Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Dante ist schlau, vorwitzig und neugierig, soweit normal mit zehn Jahren. Was er aber in diesem alten Buchladen bei Magnus erlebt, übersteigt alles, was er je erlebt hat. Eigentlich wollte er sich doch nur einmal nach diesen alten Flaggen erkundigen, die er im Schaufenster gesehen hat. Willkommen zu einer Zeitreise, die Euch in die Welt der Fahnen und Symbole entführt.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 72
Veröffentlichungsjahr: 2021
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
gewidmet
meinem Enkel Dante
„Bleib so neugierig!“
Der alte Buchhändler
Der Union-Jack wird geboren
Not-Erklärung
Schwarz-Rot-Gold
Die Beichte
Die argentinische Sonne
Groß und weit ist Südamerika
Magnus macht sich auf den Weg
Wieder vereint
Magnus lernt das Reisen
Aus Versehen nach… Afrika
Die Zeitreise in der Zeitreise
Zurück in den Alltag
Aus dem Wohnzimmer dringt die routinierte Stimme des Nachrichtensprechers. Heilige Zeit bei Oma und Opa, die Tagesschau läuft. Dante kommt gerade von der Toilette und bleibt mit einem Mal gebannt stehen. Auf dem Bildschirm sieht er eine wütende Menge, die gerade eine amerikanische Flagge verbrennt. Die Gesichter sind vom Hass zu Fratzen verzerrt, es fallen Schüsse.
„Dante?“ Seine kleine Schwester Mati ruft ihn. Klar, sie heißt Matilda, aber fast alle Welt nennt sie nur Mati, außer Oma. „Komm, Du bist dran!“
Aber Dante sieht noch immer die Bilder der brennenden Fahne, spürt die Wut und fragt sich, was ist da passiert? Plötzlich steht Mati neben ihm. „Was ist, was guckst Du da?“ Doch schon flirrt ein anderes Thema über den Bildschirm. Da bemerkt ihr Opa, dass die Beiden ratlos in der Tür stehen?
„Hey, Ihr Beiden. Wollt Ihr mitschauen. Ich glaube, Ihr seid schon alt genug, um mit zu bekommen, was auf der Welt so passiert.“
Oh Mann, Opa, na klar ist er alt genug. 10 Jahre und schon in der fünften auf dem Gymmi…. Na ja Mati, die ist ja erst sieben aber schon ganz schön altklug. Opa klopft auf das Sofa, eine Einladung, dazu zu kommen.
„Hier stehen auch noch ein paar Haferkekse, Matilda, die magst Du doch so gerne“, lädt Oma ein. Na gut, denkt sich Dante, könnte ja vielleicht interessant werden. Währenddessen hat sich Mati schon zwei Kekse gesichert. Typisch.
Mittlerweile kreisen nur noch Tief- und Hochdruckgebiete über die Wetterkarte und versprechen, dass es morgen wieder mal regnet, danke schön!
