 223

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Ähnliche


„Rein und klar soll der Vorzeit Stimme der Zukunft das Heute zu Ohren bringen.“

Inhalt

Vorwort des Übersetzers

Vorwort 1883

1. Frischer Mut

2. Kükerüke

3. Der taube Mann

4. Die taube Frau

5. Der Rat des Prokurators

6. Guten Morgen, Herr Justizrat!

7. Eine Schlittenfahrt

8. Esben Aschenpuster

9. Der Freier

10. Der Mäusefänger

11. Der Pfarrer und der Küster

12. Ein sonderbarer Geselle

13. Graubein

14. Der Taubenbraten

15. Wer zuerst böse wird

16. Die alte Mette

17. Die Schneider auf dem Tisch

18. Der hinkende Schneider

19. Die Grabrede

20. Der goldene Vogel

21. Das Vogelnest

22. Der kleine Gaul

23. Glück und Verstand

24. Die Gesundheitsfrüchte

25. Die beiden Gauner

26. Geld macht alles möglich

27. Verloren und gefunden

28. Der Hinketeufel

Verzeichnis der Künstler

Vorwort des Übersetzers

Svend Hersleb Grundtvig (1824–1883) war nicht nur der Begründer der dänischen Volkskunde, er war auch ein hervorragender Erzähler, wovon die beiden zu seinen Lebzeiten von ihm herausgegebenen Hefte Danske Folkeæventyr (Dänische Volksmärchen) mit von ihm nacherzählten Geschichten aus seinen Sammlungen Zeugnis ablegen. Diese Märchen erschienen bereits 1878 und 1879 in deutschen Übersetzungen von Willibald Leo (d. i. Willibald Leo von Lütgendorff-Leinburg, 1856–1937) und Adolf Strodtmann (1829–1879).

Als Grundtvig im Jahre 1883 plötzlich und überraschend im Alter von 58 Jahren starb, steckte er mitten in der Arbeit an einem weiteren Märchenbuch. Die bis dahin fertiggestellten Texte wurden im folgenden Jahr postum veröffentlicht. (Mehr dazu im nachfolgenden Vorwort von 1883.) Diese Sammlung lag meines Wissens bisher nicht in deutscher Sprache vor; dem soll mit dieser Übersetzung abgeholfen werden. Lesern, die die in diesem Jahr ebenfalls bei BoD – Books on Demand erschienenen Volksmärchen aus Dänemark kennen, werden manche der Inhalte bekannt vorkommen: Dort waren die Märchen in der Form enthalten, wie sie gesammelt worden waren; im nunmehr vorgelegten Band stehen sie in einer gründlich bearbeiteten und damit in der Regel erheblich erweiterten Form als Nacherzählungen, wobei sie teilweise auch in ein ganz anderes Milieu verpflanzt worden sind.

Die von acht dänischen Künstlern geschaffenen Illustrationen sind 1:1 der Veröffentlichung von 1884 entnommen. Da die im Internet als Faksimile abgebildete Vorlage teilweise stark vergilbt war, sind in der Wiedergabe manche Stellen etwas vergraut. Einige Titelvignetten sind leicht bearbeitet: Da die z. T. darin eingearbeiteten Initialen in der Regel nicht zum deutschen Text passten, wurde versucht, sie zu entfernen, was nicht immer vollständig möglich war. Und wo eine Illustration Text enthielt, wurde auch dieser auf Deutsch übersetzt, konnte aber ja nicht in der Originalschrift wiedergegeben werden. Es wurde zwar versucht, eine Schrift zu finden, die dem Original möglichst ähnlich war, aber dennoch bleibt der neue Text optisch mehr oder weniger ein Fremdkörper.

Die Übersetzung bemüht sich um eine möglichst originalgetreue Wiedergabe, was den Wortsinn angeht; das bedingt gelegentlich eine erhebliche Abweichung vom Wortlaut, da idiomatische Wendungen, die scheinbar ungefähr deckungsgleich sind, in verschiedenen Sprachen bekanntlich ganz verschiedene Bedeutungen haben können.

