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Die 11-jährige Johanna, die alle nur Jo-Jo nennen, muss sich in ihrer neuen Heimat an der Nordseeküste erst zurechtfinden. Da begegnet sie am Strand einer seltsamen, sprechenden Schildkröte, die sie um Hilfe bittet. Nicht nur, dass sie das Meer vor Umweltsünden retten soll, dazu verwandelt sie sich auch gleich in ein Schildkröte-Mensch-Mischwesen, also in Sea-Girl. Wie soll sie das ihrer Familie oder in der Schule erklären? Doch die Ereignisse überschlagen sich, gefährliche Missionen lassen keine Zeit zum Erklären. Eine Abenteuergeschichte über Fantasie, Vertrauen und Freundschaft.
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Seitenzahl: 77
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Für Johanna, meine Nachbarin,
die so gerne Kirschen isst.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Jo-Jo ist sauer. Das Problem ist nur, sie weiß nicht auf wen. Klar, Mama und Papa sind schuld, eigentlich. Naja, das stimmt nicht so ganz, denn die können auch nichts dafür. Schließlich weiß Johanna, so heißt Jo-Jo eigentlich, mit elf Jahren ziemlich genau, dass Erwachsene manchmal die Arbeitsstelle wechseln müssen. Und das gleich im Doppelpack – Mama und Papa.
Toll! Gerade hatte sie sich an ihre neue Klasse im Gymmi gewöhnt, neue Freundinnen gefunden und auch noch Lars…, naja das ist jetzt kein Thema mehr.
Jetzt steht sie an diesem Strand. Kalter Märzwind stichelt in ihrem Gesicht herum, trotz dickem Schal. Weht ihr schulterlanges braunes Haar wild durcheinander. Nordsee. Warum musste es die „Nordsee“ sein. Langweilig und kalt – jetzt wenigstens – und weit und breit keine coole Stadt. Okay, wer Büsum cool findet, war halt noch nicht in Koblenz. Vor ihr liegt eine graugrüne dahinwogende Suppe. Vorne glucksen braune Tangfäden vor sich hin, weiter hinten kann sich die Nordsee nicht entscheiden, wo sie aufhört und wo der graue Himmel anfängt. Und regelmäßig verschwindet hier das dumme Meer ganz, dann ist nur noch Schlamm da, eklig. Ebbe und Flut – wie toll.
Eigentlich will sie nur eines: zurück nach Hause. In ihre schöne blaue Villa, wie sie ihr früheres Haus gerne nennt. In dieses kleine Dorf zwischen Rheinland und Westerwald, wo alle sich kennen, zu Ihren Freunden.
An das neue Haus muss sie sich erst gewöhnen, auch wenn es ein fantastisches Strohdach hat. Reet nennt man das hier. Zum Meer ist es keine Viertelstunde zu Fuß und das Zimmer unterm Dach ist fast so schön…, beinahe kommen ihr die Tränen. Aber es hat nicht diesen Königinnenplatz. Die große Terrasse, mit der man fast über die ganze Welt sehen konnte. Nun ja, wenigstens aber die fernen Wälder und die Bisonherde. So muss es früher mal gewesen sein, in märchenhaften Königreichen. Aber auch das ist Geschichte. Träumereien, fantastische Wesen, Heldinnen, so was gibt´s wohl doch nicht, heute und mit elf Jahren. Und schon gar nicht hier.
Langsam wird ihr kalt, der Märzabend kommt früh, es dämmert, sie sollte zurück zum Abendessen. Da entdeckt sie plötzlich am Ufer einen großen Körper, etwas größer als ein Basketball, aber flacher. An den Rändern paddeln… Beine?
Ist das etwa eine Schildkröte?