„Du Opa, was war das da eben? Die haben doch die amerikanische Flagge verbrannt. Warum machen die das?“
Opa schaltet den Fernseher aus, seufzt einmal tief und versucht zu erklären: „Die USA, also die Vereinigten…“ „Opa!“ „Ja gut, also die USA haben seit Jahrzehnten einen tiefsitzenden Streit mit dem Land Iran. Die Ursachen liegen viele Jahrzehnte zurück, es sind zwei verschiedene Kulturen, zwei verschiedene Religionen und der Streit hat sehr viel mit Israel zu tun, Du weißt, der jüdische Staat, fast ein Nachbar vom Iran und umgeben von islamischen Staaten.“
„Ja, das weiß ich auch und die wollen Israel am besten weghaben, doch die lassen sich das nicht so einfach gefallen. Aber warum verbrennen sie die Amerikanische Fahne? Das kann denen in den USA doch egal sein. Ist das nicht Kinderkram?“
„Heieiei, ist mein großer Enkel wieder schlau.“
„Du willst mich veräppeln!“
„Nein, wirklich. Im Großen und Ganzen hast Du ja Recht. Aber wie immer im Leben ist es viel komplizierter. Aber zu Deiner eigentlichen Frage, warum sie die Flagge verbrennen. Flaggen repräsentieren die Identität eines Staates. Das jeweilige Symbol hat etwas ganz Bestimmtes zu bedeuten. Manche Menschen interessiert das nicht, aber viele sehen das als etwas sehr Persönliches an. Sie identifizieren sich mit Ihrer Landesflagge“
„Dann ist das Verbrennen der Fahne also wie eine persönliche Beleidigung.“
„Genau. Wenn so etwas über alle Kanäle läuft, über Facebook, Twitter oder die Nachrichten, dann kann alle Welt sehen: Seht her, wir zertrampeln Euer stolzes Staatssymbol.“
„Aber das ist doch verrückt, wenn man sich wegen so etwas provozieren lässt.“
„Da bist Du aber vernünftiger als mancher Erwachsener. Trotzdem ist es eine Provokation, weil die Staaten sich im Idealfall gegenseitig respektieren.“
„Und wie kommen diese Symbole zustande?“ Doch bevor Opa antworten kann, klingelt sein Smartphone, Mama ist dran, sich erkundigen, ob alles rund läuft beim Großelternwochenende. Als ob sie noch Babys wären.
Zurück zu Hause, am Montag, schlendert Dante von der Schule zurück. Gerade passiert er den alten muffigen Buchladen, dessen Schaufenster so spannend ist, wie eine Geschichtsstunde bei Frau Grönert. Doch im Vorbeigehen sieht er eine Art Regenschirmständer, indem einige verstaubte Flaggen stehen. Schlagartig erinnert er sich an die Sache mit der Fahnenverbrennung. Nach kurzem Zögern öffnet er die quietschende Holztür des Ladens. Ein heiseres Bimmeln erschreckt den schon alten Besitzer. Es ist dunkel im kleinen Verkaufsraum, es riecht nach feuchtem Teppich und ausgeschütteltem Staubtuch. Nachdem sich seine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt haben, steht er einem Männlein, nicht viel größer als er selbst, gegenüber. Seine weißgelben Haare stehen wie eine Girlande um seinen glatten Kopf und aus kreisrunden Brillengläsern blicken ihm zwei kleine, aber stechende Augen entgegen.
„Na junger Mann, haste Dich verirrt? Compuuterspiele gibt´s hier nicht und auch keine Handykarten.“ Dann kneift er die Lippen zu einem einzigen Schluss-Strich zusammen, als ob er ihn gleich hinausbugsieren will.
Dante schluckt einmal kräftig den Anschiss des alten Mannes herunter und versucht es zaghaft: „Ich wollte eigentlich wegen der Flaggen fragen.“
„Was??“ Jetzt tut er auch noch, als wäre er schwerhörig.
„Die Ki-ste mit den Fah-nen!“, versucht Dante dem Alten mit lauter Stimme zu helfen.
„Glaubst Du, ich bin taub! Was willst Du Bengel, denn mit Fahnen. Bayern- oder Dortmund-Flaggen führe ich nicht, da musst Du ins Internet…“
„Nein“, wird Dante jetzt energisch, „Ich möchte mich nach Staatsflaggen erkundigen. Haben Sie ein Buch über die Herkunft, über den Sinn der jeweiligen Fahnen?“
Jetzt nimmt der Mann seine Brille ab, holt ein fast Bettlaken-großes Taschentuch aus seiner geräumigen Hosentasche und putzt sich demonstrativ langsam seine dicken Brillengläser. Glitzernde Staubkörner tanzen währenddessen zwischen ihm und dem Schaufenster in der Luft, als wollten sie sich lustig machen über den alten Greis.