Handewitt 2022

Klaus-Peter Asmussen

Vorwort 1883

Wenn dieses Büchlein, gedruckt nach einem von Svend Grundtvig hinterlassenen unvollendeten Manuskript, nun so lange nach seinem Tode unter seinem Namen hervortritt, mag eine kurze Erklärung für seine Herausgabe wohl nötig erscheinen.

Der Druck dieser Arbeit hatte bei seinem plötzlichen Fortgang schon begonnen, und von den Zeichnungen waren manche fertig, andere im Entstehen. Die Rücksichtnahme auf diese Bilder machte es besonders wünschenswert, dass das begonnene Vorhaben nicht aufgegeben würde. Auch meinte man, voraussetzen zu dürfen, dass es dänischen Lesern lieb wäre, diese letzte neue Sammlung von Svend Grundtvigs Märchen zu erhalten, wenngleich es ihm selbst nicht mehr gelungen war, sie zu vollenden, und das Buch deshalb möglicherweise in seiner verkürzten Form als Ganzes ein etwas verändertes Gepräge bekommen würde. Jemand anders die Ausführung seiner Arbeit nach dem ursprünglichen Plan zu überlassen, davon konnte nämlich nicht gut die Rede sein. Man zog es vor, das herauszugeben, was er selbst schon bearbeitet hatte. Erst im Sommer hatte er, nach einer Pause, die Arbeit mit einer Reihe kleiner Geschichten wieder aufgenommen, indem er sich darauf freute, wenn die Sommerferienzeit käme, – diese ungestörteste Arbeitszeit mit den langen, hellen, stillen Tagen – dann ein paar noch fehlende größere Märchen in Angriff zu nehmen; und es machte ihm Vergnügen an das hübsche künstlerische Gewand zu denken, in dem diese seine lieben Volksmärchen sich vor der Welt zeigen würden. Er war nun in diese Arbeit vertieft und gerade mit einem sehr großen Märchen beschäftigt – dem, das H. C. Andersen unter dem Namen „Der Reisekamerad“ aufführt –, das er in 27 dänischen Aufzeichnungen vorliegen hatte, außer den vielen Darstellungen des gleichen oder eines ähnlichen Themas aus der Volksdichtung anderer Länder. Die Ausarbeitung hatte bereits begonnen, – da wurde er von all seiner Tätigkeit abberufen. Sein Tagwerk war beendet, und dieses unvollendete Märchen wurde seine letzte Arbeit.

Ein Bruchstück hier mitzuteilen, ging nicht an. Man ließ es also liegen. Dagegen hat man, mit Rücksicht auf den passenden Umfang des Buches, auf Wunsch des Verlegers zwei Geschichten aus seinen Sammlungen hinzugefügt, nämlich: „Glück und Verstand“ und „Geld macht alles möglich“. Diese zwei sind also die einzigen, die Svend Grundtvig nicht selbst ausgearbeitet hat. Für ihre Nacherzählung trägt er selbstverständlich keine Verantwortung. Da er selbst nicht mehr letzte Hand an das Werk legen konnte, so sind während der Drucklegung solche kleinen behutsamen Änderungen im Stil vorgenommen worden, von denen angenommen werden konnte, dass er sie selbst vorgenommen haben würde im Hinblick darauf, was für ihn eine Hauptsache bedeutete und was er selbst ausgesprochen hat in den vorne unter seinem Bild angeführten Verszeilen, immer die Erzählung so „rein und klar“ wie möglich zu gestalten.

Dieses Bild von Svend Grundtvig gibt ein Ölgemälde von Constantin Hansen aus dem Frühjahr 1872 wieder.

L. Gr.1

Nov. 1883.