Arne hat sich schnell zurechtgefunden. In seiner Klasse gibt es Björn und der hat ihn unter seine Fittiche genommen. Besser so. Björn gehört zu den Jungs, die man entweder auf seiner Seite hat oder zum Feind. Einen halben Kopf größer als Arne und ziemlich kräftig. Er hat in der Schule schon eine Ehrenrunde gedreht und ist zehn Jahre alt, ein Jahr älter als Arne. Woran es lag, dass die Beiden sich gleich verstanden? Vielleicht der verschmitzte Blick? Oder die schulterlangen Haare, Arne in dunkelblond und Björn in wikingerrot? Vielleicht ist es, weil Arne eher der lustige gelassene Typ ist, der nicht gleich rotsieht, wenn ihm einer dummkommt, sondern entspannt kontert. Beim ersten Zusammenprall der Beiden lief Björn tatsächlich rot an und ballte schon seine Fäuste, doch Arne konterte nur gelassen: „Coole Farbe, passt zu Deinen Haaren.“
Für einen Moment war es still und irgendwie standen plötzlich gefühlt zwanzig Mitschüler um sie herum. Es knisterte. Dann antwortete Björn:
„Das musst Du gerade sagen, Du bleiche Nudel“, legte den Arm um seine Schulter und ging Richtung Bank. Von da an gab es Frieden zwischen den Beiden.
Arne ist Jo-Jos Bruder. Auch er vermisst sein ehemaliges zuhause. Aber er findet es hier oben am Meer schon spannend. Da gibt es eine Menge Orte mit Abenteuerpotenzial: die verlassenen Fischerhütten mit verrotteten Seilen und Netzen. Der Durchschlupf liegt hinter einem Holunderbusch, also aktuell etwas riskant. Dann im Schilfgürtel etwas abseits des Hafens ein verrostetes Ruderboot an einem wackeligen Steg. Das hat sich Arne nur mit Björn getraut, es loszubinden und damit einfach los zu rudern. Gerade aber sitzt er in seinem neuen Zimmer mit Blick auf das Meer, das mal da ist und dann wieder nicht. Ebbe und Flut, hat er ja schon in der Schule gelernt. Aber so in echt und jeden Tag ist das schon krass.
„Arne, kommst Du essen?“ Seine Mama. Aber wo ist Jo-Jo nur wieder. Seit sie nach Weihnachten hier hingezogen sind, ist sie komisch geworden. Arne konnte immer gut mit ihr über alles quatschen, mit seiner großen Schwester. Sie hat Heimweh, noch mehr als er, soviel ist klar.
Als ob seine Mama Gedanken lesen kann, fragt sie: „Sag mal, weißt Du wo Jo-Jo ist, es wird schon dunkel.
„Mama, sie ist elf Jahre alt!“
„Oh, na dann, wenn sie schon elf Jahre ist“, und Mama dehnt die elf, als wäre es ein langes Segelschiff, „dann muss man sich ja keine Sorgen machen. Jetzt im Ernst, weißt Du vielleicht, wo sie stecken könnte?“
„Nö.“
Jo-Jo hockt sich vor das Tier. Tatsächlich eine Schildkröte. Und ganz schön groß. Da sieht sie es. Sie hat sich in ein dichtes Netz aus neongrünen Stricken verheddert. Wie kann das sein? Immer wieder schiebt das seltsame Wesen mit den Füßen ein Stück Seil weg, aber vergeblich. Währenddessen rattern in Jo-Jo die Gedanken. So eine Schildkröte kennt sie doch aus der einen Natur-Doku. Ka-, Kadett-, nein Karett-Schildkröte. Die lebt doch in warmen Meeren, Karibik und so, vielleicht noch in Spanien, aber hier? Dann der andere Gedanke: Ich muss ihr helfen. Vorsichtig – vielleicht kann sie ja beißen – versucht Jo-Jo einen Teil des Geflechts zu fassen und von dem Tier zu lösen. Ach, es ist verzwickt, wie bei der Lichterkette zu Weihnachten. Ziehst Du hier, bildet sich dort ein neuer Knoten. Außerdem wird es immer dunkler.