„Soso, Du willst also tatsächlich etwas über die Welt der Fahnen und Staatssymbole wissen. Na gut. Das ist etwas anderes. Komm mal mit. Ich hoffe, Du hast viel, viel Zeit mitgebracht.“
Mit einem Mal kommt es Dante so vor, als sollte er sich das noch mal überlegen, diesem wunderlichen Gesellen zu folgen. Doch seine Neugier überwiegt. Hinten im dunklen Ende des Raumes öffnet sich ein Buchregal wie eine Zaubertür und dahinter erscheint ein noch düsterer Raum. Die altersschwache Deckenlampe, die durch den Schalter zu Leben erweckt wird, glimmt gerade wie ein Kerzchen. Doch erkennt Dante nun weitere Vitrinen und darin aufgereiht, wie eine Fußball-Nationalmannschaft, lauter bunte Fahnen.
„Wow, was ist das denn?“, entfährt es ihm und da sieht er den Alten das erste Mal dünn lächeln.
„Ist es das, was Du suchst, kleiner Mann?“
Dante ist im ersten Moment sprachlos. Was soll er jetzt machen, was fragen?
„Hier kennst Du diese hier? Die ist etwas ganz Besonderes. Warte ich zeige sie Dir. Aber Vorsicht. Bevor Du sie berührst, muss ich Dir noch etwas erklären…“
Dante steht da mit offenem Mund, sieht dieses Prachtexemplar einer Flagge aus roten, blauen, weißen Quer-, Hochkant- und Diagonallinien. Sie kommt ihm nach Öffnen der Vitrinen-Tür noch größer und prächtiger vor. Vergessend was der Alte eben gesagt hat, fährt seine Hand zum seidigen Stoff und…
…es wird ihm schwarz vor Augen.
Etwas Staubtrockenes benetzt seinen Mund. Der plötzlich einsetzende Husten steigert sich zum Würgereiz. Im Erwachen bemerkt er, dass sein Gesicht im Dreck liegt. Hastig springt er auf, torkelt zunächst und sieht alles um sich verschwommen, wie durch die Brille dieses alten…. Da war doch was? War er nicht eben gerade in diesem Buchladen? Und jetzt? Ist er entführt worden?
Papa! Mama! Er muss Bescheid sagen. Langsam klart sein Blick auf und er schaut auf eine Landschaft aus hunderten von Grüntönen. Saftige Wiesen und Weiden stehen hügelweise bis zum Horizont. Dazwischen schlängelt sich der staubige Feldweg bis er nur noch eine dünne feine Linie ist. Am Ende des Grüns schimmert ein silbriger Streifen, aus der Ferne erklingt Möwengelächter, da hinten muss das Meer sein. Aber welches?
Plötzlich wird ihm klar, dass er ziemlich weit weg von zu Hause sein muss. Und weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen. Nur Schafe weiden friedlich. Unendlich viel Schafe. Gibt es denn hier keine Schäfer, keine Hirtenhunde? Allmählich wird ihm mulmig. Oder träumt er nur? Ein kräftiger Kniff in den Oberarm, nichts passiert.
Weit hinter ihm pudert sich eine Staubwolke auf, von dort hört er Hufgetrappel. Eine kastenförmige Kutsche mit zwei grobschlächtigen Pferden kommt immer näher. Reflexhaft duckt er sich neben die Büsche, die aber keinen Schutz bieten. Kurz vor ihm ertönt ein tiefbrummendes Brrrrh! Ein vierschrötiger Kerl mit schielenden Augen und einem verstaubten Dreispitzhut auf dem Kopf schaut ihn durchdringend an. Sein rötlicher Bart bewegt sich wie von selbst durch das unappetitliche Schmatzen von Kautabak. Dann spuckt der Fremde seinen Rotz direkt neben ihm auf den Boden. Dante versucht seinen Rücken tapfer durchzudrücken. Das alles muss ein Traum sein, es wird ihm schon nichts passieren.