1 D. i. Laura Grundtvig, Svend Grundtvigs Witwe. (Anm. d. Übs.)

Frischer Mut

Es waren einmal ein paar Leute, die hatten einen einzigen Sohn, und der hieß Hans. Da ging es mit ihm, wie es so oft mit Einzelkindern geht, dass er von Klein auf tüchtig verhätschelt wurde: Er konnte tun und lassen, was er selbst wollte, und lernte nicht zu gehorchen. Ein wilder Bursche war er von der Wiege an, und je größer er wurde, desto schlimmer wurde es mit der Wildheit. Nie war ein Baum zu hoch, als dass Hans in den Wipfel hinaufmusste, und nie war ein Haus zu hoch, als dass er hinauf und den First entlangrennen musste.

Lesen und etwas lernen, dazu hatte Hans nie sonderliche Lust; aber es saß eigentlich ein guter Kopf auf ihm, so dass er alles, was er hörte oder sah, sogleich verstand; aber er hatte nie etwas anderes im Kopf als Narrenpossen, und die Schelmenstücke, die er sich einfallen ließ, nahmen kein Ende. Sein bester Spaß war Leute erschrecken und anderen Angst einjagen; aber selbst fürchtete er sich vor nichts auf der Welt, weder vor Tieren noch Menschen.

Als Hans nun heranwuchs und bald ein ganzer Kerl werden konnte, da meinten seine Eltern doch, es wäre an der Zeit, dass er ein wenig gezähmt würde; und obgleich es seiner Mutter dabei sehr weh ums Herz war, brachte sein Vater ihn hin zum Küster und bat diesen, den Jungen ins Haus zu nehmen und es weder an Hieben noch an Scheltworten fehlen zu lassen, um ihm Manieren beizubringen. Das Allerwichtigste, meinte der

Vater, das sei, ob der Küster ihm einen Schrecken einjagen könne, dass es doch etwas gäbe, wovor er Angst hätte; sonst würde es ihm ganz schlecht ergehen, wenn er groß würde und in die Welt hinausmüsse. – Ja, das, meinte der Küster ja schon, könnte er ihm beibringen.

Dann am Vorabend eines Feiertages sagte der Küster zu Hans: „Nun hat dieses Schwein von einem Glöckner sich wieder vollgesoffen und vergessen, die Kirchenglocke zu läuten. Da musst du hingehen und es tun; da hast du acht Schilling dafür.“ – „Jawohl“, sagte Hans, er war sogleich bereit, und er los bei Nacht und Nebel über den Kirchhof und in den Turm hinauf; er fand, das sei ein reines Vergnügen, und er läutete aus Leibeskräften, dass es über sieben Kirchspiele zu hören war.

Als Hans fertig war und vom Turm herunter sollte, da stand da ein langes weißes Gespenst auf der Treppe und versperrte ihm den Weg. „Bist du lebendig, dann sprich! Bist du tot, dann scher dich weg!“, sagte Hans. Aber das Gespenst bewegte sich nicht, es blieb stehen und drohte ihm. Da rannte Hans darauf zu und warf es um, dass es die Wendeltreppe hinunterrollte. Dort ließ Hans es liegen, und dann ging er nach Hause in die Küsterstube und tat, als ob nichts wäre.

„Bist du niemandem begegnet?“, fragte die Küsterfrau. „Doch“, sagte Hans, „da war ein langes weißes Gespenst, das wollte mich wegjagen; das hab’ ich umgerannt, dass es alle Treppen hinunterkullerte.“ – „Wenn es nur nicht zu Schaden gekommen ist!“, sagte die Küsterfrau. „Das ist mir egal“, sagte Hans. Die Küsterfrau bettelte und bat ihn, doch mit ihr hinüber in die Kirche zu kommen, um nach ihm zu sehen. Das fiel ihr schwer, so leid wie ihr das Gespenst tat. Hans war sehr willig, und so gingen sie gemeinsam auf den Kirchhof, und als sie zum Turm kamen, da lag der Küster ja dort unterhalb der Treppe, er hatte sich im Fallen ein Bein gebrochen, und dort lag das weiße Laken, das er um sich gehabt hatte, um dem Jungen einen Schrecken einzujagen. Darin hoben sie ihn auf, und sie trugen ihn nach Hause und brachten ihn zu Bett; aber von dieser Reise musste der Küster sein ganzes Leben lang humpeln.