„Ach Du Sch…,“ fällt ihr dann als drittes ein, „ich muss nach Hause, es ist schon fast dunkel, aber die Schildkröte“. Ihr wird ganz heiß, nein sie muss dieses Tier retten. Das kann sie dann zuhause erklären, aber jetzt…
„He, was machst Du da!“ Ein Lichtstrahl trifft sie, sodass sie nur die Stimme über sich hört. „So geht das nicht. Du bringst sie noch um!“
„Mach Du erst mal die Funzel aus, Du blendest mich, Blödmann!“
Der Lichtkegel leuchtet jetzt auf das verhedderte Wesen und Jo-Jo erkennt im Halbdunkel das Gesicht eines Jungen.
„Sagt wer“, fragt er mit herablassender Stimme, „und wegen Blödmann, soll ich Dich Tussi nennen oder hast Du einen Namen?“
Jo-Jo hat keinen Bock da unten vor diesem Typen zu hocken, sie erhebt sich und stellt sich genau vor den Jungen. Ups, er ist einen Kopf größer, egal.
„Ich bin Jo-Jo und Du? Wie heißt der Besserwisser.“
„Super, bei so vielen Namen brauche ich wohl keinen anderen mehr. Nein, im Ernst, ich bin Leif. Und wenn Du immer wieder an dem Geisternetz ziehst, dann schnürt es sich in das Fleisch und dann stirbt die garantiert.“
Im Halbdunkel sieht sie gerade noch ein schmales Gesicht und wild abstehende Haare. Er muss schon älter sein als sie. Seine Augen funkeln selbst in der Dämmerung.
„Geisternetz? Wieso nennst Du die Stricke Geisternetz?“
„Naja, weil die hier immer häufiger im Meer herumschwimmen. Fischernetze, abgerissen, morsch oder manchmal auch einfach so ins Meer geworfen, weil manche Fischer zu faul sind, sie vernünftig zu entsorgen. Aber komisch, das ist doch eine Karett-Schildkröte. Die gibt es höchstens mal in Frankreich, nicht hier. Noch nie eine bei uns entdeckt.“
„Du scheinst Dich wirklich auszukennen, Leif. Und was machen wir jetzt, Spezialist?“
„Na langsam werden Deine Namen für mich ja erträglicher.“ Plötzlich zückt er ein gewaltiges Messer und Jo-Jo zuckt panisch zusammen. Hier im Dunkeln, alleine mit diesem Typen, was ist das nur für eine ätzende Situation. Soll sie schreien? Würde sie jemand hören?
„He, was ist los. Du bist ja ganz blass. Das ist mein Fischmesser. Wir müssen die Schnüre vorsichtig durchschneiden. Nur so hat dieses hübsche Tier eine Chance. Wo wohl Deine Familie gerade ist?“, spricht er jetzt sanft zu dem gefangenen Tier.
Jo-Jo rutscht das Herz in die Hose und sie wird ganz rot. Gut, dass man das jetzt im Dämmerlicht nicht sieht. Mit ein paar schnellen Schnitten hat Leif das Tier befreit. Es schaut zu Jo-Jo hoch.
„Du ich muss los, meine Alten warten auf mich. Das ist nicht so spaßig, wenn ich zu spät bin. Man sieht sich… Jo-Jo.“
Und so schnell, wie er aufgetaucht ist, so schnell ist er auch wieder verschwunden, dieser Leif. Jo-Jo überlegt, ob sie die Schildkröte noch dichter ins Wasser schieben soll, da hört sie hinter den Dünen eine wohlbekannte Stimme. Ihr Papa.
„Jo-Jo! Jo-Jo, bist Du da am Wasser?“
So ein Mist. Jetzt hilft nur eines, die Wahrheit. „Ja, ich bin hier. Komm mal bitte, ich muss Dir was zeigen.“
Doch dann passiert etwas, dass ihr den Atem raubt.