Nun wollte der Küster nichts mehr mit Hans zu schaffen haben; er musste wieder nach Hause zu seinen Eltern; aber nun war sein Vater gründlich böse und schalt ihn heftig ob seiner

Ungezogenheit. Er wollte ihn nicht im Hause haben; sondern am Tag darauf ging er zum Pfarrer und bat ihn, Hans ins Haus zu nehmen, er wolle ihn gut dafür bezahlen, wenn er diesem Bengel einen Schrecken einjagen könne; das, meinte der Vater, hätte er am allernötigsten. – „Ja, lass’ den Jungen nur kommen!“, sagte der Pfarrer, „ich werde ihm die Keckheit schon austreiben.“ So kam Hans also zum Pfarrer.

Es war nun an einem Sonnabendabend gegen Mitternacht, da rief der Pfarrer Hans und sagte zu ihm: „Hör mal, mein Sohn! Ich habe meine Bibel oben in der Kirche vergessen, dort liegt sie auf dem Altar, und ich brauche sie gleich morgen früh. Springe hinauf und hole sie mir! Da hast du zwölf Schilling für deine Mühe.“

Ja, Hans war sogleich auf den Beinen; er bekam den Kirchenschlüssel mit, er ging hinauf über den Kirchhof, schloss auf und ging in die Kirche, und er fand richtig den Weg durch das Kirchenschiff und geradewegs hinauf zum Altar. Dort stand ein großer schwarzer Mann und las in dem Buch; er konnte wohl im Dunkeln lesen, denn seine Augen waren rot wie Feuerflammen. „Mit Verlaub“, sagte Hans, dann schnappte er ihm das Buch aus der Hand, und dann ging er ganz geruhig den gleichen Weg zurück, verschloss die Kirchentür hinter sich und brachte dem Pfarrer das Buch und den Schlüssel.

„Hast du nichts Sonderbares gesehen?“, fragte der Pfarrer. „Nein“, sagte Hans, – „doch, das ist auch wahr: Da stand ein langer Schwarzer und las in dem Buch des Herrn Pfarrer; da sagte ich: Mit Verlaub, und dann nahm ich es ihm ab.“ – „Hattest du keine Angst?“, fragte der Pfarrer. „Nein“, sagte Hans, „ich weiß gar nicht, was das ist.“ – „Ja, dann geh du nur nach Hause zu deinen Eltern!“, sagte der Pfarrer, „dir kann ich nichts beibringen.“

Da ging Hans nach Hause und erzählte das Ganze, wie es zugegangen war. Da wurde sein Vater wie rasend: Einen solchen gottvergessenen Kerl wollte er nicht im Haus haben, der sich weder vor Toten noch vor Lebenden fürchtete. Er hätte ihn am liebsten auf der Stelle hinausgejagt; da musste seine Mutter flehen und bitten, dass er doch zumindest über Nacht im Haus bleiben durfte.

Am nächsten Morgen jagte der Vater Hans hinaus in die weite Welt, und die Mutter musste sogar ganz verstohlen zu Werke gehen, ihm einen Proviantbeutel mitzugeben. Sie ging mit ihm bis vor das Tor, küsste ihn und weinte und sagte: „Der liebe Gott halte seine Hand über dich, mein armer Junge!“

Hans trabte nun den ganzen langen Tag immer die Landstraße entlang. Wenn er zu Hause nicht sein durfte, fand er, war es das beste, möglichst weit fortzukommen. Gegen Abend war er dann erschöpft und müde, und da er just direkt vor einen Kirchhof gekommen war, da ging er dort hinein und legte sich in das hohe Gras innerhalb des Umfassungswalls, und dort fiel er sofort in einen sanften Schlaf.

Während der Nacht erwachte Hans, das kam wohl von der Nachtkälte; da stand er auf, schlug sich mit den Armen um den Oberkörper und stampfte mit den Beinen und lief einmal um den Kirchhof, dass Wärme in seine Glieder kam. Dann setzte er sich auf ein Grab, holte seinen Proviantbeutel vor und aß einen Bissen. Da sah er nicht weit von sich vier schwarze Kerle um einen Grabstein sitzen und Karten spielen. Dann hörte er sie sagen, dass einer von ihnen all sein Geld verloren habe und ausscheiden müsse. Da fiel Hans ein, dass er seine zwanzig Schilling in der Tasche hatte, und er ging hin zu ihnen und sagte, er wolle gerne vierter Mann sein. Sie machten Platz für ihn, und er setzte sich zwischen sie und gab Karten und spielte eine Weile mit ihnen. Es war kein großes Geld, um das sie spielten, aber Hans gewann doch zwanzig Schilling von ihnen. Da sagte der eine von ihnen:

„Nun kräht der Hahn, der rote,

zur Erde müssen alle Toten.“

Kurz darauf sagte der zweite:

„Nun kräht der Hahn, der weiße,

zur Erde müssen alle nun schreiten.“

Und kurz darauf sagte der dritte:

„Nun kräht der Hahn, der schwarze,

nun schließen sich alle Tore.“2

Und im gleichen Augenblick sprangen sie auf und wollten fort. – „Nein, stopp!“, sagte Hans, „gebt mir erst meine zwanzig Schilling, die ich gewonnen hab’!“ Da gaben sie ihm ein paar Schillinge; aber die waren Hans unbekannt, das war sonderbares altes Geld, und ganz voll Grünspan war es. „Nein danke!“, sagte Hans, „die kann ich nicht gebrauchen; gebt mir solche ordentlichen zwanzig Schillinge wie die, die ich eingesetzt habe!“ Aber die Schwarzen schüttelten die Köpfe, dass alle Zähne klapperten, und dann wollten sie fort. „O, ihr seid ein paar richtige Betrüger“, sagte Hans, und dann schlug auf sie ein, dass die Totenköpfe auf dem Boden entlangrollten. Sie beeilten sich, sie wieder aufzusammeln und aufzusetzen, wie man sonst seinen Hut aufsetzt, und dann machten sie sich davon, so schnell sie konnten.

Hans stand noch und schalt hinter ihnen her, da stand ein alter Mann vor ihm, der hatte einen langen weißen Bart und war im Übrigen eingehüllt in einen weiten Kapuzenmantel, als ob es ein Leichentuch sein könnte. „Warum schlägst du meine Jungs?“, sagte er. – „Weil sie mich betrogen haben“, sagte Hans, „und mir falsches Geld gegeben haben.“ – „Du bist wohl nicht ängstlich“, sagte der Mann. Nein, so etwas kannte Hans nicht. „Deshalb gefällst du mir“, sagte der Alte. „Wer bist du denn?“, fragte Hans. „Ich bin der Tod“, sagte der Mann. „Ach, das bist du?“, sagte Hans, „kannst du mir dann nicht meine zwanzig Schilling geben, um die deine Jungs mich betrogen haben?“ – „Nein“, sagte der Tod, „sie haben dir geboten, was sie hatten; anderes Geld haben wir hier nicht. Wir haben nur das, was den Toten mit ins Grab gegeben wurde, und diese Sitte ist nun schon vor langer Zeit außer Gebrauch gekommen. – Aber du bist ein fixer Bursche, und wenn du Lust hast, mich besuchen zu kommen, dann habe ich wohl etwas anderes, was dir nützlicher sein kann als die zwanzig Schilling.“ – „Ja, wo wohnst du denn?“, sagte Hans. „Gleich östlich der Kirche“, sagte der Tod; „da, wo es aus der Erde heraufleuchtet, da musst du hinein. Komm dann nächste Mitternacht!“ Ja, das versprach Hans, und dann schied der Tod von ihm.

Diesen Tag verbrachte Hans damit, Nüsse zu pflücken, und als es Mitternacht wurde, ging er wieder auf den Kirchhof. Im Osten der Kirche fand er ein offenes Grab, aus dem ein Lichtschein heraufleuchtete. „Hier muss es sein“, dachte Hans. Aber da war kein ordentlicher Niedergang, nur ein senkrechtes, tiefes Loch. Da nahm Hans den Brandhaken, der an der Kirchenmauer hing, und schleppte ihn zum Loch, um die Tiefe zu messen. Aber mit dem Brandhaken war kein Boden zu finden. „Man muss sich helfen, so gut man kann“, sagte Hans, dann legte er den Brandhaken quer über das Loch, und dann ging er hin und holte den Glockenstrang vom Turm und die Kirchenleiter von der Mauer; das eine Ende des Strangs machte er gut am Brandhaken fest, das andere Ende an der Leiter, und dann ließ er die Leiter ins Loch hinunter. Aber da war immer noch kein Boden zu spüren. „Ja, das hilft ja nicht“, dachte Hans, „das hier muss ja der rechte Weg sein, und was man versprochen hat, das muss man halten.“ Dann glitt er am Tau hinab, und darauf ging er die Leiter hinunter, so weit sie reichte, und dann hängte er sich mit den Händen an die unterste Sprosse und suchte nach festem Grund; aber da war immer noch nichts. Da ließ er sich fallen, das war noch ein gutes Stück; aber er fiel ganz weich auf eine schöne grüne Wiese hinunter. Dort sah er eine Tür gerade vor sich, aus der das Licht hervorschien, und dort ging er hinein, und ganz richtig: Dort stand sein alter Freund vom Vorabend und hieß ihn willkommen.

In dem Zimmer, in das er zuerst hineinkam, da brannten Kerzen ringsum an allen Wänden. Von dort führte der Tod ihn in einen größeren Saal, der auch ganz von brennenden Kerzen umgeben war; und von dort gelangten sie in einen ungeheuer großen Raum, so hoch und so lang wie ein Dom, und dort brannten viele tausend Kerzen oben und unten, so dass es dort drinnen ebenso hell war wie am helllichten Tag. Da waren Kerzen aller Art und in allen Größen. Manche waren so groß wie Kirchenlichter, andere waren mittelgroß, und andere waren ganz klein, wie die, die man an Weihnachtsbäumen hat. Manche Kerzen waren aus Wachs, andere waren ganz einfache Talglichter. Manche loderten hoch auf und brannten schnell, andere hatten nur eine ganz kleine Schnuppe und brannten schwach, aber ruhig. Manche waren noch wie ganz und frisch angezündet; aber andere brannten schon ganz unten in den Leuchtern und waren kurz davor auszubrennen.

„Warum brennst du hier so viele Kerzen?“, fragte Hans. „Nun ja“, sagte der Tod, „das gehört mit zu meinem Beruf, denn das sind die Lebenslichter aller Menschen; und für jedes davon, das ausgebrannt ist, habe ich einen Menschen zu holen. – Da sind alle Arten, wie du siehst: Manche sind groß und manche sind klein; manche sind noch lang, die gehören denen, die noch ein langes Leben vor sich haben; manche sind bald ausgebrannt, mit denen ist es bald aus. Aber mit allen nimmt es doch ein Ende.“

Da bat Hans ihn, ihm die Lebenslichter seiner Eltern zu zeigen. Das tat der Tod auch: Da war das Licht des Vaters noch lang, doch von dem der Mutter war nur noch sehr wenig übrig. Da bat Hans flehentlich, ob er nicht die beiden Lichter vertauschen dürfe; und dazu erhielt er auch die Erlaubnis. „Aber wo ist mein Licht?“, fragte Hans. „Das brennt da hoch oben“, sagte der Tod, und dann zeigte er es Hans. Es war ein großes und stattliches Licht, eins der allerschönsten, die dort waren, so dass Hans mit dem ganz zufrieden war.

„Nun solltest du ja etwas für deine zwanzig Schilling haben“, sagte der Tod. Dann ging er hin zu einem leeren Leuchter, wo das Licht ganz ausgebrannt und erloschen war, so dass nur noch ein kleines bisschen geschmolzenes Wachs darin übrig war. „Das war ein großes Licht“, sagte der Tod, „und es ist ganz ausgebrannt im Dienste Gottes. Deshalb steckt viel Kraft in dem Bisschen Wachs.“ Und dann erzählte er Hans, in einem Königreich in weiter Ferne sei ein König, der seit vielen Jahren von Lähmung befallen sei; und demjenigen, der ihn heilen könne, habe er seine Tochter und das halbe Reich sofort und das ganze nach seinem Tode ausgelobt. „Dort musst du hinreisen“, sagte der Tod, „und am Königshof in Dienst gehen, wo immer du kannst. Da wird dir auferlegt werden, dass du niemals den König nennen darfst; denn er hat das Gesetz erlassen, dass derjenige, der das tut, entweder ihn heilen oder sein Leben verlieren muss. Du musst dann den König nennen und es so einrichten, dass er es hören muss, so dass du Zugang zu ihm bekommst. Das Wachs, das ich dir hier gebe, das kann ihn heilen. Aber du musst so vorsichtig sein, zunächst nur seinen rechten Arm zu heilen und es dir dann schriftlich geben zu lassen, was du dafür haben sollst, dass du ihn ganz heilst. Sonst könntest du leicht hereingelegt werden und nicht bekommen, was ausgelobt ist. – Verwahre es nun gut; und dann leb’ wohl einstweilen!“, sagte der Tod; „du kannst übrigens leichter hinauskommen als du hereingekommen bist.“ Und dann führte der Tod Hans hinauf auf die oberste Galerie und ließ ihn aus einer dort befindlichen Tür hinaus; da stand Hans draußen auf dem Kirchhof, und im gleichen Augenblick ging die Sonne auf.

Hans begab sich da auf die Reise und fragte sich durch wegen des Weges in das Königreich. Ja, das sei noch weit, sagte man; aber er wanderte weiter Tag für Tag, und jeden Abend erbettelte er sich etwas zu essen und ein Nachtlager bei guten Menschen, und so ging es lange Zeit, bis er eines Abends an eine Mühle kam. Dort ging er hinein und fragte, ob sie einem armen Burschen etwas zu leben geben würden und die Erlaubnis, dort zu übernachten. „Ja“, sagte der Müller, „eine Mahlzeit zu essen kannst du wohl bekommen; aber ein Obdach können wir dir hier nicht geben; denn wir können kaum die unterbringen, die wir müssen.“ Und dann erzählte er, dass dort ein alter Gutshof in der Nähe liege, wo es dermaßen spuke, dass die Leute sich dort nur bei Tage aufhalten könnten: Jede Nacht kämen sie und schliefen bei den Müllersleuten, so dass er dann das Haus voll habe. „Dann könnte ich ja vielleicht die Erlaubnis bekommen, oben auf dem Hof zu übernachten“, sagte Hans, „dort muss dann ja reichlich Platz sein, und Spukerei bin ich gewohnt, das macht mir nichts aus.“

Da kamen gerade die Herrschaften vom Hof angefahren, und als gemeldet wurde, dass da ein armer Wanderer sei, der dort gerne Obdach suchen wolle, da war da auch nichts im Weg, wenn er es auf eigene Gefahr tun wollte. „Und es ist vollauf zu essen und zu trinken dort oben“, sagte der Gutsherr, „davon kannst du nehmen, was du willst.“ – „Ja, dann sage ich vielen Dank“, sagte Hans, und dann wollte er gleich los. – „Na“, sagte da einer von den Müllerknechten zu einem der Leute vom Hof, „nun kannst du dann ja Gesellschaft bekommen. Du hast so oft damit geprahlt, dass du dich schon trauen würdest, auf dem Hof zu bleiben, wenn du nur einen mitbekommen könntest. Jetzt hast du hier die Gelegenheit.“ – „Ja“, sagte der Müller, „und dann könntest du dem Fremden den Weg zeigen.“ Da konnte der Knecht wegen der Schande ja nicht gut anders, als mit Hans dort hinaufzugehen, aber er war nicht begeistert; um die Wahrheit zu sagen, hatte er Angst wie ein Hase.

Sie kamen auf den Hof, das war ein großer und stattlicher Gutshof, und der Knecht zeigte den Weg hinauf in ein schönes großes Gästezimmer im oberen Stockwerk; dort standen zwei gemachte Betten, und ein großer Kamin war auch in der Kammer. Da sagte Hans: „Es könnte richtig guttun, hier Feuer zu machen. Du musst uns Feuerung besorgen.“ Das wollte der Knecht nur ungern. „Ja, dann zeig mir den Weg zum Feuerungshaus!“, sagte Hans; „das hast du doch übernommen, mich hier überall herumzuführen.“ Da schämte der Knecht sich und sagte, er würde schon Feuerung holen, und damit ging er. Doch er war sogleich verschwunden. „Nun ist er abgehauen, der Feigling“, dachte Hans; „ich muss wohl selbst zusehen, ob ich ein bisschen was finde, mich zu wärmen.“ Dann nahm er eine Kerze und ging über lange Flure und viele Treppen, bis er hinunterkam in die Küche; dort fand er dann so viel Feuerung, wie er brauchte, und trug sie hinauf und machte Feuer an, und als das im Kamin gut loderte, da zog er sich aus und legte sich in das eine Bett und fiel sogleich in einen sanften Schlaf.

Es dauerte jedoch nicht lange, da erwachte Hans von einem fürchterlichen Lärm. Es hörte sich an, als ob alle Türen auf dem Hof in einem fort aufgerissen und zugeknallt würden, und es heulte und pfiff in allen Schornsteinen und durch alle Flure, so etwas hatte er noch nie gehört, die Fenster klirrten, und es war, als ob das ganze Haus bebte. „Es ist wohl Sturm aufgekommen“, dachte Hans, „und nun hat dieser Feigling von Knecht vergessen, die Türen hinter sich zuzumachen.“ Da stand er auf und zog sich an und wollte hinaus, um die Türen zu schließen. Aber bevor er so weit kam, da sprang die Kammertür weit auf, und herein kamen vier große schwarze Katzen, die einen großen schwarzen Sarg trugen. Den stellten sie mitten in die Kammer, und als sie das getan hatten, da sprangen sie geradewegs in den Kamin, dass die Funken stoben, und dann hinauf durch den Schornstein, bis sie sich auf diesen obendrauf setzten und griesgrämig miauten, dass man kaum sein eigenes Wort verstehen konnte.

Nun musste Hans ja nachsehen, was in dem Sarg war. Ja, dort lag ein toter Mann, so steif und so kalt, wie ein Toter nur sein kann. Aber der Tote sprach und sagte: „Hu, wie mich friert! Hu, wie mich schaudert!“ – „Dann ist es am besten, du kommst her und wärmst dich ein wenig“, sagte Hans, und er nahm den Toten aus dem Sarg und setzte ihn aufrecht in einen Lehnstuhl gerade vor dem Kamin und schürte das Feuer, dass es hell aufloderte, und dann setzt er sich gegenüber in einen anderen Lehnstuhl. Dann etwas später begann der Tote gleichsam aufzutauen, und er reckte sich, und er streckte sich, und dann sagte er: „Was willst du hier?“ – „Ich?“, sagte Hans, „ich habe Schlaf und Ruhe nötig, denn ich bin auf einer langen Reise, und ich hätte gerne Ruhe gehabt, um heute Nacht hier zu schlafen. – Aber weswegen rumorst du